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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Berufungskammer
Fallnummer:RR.2022.15
Datum:01.12.2022
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : FINMA; Beschuldigte; Recht; Zahlungsmittel; Token; Beschuldigten; Berufung; Bundes; Ausgabe; Urteil; Geschäft; Verfahren; Apos;; Täter; Bewilligung; VStrR; Verwaltung; FINMAG; Kammer; Finanzmarkt; Vorinstanz; Verfahren; Gericht; Finanzintermediär; Berufungskammer
Rechtskraft:Weiterzug
Rechtsnorm: Art. 1 StGB ; Art. 10 StGB ; Art. 10 StPO ; Art. 105 StGB ; Art. 12 StGB ; Art. 143 StPO ; Art. 2 StGB ; Art. 21 StPO ; Art. 305 StGB ; Art. 34 StGB ; Art. 350 StPO ; Art. 391 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 40 StGB ; Art. 417 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 422 StPO ; Art. 424 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 436 StPO ; Art. 44 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 48 BGG ; Art. 5 StGB ; Art. 98 StGB ;
Referenz BGE:104 IV 217; 129 IV 238; 129 IV 6; 130 IV 77; 132 I 49; 133 IV 222; 134 IV 60; 134 IV 82; 134 IV 97; 135 IV 12; 136 IV 55; 138 IV 130; 138 IV 13; 141 IV 279; 147 IV 505; 98 IV 293; ;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

CA.2022.10

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: CA.2022.10

Urteil vom 1. Dezember 2022 Berufungskammer

Besetzung

Richter Olivier Thormann, Vorsitzender,

Beatrice Kolvodouris Janett und Brigitte Stump Wendt

Gerichtsschreiberin Nathalie Hiltbrunner

Parteien

A., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Daniel S. Weber und Rechtsanwalt Michael Mráz,

Berufungsführer/Beschuldigter

gegen

1.       Eidgenössisches Finanzdepartement, Generalsekretariat EFD, Dr. Christian Heierli, Leiter Strafrechtsdienst,

Anschlussberufungsführerin

 

2.       Bundesanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwältin des Bundes Lucienne Fauquex,

Berufungsgegnerin

Gegenstand

Tätigkeit als Finanzintermediär ohne Bewilligung

(Art. 44 Abs. 1 FINMAG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GwG)

Berufung (vollumfänglich) vom 21. April 2022 und Anschlussberufung (teilweise) vom 13. Mai 2022 gegen das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2021.17 vom 2. Dezember 2021

Sachverhalt:

A. Prozessgeschichte und erstinstanzliches Urteil

A.1 Gestützt auf eine Strafanzeige der Finanzmarktaufsicht (nachfolgend: FINMA) vom 28. Juni 2019 eröffnete das Eidgenössische Finanzdepartement (nachfolgend: EFD) am 22. Oktober 2019 in Sachen B. AG, heute firmierend unter C. AG, gegen unbekannt ein Verwaltungsstrafverfahren nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 (VStrR, SR 313.0) wegen Verdachts auf Tätigkeit als Finanzintermediär ohne Bewilligung gemäss Art. 44 des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht vom 22. Juni 2007 (Finanzmarktaufsichtsgesetz [FINMAG], SR 956.1) i.V.m. Art. 14 des Bundesgesetzes vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor (Geldwäschereigesetz [GwG], SR 955.0; Akten EFD [Verfahrens-Nr. 442.3-151] pag. 040-0001).

A.2 Mit Strafverfügung vom 20. Januar 2021 sprach das EFD A. (nachfolgend: Beschuldigter) wegen vorsätzlicher Tätigkeit als Finanzintermediär ohne Bewilligung gemäss Art. 44 Abs. 1 FINMAG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GwG, begangen vom 28. Dezember 2017 bis zum 12. Februar 2018, schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen à Fr. 440.00 bei einer zweijährigen Probezeit und zu einer Busse von Fr. 13'200.00 sowie zur Bezahlung der Verfahrenskosten von Fr. 2'750.00 (EFD pag. 100-0001 ff.).

A.3 Der Beschuldigte verlangte mit Schreiben vom 1. Februar 2021 ans EFD die gerichtliche Beurteilung (Art. 72 VStrR; EFD pag. 100-0027 ff.).

A.4 Mit Übermittlungsschreiben vom 19. April 2021 überwies das EFD die Akten gemäss Art. 50 Abs. 2 FINMAG an die Bundesanwaltschaft zuhanden des Bundesstrafgerichts. Das EFD beantragte, der Beschuldigte sei entsprechend der Strafverfügung wegen vorsätzlicher Tätigkeit als Finanzintermediär ohne Bewilligung gemäss Art. 44 Abs. 1 FINMAG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GwG schuldig zu sprechen, begangen vom 28. Dezember 2017 bis zum 12. Februar 2018, und zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen à Fr. 440.00 bei einer Probezeit von zwei Jahren und zu einer Busse von Fr. 13'200.00 sowie zur Bezahlung der Verfahrenskosten von Fr. 2'750.00 zu verurteilen. Eventualiter sei der Beschuldigte wegen fahrlässiger Tätigkeit als Finanzintermediär ohne Bewilligung gemäss Art. 44 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FINMAG und Art. 14 Abs. 1 GwG schuldig zu sprechen und zu einer Busse von Fr. 25'000.00 zu verurteilen (TPF pag. 7.100.004 ff.).

A.5 Am 21. April 2021 reichte die Bundesanwaltschaft die Akten des EFD zusammen mit dem Begehren um gerichtliche Beurteilung beim Bundesstrafgericht ein (TPF pag. 7.100.002 ff.).

A.6 Die Hauptverhandlung fand am 30. November 2021 in Anwesenheit der Vertretung des EFD sowie der Verteidigung und des Beschuldigten vor der Einzelrichterin der Strafkammer des Bundesstrafgerichts am Sitz des Gerichts statt (TPF pag. 7.720.001 ff.). Die Bundesanwaltschaft verzichtete auf eine Teilnahme (Art. 75 Abs. 4 VStrR). Anlässlich der Hauptverhandlung hat das Gericht den Beschuldigten sowie E. als Zeugen und Rechtsanwalt Dr. D. als Auskunftsperson einvernommen (TPF pag. 7.731.001 ff.; 7.761.001 ff.; 7.771.001 ff.).

A.7 Mit Urteil vom 2. Dezember 2021 sprach die Einzelrichterin der Strafkammer des Bundesstrafgerichts (nachfolgend: Vorinstanz) den Beschuldigten schuldig wegen vorsätzlicher Tätigkeit als Finanzintermediär ohne Bewilligung gemäss Art. 44 Abs. 1 FINMAG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GwG. Sie bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à Fr. 440.00, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie mit einer Busse von Fr. 13'200.00 (TPF pag. 7.930.001 ff.). Das Urteil wurde den Parteien schriftlich direkt in vollständiger Ausfertigung eröffnet und am 1. April 2022 zugestellt (TPF pag. 7.930.050 ff.).

B. Verfahren vor der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts

B.1 Gegen das Urteil der Vorinstanz liess der Beschuldigte durch seine Verteidiger am 11. April 2022 Berufung anmelden (CAR pag. 1.100.055). Am 21. April 2022 erklärte er die vollumfängliche Berufung und beantragte einen Freispruch (CAR pag. 1.100.064).

B.2 Das EFD erklärte mit Eingabe vom 13. Mai 2022 teilweise Anschlussberufung bezüglich der Bemessung der Strafe (CAR pag. 1.400.003 ff.).

B.3 Im Rahmen der Prozessvorbereitung holte die Berufungskammer entsprechend der Verfügung über die Beweismassnahmen vom 30. August 2022 (CAR pag. 4.200.001 f.) einen aktuellen Auszug aus dem schweizerischen Strafregister (CAR pag. 4.401.033), einen aktuellen Auszug aus dem Betreibungsregister (CAR pag. 4.402.031), die letzte Steuererklärung und Veranlagungsverfügung (CAR pag. 4.401.008 ff.) sowie schriftliche Angaben des Beschuldigten über seine persönliche und finanzielle Situation (CAR pag. 4.200.005 ff.) ein.

B.4 Mit Schreiben vom 12. September 2022 teilte der Beschuldigte unter anderem mit, dass er sich vorbehalte, im Rahmen des rechtlichen Gehörs eine schriftliche Stellungnahme einzureichen (CAR pag. 4.200.004). Nach diesbezüglicher und zur Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht getätigter Nachfrage der Verfahrensleitung beim Beschuldigten vom 14. November 2022 (CAR pag. 4.600.001), stellte das EFD mit Eingabe vom 18. November 2022 den Antrag, eine allfällige schriftliche Stellungnahme des Beschuldigten zur Sache im Vorfeld der Berufungsverhandlung sei nicht zu gestatten und gegebenenfalls aus den Akten zu weisen (CAR pag. 4.600.002 ff.). Am 24. November 2022 reichte der Beschuldigte eine schriftliche Stellungnahme zur Sache ein und hielt fest, dass er anlässlich der Berufungsverhandlung voraussichtlich von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen bzw. eine entsprechende Stellungnahme verlesen werde (CAR pag. 4.600.006 ff.). Die Verfahrensleitung stellte die Eingabe des Beschuldigten dem EFD zu und stellte in Aussicht, über dessen Antrag, diese aus den Akten zu weisen, anlässlich der Berufungsverhandlung zu befinden (CAR pag. 2.300.006). Mit Eingabe vom 29. November 2022 zog das EFD diesen Antrag zurück (CAR pag. 4.600.024).

B.5 Die Berufungsverhandlung fand am 1. Dezember 2022 in Anwesenheit des Beschuldigten, seiner Verteidigung und dem Vertreter des EFD am Sitz der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts in Bellinzona statt (CAR pag. 5.100.001). Die Bundesanwaltschaft verzichtete gestützt auf Art. 50 Abs. 3 FINMAG und Art. 75 Abs. 4 VStrR auf Teilnahme (CAR pag. 4.100.003). Anlässlich der Berufungsverhandlung war eine Einvernahme mit dem Beschuldigten vorgesehen. Der Beschuldigte verweigerte jedoch die Aussage und trug stattdessen mit Zustimmung der Verfahrensleitung im Sinne von Art. 143 Abs. 6 Satz 2 StPO ein vorgefertigtes Statement vor, das er zu den Akten reichte (CAR pag. 5.300.001 ff. und pag. 5.200.001 ff.).

B.6 Anlässlich der Berufungsverhandlung stellte und begründete der Beschuldigte folgende Anträge:

1.  Der Beschuldigte sei von Schuld und Strafe freizusprechen;

2.  Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (inkl. MWST) zulasten der Staatskasse.

Das EFD stellte und begründete seinerseits folgende Anträge:

1.  A. sei schuldig zu sprechen der Tätigkeit als Finanzintermediär ohne Bewilligung gemäss Art. 44 Abs. 1 FINMAG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GwG, begangen in der Zeit vom 28. Dezember 2017 bis zum 12. Februar 2018, und zu verurteilen zu einer Freiheitsstrafe von 240 Tagen, bedingt erlassen auf eine Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 20'000.

2.  A. sei zu verurteilen zur Bezahlung der erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten, inkl. der Kosten des Strafverfahrens des EFD und der Anklageführung in der Höhe von CHF 5'000.

3.  A. sei keine Entschädigung auszurichten.

B.7 Das Berufungsurteil wird den Parteien in Anwendung von Art. 79 Abs. 2 VStrR in der vollständigen Ausfertigung mit den wesentlichen Entscheidgründen schriftlich eröffnet.

Die Berufungskammer erwägt:

I. Formelle Erwägungen

1. Anwendbare Verfahrensbestimmungen

Kommt es in einem Verwaltungsstrafverfahren zu einer Beurteilung durch kantonale Gerichte (vgl. Art. 73 ff. VStrR) so können die Rechtmittel der StPO ergriffen werden (Art. 80 Abs. 1 VStrR). Die Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren gelten sinngemäss auch für das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht (Art. 81 VStrR). Soweit die Artikel 73–81 nichts anderes bestimmen, gelten für das Verfahren vor den kantonalen Gerichten und das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht die entsprechenden Vorschriften der StPO (Art. 82 VStrR).

2. Eintreten

Die Berufungserklärung des Beschuldigten und die Anschlussberufungserklärung des EFD erfolgten jeweils fristgerecht (Art. 399 Abs. 1-3 StPO). Die Bundesgerichtsbarkeit ist vorliegend gestützt auf Art. 50 Abs. 2 FINMAG gegeben. Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts ist somit in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen für die Beurteilung der vorliegenden Berufung und der Anschlussberufung örtlich und sachlich zuständig (Art. 21 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 82 VStrR; Art. 38a und Art. 38b StBOG). Die Anschlussberufung ist nicht zulässig, wenn sie ohne nähere Begründung auf die Frage der Strafzumessung beschränkt bleibt, obwohl die Erstinstanz dem diesbezüglichen Antrag der Staatsanwaltschaft vollumfänglich gefolgt war (BGE 147 IV 505 E. 4.4.3). Vorliegend hat die Vorinstanz den Antrag des EFD bezüglich Strafmass unterschritten und die Anfechtung des Strafmasses durch das EFD wird zudem rechtlich begründet. Die Anschlussberufung beschränkt auf die Strafzumessung ist damit vorliegend zulässig. Es ist sowohl auf die Berufung und als auch auf die Anschlussberufung einzutreten.

3. Verfahrensgegenstand und Kognition

Das Urteil der Vorinstanz wurde vollumfänglich angefochten und ist somit im Berufungsverfahren vollumfänglich zu überprüfen. Die Rechtsmittelinstanz verfügt im Berufungsverfahren über volle Kognition (Art. 398 Abs. 3 StPO). Sie hat das erstinstanzliche Urteil im Rahmen der angefochtenen Punkte umfassend zu überprüfen (Art. 398 Abs. 2 StPO). Das Verschlechterungsverbot gilt aufgrund der Anschlussberufung des EFD nicht, d.h. das Urteil darf auch zu Ungunsten des Beschuldigten abgeändert werden (vgl. Art. 391 Abs. 2 StPO e contrario).

4. Anwendbares Recht

Für die Frage des anwendbaren Rechts wird auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen (E. 1.1 erstinstanzliches Urteil). Anwendbar sind die im Tatzeitpunkt in Kraft gewesenen Regelungen. Es sind dies insbesondere die damaligen Fassungen des FINMAG, des GwG und der Verordnung über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschereiverordnung, GwV; SR 955.01). Art. 44 Abs. 1 FINMAG wurde per 1. Januar 2020 redaktionell angepasst (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). Im GwG wurde, soweit hier relevant, seither ebenfalls auf den 1. Januar 2020 Art. 14 Abs. 1 GwG angepasst (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). Art. 4 GwV wurde per 1. August 2021 bezüglich virtuelle Währungen erweitert (AS 2021 400). In der Begründung werden die Gesetze in ihrer früheren Fassung hier mit aFINMAG, aGwG und aGwV zitiert.

II. Materielle Erwägungen

5. Sachverhalt und Beweiswürdigung

5.1 Anklagevorwurf

Die Vorinstanz hat den Anklagevorwurf aus der als Anklage geltenden Überweisung des EFD vom 19. April 2021 mit Verweis auf die Strafverfügung vom 20. Januar 2021 (vgl. Art. 73 Abs. 2 VStrR) zusammengefasst wie folgt wiedergegeben (E. 2.1 erstinstanzliche Urteilsbegründung):

Dem Beschuldigten wird zusammengefasst vorgeworfen, als Verwaltungsrat der B. nicht unterbunden zu haben, dass die Gesellschaft nach Durchführung eines «Initial Coin Offering» (nachfolgend: ICO) im Zeitraum 28. Dezember 2017 bis 12. Februar 2018 den Token «M.» ins private «Wallet» der jeweiligen Investoren übertragen und dadurch als Zahlungsmittel ausgegeben habe, unter Überschreitung der Schwellenwerte zur Berufsmässigkeit. Dabei habe B. sich vorab keiner anerkannten Selbstregulierungsorganisation (nachfolgend: SRO) angeschlossen oder über keine Bewilligung der FINMA verfügt.

5.2 Unbestrittener Sachverhalt

Der angeklagte Sachverhalt ist in Bezug auf die objektiven Abläufe unbestritten. Die Vorinstanz hat sämtliche Beweismittel und Geschehnisse zutreffend zusammengefasst, worauf verwiesen werden kann (E. 2.3 erstinstanzliche Urteilsbegründung). Zum besseren Verständnis wird zusammenfassend nochmals Folgendes festgehalten:

Die B. beabsichtigte gemäss ihrem «White-Paper» (Business-Plan) vom 2. November 2017 (EFD pag. 010-0056 ff.) eine auf der Blockchain basierte Zahlungsplattform zu entwickeln, über die in beliebigen Kryptowährungen für Waren und Dienstleistungen bezahlt werden kann. Es sollte zudem eine eigene Kryptowährung namens M. herausgegeben werden, die allgemein handelbar ist, jedoch mit der Besonderheit, dass sie auf der eigenen Plattform kostenlos eingesetzt und konvertiert werden kann (EFD pag. 010-0080). Um das Geschäft zu finanzieren, wurden bereits vor der Schaffung der Zahlungsplattform M. im Markt angeboten. Das sogenannte Initial Coin Offering (ICO) wurde vom 2. bis 20. November 2017 durchgeführt (EFD pag. 010-0095). Dabei wurden 275 Mio. M. von 12'800 Teilnehmern im Gegenwert von USD 17'875'000.00 gezeichnet (EFD pag. 010-0097). Mit den M. Token wurden keine Beteiligungen an der B. erworben und es bestand seitens dieser keine Rückzahlungspflicht (EFD pag. 031-0425). Im White-Paper hiess es, dass der M. Token zu Beginn keine Funktionen habe und er erst als Zahlungsmittel eingesetzt werden könne, nachdem der Regulierungsstatus der Plattform mit der FINMA geklärt sei (EFD pag. 010-0083). Im Dezember 2017 vermeldete die B. auf ihrer Webseite, dass sie die M. bis Ende Monat an die ICO-Teilnehmer ausgeben werde und diese kurz darauf auf zwei Plattformen handelbar seien (EFD pag. 010-0447).

Nach Durchführung eines «Know-Your-Costumer»-Prozesses (nachfolgend: KYC-Prozess) wurden die erworbenen M. vom 28. Dezember 2017 bis am 12. Februar 2018 in die privaten «Wallets» von mindestens 11'447 ICO-Teilnehmern, bei denen der KYC-Prozess erfolgreich abgeschlossen worden war und welche die Token beantragten, übertragen (EFD pag. 010-0498 und 010-0509 sowie EFD pag. 100-0052 Ziff. 26). Die Empfänger der M. konnten nach der Übertragung frei über die ihren Wallets zugeordneten M. verfügen. Unter anderem konnten die M. auf Dritthandelsplattformen, auf denen sie zugelassen waren, gehandelt werden (EFD pag. 010-0101). Technisch war es auch zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres möglich, den M. Token bilateral als Zahlungsmittel einzusetzen (EFD pag. 010-0497). Das EFD erhob, dass per 13. Mai 2020 114'204 Transaktionen von M. stattgefunden hatten (EFD pag. 011-0007). Die B. hatte nach Ausgabe des Tokens keine Kontrolle über dessen Verwendung (EFD pag. 010-0496 f.).

Der durchgeführte KYC-Prozess wurde im Rahmen des Aufsichtsverfahrens der FINMA durch eine Spezialprüfungsbeauftragte analysiert. Diese kam zum Schluss, dass die B. die Sorgfaltspflichten nach dem GwG trotz KYC-Prozess materiell nicht eingehalten habe (Bericht der der J. AG vom 29. Oktober 2018, EFD pag. 010-0504 ff.). So wurden beispielsweise bei 28 der geprüften Dossiers die wirtschaftlich berechtigten Personen nicht gemäss den gesetzlichen Bestimmungen festgestellt (EFD pag. 010-0520 Ziff. 4.3.6). Es wurden keine Kundenprofile bzw. Risikoprofile erstellt (EFD pag. 010-0521 Ziff. 4.3.8). Die selbst erstellte Länder-Blacklist wurde in 53 Fällen missachtet und in 41 dieser Fälle wurden die M. auf nicht identifizierbare Adressen transferiert (EFD pag. 010-0521 f. Ziff. 4.3.9).

5.3 Bestrittener Sachverhalt

Umstrittene und näher zu prüfende Sachverhaltsfrage ist, inwiefern der Beschuldigte wusste, dass sein Verhalten bzw. dasjenige der B. möglicherweise der Rechtsordnung widerspricht respektive, ob er zumindest ein unbestimmtes Empfinden hatte, etwas Unrechtes zu tun.

5.4 Beweismittel

5.4.1 Zur Beurteilung dieser Frage sind insbesondere die aktenkundigen schriftlichen Austausche zwischen der FINMA und dem von der B. beauftragten Rechtsanwalt Dr. D. und dem Beschuldigten wesentlich (Zusammenstellung durch die Vorinstanz in E. 2.3.5 erstinstanzliche Urteilsbegründung). Rechtsanwalt Dr. D. und der Mitarbeiter des Fintech-Desk der FINMA E. wurden von der Vorinstanz als Auskunftsperson bzw. als Zeuge einvernommen (TPF pag. 7.771.001 ff. und 7.761.001 ff.). Der Beschuldigte hat im erstinstanzlichen Verfahren von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht (TPF pag. 7.731.001 ff.), er reichte jedoch ein anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung persönlich verlesenes «Statement» zu den Akten (TPF pag. 7.721.001 ff.). Für die Zusammenfassung der Aussagen und Angaben im Statement wird auf die entsprechende Erwägung der Vorinstanz verwiesen (E. 2.3.7 erstinstanzliche Urteilsbegründung).

5.4.2 Im Berufungsverfahren verweigerte der Beschuldigte wiederum die Aussage und trug als einzig ergänzendes Beweismittel ein vorgefertigtes Statement vor (CAR pag. 5.200.001 ff.). Er legte darin zusammengefasst dar, dass er von seiner Unschuld überzeugt und mit dem erstinstanzlichen Urteil nicht einverstanden sei. Seine Geschäftsaktivitäten würden zum einen auf die Tätigkeit als Vermögensverwalter und Trustee fokussieren. Auf der anderen Seite unterstütze die von ihm beherrschte K. GmbH in- und ausländische Kunden bei der Buchhaltung, den Steuern und bei der Vermögensverwaltung. Sie würden auch Dienstleistungen im Bereich der Gründung eines Unternehmens und Domizil, Einsitznahmen als Verwaltungsrat und/oder Direktor sowie in der Unternehmensadministration erbringen. Aktuell habe er insgesamt 28 Mandate in verschiedenen Gesellschaften. Er sei ein sehr aktiver Verwaltungsrat, der seine Gesellschaften gut bis sehr gut kenne. Sein Leumund und seine Reputation seien makellos. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen seinen Geschäftsaktivitäten, den Anzahl Mandaten und dem B.-FaII. Er hätte sich genau gleich verhalten, wenn B. sein einziges Verwaltungsratsmandat gewesen wäre (CAR pag. 5.200.001 f.). Das B.-Mandat stelle nur einen sehr geringen Teil seines Einkommens dar, wofür er nicht seien guten Leumund bzw. seine Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung, die die Basis all seiner Geschäftsaktivitäten seien, riskiere. Er habe sich entgegen der Behauptung der Vorinstanz sehr stark für B. interessiert. Er habe D. regelmässig gefragt, ob sie bei B. aufsichtsrechtlich compliant unterwegs seien (CAR pag. 5.200.002 f.). Er habe sich jederzeit sorgfältig und regelmässig über B. und das Projekt informiert, indem er die vorhandenen Unterlagen wie das White-Paper oder weitere Präsentationen von B. studiert und regelmässig aktiv an Telefonkonferenzen und Meetings teilgenommen habe. Er selbst kenne sich als Finanzintermediär und Compliance Officer von SRO-angeschlossenen Gesellschaften ziemlich gut mit den «klassischen» geldwäschereirechtlichen Sorgfaltspflichten aus. In Bezug auf Fintechs oder ICOs habe er sich im Oktober/November 2017 noch nicht vertieft ausgekannt und habe sich für die juristischen Feinheiten voll und ganz auf D., der ein hervorragender Rechtsanwalt im Bereich Fintech und Token-Qualifikation sei, verlassen. Die Beantwortung des FINMA-Schreibens vom 5. Dezember 2017 sei von D. vorbereitet worden. Er habe diese am 22. Dezember 2017 nach sorgfältigem Lesen unterzeichnet (CAR pag. 5.200.004). Er habe jederzeit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und sich auf die Beratung von D. verlassen, der in direktem Kontakt mit der FINMA gestanden habe. Er habe keinen Grund gehabt, an den klaren rechtlichen Einschätzungen von D. zu zweifeln (CAR pag. 5.200.005).

5.5 Vorbringen der Parteien

5.5.1 Der Beschuldigte bzw. seine Verteidigung brachte im Berufungsverfahren zum Sachverhalt zusammengefasst vor, der Beschuldigte sei gestützt auf die Beratung des Anwalts der B., stets davon ausgegangen, dass mit einem nicht funktionsfähigen M. Token kein Zahlungsmittel ausgegeben werde (CAR pag. 5.200.017 Rz. 53.). Er habe sich auf die ausgewiesene Fachkompetenz seines Rechtsanwalts verlassen. Dieser sei in direktem Kontakt mit der FINMA gestanden und es sei ihm der vollständige anklagerelevante Sachverhalt vorgelegen (CAR pag. 5.200.018 Rz. 60). Dr. D., der Rechtsvertreter der B., habe gegenüber dem Beschuldigten klar und eindeutig festgehalten, dass der M. während dem ICO bzw. während der Entwicklungsphase nicht als Zahlungsmittel zu qualifizieren sei (CAR. pag. 5.200.018 Rz. 61). Er habe nicht gewusst und nicht wissen können, dass der M. ein Zahlungsmittel darstellen könnte (CAR pag. 5.200.020 Rz. 69). Im generischen Schreiben des FINMA Enforcement vom 5. Dezember 2017 habe er kein Alarmsignal gesehen. Im Schreiben seien Fragen zu der späteren operationellen Phase gestellt worden. Er sei aufgrund des positiven Treffens mit dem FINMA Fintech Desk vom 12. Dezember 2017 davon ausgegangen, dass der Token ausgegeben werden könne (CAR pag. 5.200.022 f. Rz. 85). Ihm habe der Geschäftsbereich Enforcement bis dato, wie jedem Durchschnittsbürger, nichts gesagt (CAR pag. 5.200.023 Rz. 86). D. habe das Antwortschreiben an die FINMA vom 22. Dezember 2022 verfasst. Die ausgearbeiteten Antworten seien dem Beschuldigten aufgrund der Zweiphasigkeit des Projekts als sachgemäss und plausibel erschienen (CAR pag. 5.200.023 Rz. 87). Es habe absolut keinen Grund gegeben, an der Rechtmässigkeit seines Handelns zu zweifeln (CAR pag. 5.200.024 Rz. 92). Der Beschuldigte sei für seine Tätigkeit als Vermögensverwalter und Trustee und als Verwaltungsrat in regulierten bzw. SRO-unterstellten Gesellschaften zwingend auf eine einwandfreie Gewähr angewiesen. Er hätte es deshalb auf keinen Fall zugelassen, wenn B. mit der Herausgabe des M. eine illegale finanzintermediäre Tätigkeit ausgeübt hätte (CAR pag. 5.200.024 Rz. 94).

5.5.2 Das EFD führte hingegen zum strittigen Sachverhalt unter anderem aus, ungeachtet der wiederholten Hinweise der FINMA auf ihre Aufsichtsmitteilung sowie der hängigen Abklärung auf eine mögliche Unterstellung, habe die B. ab dem 28. Dezember 2017 M. ausgegeben (CAR pag. 5.200.035). Der B. bzw. dem Beschuldigten sei bereits vor Erlass der FINMA-Wegleitung am 16. Februar 2018 bewusst gewesen, dass der M. ein Zahlungsmittel sei (CAR pag. 5.200.038 Ziff. 44). Sie seien sich auch der aufsichtsrechtlichen Problematik in Bezug auf die Ausgabe eines Zahlungsmittels bewusst gewesen. Sie hätten dies im White-Paper auch angeführt und seien aus diesem Grund an die FINMA gelangt. Sie hätten es jedoch unterlassen, trotz erheblicher Zweifel an der Rechtmässigkeit des Geschäftsmodells eine Auskunft der FINMA abzuwarten und hätten im Wissen um eine mögliche Unterstellung unter das GwG ohne Anschluss an eine SRO Token an die ICO-Teilnehmer ausgegeben (CAR pag. 5.200.039 Ziff. 52). Einem versierten Finanzmarktteilnehmer und Profi-Verwaltungsrat, wie dem Beschuldigten, habe klar sein müssen, dass es nicht auf die leichte Schulter zu nehmen sei, wenn die FINMA Abklärungen wegen Hinweisen auf eine Tätigkeit ohne Bewilligung eröffne. Zweifellos sei dies D. klar gewesen. Selbst einem Laien sei nach Erhalt eines solchen Schreibens ferner zweifellos klar, dass er erhebliche rechtliche Risiken eingehe, wenn er die Klärung der von der FINMA aufgeworfenen Bewilligungsfrage nicht abwarte (CAR pag. 5.200.040 f. Ziff. 56). Bei Ausgabe des M. Ende 2017 sei dem Beschuldigten bewusst gewesen, dass die rechtliche Subsumtion dieser Ausgabe unter die Bewilligungspflicht des GwG nicht geklärt und entsprechend mit einer Bewilligungspflicht des Geschäftsmodells der B. zu rechnen gewesen sei (CAR pag. 5.200.041 Ziff. 57). Der Beschuldigte habe die Erwartungshaltung der Investoren höher gewichtet als die Einhaltung der geldwäschereirechtlichen Vorgaben und habe deren Verletzung im Interesse des Geschäftes bewusst in Kauf genommen (CAR pag. 5.200.043 Ziff. 67).

5.6 Würdigung der Berufungskammer

5.6.1 Grundlagen der Beweiswürdigung

Das Gericht würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnen Überzeugung (Art. 77 Abs. 3 VStrR und Art. 10 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 82 VStrR). Es berücksichtigt die im Vorverfahren und im Hauptverfahren erhobenen Beweise (Art. 350 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 82 VStrR). Die Akten der Verwaltung über die von ihr erhobenen Beweise dienen auch dem Gericht als Beweismittel; dieses kann von sich aus oder auf Antrag einer Partei weitere zur Aufklärung des Sachverhalts erforderliche Beweise aufnehmen oder Beweisaufnahmen der Verwaltung wiederholen (Art. 77 Abs. 1 VStrR).

5.6.2 Zu den Abklärungen der B. bei der FINMA

5.6.2.1 Im September 2017, das heisst noch vor dem ICO im November 2017, fand ein E-Mailaustausch zwischen dem von der B. beauftragten Rechtsanwalt Dr. D. und dem Mitarbeiter beim Fintech-Desk bei der FINMA E. statt (EFD pag. 010-0524 ff. und 031-0421 ff.). D. schrieb am 20. September 2017 betreffend das Projekt der B. an E.. Er schrieb unter anderem wörtlich (EFD pag. 010-0526; Hervorhebung durch das Gericht):

Der Klient möchte einen Token ausgeben, der auch ein Zahlungsmittel sein kann. Dadurch ist die CHF 3'000 Grenze gemäss FINMA RS 2008/3 zu beachten. Das ist aber für die Tokenausgabe ein Hindernis, da der Klient höhere Beträge einnehmen möchte. Es gibt verschiedene Vorschläge, wie man dem Problem begegnen könnte:

· ICO jetzt durchführen, aber Einzahlung erst nach Erhalt Banklizenz

· ICO zuerst mit Höchstgrenze CHF 3'000 durchführen.

Zu diesem Zeitpunkt scheint D. davon ausgegangen zu sein, dass die Tokenausgabe, die Ausgabe (auch) eines Zahlungsmittels darstellt. Er sah darin auch Schwierigkeiten für die Durchführung des ICO.

Am Folgetag, am 21. September 2017, meldete sich D. erneut bei E. In dieser E-Mail vertrat er nun die Ansicht, dass das ICO, das im Oktober 2017 starten soll, als reine Finanzierung nicht nach aufsichtsrechtlichem Eingreifen der FINMA rufe, da der Token erst nachdem das Zahlungssystem operationell sei, als Zahlungsmittel verwendet werden könne. Er drängte E. sodann um eine rasche Beantwortung der Frage, ob die Geldaufnahme mittels ICO unter dem Aspekt der verbotenen Annahme von Publikumsgeldern relevant sei (EFD pag. 010-0524 ff.).

E. schrieb am 27. September 2017, dass die FINMA derzeit ihre Position zu ICO-Modellen finalisiere (EFD pag. 010-0528). Darauf schrieb D. E. am 28. September 2017 eine E-Mail, in der er schilderte, dass bei der B. seines Erachtens keine finanzmarktrelevante Tätigkeit vorliege, insbesondere, weil der Token erst als Zahlungsmittel verwendet werden könne, wenn das Zahlungssystem operationell werde. Er bat, um möglichst rasche Rückmeldung, ob aus Sicht der FINMA Einwände gegen geplante Vorgehen – ICO im 4. Quartal 2017, operationeller Start des Zahlungssystems sobald die regulatorischen Fragen mit der FINMA geklärt sind – bestehen würden (EFD pag. 010-0527 f. und 031-0425).

5.6.2.2 Am 29. September 2017 publizierte die FINMA die Aufsichtsmitteilung 04/2017 zum Thema «Aufsichtsrechtliche Behandlung von Initial Coin Offering» (nachfolgend: Aufsichtsmitteilung, abrufbar unter <https://www.finma.ch/de/dokumentation/finma-aufsichtsmitteilungen/>, zuletzt besucht am 29. Dezember 2022). Am 2. Oktober 2017 wies E. D. auf die FINMA-Aufsichtsmitteilung hin (EFD pag. 031-0424). In dieser Aufsichtsmitteilung wurde insbesondere festgehalten, dass das Geldwäschereigesetz Anwendung finde, wenn die Schaffung eines Tokens durch einen Anbieter von ICOs die Ausgabe eines Zahlungsmittels darstelle. Weiter hiess es, es sei wahrscheinlich, dass verschiedene ICO-Modelle in den Anwendungsbereich eines Finanzmarktgesetzes fallen. Das gelte auch für ICO-Aktivitäten, die auf eine Umgehung von geltendem Finanzmarktrecht abzielten. Wegen der sehr unterschiedlichen Ausgestaltung von ICO-Modellen könne die FINMA eine abschliessende aufsichtsrechtliche Beurteilung nur im konkreten Einzelfall vornehmen. Derzeit nehme sie Abklärungen in mehreren unterschiedlichen Fällen vor. Im Falle einer Verletzung oder Umgehung von obengenannten Gesetzen würden Enforcement-Verfahren initiiert. Unternehmen oder Personen, die ICOs durchführen möchten, hätten sicherzustellen, dass sie die Pflichten nach den für sie einschlägigen Finanzmarktgesetzen einhalten. Die FINMA empfehle, sich rechtzeitig vor Lancierung eines ICO über die finanzmarktrechtlichen Rahmenbedingungen ihres Vorhabens zu informieren. Für Anfragen zu ICOs könnten sich interessierte Kreise an den Fintech-Desk der FINMA wenden (Aufsichtsmittteilung 04/2017 S. 3 f.).

5.6.2.3 Gemäss Angabe des Beschuldigten wurde er am 16. Oktober 2017 angefragt, ob er bei der neu gegründeten B. Verwaltungsrat werden wolle. Dies war also bereits nachdem D. bei der FINMA auf Rückmeldung betreffend ICO drängte und gerade mal zwei Wochen bevor Beginn des ICO ab dem 2. November 2017. Viel Zeit, um sich mit der Thematik des ICO zu beschäftigen, blieb dem Beschuldigten also nicht. Das ICO wurde durchgeführt, obwohl die FINMA die Anfrage betreffend allfällige Einwände gegen dieses nicht beantwortet hatte. D. sagte vor der Vorinstanz aus, dass E. ihm gegenüber, vermutlich im September 2017, mündlich am Telefon gesagt habe, dass das ICO grundsätzlich keines Rulings der FINMA bedürfe, dass ohne jedoch stets gewisse Restrisiken verbleiben würden. Diese Restrisiken würden bei ICO der B. jedoch nicht besonders hoch sein und die Faktenlage sei klar (TPF pag. 7.771.006 Z. 15 ff.). E. selbst gab in seiner Zeugeneinvernahme vor der Vorinstanz an, er könne sich nicht an diese Aussage erinnern (TPF pag. 7.761.006 Z. 1 ff.). Eine solche mündliche und zudem sehr vage Einschätzung unter Hinweis auf Bestehen eines Risikos stellt in jedem Fall keine abschliessende offizielle vertrauensbegründende Beantwortung einer Unterstellungsanfrage durch die FINMA dar. So sagte E. ebenfalls, dass das Fintech-Desk, nach seiner Erinnerung, keine schriftliche Stellungnahme abgegeben habe. Sie hätten die Anfrage an den Geschäftsbereich Enforcement abgegeben. Dies wohl, weil die Tätigkeit bereits aufgenommen worden sei (CAR pag. 7.761.004 Z. 24 ff.).

5.6.2.4 Am 5. Dezember 2017, d.h. nach Durchführung des ICO durch die B., aber noch vor Ausgabe des M., schrieb der Geschäftsbereich Enforcement der FINMA der B.: «Wir sind im Besitz von Informationen, wonach Ihre Unternehmung möglicherweise eine nach den Finanzmarktgesetzen bewilligungspflichtige Tätigkeit ausüben könnte.» Dieser Satz ist im Zusammenhang mit der Aufsichtsmitteilung 04/2017 zu lesen, wonach bei Verletzung oder Umgehung der Finanzmarktgesetze Enforcement-Verfahren durchgeführt werden. So wird bereits aus diesem Satz offensichtlich, dass die FINMA in diesem Zeitpunkt den Verdacht hegte, es sei bereits eine Verletzung der Finanzmarktgesetze vorgefallen. Sie wies darauf hin, dass eine Tätigkeit in den von den Finanzmarktgesetzen geregelten Bereichen ohne die notwendige Bewilligung oder Registrierung nach Art. 44 FINMAG strafbar sei. Sie setzte sodann der B. Frist zum Ausfüllen eines Fragekatalogs. Die ausführlichen Fragen bezogen sich ausschliesslich auf das ICO und den M. Token (EFD pag. 010-0106 ff.). Insbesondere wurden folgende drei Fragen gestellt (EFD pag. 010-0111):

6.2         Stellen die M. Token ein Zahlungsmittel dar oder ist kurz- bzw. mittelfristig beabsichtigt, die M. Token als Zahlungsmittel einzusetzen?

6.3         Falls nein, inwiefern ist sichergestellt, dass die Teilnehmer des ICO bzw. Dritte die M. Token in Zukunft nicht als Zahlungsmittel verwenden?

6.4         Welchen Nutzen haben die Teilnehmer des ICO von den M. Token, wenn sie sie in Zukunft nicht als Zahlungsmittel einsetzen können?

Es war aus diesem Schreiben der FINMA offensichtlich, dass diese sich mit der Frage beschäftigte, ob das ICO die Ausgabe der M. Token die Finanzmarktgesetze verletzt und im Besonderen, ob die Ausgabe eines Zahlungsmittels vorliegt. Auch ein allenfalls zukünftiger Einsatz als Zahlungsmittel interessierte sie. Zum Projekt der Schaffung eines Zahlungssystems wurde keine einzige Frage gestellt. So ist es schlicht nicht nachvollziehbar, wie die Betroffenen – wie von der Verteidigung argumentiert wurde (CAR pag. 5.100.009 und 5.200.021 Rz. 76) – in guten Treuen hätten davon ausgehen können, dieses Schreiben habe sich nicht auf das ICO und die Ausgabe der M., sondern auf die spätere operationelle Phase nach Schaffung des Zahlungssystems der B. bezogen. Daran, dass nach der Qualifikation als Zahlungsmittel gefragt wurde, konnte sich auch D. erinnern. Da er selbst der Auffassung war, der M. sei mit Ausgabe (noch) kein Zahlungsmittel, sah er, gemäss seinen Aussagen, in diesem Schreiben vom 5. Dezember 2017 keine Warnung (vgl. TPF pag. 7.771.007 Z. 3 ff.). So scheint er davon ausgegangen zu sein, dass seine Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen die einzig richtige war, ohne in Betracht zu ziehen, dass die FINMA dies anders beurteilen könnte. Das tat er, obwohl er zunächst selbst nach einer Einschätzung der FINMA gefragt hatte und obwohl sich eine andere Betrachtung durch die FINMA aufgrund des Schreibens vom 5. Dezember 2017 aufdrängte.

5.6.2.5 Am 12. Dezember 2017 fand ein Treffen zwischen den Rechtsvertretern der B., insbesondere D., und Mitarbeitenden des Fintech-Desk der FINMA, unter anderem E., statt (vgl. EFD pag. 010-0529 und TPF pag. 7.771.008 Z. 19 ff.). Nach Aussage von D. habe dieses Treffen circa 45 Minuten bis eine Stunde gedauert und fünf Projekte, also nicht nur die B., betroffen. Man sei da nicht gross auf die einzelnen Projekte eingegangen, sondern es sei darum gegangen, wie die FINMA vorgehe. Er habe an dieser Sitzung nur Beruhigendes vernommen, das einzige nicht Beruhigende sei gewesen, dass die FINMA unglaublich lange Antwortfristen habe (TPF pag. 7.771.008 Z. 23 ff.). Es war somit in diesem Zeitpunkt absehbar, dass die B. von der FINMA mindestens bis Ende 2017 keine Rückmeldung bekommen würde. Das Schreiben des Geschäftsbereichs Enforcement vom 5. Dezember 2017 scheint an diesem Treffen nicht erwähnt oder besprochen worden zu sein.

5.6.2.6 Die B. beantwortete das Schreiben des Geschäftsbereichs Enforcement vom 5. Dezember 2017 mit Brief datierend vom 22. Dezember 2017 (EFD pag. 010-0094 ff.). Nach Angabe des Beschuldigten war es D., der dieses Schreiben verfasste. Er habe es nur noch unterzeichnen müssen. Er habe dieses aber zuvor sorgfältig gelesen und die Ausführungen im Schreiben hätten für ihn Sinn gemacht und seinem Verständnis des Projekts entsprochen (CAR pag. 5.200.004, TPF pag. 7.721.003). In diesem Antwortschreiben vom 22. Dezember 2017 wurde das Projekt der B. eingehend geschildert und die Fragen der FINMA wurden beantwortet. Es wurde mitgeteilt, dass noch keine M. ausgegeben worden seien (EFD pag. 010-0102). Zu den Fragen zum Thema Verwendung des M. als Zahlungsmittel wurde Folgendes geschrieben (EFD pag. 010-0103):

6. 5        (6. 2) Stellen die M. Token ein Zahlungsmittel dar oder ist kurz- bzw. mittelfristig beabsichtigt, die M. Token als Zahlungsmittel einzusetzen?

              Die M. sollen als Utility Token den Zugang zur Plattform ermöglichen und darin auch als Zahlungsmittel genutzt werden können.

6.6         (6.3) Falls nein, inwiefern ist sichergestellt, dass die Teilnehmer des ICO bzw. Dritte die M. Token in Zukunft nicht als Zahlungsmittel verwenden?

              Entfällt.

6. 7        (6.4) Welchen Nutzen haben die Teilnehmer des ICO von den M. Token, wenn sie sie in Zukunft nicht als Zahlungsmittel einsetzen können?

              Entfällt.

              So teilte man der FINMA also mit, dass die M. in Zukunft als Zahlungsmittel eingesetzt würden.

5.6.2.7 Am 16. Februar 2018, und somit nach Ausgabe der M. durch die B., publizierte die FINMA eine «Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs)» (abrufbar unter <https://www.finma.ch/de/news/2018/02/ 20180216-mm-ico-wegleitung/>, zuletzt besucht am 29. Dezember 2022; nachfolgend: Wegleitung FINMA). Darin wurden insbesondere verschiedene Tokenkategorien definiert (Ziff. 3.1 S. 2 f.) und festgehalten, dass ein ICO eines Zahlungstokens eine dem GwG unterstellte Ausgabe von Zahlungsmitteln darstelle, sobald die Token auf einer Blockchain-Infrastruktur technisch übertragen werden können (Ziff. 3.6 S. 6). E. gab als Zeuge zu Protokoll, die Aufsichtsmitteilung 04/2017 sei relativ generischer Natur gewesen, weshalb man sich veranlasst gesehen habe, weitere Konkretisierungen vorzunehmen (TPF pag. 7.761.007 Z. 21 ff.). Von einer auslegungsbedürftigen Rechtslage sei einerseits gesprochen worden, weil die Gesetze in der Schweiz ganz generell prinzipienbasiert formuliert seien und keine spezifische Auskunft über Token enthalten. Anderseits hätten sie damals eine substantielle Anzahl solcher Geschäftsmodelle gesehen, weshalb sie Bedarf gesehen hätten, den Markt auf die geltende Rechtslage hinzuweisen (TPF pag. 7.761.007 Z. 28 ff.). Für die Beurteilung des Unrechtsbewusstseins des Beschuldigten muss diese Wegleitung ausser Acht gelassen werden, da sie im relevanten Zeitraum eben noch nicht vorhanden war. Zur Rüge der rückwirkenden Anwendung der Wegleitung FINMA bezüglich Legalitätsprinzip wird im Übrigen auf die nachfolgenden Erwägungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung verwiesen (siehe unten E. 6.4.).

5.6.3 Gesamtwürdigung zum Unrechtsbewusstsein

5.6.3.1 D. sagte aus, im Jahr 2017 hätten sie nicht den geringsten Hinweis gehabt, dass B. das GwG verletzen könnte (CAR pag. 7.771.006 Z. 1 f.). Diese Aussage erscheint insbesondere vor dem Hintergrund des Schreibens des Geschäftsbereichs Enforcement der FINMA vom 5. Dezember 2017 nicht nachvollziehbar. Der Geschäftsbereich Enforcement tritt auf den Plan, wenn die FINMA vermutet, dass eine Gesetzesverletzung vorliegen könnte. Dies ist jeder im Finanzmarktbereich tätigen Person in der Schweiz bekannt. Insbesondere mussten dies der in einer auf Wirtschaftsrecht spezialisierten Anwaltskanzlei tätige Rechtsanwalt D. und der im Finanzmarkt tätige Beschuldigte mit zahlreichen Verwaltungsratsmandaten wissen. Zudem war in der Aufsichtsmitteilung 04/2017 der FINMA, die öffentlich zugänglich war und auf die D. zuhanden der B. noch speziell hingewiesen wurde, vermerkt, dass ein Enforcement-Verfahren im Falle von Verletzungen oder Umgehungen der Gesetze initiiert wird (Aufsichtsmitteilung 04/2017 S. 3). D. war zudem als Vertreter der B. mit der FINMA in Kontakt. Wie dem E-Mailverkehr mit E. zu entnehmen ist, ging es gerade darum zu klären, ob Geldaufnahme mittels ICO bei zukünftiger Verwendung als Zahlungsmittel geldwäschereirelevant ist (vgl. u.a. EFD pag. 010-0526). Die FINMA fragte im Schreiben vom 5. Dezember 2017 ganz spezifisch nach der Qualifikation als Zahlungsmittel (EFD pag. 010-0111). Klar gegen die Tatsache, dass die Problematik betreffend Qualifikation des M. als Zahlungsmittel angeblich nicht bedacht worden wäre, sprechen zum einen die E-Mail von D., in denen er am 20. September 2017 betreffend Token von einem Zahlungsmittel sprach (EFD pag. 010-0526) und am 21. September 2017 dann festhielt, dass der M. vorerst nicht als Zahlungsmittel verwendet werden könne (EFD pag. 010-0526), und zum anderen seine Aussagen. Er sagte, man habe gespürt, dass die FINMA vor deren Token-Klassifizierung nicht gewusst habe, wie sie mit Tokens umgehen solle. Daher habe man gesagt, «jetzt machen wir es ganz deutlich. Wir schreiben, es ist kein Zahlungsmittel bis alles klar ist» (TPF pag. 7.771.005 Z. 41 ff.). Gemeint war damit der Text im White-Paper vom 2. November 2017, wonach der M. ein Token «with no features sei» (EFD pag. 010-0083). Offenbar waren die Verantwortlichen der B. der Meinung, es reiche, selbst zu sagen der M. sei (noch) kein Zahlungsmittel um die erkannte aufsichtsrechtliche Unklarheit zu beseitigen.

5.6.3.2 Es erscheint sodann merkwürdig bzw. inkonsequent, wenn der Beschuldigte und sein Rechtsberater absolut überzeugt gewesen sein wollen, dass die Ausgabe des Tokens nicht dem GwG untersteht, dann aber dennoch einen KYC-Prozess durchführen liessen. Im Vertrag zwischen der I. AG und der B. betreffend Video-Identifizierung und e-Signing von Personen vom 3. November 2017 hiess es in der Präambel, die B. sei nach Art. 3 Abs. 1 GwG verpflichtet, bei der Aufnahme der Geschäftsbeziehung die Vertragspartei aufgrund eines beweiskräftigen Dokumentes zu identifizieren (EFD pag. 010-0451). Dieses Vorgehen zeigt ebenfalls, dass bei den Verantwortlichen der B. zumindest ansatzweise von Beginn weg ein Bewusstsein für eine allfällige Problematik betreffend Anwendbarkeit des GwG vorhanden war. Die Behauptung, man habe keinerlei Hinweise auf eine Anwendbarkeit des GwG bei Ausgabe der M. gehabt, ist nicht haltbar.

5.6.3.3 D. sagte, der Grund, weshalb man ab dem 28. Dezember 2017 die M. in die Wallets der Investoren übertragen habe, sei gewesen, dass man es diesen versprochen habe und von der FINMA kein rotes Signal gekommen sei (TPF pag. 7.771.008 Z. 32 ff.). Richtig ist, dass die FINMA nicht sofort einschritt mit einer konkreten Anweisung an die B., das ICO bzw. die Ausgabe der M. zu stoppen. Die Mitteilung der Enforcement-Abteilung der FINMA, dass sie eine Prüfung der Rechtsmässigkeit vornehme, und deren Hinweis auf die Strafbarkeit der Nichteinhaltung der Finanzmarktgesetze mussten jedoch bereits als ein solches, rotes Signal gewertet werden. Mit der Ausgabe der M. ohne Abwarten der Antwort der FINMA und ohne Anschluss an eine SRO wurde bewusst ein Risiko eingegangen. Grund für das Handeln scheint ein wirtschaftlicher Druck durch die Investoren gepaart mit der Überzeugung gewesen zu sein, die FINMA werde dann schon der selbst vorgenommenen Interpretation folgen, wonach kein Zahlungsmittel ausgegeben werde, solange das Zahlungssystem nicht operativ ist. Passend dazu sagte die Verteidigung anlässlich der Berufungsverhandlung, man sei davon ausgegangen, dass es kein Zahlungsmittel sei bzw. dass man das (Anm.: wohl die Qualifikation als Zahlungsmittel) noch gestalten könne (CAR pag. 5.100.009). Es sind jedoch nicht Private, die bestimmen, wie das Recht auf eine neue Technologie anzuwenden ist. Diese Aufgabe fiel vielmehr den zuständigen Behörden, vorab der FINMA, zu. Deren Einschätzung war in Bezug auf das Projekt der B. ausstehend. Wobei aufgrund der Aufsichtsmitteilung 04/2017 klar war, dass das GwG Anwendung findet, wenn die Schaffung eines Tokens ein Zahlungsmittel darstellt (S. 3 Aufsichtsmitteilung). Zudem hatte die FINMA mit Schreiben vom 5. Dezember 2017 auf einen möglichen Verstoss hingewiesen. So kann es nicht ausreichen, der FINMA die eigene Rechtsauffassung zu präsentieren, um dann umgehend, ohne Abwarten von deren Beurteilung, Fakten zu schaffen. Die FINMA hatte im Schreiben vom 5. Dezember 2017 klargemacht, dass sie sich mit der Durchführung des ICO beschäftigt. So ist nicht nachvollziehbar, wie D. bzw. der Beschuldigte davon ausgehen konnten, mit dem Antwortschreiben an die FINMA vom 22. Dezember 2017 – also auch noch unmittelbar vor den Festtagen –, in dem die eigene Beurteilung dargestellt wurde, hätte sich die Prüfung des ICO durch den Geschäftsbereich Enforcement der FINMA erledigt, sofern die FINMA nicht umgehend einschreitet.

5.6.3.4 Der Beschuldigte hielt in seinen persönlichen Statements fest, D. habe ihn regelmässig über die Fortschritte im B. Projekt und über seine regelmässigen Kontakte und Gespräche mit der FINMA informiert (CAR pag. 5.200.004, TPF pag. 7.721.003). Die Handlungen des Rechtsvertreters sind ihm grundsätzlich anzurechnen. D. selbst schilderte auf die Frage, was er damals dem Beschuldigten betreffend Unterstellungsanfrage mitgeteilt habe bzw. ob es eine Unterstellungsanfrage an der B. an die FINMA gegeben habe, nochmals die Umstände, ohne etwas zur Kommunikation mit den Beschuldigten zu sagen (TPF 7.771.006 f. Z. 39 ff.). Zu einer weiteren Frage sagte er, der Beschuldigte und die B. hätten wissen wollen, ob sie mit dem ICO in ein Risiko laufen. Er habe ihnen gesagt, dass das so geht, dass sie es so strukturiert hätten, dass es gehe. Er sei den Behörden relativ nahegestanden. Er habe immer mit der FINMA in Kontakt gestanden und sei auch Experte für die Gesetzgebung gewesen. Man habe sich dauernd ausgetauscht. Das Thema, das hier Prozessgegenstand sei, sei aber nie diskutiert worden (TPF pag 7.771.007 Z. 37 ff.).

Die Verteidigung betonte, dass D. spezialisiert auf Finanzmarktrecht sei und seit vielen Jahren als führender Rechtsanwalt im Bereich FinTech und Token-Qualifikation gelte (CAR pag. 5.200.019). Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass der Beschuldigte sich bzw. die B. bei D. betreffend Rechtsberatung zum ICO in guten Händen wähnte. Allerdings müssen dem Beschuldigten als Verwaltungsrat der B. auch die eigenen Kenntnisse entgegengehalten werden. Er hielt in seinen persönlichen Statements fest, als Finanzintermediär und Compliance Officer von SRO angeschlossenen Gesellschaft kenne er sich ziemlich gut mit den «klassischen» geldwäschereirechtlichen Sorgfaltspflichten aus (CAR pag. 5.200.004, TPF pag. 7.721.002). So mag es dem Beschuldigten zwar an vertieften Kenntnissen im Bereich FinTech gefehlt haben, wofür er sich zur Kompensation von D. beraten liess. Die Grundregeln des GwG, die sowohl für herkömmliche als auch für neue Technologien gelten, waren jedoch durchaus in seinem eigenen Kompetenzbereich.

Unabhängig davon, was zwischen D. und dem Beschuldigten alles kommuniziert worden war, hatte der Beschuldigte unbestrittenermassen Kenntnis vom Schreiben des Geschäftsbereichs Enforcement der FINMA vom 5. Dezember 2017. Entgegen der Formulierung der Verteidigung ist der Beschuldigte aufgrund seiner jahrelangen Geschäftstätigkeit im Finanzmarktbereich kein «Durchschnittsbürger» (vgl. CAR pag. 5.200.023 Rz. 86). So musste ihm, wie bereits erwähnt, der Ernst der Lage bei einem Eingreifen des Geschäftsbereichs Enforcement klar sein. Er kannte das Projekt der B. nach eigenen Angaben bestens (CAR pag. 5.200.004). Er wusste somit insbesondere, dass die M. Token nach Ausgabe frei handel- und übertragbar sein würden und dass sie später auf der Zahlungsplattform der B. als Zahlungsmittel eingesetzt werden könnten. Vor diesem Hintergrund war es ihm aufgrund seines Wissens ohne weiteres möglich zu erkennen, dass eine geldwäschereirechtliche Problematik vorliegen könnte. Er wusste auch, dass die FINMA sich zur Zulässigkeit des Vorgehens der B. nie offiziell geäussert hatte, sondern die Beurteilung der Rechtslage allein durch den Rechtsanwalt der B. vorgenommen worden war. Selbst wenn er die Einschätzung von D. für plausibel hielt, konnte er vernünftigerweise – mindestens nach dem Schreiben der FINMA vom 5. Dezember 2017 – nicht blindlings darauf vertrauen, dass die FINMA dies gleich beurteilen würde.

5.6.4 Insgesamt kommt die Berufungskammer beweiswürdigend zum Schluss, dass der Beschuldigte das Risiko in Kauf nahm, dass das Vorgehen der B. nicht rechtskonform ist und die FINMA der rechtlichen Einschätzung des Rechtsberaters der B. nicht folgen und den M. als Zahlungsmittel qualifizieren würde. Es ist sodann nachvollziehbar, dass der Beschuldigte seinen Leumund nicht aufs Spiel setzen wollte. Er hoffte jedoch trotz eindeutiger und für ihn erkennbarer Warnsignale, dass die FINMA der Rechtseinschätzung des beratenden Rechtsanwaltes folgen würde. Der Beschuldigte hatte zumindest ein unbestimmtes Empfinden, etwas Unrechtes zu tun.

6. Rechtliche Würdigung

6.1 Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren

6.1.1 Der Beschuldigte brachte im Berufungsverfahren in rechtlicher Hinsicht wie bereits im bisherigen Verfahren vor, der M. habe bei seiner Ausgabe im angeklagten Zeitraum kein Zahlungsmittel dargestellt (CAR pag. 5.200.009 ff. Rz. 5 ff.; vgl. auch EFD pag. 100-0027 ff. Rz. 8, 26 ff.; 090-0012 Rz. 6 und -0014 ff.; TPF pag. 7.721.031 ff. Rz. 2 ff.). Es sei das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot verletzt, da im November bzw. Dezember 2017 die Rechtslage unklar gewesen sei. Es sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen, dass der M. bereits vor Inbetriebnahme der eigenen Zahlungsplattform als Zahlungsmittel qualifiziert würde (CAR pag. 5.200.015 ff. Rz. 40 ff.). Der objektive Tatbestand sei nicht erfüllt (CAR pag. 5.200.017 Rz. 49). Eventualiter sei er einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen, da er nicht gewusst habe, dass er sich rechtswidrig verhalte (CAR pag. 5.200.017 ff. Rz. 50 ff.; vgl. auch EFD pag. 100-0027 ff. Rz. 72 ff.; TPF pag. 7.721.031 ff. Rz. 75 ff.). Zudem habe er nicht mit Eventualvorsatz gehandelt und der subjektive Tatbestand sei nicht erfüllt (CAR pag. 5.200.026 f. Rz. 106 ff.; vgl. auch TPF pag. 721.044 Ziff. 68 ff.). Er habe darauf vertraut, dass keine Bewilligungspflicht bestehe und somit, dass sich das Risiko der Tatbestandserfüllung nicht verwirklichen werde. Dies entspreche der Definition der bewussten Fahrlässigkeit (CAR pag. 5.200.027 Rz. 110 f.).

6.1.2 Das EFD plädierte hingegen dafür, dass der Tatbestand von Art. 44 Abs. 1 aFINMAG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 aGwG – wie dies schon die Vorinstanz beurteilt hatte – erfüllt und die Ausführungen des Beschuldigten unbehilflich seien. Die Annahme eines vermeidbaren Verbotsirrtums durch die Vorinstanz sei rechtsfehlerhaft (EFD pag. 5.200.030 ff.).

6.2 Rechtliche Grundlagen

6.2.1 Grundprinzipien des Geldwäschereigesetzes

Das GwG regelt die Bekämpfung der Geldwäscherei im Sinne von Art. 305bis StGB, die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung im Sinne von Art. 260quinquies Abs. 1 StGB und die Sicherstellung der Sorgfalt bei Finanzgeschäften (Art. 1 GwG). Das GwG gilt für Finanzintermediäre und für natürliche und juristische Personen, die gewerblich mit Gütern handeln und dabei Bargeld entgegennehmen (Art. 2 GwG). Finanzintermediäre sind grundsätzlich Personen, die berufsmässig fremde Vermögenswerte annehmen oder aufbewahren oder helfen, sie anzulegen oder zu übertragen (Art. 2 Abs. 2 und 3 GwG). Zu den Sorgfaltspflichten der Finanzintermediäre gehören insbesondere die Identifizierung der Vertragspartei und die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Personen (Art. 3 und Art. 4 GwG).

6.2.2 Objektiver Tatbestand

Nach Art. 44 Abs. 1 aFINMAG macht sich strafbar wer, vorsätzlich ohne Bewilligung, Anerkennung, Zulassung oder Registrierung eine nach den Finanzmarktgesetzen bewilligungs-, anerkennungs-, zulassungs- oder registrierungspflichtige Tätigkeit ausübt. Das Geldwäschereigesetz gehört zu den Finanzmarktgesetzen. Es gilt für Finanzintermediäre (Art. 2 Abs. 1 aGwG). Als Finanzintermediäre gelten unter anderem auch Personen, die Dienstleistungen für den Zahlungsverkehr erbringen, namentlich für Dritte elektronische Überweisungen vornehmen oder Zahlungsmittel wie Kreditkarten und Reiseschecks ausgeben oder verwalten (Art. 2 Abs. 3 lit. b aGwG). Eine Dienstleistung für den Zahlungsverkehr liegt insbesondere vor, wenn der Finanzintermediär nicht in Bargeld bestehende Zahlungsmittel ausgibt oder verwaltet und seine Vertragspartei damit an Dritte Zahlungen leistet (Art. 4 Abs. 1 lit. b aGwV). Als Ausnahme gilt, wenn der Emittent des Zahlungsmittels auch der Verkäufer einer Ware ist – es sich somit um ein Zweiparteienverhältnis handelt (FINMA Rundschreiben 2011/1 Tätigkeit als Finanzintermediär nach GwG, Ausführungen zur Geldwäschereiverordnung [GwV] vom 20. Oktober 2010 [nachfolgend: FINMA-RS 11/1], Rz. 64). Berufsmässig übt ein Finanzintermediär seine Tätigkeit gemäss Art. 7 Abs. 1 aGwV unter anderem aus, wenn er damit pro Kalenderjahr einen Bruttoerlös von mehr als Fr. 50'000.00 erzielt (lit. a) oder Transaktionen durchführt, deren Gesamtvolumen Fr. 2 Mio. pro Kalenderjahr überschreitet (lit. d). Finanzintermediäre nach Art. 2 Abs. 3 aGwG, die nicht einer anerkannten Selbstregulierungsorganisation (SRO) angeschlossen sind, müssen bei der FINMA eine Bewilligung für die Ausübung ihrer Tätigkeit einholen (Art. 14 Abs. 1 aGwG). Bis zum Anschluss an eine SRO oder bis zur Erteilung einer Bewilligung durch die FINMA ist es diesen Finanzintermediären untersagt, als Finanzintermediär Handlungen vorzunehmen, die weiter gehen als diejenigen, die zwingend zur Erhaltung der Vermögenswerte erforderlich sind (Art. 11 Abs. 2 aGwV). Für die weiteren Details wird auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen (E. 2.2.1 bis 2.2.4 erstinstanzliche Urteilsbegründung).

6.2.3 Verantwortlichkeit

Der Geschäftsherr, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene, der es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht unterlässt, eine Widerhandlung des Untergebenen, Beauftragten oder Vertreters abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben, untersteht den Strafbestimmungen, die für den entsprechend handelnden Täter gelten (Art. 6 Abs. 2 VStrR). Als Geschäftsherren gelten unter anderem Verwaltungsräte einer Aktiengesellschaft (vgl. Art. 716 Abs. 1 Ziff. 5 Obligationenrecht [OR; SR 220]). Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz zur Verantwortlichkeit verwiesen (E. 2.2.5 erstinstanzliche Urteilsbegründung).

6.2.4 Subjektiver Tatbestand

In subjektiver Hinsicht verlangt die Tatvariante von Art. 44 Abs. 1 aFINMAG Vorsatz. Vorsätzlich begeht eine Tat, wer diese mit Wissen und Willen ausführt (Art. 12 Abs. 2 Satz 1 StGB). Der Täter muss um die reale Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbestands wissen und dessen Erfüllung wollen. Eventualvorsatz ist dem direkten Vorsatz gleichgestellt (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB). Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein. Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen hat, muss das Gericht – bei Fehlen eines Geständnisses der beschuldigten Person – aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen. Das Gericht darf vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (zum Ganzen BGE 133 IV 222 E. 5.3).

Gegenstand des Vorsatzes sind die objektiven Tatbestandsmerkmale (Trechsel/Fateh-Moghadam, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], StGB Praxiskommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 12 StGB N. 5). Das für den Vorsatz notwendige Wissen verlangt, soweit es sich auf Tatbestandsmerkmale bezieht, deren Verständnis eine rechtliche Wertung voraussetzt, nicht die juristisch exakte Erfassung des gesetzlichen Begriffs. Vielmehr genügt es, wenn der Täter den Tatbestand so verstanden hat, wie es der landläufigen Anschauung eines Laien entspricht (sog. Parallelwertung in der Laiensphäre; BGE 138 IV 130 E. 3.2.1).

Bei der Frage nach der Bewilligungspflicht handelt es sich um ein rechtlich geprägtes Tatbestandsmerkmal. Das Bundesgericht führt hinsichtlich des Wissens um eine Bewilligungspflicht aus, dass, wer in einem potentiell bewilligungspflichtigen Bereich im Bewusstsein, nicht über alle erforderlichen (behördlichen) Informationen zu verfügen, tätig ist, sich nicht auf Nichtwissen berufen kann (Urteil des Bundesgerichts 6B_63/2017 vom 17. November 2017 E. 3.3). Bei seiner Begründung stützt sich das Bundesgericht auf bestehende Rechtsprechung, wonach insbesondere wissentlich handelt, wer sich bewusst für das Nichtwissen entschieden hat. Dies schliesst denn auch einen Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 13 StGB aus. In dieser Hinsicht greift das Bundesgericht auf die illustrative Formel zurück: «Wer weiss, dass er nichts weiss, irrt nicht» (BGE 135 IV 12 E. 2.3.1; Urteil der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts CA.2019.27 vom 22. September 2020 E. 1.2.3. bestätigt in Urteil des Bundesgerichts 6B_1355/2020 vom 14. Januar 2022 E. 5.4.3). Anders gesagt, versteht der Täter in laienhafter Anschauung die soziale Bedeutung des von ihm verwirklichten Sachverhalts, so handelt er mit Vorsatz, auch wenn er über die genaue rechtliche Qualifikation irrt, was als rechtlich unbeachtlicher Subsumtionsirrtum anzusehen ist (Urteil des Bundesgerichts 6B_804/2018 E. 3.3.1 mit Hinweis auf BGE 129 IV 238 E. 3.2.2).

6.3 Subsumtion

6.3.1 Objektiver Tatbestand

Die B. verfügte bei Ausgabe der M. Tokens vom 28. Dezember 2017 bis am 12. Februar 2018 weder über eine Bewilligung der FINMA für eine finanzintermediäre Tätigkeit noch war sie damals einer SRO angeschlossen (Art. 14 aGwG). Sie hat mit der Ausgabe der M. Token unter Entgegennahme von über USD 17 Mio. die Schwelle der Berufungsmässigkeit nach Art. 7 Abs. 1 lit. a und lit. d aGwV deutlich überschritten.

Umstritten und näher zu prüfen ist die Frage, ob der M. bereits im Zeitpunkt seiner Ausgabe als Zahlungsmittel im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b aGwV galt. Es kann grundsätzlich auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (E. 2.5.1.1 erstinstanzliche Urteilsbegründung). Es ist in Ergänzung nochmals festzuhalten, dass mit dem M. Token eine Kryptowährung ausgebeben wurde. Die M. Token waren nach Ausgabe und Übertragung in die privaten Wallets der ICO-Teilnehmer nicht mehr im Einflussbereich der B. Sie konnten auf Handelsplattformen gehandelt und unter den Marktteilnehmern bilateral auch als Zahlungsmittel verwendet werden. Massgebend ist der tatsächliche Verwendungszweck des Tokens für die ICO-Teilnehmer. So stellte der M. entgegen der Auffassung des Beschuldigten kein «Anlage-Token» dar, weil seine Ausgabe der B. zur Finanzierung der Entwicklung ihres Zahlungssystems diente. Der M. vermittelte kein Beteiligungsrecht an der B. Die B. selbst bezeichnete den M. in ihrem White-Paper zwar als «Token with no features». Hätte der Token jedoch tatsächlich keinerlei Nutzen gehabt, so hätte ihn niemand erworben. Zum einen erhielten die ICO-Teilnehmer die Möglichkeit, den M.-Token zukünftig als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen von Drittanbietern auf dem Zahlungssystem der B. zu nutzen. Der Zugang zum Zahlungssystem war jedoch auch ohne Besitz von M. möglich und die Entwicklung der Plattform noch nicht sicher. Zum anderen spekulierten die ICO-Teilnehmer auf eine Wertsteigerung des M. im Laufe der Zeit. Entgegen der Auffassung des Beschuldigten macht auch das den M. nicht vergleichbar mit einer Aktie, die ein Wertrecht an einer Gesellschaft darstellt. Mit jeder Währung kann auch spekuliert werden. Der Beschuldigte erwähnte sodann die allgemein bekannten Kryptowährungen BitCoin und Ether, die vornehmlich als Wertanlage gekauft würden und nicht aufgrund ihrer Zahlungsfunktion (CAR pag. 5.200.0012 Rz. 17). Diese beiden Währungen gelten als sogenannte «Zahlungs-Token» (Wegleitung FINMA, S. 4 Ziff. 3.2.1). Die Tatsache, dass die Kryptowährungen als Geldanlage genutzt werden, ändert nichts an deren grundsätzlichen Konzeption als Zahlungsmittel. Zumal mit dem Erwerb dieser Kryptowährungen keine anderweitigen Rechte verbunden sind, ist es deren möglicher Einsatz als Zahlungsmittel, der ihnen im Handel einen Wert verleiht. Dies gilt auch für den M.

Zum Tatzeitpunkt war die Token-Qualifikation der FINMA gemäss der Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend ICOs vom 16. Februar 2018 mit der Unterscheidung in «Zahlungs-Token», «Nutzungs-Token» und «Anlage-Token» noch unbekannt. Es war aber bekannt, wozu die M. verwendet werden können. Der M. war von Beginn weg, zumindest als zukünftiges Zahlungsmittel konzipiert. Seine Bestimmung hat sich im Laufe der Zeit nicht gewandelt, sondern war schon im Zeitpunkt der Ausgabe klar.

Das Rechtsverständnis des Beschuldigten, wonach der Token zuerst kein Zahlungsmittel, gewesen sein soll, sondern erst bei Inbetriebnahme des Zahlungssystems der B. quasi eine Wandlung durchmachen würde, ist für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar. Zur Auslegung des Begriffs des Zahlungsmittels in Art. 4 Abs. 1 lit. b aGwV müssen die Grundprinzipien des GwG berücksichtigt werden. Die Sorgfaltspflichten des GwG, die unter anderem bei einer finanzintermediären Tätigkeit durch Ausgabe eines Zahlungsmittels zu erfüllen sind, können nur ab der Entgegennahme der Vermögenswerte und bis zur Ausgabe der Kryptowährung eingehalten werden. Denn danach können die Token ohne jegliche Kontrolle des Ausgebers weiter übertragen werden. Werden die Sorgfaltspflichten nach GwG nicht vor der Ausgabe eingehalten, besteht keine genügende Rückverfolgbarkeit zur Feststellung der Herkunft der Gelder. Würde der Auffassung des Beschuldigten gefolgt, wonach die Ausgabe des M. nicht dem GwG unterlag, so könnte dieses systematisch umgegangen werden, indem die Funktion als Zahlungsmittel einfach erst für die Zukunft in Aussicht gestellt wird. Die Sorgfaltspflichten können nachträglich nicht mehr eingehalten werden. In Nachachtung der Ratio legis des GwG ergibt sich somit keine andere Auslegungsmöglichkeit, als dass bereits die zukünftige Funktion eines Tokens als Zahlungsmittel dazu führt, dass dieser als Zahlungsmittel zu qualifizieren ist. Der M. sollte als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen eingesetzt werden, die nicht von der B. angeboten werden. Es bestand ein Dreiparteienverhältnis.

Es lag somit bereits im Zeitpunkt der Ausgabe der M. Token eine finanzintermediäre Tätigkeit nach Art. 2 Abs. 3 lit. b aGwG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. b aGwV vor. Die B. hat im Zeitraum vom 28. Dezember 2017 bis am 12. Februar 2018 berufsmässig eine finanzintermediäre Tätigkeit ausgeübt, ohne einer SRO angeschlossen gewesen zu sein oder über eine Bewilligung der FINMA verfügt zu haben. Der objektive Tatbestand von Art. 44 Abs. 1 aFINMAG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 aGwG ist erfüllt.

6.3.2 Verantwortlichkeit

Der Beschuldigte war bis anfangs 2018 der einzige Verwaltungsrat der B. Am 4. Januar 2018 wurde er zum Vizepräsidenten des Verwaltungsrates. Er hatte die Stellung eines Geschäftsherrn bzw. eine Garantenstellung inne. Es wird auf die zutreffenden und unbestrittenen Ausführungen der Vorinstanz verwiesen (E.2.5.2 erstinstanzliche Urteilsbegründung). Dem Beschuldigten ist die Geschäftstätigkeit der B. in seiner Funktion als Verwaltungsrat strafrechtlich zuzurechnen. Er hat es unterlassen, die Ausgabe der M. Token ohne Anschluss an eine SRO oder Vorliegen einer Bewilligung der FINMA zu verhindern.

6.3.3 Subjektiver Tatbestand

Der Beschuldigte wusste, dass die B. in einem potentiell bewilligungspflichtigen Bereich tätig ist und dass diese weder einer SRO angeschlossen ist, noch über eine Bewilligung der FINMA für eine finanzintermediäre Tätigkeit nach GwG verfügt. Er wusste, dass die B. mit der Ausgabe des M. Transaktionen durchführte, die die Schwelle zur Berufsmässigkeit nach GwG deutlich überschritten.

Er wusste, dass der M. Token frei handel- und übertragbar ist und in Zukunft auf der Zahlungsplattform der B. als Zahlungsmittel eingesetzt werden soll. Er wusste, dass die FINMA sich nie zur Rechtmässigkeit des ICO und der Ausgabe der M. geäussert hatte und eine Prüfung durch den Geschäftsbereich Enforcement im Gange war (vgl. dazu oben E. 5.6.3). Eine Verletzung der Geldwäschereibestimmungen war dem Beschuldigten zwar unerwünscht. Zumal er aber wusste, dass der M. als Zahlungsmittel konzipiert ist, musste er damit rechnen, dass das dies auch im Zeitpunkt der Ausgabe gelten würde. Das Risiko, dass der M. Token bereits im Zeitpunkt der Ausgabe im Sinne der Geldwäschereibestimmungen als Zahlungsmittel zu qualifizieren ist, drängte sich ihm als Experte in der Finanzbranche als so wahrscheinlich auf, dass die Bereitschaft zur Ausgabe des M. ohne Anschluss an eine SRO oder Vorliegen einer Bewilligung und unter den gegebenen Umständen nur als Inkaufnahme einer Verletzung des GwG ausgelegt werden kann. Unter den beweismässig erstellten Umständen konnte er nicht darauf vertrauen, dass keine Gesetzesverletzung vorliegen würde. Der Eventualvorsatz ist gegeben. Ein Sachverhaltsirrtum liegt nicht vor.

6.4 Grundsatz der Legalität

6.4.1 Eine Strafe darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt (Art. 1 StGB i.V.m. Art. 2 VStrR). Der in Art. 1 StGB verankerten Grundsatzes der Legalität «nulla poena sine lege» oder «keine Strafe ohne Gesetz» ist verletzt, wenn jemand wegen eines Verhaltens strafrechtlich verfolgt wird, das im Gesetz überhaupt nicht als strafbar bezeichnet wird; wenn das Gericht ein Verhalten unter eine Strafnorm subsumiert, unter welche es auch bei weitestgehender Auslegung der Bestimmung nach den massgebenden Grundsätzen nicht subsumiert werden kann; oder wenn jemand in Anwendung einer Strafbestimmung verfolgt wird, die rechtlich keinen Bestand hat (BGE 138 IV 13 E. 4.1). Teil des Grundsatzes der Legalität ist das sogenannte Bestimmtheitsgebot («nulla poena sine lege certa»). Eine Strafnorm muss so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 141 IV 279 E. 1.3.3; 138 IV 13 E. 4.1 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte darf das Gebot nach Bestimmtheit rechtlicher Normen nicht in absoluter Weise verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten, allgemeine und mehr oder minder vage Begriffe zu verwenden, deren Auslegung und Anwendung der Praxis überlassen werden müssen. Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidung, von den Normadressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (BGE 138 IV 13 E. 4.1. mit Hinweisen auf BGE 132 I 49 E. 6.2, 128 I 327 E. 4.2 und Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Larissis Dimitrios gegen Griechenland vom 24. Februar 1998, Recueil CourEDH 1998-I S. 362).

Ebenfalls Teil des Grundsatzes der Legalität ist das Rückwirkungsverbot («nulla poena sine lege praevia»). Danach darf eine Tat nur bestraft werden, wenn sie bereits zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war (vgl. Art. 2 Abs. 1 StBG i.V.m. Art. 2 VStrR).

6.4.2 Die massgebenden Rechtsgrundlagen wurden oben wiedergegeben (E. 6.2). Der Beschuldigte monierte eine rückwirkende Anwendung oder Berücksichtigung der Wegleitung der FINMA für Unterstellungsanfragen betreffend ICOs vom 16. Februar 2018 (CAR pag. 5.200.015 f. Rz. 40 ff.). Entgegen der Auffassung des Beschuldigten findet jedoch mit der Qualifikation des M. als Zahlungsmittel im Zeitpunkt der Ausgabe keine rückwirkende Anwendung neuer Grundsätze statt. Das GwG und die GwV haben sich in Bezug auf die Regelung der Ausgabe eines Zahlungsmittels zwischen Ende 2017 und Februar 2018 nicht geändert. Die Regeln des GwG und der GwV sind technologieneutral ausgestaltet, sodass sie grundsätzlich auch auf neue Technologien Anwendung finden. Aufsichtsmitteilungen und Wegleitungen der FINMA sind keine Regulierungsinstrumente, sondern gehören zur Aufsichtskommunikation. Eine Aufsichtsmitteilung wird definiert als «Mitteilung an eine bestimmte Gruppe von Beaufsichtigten zur Auslegung des Finanzmarktrechts durch die FINMA oder Hinweise zu potentiellen Risiken». Eine Wegleitung ist «eine Arbeitshilfe für Beaufsichtigte bei Bewilligungs- und Meldefragen» (zum Ganzen Leitlinien der FINMA zur Kommunikation vom 25. September 2014 Ziff. 3.1.3, abrufbar unter <https://www.finma.ch/ de/ news/ 2014/10/mm-leitlinien-enforcement-kommunikation-20141030>, zuletzt besucht am 27. Dezember 2022). Die Publikation der Wegleitung FINMA modifizierte somit die Rechtslage nicht. Anders als der Beschuldigte dies darstellte, fand mit der Wegleitung der FINMA vom 16. Februar 2018 keine unvorhersehbare «Umqualifizierung» des M. von einem «Asset-Token» in einen «Zahlungs-Token» statt (vgl. CAR pag. 5.200.016 Rz. 42). Vielmehr war zuvor noch keine Qualifizierung vorgenommen worden. Mit anderen Worten bestand noch keine allgemein bekannte eindeutige Rechtspraxis bezüglich der Anwendung der finanzmarktrechtlichen Regeln auf ICOs. Dass nicht in Bargeld bestehende Zahlungsmittel als Dienstleistung für den Zahlungsverkehr nach Art. 2 Abs. 3 lit. b aGwG gelten, liess sich direkt dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 lit. b aGwV entnehmen. Dass die Ausgabe eines Tokens, der als Zahlungsmittel dient, dem GwG unterliegt, war die offensichtliche Folgerung aus dieser Bestimmung, wie es die FINMA in ihrer publizierten Aufsichtsmitteilung 04/2017 vom 29. September 2017 festgehalten hatte. Die Frage, ob dies auch gilt, wenn ein noch zu schaffendes Zahlungssystem des Ausgebers erst später operativ wird, war damit nicht ohne Weiteres beantwortet.

6.4.3 So bestand eine gewisse Auslegungsbedürftigkeit insbesondere von Art. 4 Abs. 1 lit. b aGwV zur Beurteilung der Frage, zu welchem Zeitpunkt ein Token als Zahlungsmittel gilt und somit die Ausgabe des M. den Geldwäschereibestimmungen unterlag. Wie oben ausgeführt, führt eine gewisse Auslegungsbedürftigkeit einer Gesetzesbestimmung nicht unweigerlich dazu, dass das Bestimmtheitsgebot verletzt und damit eine Strafbarkeit ausgeschlossen ist. Die erstmalige Anwendung einer Bestimmung auf einen bisher nicht üblichen Sachverhalt kann nicht generell das Bestimmtheitsgebot verletzen. Art. 4 GwV wurde per 1. August 2021 bezüglich virtueller Währungen ergänzt. Nach heutiger Rechtslage ergibt sich direkt aus dem Gesetzeswortlaut, dass virtuelle Währungen, die tatsächlich oder nach der Absicht des Organisators oder Herausgebers als Zahlungsmittel für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen eingesetzt werden oder der Geld- und Wertübertragung dienen als Zahlungsmittel gelten (Art. 4 Abs. 1bis lit. c GwV). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, die Bestimmung sei zuvor derart unklar gewesen, dass sie das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot verletzt habe. Die Auslegungen nach den damals wie heute gängigen Grundprinzipen der Geldwäschereigesetzgebung liess vorliegend auch nach der Formulierung von Art. 4 Abs. 1 lit. b aGwV vernünftigerweise keinen anderen Schluss zu, als dass das GwG bereits im Zeitpunkt der Ausgabe Anwendung finden muss, da die Sorgfaltspflichten zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr nachgeholt werden können (vgl. dazu oben E. 6.3.1). Es bestand zudem die Möglichkeit, allfällige Unklarheiten mittels einer Unterstellungsanfrage bei der FINMA zu beseitigen. Auf diese Möglichkeit wies die Aufsichtsmitteilung 04/2017 denn auch hin. So war es für den Beschuldigten aufgrund der Rechtslage hinreichend vorhersehbar, dass der M. im Zeitpunkt seiner Ausgabe als Zahlungsmittel gelten könnte und somit eine finanzintermediäre Tätigkeit darstellt, die ohne SRO-Anschluss oder Bewilligung der FINMA strafbar ist.

6.4.4 Der Beschuldigte wird nicht für eine Tat bestraft, die im Tatzeitpunkt noch nicht strafbar oder deren Strafbarkeit nicht hinreichend vorhersehbar war. Der Grundsatz der Legalität ist gewahrt.

6.5 Schuld/Verbotsirrtum

6.5.1 Gemäss Art. 21 StGB handelt nicht schuldhaft, wer bei der Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. Der Verbotsirrtum betrifft die Konstellation, bei welcher der Täter in Kenntnis aller Tatumstände und somit vorsätzlich handelt, aber sein Tun versehentlich für erlaubt hält (BGE 129 IV 238 E. 3.1.). Zum Ausschluss eines Verbotsirrtums genügt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung das unbestimmte Empfinden, dass das in Aussicht genommene Verhalten der Rechtsordnung widerspricht (BGE 104 IV 217 E. 2.; vgl. auch BGE 130 IV 77 E. 2.4). Vermeidbar ist ein Verbotsirrtum gemäss Bundesgericht regelmässig dann, wenn der Täter selbst an der Rechtmässigkeit seines Verhaltens zweifelte oder hätte Zweifel haben müssen. Dasselbe gilt, wenn er durch die zuständige Behörde ausdrücklich auf die Rechtslage hingewiesen worden ist oder sich über behördliche Anordnungen hinwegsetzt. Falls Anlass zu Zweifeln an der Rechtmässigkeit des Verhaltens besteht, hat sich der Täter grundsätzlich bei der zuständigen Behörde zuvor näher zu informieren (BGE 129 IV 6 E. 4.1; 104 IV 217 E. 3a S. 221; 99 IV 249 E. 1 S. 251; je mit Hinweisen). Werden Auskünfte bei einem Rechtsberater bzw. Anwalt eingeholt, gilt es zu berücksichtigen, dass sich der Täter auf die Auskunft nur verlassen kann, wenn diesem jener Sachverhalt zur Prüfung vorlag, der vom Täter nachher verwirklicht wurde, und er im Gutachten unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft worden ist, die auch der Täter kennen musste (BGE 98 IV 293 E. 4a). Sind Rechtsfragen umstritten, darf sich der Betroffene nicht ohne weiteres auf den für ihn günstigen juristischen Rat verlassen (BGE 129 IV 6 E. 4.2; 121 IV 109 E. 5b; zum Ganzen vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_804/2018 vom 4. Dezember 2018 E. 3.2). Ob der Täter weiss, dass sein Verhalten der Rechtsordnung widerspricht respektive er ein unbestimmtes Empfinden hat, etwas Unrechtes zu tun, ist eine Sachverhaltsfrage. Rechtsfrage ist, ob der Irrtum vermeidbar war (Urteile des Bundesgerichts 6B_804/2018 vom 4. Dezember 2018 E. 3.2 und 6B_368/2017 vom 10. August 2017 E. 4.2).

6.5.2 Beweiswürdigend hat die Berufungskammer festgestellt, dass der Beschuldigte zumindest ein unbestimmtes Empfinden hatte, etwas Unrechtes zu tun (E. 5.6.3). Er musste unter den gegebenen Umständen Zweifel an der Rechtsmässigkeit des Verhaltens der B. haben. Die nähere Information durch die zuständige Behörde, die FINMA, hat er nicht abgewartet. Soweit er geltend machte, sich auf die Auskunft seines Rechtsberaters, Rechtsanwalt Dr. D., verlassen zu haben, ist dies vorliegend zur Begründung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums nicht hinreichend. D. hatte kein Gutachten erstellt, das den Sachverhalt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft hätte. Spätestens nach dem Schreiben der FINMA, Geschäftsbereich Enforcement, vom 5. Dezember 2017, in welchem darauf hingewiesen wurde, dass die B. eine nach den Finanzmarktgesetzen bewilligungspflichtige Tätigkeit ausüben könnte und Fragen zum ICO und der Verwendung des M. als Zahlungsmittel stellte, hätte der Beschuldigte an der Rechtsmässigkeit des ICO zweifeln müssen. Er durfte sich unter diesen Umständen nicht ohne weiteres auf den für die B. günstigen juristischen Rat verlassen.

Der Beschuldigte nahm in Kauf, dass er sich rechtswidrig verhält. Er hat sich somit nicht geirrt und befand sich – entgegen der Feststellung der Vorinstanz (E. 2.5.5.3 f. erstinstanzliche Urteilsbegründung) – nicht in einem Verbotsirrtum. Zumal kein Irrtum vorliegt, muss die Frage, ob der Irrtum vermeidbar gewesen wäre, nicht näher geprüft werden.

7. Strafzumessung

7.1 Anwendbares Recht

Am 1. Januar 2018 sind die revidierten Bestimmungen des allgemeinen Teils des StGB in Kraft getreten. Gemäss Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 2 VStrR wird nach geltendem Recht beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten eine Straftat begangen hat. Massgebend ist der Zeitpunkt der Vornahme der tatbestandsmässigen Handlung (Popp/Berkemeier, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 2 StGB N. 5). Als Ausnahme bestimmt Art. 2 Abs. 2 StGB, dass eine Tat, die vor Inkrafttreten des Gesetzes begangen wurde, nach dem neuen Recht zu beurteilen ist, wenn dieses für den Täter milder ist («lex mitior»). Dieser Grundsatz kommt ebenfalls zum Tragen, wenn ausserstrafrechtliche Regeln, von denen ein Strafbarkeitselement abhängt, die elementaren Voraussetzungen der Strafe begrenzt (Popp/Berkemeier, a.a.O., Art. 2 StGB N. 14). Entsprechend des Grundsatzes der Alternativität gelangt jedoch in Bezug auf ein und dieselbe Tat nur entweder das alte oder das neue Recht zur Anwendung (BGE 134 IV 82 E. 6.2.3 mit Hinweisen). Bei einem Dauerdelikt ist das neue Recht anzuwenden (Trechsel/Vest, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], StGB Praxiskommentar, 4. Aufl. 2021, Art. 2 StGB N. 5).

Vorliegend wurde mit der Ausgabe der M. Token vom 28. Dezember 2017 bis am 12. Februar 2018 Geldwäschereigefahr geschaffen. Die rechtswidrige finanzintermediäre Tätigkeit fand also in diesem Zeitraum statt. Die Tathandlung des Beschuldigten ist die Unterlassung in seiner Funktion als Verwaltungsrat der B. deren Handeln zu unterbinden. Es liegt somit ein strafbares Verhalten in Form einer Unterlassung vor, die sich über längere Zeit erstreckt. Dies wird als Dauerdelikt qualifiziert. Es ist somit das Recht im Zeitpunkt der Beendigung der strafbaren Handlung anwendbar (vgl. für die Verjährung Art. 98 lit. c StGB i.V.m. Art. 2 VStrR). Es gelangt das neue Sanktionenrecht, wie es seit dem 1. Januar 2018 in Kraft ist, zur Anwendung.

7.2 Grundlagen und Strafrahmen

Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 2 VStrR misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Das Verschulden bestimmt sich gemäss Art. 47 Abs. 2 StGB nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden. Bei der Strafzumessung ist zwischen Tat- und Täterkomponente zu unterscheiden. Die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung sind in der Urteilsbegründung festzuhalten (Art. 50 StGB). Im Übrigen wird für die Strafzumessungsregeln auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen (E. 3.2 erstinstanzliche Urteilsbegründung).

Art. 44 Abs. 1 aFINMAG sieht einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu drei Jah-ren Freiheitsstrafe vor. Durch das Vorliegen von Strafmilderungs- oder Strafschärfungsgründen wird der ordentliche Strafrahmen nicht automatisch nach unten oder nach oben erweitert. Der ordentliche Strafrahmen ist nur zu verlassen, wenn ausgewöhnliche Umstände vorliegen und die für die betreffende Tat angeordnete Strafe im konkreten Fall zu hart bzw. zu milde erscheint (BGE 136 IV 55 E. 5.8). Solche aussergewöhnlichen Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.

7.3 Tatkomponente

7.3.1 Objektive Tatschwere

7.3.1.1 Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes

Die B. hat innerhalb von rund 1.5 Monaten eine Kyptowährung an über 11'000 Personen ausgegeben und dafür einen Gegenwert von über USD 17 Mio. erhalten. Bis im Mai 2020 fanden über 114'000 Transaktionen von M. statt (EFD pag. 011-007). Die geldwäschereirechtlichen Sorgfaltspflichten der Identifizierung der Vertragspartner und der Feststellung der wirtschaftlichen Berechtigten wurden ungenügend eingehalten. Die Prüfung nach Massgabe des GwG kann nicht mehr nachgeholt werden. Es wurde damit eine grosse Gefahr geschaffen, dass der M. zur Geldwäscherei oder zur Terrorismusfinanzierung missbraucht werden könnte. Dies schadet der Reputation des Schweizer Finanzplatzes beträchtlich. Der Schutzzweck des GwG der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung wurde aufgrund der hohen Summe, Anzahl Teilnehmer und Anzahl Transaktionen stark beeinträchtigt. Verschuldensmindernd ist zu berücksichtigen, dass – wenn auch ein ungenügender –ein KYC-Prozess durchgeführt und ICO-Teilnehmer identifiziert wurden. So wurde doch ein Versuch unternommen, das Geldwäschereirisiko zu minimieren. Das Geschäftsmodell der B. wäre grundsätzlich bewilligungsfähig gewesen bzw. wurde der SRO-Anschluss später vorgenommen.

7.3.1.2 Art und Weise des Vorgehens bzw. Verwerflichkeit des Handelns

Die Tatsache, dass sich der Beschuldigte mit seinem Nichteinschreiten gegen die Ausgabe des M. dem Druck der Investoren beugte, anstatt die Beurteilung der FINMA abzuwarten oder die B. einer SRO anzuschliessen, wurde als sein tatbestandsmässiges Handeln gewürdigt. Da es nicht wesentlich über die Tatbestandmässigkeit hinausgeht, kann es im Rahmen der Strafzumessung nicht nochmals straferhöhend berücksichtigt werden. Eine erhöhte kriminelle Energie oder besonders skrupelloses Verhalten im strafrechtlichen Sinne sind bei ihm nicht auszumachen. Anders als gewisse Täter im Bereich der Finanzmarktdelikte, die ohne jegliche rechtlichen Abklärungen handeln, hat er doch gezeigt, dass ihm die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen nicht völlig gleichgültig waren. Er liess sich von einem Rechtsanwalt beraten, der im Bereich FinTech als besonders versiert galt, den er seit längerer Zeit kannte und dem er vertraute. Es fand zudem ein Kontakt mit der FINMA stand. Dies ist leicht verschuldensmindernd zu berücksichtigen.

Art. 44 Abs. 1 aFINMAG i.V.m. Art. 6 Abs. 2 VStrR normiert ein Unterlassungsdelikt. Dem Beschuldigten wird strafrechtlich kein aktives Tun, sondern ein Unterlassen in seiner Rolle als Verwaltungsrat zur Last gelegt. Im Vergleich zum Tätigkeitsdelikt von Art. 44 Abs. 1 aFINMAG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 VStrR wiegt das Tatverschulden geringer. Beziehungsweise ist die Grösse des Tatbeitrages des Beschuldigten zu berücksichtigen. Der Beschuldigte trägt zwar als Verwaltungsrat die (strafrechtliche) Verantwortung für das Handeln der B. Er war jedoch nicht derjenige, der als Hauptverantwortlicher die Entscheide für das Handeln der Gesellschaft traf. Dies führt ebenfalls zu einem leicht verringerten Tatverschulden.

7.3.2 Subjektive Tatschwere

7.3.2.1 Willensrichtung und Beweggründe

Der Beschuldige handelte nicht mit direkten Vorsatz, sondern eventualvorsätzlich. Dies ist verschuldensmindernd zu berücksichtigen. Das Handeln des Beschuldigten war wirtschaftlich und somit finanziell motiviert. Dies ist bei Finanzmarktdelikten jedoch tatbestandsimmanent. Die B. strebte wie jede gewinnorientierte Gesellschaft ein möglichst gewinnbringendes Geschäft an. Es ist beweismässig nicht erstellt, wie stark der Beschuldigte persönlich vom Erfolg der B. oder gar spezifisch von der Ausgabe der M. direkt profitiert hat. So können die finanziellen Beweggründe für das Handeln entgegen der Erwägungen der Vorinstanz nicht verschuldenserhöhend berücksichtigt werden. Achtenswerte Beweggründe liegen keine vor.

7.3.2.2 Vermeidbarkeit der Tat

Die Tat wäre durch ein Abwarten der Beurteilung durch die FINMA oder einen SRO-Anschluss leicht vermeidbar gewesen. Ein (vermeidbarer) Verbotsirrtum liegt nicht vor. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte zu einem Zeitpunkt in den Verwaltungsrat geholt wurde, als das Geschäftsmodell der B. bereits bestand und potentiellen Investoren bereits Versprechungen mit einem klaren Zeitplan gemacht worden waren. Der ihm vertraute Rechtsanwalt Dr. D. versicherte ihm, dass das Vorgehen der B. rechtlich unproblematisch sei. Insbesondere erstellte D. das Antwortschreiben an die FINMA vom 22. Dezember 2017 und legte dieses dem Beschuldigten kurz vor Weihnachten zur Unterschrift vor. Hätte der Beschuldigte interveniert und die Ausgabe der M. unmittelbar vor dem geplanten Termin verhindert, so hätte er gegenüber seinen Geschäftspartnern mit Sicherheit einen sehr schweren Stand gehabt. Es hätte die Gefahr bestanden, dass die ICO-Teilnehmer, von denen die B. zur Finanzierung ihres Projekts abhängig war, das Vertrauen in das Projekt verlieren. So bestand für ihn subjektiv doch ein gewisser Druck, sich nach dem Anraten der übrigen Beteiligten zu verhalten. Es liegt damit eine leicht herabgesetzte Vermeidbarkeit der Tat vor.

7.3.3 Tatverschulden

Während die Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes aufgrund der geschaffenen Geldwäschereigefahr erheblich ist, fallen die Art und Weise des Vorgehens des Beschuldigten und das gesamte subjektive Tatverschulden verschuldensmindernd ins Gewicht. Insgesamt ist das Tatverschulden im Verhältnis zum weiten Strafrahmen als gerade noch leicht zu bezeichnen. Eine Strafe im Umfang von sechs Monaten bzw. 180 Strafeinheiten erscheint angemessen.

7.4 Täterkomponente

7.4.1 Vorleben und persönliche Verhältnisse

Der Beschuldigte ist nicht vorbestraft (CAR pag. 4.401.033). Er lebt in guten finanziellen Verhältnissen (CAR pag. 4.200.005 ff. und pag. 4.401.008 ff.). Er beschrieb im Berufungsverfahren, dass seine Geschäftsaktivitäten einerseits auf die Tätigkeit als Vermögensverwalter und Trustee fokussieren würden. Diese Dienstleistungen biete er über zwei von ihm beherrschte Aktiengesellschaften an. Auf der anderen Seite unterstütze die von ihm beherrschte K. GmbH in- und ausländische Kunden bei der Buchhaltung, den Steuern und bei der Vermögensverwaltung. Sie würden auch Services im Bereich der Gründung eines Unternehmens und Domizil, Einsitznahmen als Verwaltungsrat und/oder Direktor sowie in der Unternehmensadministration anbieten. Insgesamt habe er aktuell 28 Mandate in verschiedenen Gesellschaften. Bei fast allen Gesellschaften mache er die Buchhaltung und kenne diese bestens (CAR pag. 5.200.001 f.). Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hatte der Beschuldigte per 10. November noch 57 Mandate angegeben (TPF pag. 7.721.001). Die Vorinstanz wertete das fortgesetzte Geschäftsmodell des Beschuldigten aufgrund der grossen Anzahl Mandate als bedenklich. Eine sorgfältige Mandatsausübung lasse sich kaum sicherstellen und die Überforderung habe sich im vorliegenden Fall manifestiert. Sie wertete dies leicht straferhöhend (E. 3.3.2.2 erstinstanzliche Urteilbegründung). Die Geschäftstätigkeit des Beschuldigten ist jedoch nicht Teil des vorliegend zu beurteilenden strafrechtlichen Vorwurfes. Die Berufungskammer erachtet eine diesbezügliche Straferhöhung als unangemessen. Die hier zu beurteilende Tat hätte sich durchaus auch ereignen können, hätte der Beschuldigte keine anderen Mandate gehabt. Das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse wirken sich neutral auf die Strafe aus.

7.4.2 Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren

Der Beschuldigte hat sich im Strafverfahren grundsätzlich kooperativ verhalten. Die Verweigerung der Mitwirkung und der Aussage ist sein Recht. Zumal er sich als unschuldig erachtete, können ihm keine Reue und Einsicht zu Gute gehalten werden. Während der Dauer des Strafverfahrens hat er sich bei vielseitiger Geschäftstätigkeit nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Das Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren ist ebenfalls neutral zu werten.

7.4.3 Strafempfindlichkeit

Im Rahmen der Strafempfindlichkeit ist die Wirkung der Strafe auf das Leben des Beschuldigten zu berücksichtigen (vgl. Art. 47 Abs. 1 StGB). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine erhöhte Strafempfindlichkeit nur bei aussergewöhnlichen Umständen zu bejahen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1001/2016 vom 3. April 2017 E. 1.4.2 mit Hinweisen). Der Beschuldigte gab an, eine Verurteilung würde ihn in seiner beruflichen Existenz berauben, da er die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung verliere (CAR pag. 5.200.005). Ob der Beschuldigte seine Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung tatsächlich verlieren wird, steht nicht fest. Eine allfällige verwaltungsrechtliche Konsequenz der strafrechtlichen Verurteilung stellt keine direkte negative Folge der Strafe dar. Durch eine tiefere Strafe liessen sich die möglichen verwaltungsrechtlichen Folgen nicht unbedingt vermindern. Die Berufungskammer berücksichtigt somit vorliegend keine erhöhte Strafempfindlichkeit.

7.5 Strafart und konkretes Strafmass

Zumal sich die Täterkomponente weder strafmindernd noch straferhöhend auswirkt, bleibt es bei einem Strafmass von sechs Monaten bzw. 180 Strafeinheiten. Bis zu dieser Strafhöhe ist sowohl eine Geldstrafe als auch eine Freiheitsstrafe möglich (Art. 34 Abs. 1 und Art. 40 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 44 aFINMAG und Art. 2 VStrR). Das Prinzip der Verhältnismässigkeit gebietet, dass bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall jene gewählt werden soll, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift bzw. die ihn am wenigsten hart trifft (BGE 134 IV 97 E. 4.2.2). So ist vorliegend für einen Ersttäter die mildere Strafart der Geldstrafe zu wählen.

Ein Tagessatz beträgt in der Regel mindestens 30 und höchstens 3000 Franken. Ausnahmsweise, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters dies gebieten, kann der Tagessatz bis auf 10 Franken gesenkt werden. Das Gericht bestimmt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB). Das monatliche Nettoeinkommen des Beschuldigten betrug gemäss Steuererklärung für das Jahr 2021 Fr. 15'182.50 (CAR pag. 4.401.015). Mangels anderer Angaben ist auf diesen aktuellsten Betrag abzustellen. Unterstützungspflichten bestehen keine. Bei einem Pauschalabzug von 20 Prozent für Krankenkasse und Steuern ergibt dies gemäss Berechnungsformular der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) einen Tagessatz von Fr. 400.00. Das konkrete Strafmass beträgt somit 180 Tagessätze zu Fr. 400.00.

7.6 Bedingter Vollzug

7.6.1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Materiell ist demnach das Fehlen einer ungünstigen Prognose vorausgesetzt, womit praxisgemäss auf das Fehlen von Anhaltspunkten für eine Wiederholungsgefahr abgestellt wird (BGE 134 IV 60 E. 7.2).

7.6.2 Die formellen und materiellen Voraussetzungen für einen Aufschub des Strafvollzugs sind vorliegend erfüllt. Dem Beschuldigten kann keine schlechte Prognose gestellt werden. Die Geldstrafe wird somit bedingt ausgesprochen. Die Probezeit wird in Anwendung von Art. 44 Abs. 1 StGB auf das Minimum von zwei Jahren festgesetzt.

7.7 Verbindungsbusse

7.7.1 Eine bedingte Strafe kann mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit einer Busse nach Art. 106 StGB verbunden werden (Art. 42 Abs. 4 StGB). Die sogenannte Verbindungsbusse soll gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Sinn eines Denkzettels dazu beitragen, das unter spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten eher geringe Drohpotenzial der bedingten Geldstrafe zu erhöhen (BGE 134 IV 60 E. 7.3.1). So heisst es auch in der Botschaft des Bundesrates, dass die Bestimmung in erster Linie dazu dient, die Schnittstellenproblematik zwischen der Busse (für Übertretungen) und der bedingten Geldstrafe (für Vergehen), insbesondere im Bereich des Strassenverkehrsrechts, zu entschärfen (Botschaft zur Änderung des Strafgesetzbuches in der Fassung vom 13. Dezember 2002 und des Militärstrafgesetzbuches in der Fassung vom 21. März 2003, BBl 2005 S. 4695, 4699 ff. und 4705 ff.). Eine vorsätzliche Widerhandlung nach Art. 44 Abs. 1 FINMAG wird mit GeId- oder Freiheitsstrafe geahndet, während eine fahrlässige begangene Widerhandlung nach Art. 44 Abs. 2 FINMAG mit Busse bestraft wird. lm ersten Fall kann der Vollzug aufgeschoben werden im zweiten nicht (vgl. Art. 42 Abs. i sowie Art. 105 Abs. 1 StGB). So Iiegt auch im Bereich des Finanzmarktstrafrechts eine Art Schnittstellenproblematik vor. Es handelt sich jedoch nicht um eine Massendelinquenz wie im Strassenverkehrsbereich, sodass sich eine automatisierte Verbindungsstrafe aufdrängt. Es scheint eine genauere Betrachtung im Einzelfall angezeigt.

7.7.2 Aus spezialpräventiver Sicht erscheint der Beschuldigte vorliegend auch mit einer bedingten Strafe genügend bestraft. Ein zusätzlicher Denkzettel erscheint nicht notwendig, um ihm den Ernst der Lage vor Augen zu führen. Auch aus generalpräventiver Sicht hat die strafrechtliche Verurteilung für sich und unabhängig von der konkreten Strafe bereits eine hinreichende Wirkung. Die Berufungskammer verzichtet im vorliegenden Fall auf das Aussprechen einer Verbindungsbusse.

8. Kosten und Entschädigung

8.1 Nach Art. 97 VStrR bestimmen sich die Kosten im gerichtlichen Verfahren nach den Art. 417 bis 428 StPO. Die beschuldigte Person trägt Art. 426 Abs. 1 StPO zufolge die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 Satz 1 StPO). Fällt die Rechtsmittelinstanz selber einen neuen Entscheid, so befindet sie darin auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung (Art. 428 Abs. 3 StPO). Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien gemäss Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens.

8.2 Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren zur Deckung des Aufwands und den Auslagen im konkreten Straffall (Art. 422 Abs. 1 StPO). Nach Art. 424 Abs. 1 StPO regeln Bund und Kantone die Berechnung der Verfahrenskosten und legen die Gebühren fest. Nach Art. 73 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71) gilt ein Gebührenrahmen von Fr. 200.00 bis Fr. 100'000.00 für jedes der folgenden Verfahren: Vorverfahren, erstinstanzliches Verfahren, Rechtsmittelverfahren (vgl. ferner Art. 6-7bis des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).

8.3 Die Verfahrenskosten des erstinstanzlichen Verfahren von insgesamt Fr. 7'510.00 (Kosten Verwaltung Fr. 4'000.00 und Kosten Gericht Fr. 3'194.00) werden bestätigt. Aufgrund der Bestätigung des Schuldspruchs werden sie gestützt auf Art. 426 Abs. 1 StPO vollumfänglich dem Beschuldigten auferlegt.

8.4 Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 1. Dezember 2022 reichte der Vertreter des EFD die Kostenaufstellung für die Anklageerhebung ein (CAR pag. 5.200.046). Das EFD machte darin für die Anklageerhebung vor der Berufungskammer eine Gebühr von Fr. 1'000.00 (inkl. Reise- und Verpflegungskosten von Fr. 309.00) geltend. Die Berufungskammer hat bereits im Urteil CA.2019.27 vom 22. September 2020 festgehalten, dass es an einer rechtlichen Grundlage für die Erhebung solcher Gebühren vor der Rechtsmittelinstanz beziehungsweise für deren Zuschlagung auf die Gerichtsgebühren fehlt (E. II.3.2; siehe auch Urteil der Berufungskammer CA.2021.27 vom 31. Oktober 2022 E. II.12.1.5). Der seitens des EFD zitierte Art. 6 Abs. 4 lit. c BStKR sieht eine Gebühr für die Anklageerhebung vor. Die Anklage wird jedoch bei der Strafkammer erhoben und nicht nochmals vor der Berufungskammer. Eine Gebühr für die Anklagevertretung ist nicht vorgesehen. Angesichts der strengen Handhabung des Legalitätsprinzips im Bereich des Gebührenrechts (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2020, Rz. 2795) ist dem Begehren des EFD um Deckung der Kosten für die Anklageerhebung bzw. die Anklagevertretung vor der Rechtsmittelinstanz nicht stattzugeben.

8.5 Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren wird auf Fr. 3'000.00 festgesetzt (Art. 73 Abs. 3 lit. c StBOG und Art. 7bis BStKR). Der Beschuldigte unterliegt mit seinem Antrag auf Freispruch vollumfänglich und erwirkt keinen für ihn günstigeres Urteil. Der Anschlussberufung des EFD mit Antrag auf Ausfällung einer höheren Strafe wird hingegen teilweise stattgegeben. In dieser Konstellation wird der Beschuldigte als vollumfänglich unterliegend betrachtet und hat sämtliche Verfahrenskosten zu tragen.

8.6 Ein Anspruch des Beschuldigten auf Entschädigung nach Art. 429 Abs. 1 und Art. 436 Abs. 1 und 2 StPO besteht nicht.

9. Weitere Verfügungen

9.1 Für den Vollzug des vorliegenden Urteils ist gemäss Art. 90 Abs. 1 VStrR das EFD zuständig.

9.2 Nach Art. 3 Ziff. 29 und Art. 4 der Verordnung vom 10. November 2004 über die Mitteilung kantonaler Strafentscheide (SR 312.3) ist das vorliegende Urteil ohne Verzug, das heisst ohne Abwarten der Rechtskraft, und in vollständiger Ausfertigung der FINMA mitzuteilen.

Die Berufungskammer erkennt:

I. Neues Urteil

1. A. wird der vorsätzlichen Tätigkeit als Finanzintermediär ohne Bewilligung gemäss Art. 44 Abs. 1 FINMAG i.V.m. Art. 14 GwG, begangen in der Zeit vom 28. Dezember 2017 bis am 12. Februar 2018, schuldig gesprochen.

2. A. wird bestraft mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à Fr. 400.00, total ausmachend Fr. 72'000.00. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

3. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten von Fr. 7'194.00 (Verwaltung Fr. 4'000.00, Gericht Fr. 3'194.00) werden A. zur Bezahlung auferlegt.

4. Der Vollzug des vorliegenden Urteils erfolgt durch das eidgenössische Finanzdepartement.

II. Kosten im Berufungsverfahren

              Die Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren von Fr. 3'000.00 werden A. zur Bezahlung auferlegt.

III. Mitteilung

Das Urteil wird den Parteien in der vollständigen Ausfertigung schriftlich eröffnet.

Im Namen der Berufungskammer

des Bundesstrafgerichts

Der Vorsitzende                                                                Die Gerichtsschreiberin

Olivier Thormann                                                              Nathalie Hiltbrunner

Zustellung an (Gerichtsurkunde)

- Bundesanwaltschaft, Frau Lucienne Fauquex, Staatsanwältin des Bundes

- Eidgenössisches Finanzdepartement, Generalsekretariat EFD, Rechtsdienst, Herr Dr. Christian Heierli, Leiter Strafrechtsdienst EFD

- Herr Rechtsanwalt Daniel S. Weber und Rechtsanwalt Michael Mráz (im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten A.)

Kopie an (brevi manu / Einschreiben)

- Bundesstrafgericht Strafkammer

- Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA

Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an

- Eidgenössisches Finanzdepartement (zum Vollzug)

Rechtsmittelbelehrung

Beschwerde an das Bundesgericht

Dieses Urteil kann innert 30 Tagen nach Eröffnung der vollständigen Ausfertigung mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht angefochten werden. Das Beschwerderecht und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in den Art. 78-81 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG) geregelt. Die begründete Beschwerdeschrift ist beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.

Die Fristeinhaltung bei Einreichung der Beschwerdeschrift in der Schweiz, im Ausland bzw. im Falle der elektronischen Einreichung ist in Art. 48 Abs. 1 und 2 BGG geregelt.

                                                                                               Versand: 23. Januar 2023

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