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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Rechtshilfe
Fallnummer:RR.2020.315
Datum:25.03.2022
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : Auslieferung; Entscheid; Kaution; Filter; Recht; Beschwerdegegner; Deckung; Bundesstrafgericht; Beschwerdekammer; Verfügung; Entscheide; Apos;; Auslieferungsentscheid; Bundesstrafgerichts; Auslieferungshaft; Urteil; Eigentum; Ermessen; BStGer; Justiz; Kautionsvereinbarung; Bundesgericht; Verfolgten; Willkür; Ermessens; Kroatien; Transportkosten; Verwendung
Rechtskraft:Kein Weiterzug, rechtskräftig
Rechtsnorm: Art. 29 BV ; Art. 4 VwVG ; Art. 48 BGG ; Art. 50 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 84 BGG ;
Referenz BGE:129 I 232; 146 II 335; 147 V 194; ;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

RR.2020.315

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RR.2020.315 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen

Entscheid vom 25. März 2022
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Daniel Kipfer Fasciati und Patrick Robert-Nicoud,

Gerichtsschreiber Stephan Ebneter

Parteien

A. , am 8. Januar 2020 an Kroatien ausgeliefert,

vertreten durch Rechtsanwältin Veronica Kuonen-Martin,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung,

Beschwerdegegner

Gegenstand

Auslieferung an Kroatien

Kosten ( Art. 62 IRSG)


Sachverhalt:

A. Mit Interpolmeldung vom 18. April 2017 ersuchten die kroatischen Behörden um Fahndung und Verhaftung des kroatischen Staatsangehörigen A. zwecks Auslieferung im Zusammenhang mit verschiedenen Betrugsdelikten (act. 4.1). Mit Schreiben vom 6. Juni 2017 reichte das kroatische Justizministerium ein formelles Auslieferungsersuchen gegen A. ein (act. 4.2).

B. Gestützt auf einen Auslieferungshaftbefehl des Bundesamtes für Justiz (nachfolgend «BJ») vom 12. März 2018 (act. 4.3) wurde A. am 3. April 2018 verhaftet (vgl. act. 4.4). Mit Schreiben vom 24. Mai 2018 liess das BJ A. eine Kautionsvereinbarung (Kaution: Fr. 5'000.–) zukommen (act. 4.5, 4.5A). Mit Schreiben vom 25. Mai 2018 (vorab per Telefax) liess A. dem BJ die unterzeichnete Kautionsvereinbarung zukommen (act. 4.6). Die Kautionsvereinbarung enthält namentlich die Bestimmung, wonach sich das BJ das Recht vorbehält, die Kaution (bzw. einen Teil davon) zur Deckung der Kosten des Auslieferungsverfahrens im Sinne von Art. 62 Abs. 2 IRSG zu verwenden (Ziff. 1). Per Telefax vom 25. Mai 2018 ordnete das BJ die umgehende Entlassung von A. aus der Auslieferungshaft an (act. 4.7).

C. Mit Auslieferungsentscheid vom 13. Mai 2019 bewilligte das BJ die Auslieferung von A. an Kroatien für die dem Auslieferungsersuchen des kroatischen Justizministeriums vom 6. Juni 2017 zugrunde liegenden Straftaten (act. 4.8). Die von A. dagegen erhobene Beschwerde vom 13. Juni 2019 wies die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit Entscheid RR.2019.141 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 30. Oktober 2019 ab. Auf die von A. dagegen erhobene Beschwerde vom 11. November 2019 trat das Bundesgericht mit Urteil 1C_594/2019 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 13. Dezember 2019 nicht ein.

D. Gestützt auf einen Auslieferungshaftbefehl des BJ vom 31. Oktober 2019 (act. 4.11A) wurde A. am 1. November 2019 erneut verhaftet (act. 4.12). Mit Verfügung vom 13. November 2019 wies das BJ ein Haftentlassungsgesuch von A. ab (act. 4.13). Die von A. dagegen erhobene Beschwerde vom 2. Dezember 2019 wies die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit Entscheid RH.2019.24 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 17. Dezember 2019 ab. Auf die von A. dagegen erhobene Beschwerde vom 30. Dezember 2019 trat das Bundesgericht mit Urteil 1C_680/2019 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 8. Januar 2020 nicht ein.

E. Am 8. Januar 2020 wurde A. an Kroatien ausgeliefert (act. 4.14).

F. Am 21. Oktober 2020 verfügte das BJ, dass die Kaution von Fr. 5'000.– vollumfänglich zur Deckung der Haft- und Transportkosten verwendet wird (act. 1.1, 4.20).

G. Dagegen gelangt A., vertreten durch Rechtsanwältin Veronica Kuonen-Martin, mit Beschwerde vom 23. November 2020 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt, die Verfügung des BJ vom 21. Oktober 2020 sei aufzuheben und die geleistete Kaution in der Höhe von Fr. 5'000.– sei ihm auszuhändigen (act. 1).

H. Mit Beschwerdeantwort vom 7. Dezember 2020 beantragt das BJ, die Beschwerde sei unter Kostenfolge abzuweisen (act. 4). Diese wurde A. am 11. Dezember 2020 zur Kenntnis gebracht (act. 5).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Auf Beschwerdeverfahren in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten sind die Bestimmungen des VwVG anwendbar (Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 StBOG), wenn das IRSG nichts anderes bestimmt ( Art. 12 Abs. 1 IRSG).

2. Die angefochtene Verfügung unterliegt der Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts ( Art. 25 Abs. 1 IRSG; Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2017.47 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 1. Juni 2017 E. 1.1; RR.2010.190 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 5. November 2010 E. 1; vgl. Urteil des Bundesgerichts 1A.106/2001 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 21. August 2001 E. 1). Die Beschwerde wurde innert der 30-tägigen Beschwerdefrist erhoben ( Art. 50 Abs. 1 VwVG). Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung ( Art. 48 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

3. Die angefochtene Verfügung erging in Anwendung des Art. 62 Abs. 2 IRSG. Gemäss Art. 62 IRSG übernimmt bei der Auslieferung an das Ausland der Bund die Haft- und Transportkosten, soweit sie im internationalen Verkehr üblicherweise vom ersuchten Staat getragen werden (Abs. 1). Persönliches Eigentum des Verfolgten kann zur Deckung der Kosten verwendet werden, soweit es nicht auszuliefern ist (Abs. 2).

4.

4.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Willkürverbots nach Art. 9 BV. Über die Verwendung persönlichen Eigentums des Verfolgten zur Deckung der Kosten müsse im Auslieferungsentscheid entschieden werden. Es bestehe kein rechtlicher Rahmen für einen nachträglichen Entscheid. Der Beschwerdeführer habe nach allgemeinen rechtlichen Grundsätzen davon ausgehen dürfen, dass spätestens mit Eintritt der Rechtskraft des Auslieferungsentscheids die Angelegenheit erledigt sei. Es gelinge dem Beschwerdegegner nicht, eine stringente Argumentation für den nachträglichen Entscheid zu liefern (act. 1 S. 3 ff.).

4.2 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid nicht bereits dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Vielmehr liegt Willkür erst vor, wenn der betreffende Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür ist einzig zu bejahen, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist ( BGE 147 V 194 E. 6.3.1 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen mit Hinweis).

4.3 Davon kann hier keine Rede sein. In der Kautionsvereinbarung wurde festgehalten, dass der Beschwerdegegner sich das Recht vorbehält, die Kaution (bzw. einen Teil davon) zur Deckung der Kosten des Auslieferungsverfahrens im Sinne von Art. 62 Abs. 2 IRSG zu verwenden (Ziff. 1 der Kautionsvereinbarung). Das IRSG legt nicht fest, zu welchem Zeitpunkt über die Verwendung persönlichen Eigentums des Verfolgten zur Deckung der Kosten zu entscheiden ist. Haft- und Transportkosten entstehen regelmässig auch noch nach Erlass des Auslieferungsentscheids. Es ist daher auch zulässig, über die Verwendung persönlichen Eigentums des Verfolgten nach Erlass des Auslieferungsentscheids zu verfügen. Der Auslieferungsentscheid erging am 13. Mai 2019. Der Beschwerdeführer befand sich vom 3. April 2018 bis zum 25. Mai 2018 und vom 1. November 2019 bis zum 8. Januar 2020 in Auslieferungshaft. Aus den vorliegenden Akten geht hervor, dass dem Beschwerdegegner vom Regionalgefängnis Bern Kosten für die Auslieferungshaft des Beschwerdeführers in Rechnung gestellt wurden: am 3. Mai 2018 für 28 Tage im April 2018 (act. 4.18A), am 4. Juni 2018 für 25 Tage im Mai 2018 (act. 4.18B), am 4. Dezember 2019 für 30 Tage im November 2019 (act. 4.18C), am 6. Januar 2020 für 31 Tage im Dezember 2019 (act. 4.18D) und am 5. Februar 2020 für 7 Tage im Januar 2020 (act. 4.18E). Angesichts dessen ist nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdegegner erst nach Erlass des Auslieferungsentscheids über die Verwendung der Kaution verfügte.

4.4 Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

5.

5.1 Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Art. 62 Abs. 2 IRSG räume dem Beschwerdegegner ein grosses Ermessen ein. Die angefochtene Verfügung enthalte keine konkreten Ausführungen zur Ermessensausübung, sondern halte einzig fest, dass die Kaution zur Deckung der Kosten verwendet werde. Damit werde die Begründungspflicht im Ermessensentscheid verletzt (act. 1 S. 5).

5.2 Die aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör ( Art. 29 Abs. 2 BV) fliessende Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen, verlangt nicht, dass sich diese mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken, so dass der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann ( BGE 146 II 335 E. 5.1 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 143 III 65 E. 5.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen S. 70 f.; je mit Hinweisen). An die Begründung sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je grösser der der Behörde eingeräumte Ermessensspielraum ist und je vielfältiger die tatsächlichen Voraussetzungen sind, die bei der Betätigung des Ermessens zu berücksichtigen sind ( BGE 129 I 232 E. 3.3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen S. 239 mit Hinweisen).

5.3 In der angefochtenen Verfügung bringt der Beschwerdegegner zum Ausdruck, warum er die Kaution von Fr. 5'000.– vollumfänglich zur Deckung der Haft- und Transportkosten verwendet. Gemäss Art. 62 Abs. 2 IRSG könne persönliches Eigentum des Verfolgten zur Deckung der Kosten verwendet werden, sofern es nicht auszuliefern sei. Die vom Beschwerdeführer geleistete Kaution gehöre ohne Weiteres zu den Vermögenswerten, und damit zum Eigentum des Beschwerdeführers. Dem Beschwerdegegner seien nur schon durch die Auslieferungshaft Kosten von über Fr. 28'000.– angefallen. Die tatsächlichen Voraussetzungen bei der Betätigung des Ermessens, das Art. 62 Abs. 2 IRSG dem Beschwerdegegner einräumt, sind bestimmt und nicht vielfältig. Die Anforderungen an die Begründung sind deshalb gering. Diesen wird die angefochtene Verfügung gerecht, eine sachgerechte Anfechtung war jedenfalls möglich. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt damit nicht vor.

5.4 Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

6. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet. Sie ist abzuweisen.

7. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'000.– festzusetzen (vgl. Art. 63 Abs. 5 VwVG i.V.m. Art. 73 StBOG sowie Art. 5 und Art. 8 Abs. 3 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.– wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 25. März 2022

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                             Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

-              Rechtsanwältin Veronica Kuonen-Martin

-              Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden ( Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG). Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden ( Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind ( Art. 48 Abs. 2 BGG).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt ( Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist ( Art. 84 Abs. 2 BGG).

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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