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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BV.2021.21, BV.2021.22
Datum:11.01.2022
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : Verfahren; Verfahrens; Untersuchung; Filter; Einvernahme; Akten; Ordner; Verfahrensakten; Bundes; Lasche; Untersuchungsleiter; Ludwig; VStrR; Auswertung; E-Mail; Verfahren; Einvernahmen; Direktor; Urteil; Unterlagen; Beschwerdeentscheid; Urteile; Ehegatten; Gericht; Verfahrensdauer; Beschleunigungsgebot
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 103 MWSTG ; Art. 25 StGB ; Art. 29 BV ; Art. 5 StGB ; Art. 5 StPO ; Art. 6 EMRK ; Art. 66 BGG ; Art. 9 MWSTG ;
Referenz BGE:117 IV 124; 130 IV 54; 135 I 265; 137 I 23; 139 IV 246; 143 IV 373; ;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

BV.2021.21, BV.2021.22

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BV.2021.21 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen-22

Beschluss vom 11. Januar 2022
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Daniel Kipfer Fasciati und Miriam Forni,    

Gerichtsschreiberin Inga Leonova

Parteien

1. A. ,

2. B. ,

beide vertreten durch Advokat Hubertus Ludwig,

Beschwerdeführer

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Säumnis ( Art. 27 Abs. 1 und 3 VStrR)

Sachverhalt:

A. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend «ESTV») führt gegen A. ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts auf Abgabebetrug gemäss Art. 14 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0), mehrfache Steuerhinterziehung und Verletzung von Verfahrenspflichten nach Art. 96 und Art. 98 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) sowie gegen dessen Ehefrau, B., eine Untersuchung wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung nach Art. 96 MWSTG (Verfahrensakten, Ordner 2, Lasche 3, Eröffnungsverfügungen vom 9. November 2017).

B. Gestützt auf den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl des Direktors der ESTV vom 8. Dezember 2017 fanden in den Geschäftsräumlichkeiten von C. AG, D. AG, E. AG und F. AG sowie an der Wohnadresse von A. und B. (nachfolgend «Ehegatten A. und B.») am 13. Dezember 2017 Durchsuchungen statt, anlässlich welcher unter anderem diverse Unterlagen sichergestellt wurden (act. 1.3; Verfahrensakten, Ordner 2, Lasche 3, Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokolle vom 13. Dezember 2017).

C. Zwecks Vornahme einer buchhalterischen Auswertung zog die ESTV im Januar 2018 einen Mitarbeiter der Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Abteilung Externe Prüfung, als Sachverständigen bei und beauftragte ihn am 6. März 2018 mit der Auswertung der sichergestellten Unterlagen bzw. insbesondere mit der Berechnung der Steuerforderung und die Prüfung allfällig strafrechtlicher relevanter Handlungen (act. 3.1, S. 3; act.14.3). Die Auswertung wurde im Mai 2020 abgeschlossen und es wurde für jede betroffene Gesellschaft ein Kontrollergebnis erstellt (Verfahrensakten, Ordner Auswertung, Laschen 1-4).

D. Anlässlich eines Telefongesprächs vom 22. Juni 2020 teilte der (neu eingesetzte) Untersuchungsleiter dem Rechtsvertreter der Ehegatten A. und B., Rechtsanwalt Hubertus Ludwig (nachfolgend «RA Ludwig»), mit, dass er die sich in Bern befindlichen Akten noch nicht habe studieren können, da die Mitarbeiter der ESTV wegen Covid-19 mehrheitlich zuhause arbeiten würden. Er plane jedoch, die Einvernahmen im Sommer 2020 durchzuführen, um das Schlussprotokoll bis zum Herbst 2020 erstellen zu können.
RA Ludwig bot seinerseits an, die Einvernahmen in seiner Kanzlei oder in den Räumlichkeiten der D. AG in Basel zu organisieren (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, Aktennotiz vom 22. Juni 2020).

E. Am 27. November 2020 reichte RA Ludwig der ESTV einen Entwurf einer Rechtsverzögerungsbeschwerde ein und beantragte einen Zeitplan der weiteren Schritte (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, E-Mail vom 27. November 2020). Daraufhin teilte der Untersuchungsleiter RA Ludwig mit E-Mail vom 4. Dezember 2020 mit, dass die Einvernahmen ab dem 25. Januar 2021 geplant seien und die Vorladungen noch im Dezember versendet würden. Weiter teilte der Untersuchungsleiter mit, dass er nach den Einvernahmen die Rückerstattung der sichergestellten Gegenstände veranlassen und die Beschlagnahmeverfügung erlassen werde (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, E-Mail vom 4. Dezember 2020).

F. Die Einvernahme der beschuldigten Ehegatten A. und B. und G. als Auskunftsperson setzte der Untersuchungsleiter mit Schreiben vom 23. Dezember 2020 auf den 29. Januar 2021 in den Räumlichkeiten der ESTV in Bern an (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, Schreiben vom 23. Dezember 2020). Mit E-Mail vom 6. Januar 2021 stellte RA Ludwig den Sinn der Einvernahme der beinahe 80-jährigen Auskunftsperson in Frage und ersuchte um eine gemeinsame Einvernahme der Ehegatten A. und B. in Basel (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, E-Mail vom 6. Januar 2021). Mit E-Mail vom 7. Januar 2021 teilte der Untersuchungsleiter RA Ludwig mit, dass sämtliche Covid-19-Massnahmen anlässlich der Einvernahmen eingehalten werden und eine Einvernahme in den angebotenen Räumlichkeiten in Basel nicht in Frage komme. Weiter merkte der Untersuchungsleiter an, dass weder das Verwaltungsstrafrecht noch das Kernstrafrecht eine gemeinsame Einvernahme kenne und A. an der Einvernahme seiner Ehefrau teilnehmen könne (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, E-Mail vom 7. Januar 2021).

G. Mit E-Mail vom 14. Januar 2021 setzte der Untersuchungsleiter RA Ludwig darüber in Kenntnis, dass die auf den 29. Januar 2021 angesetzten Einvernahmen aufgrund der neuen Covid-19-Massnahmen und den entsprechenden Weisungen der ESTV nicht stattfinden können. Weiter teilte der Untersuchungsleiter RA Ludwig mit, dass sobald die ESTV in der Lage sein werde, einen neuen Termin zu planen, er sich mit ihm in Verbindung setzen werde (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, E-Mail vom 14. Januar 2021).

H. Mit E-Mail vom 24. Februar 2021 ersuchte RA Ludwig den Untersuchungsleiter um Akteneinsicht und fügte an, dass ihm die Akten auch elektronisch (mittels passwortgeschütztem Download-Link) zugestellt werden könnten (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, E-Mail vom 24. Februar 2021). Der Untersuchungsleiter hiess den Antrag um Akteneinsicht mit Schreiben vom 8. März 2021 gut, hielt jedoch fest, dass die Mehrheit der Akten nicht digitalisiert sei und die Akteneinsicht in den Räumlichkeiten der ESTV in Bern und aufgrund der Corona-Massnahmen erst zu einem späteren Zeitpunkt gewährt werden könne (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, Schreiben der ESTV vom 8. März 2021).

I. Am 17. März 2021 liessen die Ehegatten A. und B. beim Direktor der ESTV Rechtsverzögerungsbeschwerde erheben (act. 14.2). Sie beantragten zusammengefasst, es sei das Strafverfahren ohne jeden Verzug spätestens innert drei Monaten zum Abschluss zu bringen und es sei die Verletzung des Beschleunigungsgebots festzustellen. Der Direktor wies die Beschwerde mit Beschwerdeentscheid vom 4. Mai 2021 ab und verzichtete auf die Erhebung einer Entscheidgebühr (act. 3.1).

J. Dagegen liessen die Ehegatten A. und B. am 10. Mai 2021 bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erheben. Sie beantragen im Hauptbegehren die Aufhebung des Beschwerdeentscheids vom 4. Mai 2021 und die Anweisung der ESTV, die gegen sie geführten Strafverfahren ohne jeden Verzug bzw. innert drei Monaten zum Abschluss zu bringen (act. 1).

K. Mit Schreiben vom 28. Mai 2021 setzte der Untersuchungsleiter die Einvernahmen der Ehegatten A. und B. und der Auskunftsperson auf den 18. Juni 2021 an (Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2, Schreiben der ESTV vom 28. Mai 2021).

L. Mit Eingabe vom 31. Mai 2021 liess sich der Direktor der ESTV zur Beschwerde vom 10. Mai 2021 vernehmen. Er beantragt die Abweisung der Hauptanträge der Beschwerdeführer. Der Direktor der ESTV reichte sodann die Verfahrensakten ein, merkte jedoch an, dass der Ordner mit der buchhalterischen Auswertung dem Gericht nach der Durchführung der Einvernahmen nachgereicht werde (act. 6). Das Schreiben vom 14. Juni 2021, mit welchem die Beschwerdeführer kurz replizierten und an den in der Beschwerde gestellten Begehren festhielten, wurde dem Direktor der ESTV am 15. Juni 2021 zur Kenntnis gebracht (act. 8, 9). Mit Schreiben vom 2. Juli 2021 teilte der Direktor der ESTV dem Gericht mit, dass die Einvernahme wie geplant am 18. Juni 2021 durchgeführt worden sei und reichte die buchhalterische Auswertung der sichergestellten Unterlagen zu den Akten (act. 10).

M. Auf Nachfrage des Gerichts reichte die Beschwerdegegnerin am 5. und 6. Januar 2022 das aktuelle Aktenverzeichnis, die (bis dahin nicht aktenkundige) Rechtsverzögerungsbeschwerde vom 17. März 2021 an den Direktor der ESTV sowie den Auftrag vom 6. März 2018 an die Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Abteilung Externe Prüfung, ein (act. 14, 14.1-14.3).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Für die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen gegen das Mehrwertsteuergesetz ist grundsätzlich das VStrR anwendbar ( Art. 103 Abs. 1 MWSTG; vgl. auch Camenzind/Honauer/Vallender/Jung/Probst, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz [MWSTG], 3. Aufl. 2012, N. 2696). Bei der Inlandsteuer und bei der Bezugssteuer obliegt die Strafverfolgung der ESTV ( Art. 103 Abs. 2 MWSTG).

1.2 Die Bestimmungen der Eidgenössischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) sind insoweit ergänzend oder sinngemäss anwendbar, als das VStrR dies ausdrücklich festlegt (vgl. Art. 22, Art. 30 Abs. 2-3, Art. 31 Abs. 2, Art. 41 Abs. 2, Art. 43 Abs. 2, Art. 58 Abs. 3, Art. 60 Abs. 2, Art. 80 Abs. 1, Art. 82, Art. 89 und Art. 97 Abs. 1 VStrR). Soweit das VStrR einzelne Fragen nicht abschliessend regelt, sind die Bestimmungen der StPO grundsätzlich analog anwendbar ( BGE 139 IV 246 E. 1.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen S. 248, E. 3.2 S. 249; Urteile des Bundesgerichts 1B_210/2017 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 23. Oktober 2017 E. 1.1; 1B_91/2016 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 4. August 2016 E. 4.1; zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 1B_433/2017 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 21. März 2018 E. 1.1). Die allgemeinen strafprozessualen und verfassungsrechtlichen Grundsätze sind jedenfalls auch im Verwaltungsstrafverfahren zu berücksichtigen ( BGE 139 IV 246 E. 1.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen und E. 3.2; TPF 2018 162 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 3; 2017 107 E. 1.2 und E. 1.3; 2016 55 E. 2.3).

2.

2.1 Gegen einen Beschwerdeentscheid im Sinne von Art. 27 Abs. 2 VStrR kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden ( Art. 27 Abs. 3 VStrR i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes [Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71]). Die Beschwerde gegen einen Beschwerdeentscheid ist innert drei Tagen, nachdem dieser dem Beschwerdeführer eröffnet worden ist, schriftlich mit Antrag und kurzer Begründung einzureichen ( Art. 28 Abs. 3 VStrR). Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch den Beschwerdeentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat ( Art. 28 Abs. 1 VStrR).

2.2 Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Beschwerdeentscheid des Direktors der Beschwerdegegnerin, den dieser am 4. Mai 2021 gestützt auf Art. 27 VStrR erlassen hat (act. 3.1). Als Adressaten des Entscheids sind die Beschwerdeführer beschwerdebefugt. Auf die im Übrigen form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten.

3.

3.1 Die Beschwerdeführer beantragen im Hauptrechtsbegehren zusammengefasst, der Beschwerdeentscheid des Direktors der ESTV vom 4. Mai 2021 betreffend die Rechtsverzögerungsbeschwerde vom 17. März 2021 sei aufzuheben; die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, das Verfahren ohne Verzug/innert drei Monaten zum Abschluss zu bringen und es sei die Verletzung des Beschleunigungsgebots festzustellen (act. 1, S. 2). Zur Verfahrensverzögerung bringen sie im Wesentlichen vor, dass die Beschwerdegegnerin seit der Sicherstellung der Dokumente im Dezember 2017 nichts unternommen habe, um das Verfahren voranzutreiben. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Durchsuchung der Buchhaltungsordner und die digitale Auswertung so viel Zeit in Anspruch nehmen könne. Gemäss angefragten Treuhänder würden dafür 320 Stunden (40 Tage) reichen. Auch nicht ersichtlich sei, inwiefern die Beschlagnahmeverfügung von den Einvernahmen abhänge. Zu den Corona bedingten Verzögerungen, führen sie aus, es sei zu erwarten, dass sich die Behörde so organisiere, dass während der Pandemie elementare Verfahrensschritte durchgeführt werden können. Die Sichtung und Beurteilung der Dokumente, die seit über drei Jahren sichergestellt seien, müssten im konkreten Fall ausreichen, um über eine Anklage oder eine Einstellung des Verfahrens zu befinden (act. 1, S. 7 ff.; act. 8).

3.2 Die Beschwerdegegnerin bestreitet die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Verfahrensverzögerung. Sie begründet die Verfahrensdauer mit der Komplexität der Untersuchung. Der Untersuchungszeitraum des den Beschwerdeführern vorgeworfenen Mehrwertsteuerbetrugs resp. der vorgeworfenen Steuerhinterziehung umfasse sieben Jahre und die Untersuchung beziehe sich auf vier Unternehmen. Anlässlich der Hausdurchsuchungen seien 112 (94+18) Gegenstände (vorwiegend A4 Ordner) sichergestellt worden. Für jede Gesellschaft sei ein Kontrollergebnis einschliesslich der üblichen Unterlagen – eines Gesamtberichts und der Beiblätter – erstellt worden und es habe eine genauere Analyse der Unterlagen stattgefunden, wie sich dem Umfang und dem Detaillierungsgrad des Berichts sowie der Beiblätter entnehmen lasse. Dabei sei versucht worden, zahlreiche Geschäftsfälle zu den vielen Konten im Untersuchungszeitraum nachzuvollziehen. Festzuhalten sei auch, dass die Geschäftsfälle bei der einen Gesellschaft oft Einfluss auf die Buchhaltung der anderen Unternehmen gehabt haben, weshalb die ersten Erkenntnisse bzw. Überlegungen bei diesen Unternehmen haben überarbeitet werden müssen. Sodann seien eine Vielzahl von Geschäftsfällen nicht oder unzureichend dokumentiert worden. Selbst für Geschäftsfälle im sechsstelligen Betrag seien keinerlei Belege oder sonstige Dokumente vorhanden. Erschwerend komme hinzu, dass die betroffenen Steuerpflichtigen auf die eingeschränkte Revision verzichtet hätten. Der zuständige Untersuchungsleiter habe zwischen Juni und November 2020 das Aktenstudium vorgenommen und im Dezember 2020 die Vorladungen erlassen. Bezüglich Massnahmen aufgrund der Corona-Pandemie hält die Beschwerdegegnerin fest, ihre Verwaltungsbehörde umfasse über 1'000 Mitarbeitende. Bezugnehmend auf einen Hinwies der Beschwerdeführer erklärt sie, in einem anderen Verfahren sei ausnahmsweise eine Einvernahme in einem grösseren Raum vorgesehen worden, weil in Kürze die Verjährung eingetreten wäre (act. 3.1, E. A.2.2 und B.2.1; act. 6, S. 2 f.).

3.3 Zur Garantie eines gerechten Verfahrens nach Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Abs. 1 EMRK gehören der ausdrückliche Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist und das Verbot der Rechtsverzögerung. Sie gelten in allgemeiner Weise für sämtliche Sachbereiche und alle Verfahren der Gerichts- und Verwaltungsbehörden. Art. 5 StPO konkretisiert das Beschleunigungsgebot für den Bereich des Strafverfahrens. Gemäss Art. 5 Abs. 1 StPO nehmen die Strafbehörden die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss. Das Beschleunigungsgebot verpflichtet die Behörden, ein Strafverfahren mit der gebotenen Beförderung zu behandeln, nachdem die beschuldigte Person darüber in Kenntnis gesetzt wurde. Sie soll nicht länger als notwendig den Belastungen eines Strafverfahrens ausgesetzt sein. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird der Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist missachtet, wenn die Sache über Gebühr verschleppt wird und die Gesamtheit der Verfahrensdauer nicht mehr angemessen ist. Die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer entzieht sich starren Regeln. Ob sich die Dauer als angemessen erweist, ist in jedem Einzelfall unter Würdigung aller konkreten Umstände zu prüfen ( BGE 143 IV 373 E. 1.3.1 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen m.w.H.). Schreibt das Gesetz zur Vornahme einer Handlung keine konkrete Frist vor, ist die Frage, ob sich die gegebene Verfahrensdauer mit dem Anspruch auf Rechtsschutz innert angemessener Frist verträgt, am konkreten Einzelfall zu prüfen. Dabei sind folgende Kriterien zu berücksichtigen: Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen, Komplexität des Verfahrens (Art des Verfahrens, Umfang und Komplexität der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen) sowie das Verhalten der Verfahrensparteien und der Behörden ( BGE 135 I 265 E. 4.4 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 130 I 312 E. 5.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 130 I 269 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E 3.1; 124 I 139 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 2c). Hinsichtlich des Verhaltens der verfahrensleitenden Behörde gilt insbesondere zu differenzieren, ob die zu beurteilende Verfahrensdauer auf eigentliche Untätigkeit zurückzuführen ist oder aber auf aussergewöhnliche Umstände, welche die Verfahrensdauer rechtfertigen. Dass das Strafverfahren zwischen gewissen Prozessabschnitten zeitweise ruht oder dass einzelne Verfahrenshandlungen auch früher hätten erfolgen können, begründet für sich alleine hingegen noch keine Bundesrechtswidrigkeit ( BGE 130 IV 54 E. 3.3.3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen S. 56 f. mit Hinweisen; s.a. BGE 135 I 265 E. 4.4 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen S. 277). Im Rahmen der gesetzlichen Regelung muss der Staatsanwaltschaft bei der zeitlichen Priorisierung und Verfahrensbeschleunigung sodann ein erheblicher Ermessensspielraum zustehen (Urteile des Bundesgerichts 1B_217/2019 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 13. August 201 9E. 3.2; 1B_55/2017 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 24. Mai 2017 E. 3.4 mit Hinweisen). Massgebend ist, ob das Verfahren in Anbetracht der auf dem Spiel stehenden Interessen zügig durchgeführt worden ist und die Behörden insbesondere keine unnütze Zeit haben verstreichen lassen ( BGE 137 I 23 E. 2.4.3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 127 II 385 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 3a). Verfahrensverzögerungen oder eine überlange Verfahrensdauer können nicht mehr geheilt werden. Sie führen in der Regel zu einer Strafreduktion, gegebenenfalls zu einem Verzicht auf Bestrafung oder sogar zu einer Verfahrenseinstellung (Urteil des Bundesgericht 6S.98/2003 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 22. April 2004 E. 2.1; BGE 117 IV 124 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 4d).

3.4 Die Untersuchung gegen die Beschwerdeführer wurde im November 2017 eröffnet. Am 13. Dezember 2017 fanden mehrere Hausdurchsuchungen statt, anlässlich welcher unter anderem zahlreiche Buchhaltungsunterlagen von vier Gesellschaften sichergestellt wurden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erfuhren die Beschwerdeführer, dass gegen sie wegen mutmasslichen Steuerdelikten ermittelt wurde. Die Gesellschaften D. AG, C. AG, E. AG und F. AG wurden mit Schreiben vom 19. Dezember 2017 über die Eröffnung des Strafverfahrens gegen die Beschwerdeführer informiert. Bis zum Erlass des angefochtenen Beschwerdeentscheids vom 4. Mai 2021 verstrichen fast dreieinhalb Jahre. In dieser Zeit hat die Beschwerdegegnerin in Bezug auf die Ermittlung des Tatvorwurfes die Daten eines Laptops und eines USB-Sticks gesichert (Februar 2018) und einen Steuerexperten mit der buchhalterischen Auswertung und der Ermittlung der Steuerforderung sowie allfälliger strafrechtlich relevanter Handlungen beauftragt (6. März 2018). Am 2. Januar 2020 erging in einem separaten Verfahren der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt (Aktenzeichen VT.2016.131969) ein Strafbefehl gegen den Beschwerdeführer 1 wegen mehrfacher Erschleichung einer falschen Beurkundung ( Art. 253 StGB), begangen im Rahmen der Gründung der Gesellschaften C. AG und H. GmbH. Ebenfalls am 2. Januar 2020 stellte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt das gegen den Beschwerdeführer 1 wegen Steuerbetrugs geführte Verfahren, unter Auflage der Kosten, ein, nachdem der Beschwerdeführer 1 die Steuerschuld vollumfänglich beglichen und somit Wiedergutmachung im Sinne von Art. 53 StGB geleistet hatte. Am 16. Januar 2020 wurde das durch die Beschwerdegegnerin geführte Verfahren an einen neuen Untersuchungsleiter übertragen und die Beschwerdeführer wurden ersucht, weitere Unterlagen einzureichen. Schon während dieser Zeit erkundigte sich der Vertreter der Beschwerdeführer wiederholt über den Verfahrensstand und das weitere Vorgehen. Die Beschwerdegegnerin orientierte ihn am 2. Februar 2018 (u.a. zum Tatverdacht), 15./21. Februar 2018 (u.a. zur Datensicherstellung bzw. Herausgabe der Geräte), 17. April 2018 (u.a. zur Aufhebung der Bankschliessfachsperre und zur Datenspiegelung), 8. Juni 2018 (u.a. zu Aktenherausgabe und -einsicht). Mit Schreiben vom 11. Oktober 2018, 3. Januar 2019 und 30 April 2019 orientierte die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführer dahingehend, dass sich die sichergestellten Unterlagen noch beim mit deren Auswertung beauftragten Steuerexperten befinden würden und dass deren Auswertung aufgrund des Umfangs noch eine Weile in Anspruch nehmen werde. Am 17. März 2020 teilte der im Januar 2020 eingesetzte Untersuchungsleiter den Beschwerdegegnern mit, dass sich die Akten weiterhin in der Abteilung externe Prüfungen befinden würden, weshalb er praktisch keine Aktenkenntnis habe. Im Mai 2020 wurde die buchhalterische Untersuchung des Steuerexperten abgeschlossen. Im Dezember 2020 wurden die Vorladungen der Beschwerdeführer auf den 29. Januar 2021 erlassen und am 14. Januar 2021 Covid-bedingt wieder abgenommen. Am 8. März 2021 teilte der Untersuchungsleiter RA Ludwig mit, dass die Akteneinsicht (ebenfalls Covid-bedingt) zu einem späteren Zeitpunkt organisiert werden müsse (act. 1; Verfahrensakten, Ordner 1, Lasche 2).

3.5

3.5.1 Mit Hinweis auf die Auffassung eines Treuhänders machen die Beschwerdeführer geltend, der erforderliche Zeitaufwand für die im Mai 2020 abgeschlossene buchhalterische Auswertung sei mit 40 Tagen zu berechnen.

3.5.2 Diese Schätzung eines Dritten ist nicht massgebend; sie ist schon mangels genauen Wissens über die Sicherstellungen (Zustand/Art/Umfang) oder über die schon zu Beginn der Untersuchung entscheidenden Nachforschungsobjekte, über die Untersuchungsziele und Verdachtshinweise der Verwaltungsbehörde sowie über deren Einsatzmittel, logistische Gegebenheiten, Ressourcen, Pendenzen usw. und ferner mangels Berücksichtigung der für die Behörden massgebenden gesetzlichen Vorgaben in keiner Art aussagekräftig. Aus den durch die Beschwerdegegnerin eingereichten Akten ergibt sich, dass der ursprüngliche Tatverdacht auch fiktive Leistungen und falsche Buchungen umfasste (s. Verfahrensakten, Ordner 2, Lasche 3, Eröffnungsverfügungen vom 9. November 2017), welche naturgemäss nicht ohne Weiteres offengelegt sind, sowie dass die Auswertung zum Zusammentragen von mehr als 500 Einzelunterlagen geführt hat (s. Aktenverzeichnis act. 14.1) und dass diese u.a. die sachdienliche Sichtung von ca. 100 Aktenordner und weiteren Unterlagen voraussetzte. Insofern erscheint die Dauer von ca. 2 Jahren und 2 Monaten für die Fertigstellung des Auftrags nicht als offensichtlich schleppend.

3.5.3 In Bezug auf den abgesagten Einvernahmetermin vom 29. Januar 2021 rügen die Beschwerdeführer die Organisation der Beschwerdegegnerin während der aktuellen Pandemie.

Die seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahre 2020 geltenden (regelmässig angepassten) bundes- oder kantonalrechtlichen Vorgaben bezüglich Distanzeinhaltung, zulässige Maximalzahl von Personen, Hygienevorschriften, Quarantäne, Isolation, Kontrollen, Betriebsschliessungen usw. sind umfassend zu beachten und wirken sich dementsprechend auch auf die Untersuchungshandlungen aus, die in Anwesenheit der Parteien und/oder deren Vertreter zu erfolgen haben. Aufgrund der räumlichen, logistischen und personellen Standards im öffentlichen Bereich führt dies notgedrungen und schweizweit zumindest phasenweise zu Verzögerungen oder zu Ausfällen von behördlichen Einvernahmen oder Verhandlungen. Offenbar konnte die Beschwerdegegnerin mittlerweile die Einvernahme unter Einhaltung der pandemiebedingten Vorgaben organisieren und wie geplant durchführen (act. 10). Eine Säumnis ist bei der Absage des ersten Einvernahmetermins nicht zu erkennen.

3.5.4 Die Beschwerdeführer machen die Verletzung des Beschleunigungsgebots geltend und beantragen, die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, das Verfahren in drei Monaten abzuschliessen.

Wie aus dem letzten durch die Beschwerdegegnerin eingereichten Aktenverzeichnis hervorgeht, erfolgte am 17. Dezember 2021 die Stellungnahme zum Schlussprotokoll (act. 14.1). Insofern ist die Untersuchung bereits vorangeschritten. Unter den oben beschriebenen Umständen ist die bisherige Gesamtdauer der Untersuchung nicht als Folge einer Säumnis im Sinne von Art. 27 VStrR zu beanstanden. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots ist nach dem Gesagten nicht zu erkennen und es besteht demnach kein Raum für eine Fristansetzung. Aufgrund des Verfahrensstandes hat die Weiterführung bzw. der Abschluss der Untersuchung in weiterer Beachtung des Beschleunigungsgebotes allerdings zügig zu erfolgen.

4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als vollumfänglich unbegründet und ist abzuweisen.

5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführer als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen ( Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 66 Abs. 1 BGG analog, siehe dazu TPF 2011 25 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 3). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.-- festzusetzen, unter Anrechnung des von den Beschwerdeführern geleisteten Kostenvorschusses in gleicher Höhe (vgl. Art. 5 und Art. 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt, unter Anrechnung des geleisteten Kostenvorschusses in gleicher Höhe.

Bellinzona, 12. Januar 2022

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                             Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

-              Advokat Hubertus Ludwig

-              Eidgenössische Steuerverwaltung

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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