BE.2021.1
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal |
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Geschäftsnummer: BE.2021.1 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen
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| Beschluss vom 31. März 2022 |
Besetzung |
| Bundesstrafrichter Roy Garré, Vorsitz, Daniel Kipfer Fasciati und Patrick Robert-Nicoud, Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja |
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Parteien |
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Eidgenössische Steuerverwaltung, Gesuchstellerin
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| gegen | |
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A. AG, vertreten durch Rechtsanwalt Franz J. Kessler,
Gesuchsgegnerin
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Gegenstand |
| Entsiegelung ( Art. 50 Abs. 3 VStrR) |
Sachverhalt:
A. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend «ESTV») führt eine besondere Strafuntersuchung gemäss Art. 190 ff. des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (nachfolgend «DBG») gegen die B. AG wegen des Verdachts der vollendeten und versuchten Hinterziehung hoher Steuerbeträge, gegen die C. Limited wegen des Verdachts auf Hinterziehung hoher Steuerbeträge und gegen D. wegen des Verdachts auf Anstiftung oder Gehilfenschaft zu den Gewinnsteuerhinterziehungen der genannten Gesellschaften sowie auf vollendete und versuchte Hinterziehung der Einkommenssteuer. Gleichzeitig führt die ESTV ein Verwaltungsstrafverfahren gegen D. wegen Verdachts auf Hinterziehung von Verrechnungssteuern, begangen im Geschäftsbereich der B. AG.
B. Im Rahmen dieser Untersuchung hat die ESTV am 29. Mai 2019 die A. AG aufgefordert, diverse Unterlagen für die Zeit seit 2003 zuzustellen ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 1.1).
C. Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 reichte die A. AG der ESTV die angeforderten Unterlagen in einer mit Klebband umwickelten und mit der Aufschrift «versiegelt vdCRA» versehenen Kartonschachtel ein und erhob in einem separaten Schreiben Einsprache gegen die Durchsuchung der Dokumente ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 1.2 und act. 4.5).
D. Die ESTV teilte der A. AG mit Schreiben vom 28. Juni 2019 mit, dass der interne Postdienst der ESTV die Kartonschachtel geöffnet habe, die Schachtel jedoch von den zuständigen Juristen der Fachgruppe Steuerstrafrecht der Abteilung Strafsachen und Untersuchungen (ASU) unmittelbar nach Erhalt derselben mit einem amtlichen Siegelband versehen worden sei ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 1.3).
E. Mit Gesuch vom 23. August 2019 gelangte die ESTV an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und ersuchte um Entsiegelung der am 27. Juni 2019 durch die A. AG zugestellten Unterlagen. Gleichzeitig reichte sie der Beschwerdekammer ein vertrauliches Dossier (Beilage A) ein, das den ausführlichen Tatverdacht (Beilage A1) sowie weitere Beweismittel umfasse (Beilagen A2-5) ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 1).
F. Nach durchgeführtem Schriftenwechsel im Entsiegelungsverfahren BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen forderte die Beschwerdekammer die ESTV auf, die versiegelten Akten integral umgehend einzureichen ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 11). Dem kam die ESTV in der Folge jedoch nicht nach, sondern teilte der Beschwerdekammer mit Schreiben vom 29. November 2019 mit, ihrer Ansicht nach sei der Entscheid über die Relevanz der versiegelten Papiere und die Ausscheidung von Akten durch die Beschwerdekammer anstelle der Untersuchungsbehörde nicht gerechtfertigt. Die ESTV ersuchte daher, auf die Durchführung einer Triage zu verzichten oder ihr in einem begründeten, anfechtbaren Entscheid zu eröffnen, dass das Bundesstrafgericht anstelle der Untersuchungsbehörde für die Beurteilung der Relevanz der Akten und damit für deren Durchsuchung und Ausscheidung zuständig sei ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 12).
G. Mit Beschluss BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 3. Dezember 2019 trat die Beschwerdekammer auf das Entsiegelungsgesuch der ESTV vom 23. August 2019 nicht ein. Sie erwog, dass es ausschliesslich Aufgabe der Beschwerdekammer sei, die versiegelten Dokumente zu sichten und die richterliche Triage durchzuführen. Ohne Einsicht in die versiegelten Akten sei es der Beschwerdekammer jedoch nicht möglich zu überprüfen, ob die von der A. AG erhobenen Einwendungen gegen die Entsiegelung einzelner Dokumente begründet seien bzw. ob die diesbezüglichen Voraussetzungen für die Entsiegelung gegeben seien (E. 2.3).
H. Mit Urteil 1B_611/2019 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 17. Dezember 2020 wies das Bundesgericht die von der ESTV gegen den Beschluss BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen erhobene Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war (Dispositiv-Ziffer 1). Das Bundesgericht stellte von Amtes wegen fest, dass die Entsiegelungssache bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts noch rechtshängig sei und dass die ESTV dem Bundesstrafgericht unverzüglich alle versiegelten Unterlagen integral nachzureichen habe, sofern sie an ihrem Entsiegelungsgesuch festhalten wolle (Dispositiv-Ziffer 2).
I. Das obgenannte Urteil des Bundesgerichts wurde der Beschwerdekammer am 26. Januar 2021 zugestellt. Mit Schreiben vom 29. Januar 2021 liess die ESTV der Beschwerdekammer die versiegelten Unterlagen zukommen und teilte mit, dass sie am Entsiegelungsgesuch vom 23. August 2019 festhalte (act. 2), was der A. AG am 3. Februar 2021 zur Kenntnis gebracht worden ist (act. 3). Das Entsiegelungsgesuch der ESTV vom 23. August 2019 wird nunmehr unter der Verfahrensnummer BE.2021.1 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen behandelt.
Auf die im Verfahren BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen gemachten Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Verfahren wegen des Verdachts schwerer Steuerwiderhandlungen gegenüber dem Täter, dem Gehilfen und dem Anstifter richtet sich gemäss Art. 191 Abs. 1 DBG nach den Artikeln 19-50 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0). Bei der Verfolgung von Widerhandlungen gegen das Verrechnungssteuergesetz findet ebenfalls das VStrR Anwendung und die ESTV ist die verfolgende und urteilende Verwaltungsbehörde ( Art. 67 Abs. 1 VStG).
1.2 Soweit das VStrR einzelne Fragen nicht abschliessend regelt, sind die Be-stimmungen der StPO grundsätzlich analog anwendbar. Die allgemeinen strafprozessualen und verfassungsrechtlichen Grundsätze sind jedenfalls auch im Verwaltungsstrafverfahren zu berücksichtigen ( BGE 139 IV 246 E. 1.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen und E. 3.2; vgl. hierzu auch TPF 2016 55 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 2.3; Beschluss des Bundesstrafgerichts BV.2017.26 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 6. September 2017 E. 1.2 und E. 1.3).
2. Die Akten des vorangehenden Entsieglungsverfahrens BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen werden beigezogen.
3.
3.1 Die Durchsuchung von «Papieren» (bzw. von Aufzeichnungen und Gegenständen) hat mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu erfolgen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind ( Art. 50 Abs. 1 VStrR). Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren ( Art. 50 Abs. 2 VStrR). Gemäss Art. 50 Abs. 3 VStrR ist dem Inhaber der Papiere wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts ( Art. 50 Abs. 3 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 VStrR und Art. 37 Abs. 2 lit. b StBOG). Die betroffene Verwaltungsbehörde hat bei der Stellung von Entsiegelungsgesuchen dem Beschleunigungsgebot ausreichend Rechnung zu tragen ( Art. 29 Abs. 1 BV; BGE 139 IV 246 E. 3.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen).
3.2
3.2.1 Die Gesuchsgegnerin rügt zunächst, das Gesuch sei erst rund einen Monat nachdem die Gesuchsgegnerin die eingeforderten Akten der Gesuchstellerin eingereicht habe, eingegangen. Damit sei die 20-tägige Frist, welche für die Einreichung eines Entsiegelungsgesuches im Anwendungsbereich der StPO gelte, nicht eingehalten ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 4 S. 4).
3.2.2 Verfahren und Voraussetzungen zur Durchsuchung von Papieren im Bereich des Steuerstrafrechts richten sich primär nach Art. 50 VStrR. Eine förmliche (Verwirkungs-)Frist zur Einreichung des Entsiegelungsgesuchs analog dem Art. 248 Abs. 2 StPO ist den Bestimmungen des VStrR nicht zu entnehmen. Erfolgt ein Entsiegelungsgesuch knapp anderthalb Monate nach der Hausdurchsuchung und Siegelung, ist dem Beschleunigungsgebot in Strafsachen genügend Rechnung getragen (Urteil des Bundesgerichts 1B_641/2012 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 8. Mai 2013 E. 3.3). Die Beschwerdekammer hat auch Fristen von rund zwei Monaten wiederholt als mit dem Beschleunigungsgebot vereinbar angesehen, wobei innerhalb dieser zwei Monate jeweils noch Abklärungen bezüglich des Festhaltens an der Einsprache bzw. bezüglich des Umfangs der Einsprache erfolgten (siehe die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BE.2018.8 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 22. November 2018 E. 1.3; BE.2013.4 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 14. Oktober 2014 E. 1.3.3; BE.2013.7 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 6. November 2013 E. 1.3.3; BE.2013.6 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 29. Oktober 2013 E. 1.3.3; BE.2013.5 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 16. Oktober 2013 E. 1.3.3). Sie erkannte aber eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in einem Fall, in welchem das Gesuch ohne erkennbaren Grund erst zweieinhalb Monate nach der Hausdurchsuchung und Siegelung erfolgte (Beschluss des Bundestrafgerichts BE.2013.8 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 5. Dezember 2013 E. 1.4.3).
Im vorliegenden Fall gingen die bei der Gesuchsgegnerin edierten und durch sie versiegelten Akten am 28. Juni 2019 bei der Gesuchstellerin ein. Das Entsiegelungsgesuch vom 23. August 2019 erfolgte knapp zwei Monate nach Siegelung. Angesichts der geschilderten Praxis erscheint diese Frist mit Blick auf das Beschleunigungsgebot gerade noch vertretbar.
3.3 Gegenstand des Ersuchens bildet die Entsiegelung von bei der Gesuchsgegnerin edierten Unterlagen. Diese ist unbestrittenermassen Inhaberin dieser Akten und somit zur Einsprache legitimiert. Auf das Entsiegelungsgesuch ist einzutreten.
4.
4.1 Die Gesuchsgegnerin moniert in einem weiteren Punkt eine Verletzung von Verfahrensrechten. Sie habe der Gesuchstellerin die eingeforderten Unterlagen am 27. Juni 2019 in zwei separaten, gut sichtbar versiegelten Kartons zugestellt und dieses Vorgehen zusätzlich durch einen separaten Einschreibebrief vom gleichen Datum angekündigt. Die Gesuchstellerin habe der Gesuchsgegnerin mit Schreiben vom 28. Juni 2019 den Eingang der eingeforderten Unterlagen bestätigt und sie darüber informiert, dass die eingereichten Kartons vom behördeninternen Postdienst geöffnet worden seien. Im geöffneten Zustand seien die Kartons an den Juristen der Fachgruppe Steuerstrafrecht der Abteilung Strafsachen und Untersuchungen (ASU) weitergeleitet worden. Erst anschliessend seien die Kartons durch die ASU wieder verschlossen und mit einem amtlichen Siegelband versehen worden. Damit habe anerkanntermassen der Postdienst und der betreffende Jurist ungehinderten Zugang zu den Dokumenten gehabt, und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Mitarbeiter der Gesuchstellerin Einsicht in die Akten genommen hätten. Die Einsichtnahme in versiegelte Akten durch die Untersuchungsbehörden ohne formelle Entsiegelung führe zu einer Unverwertbarkeit der Beweismittel ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 1 S. 3 f.).
4.2 Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung wiederholt festgehalten, dass in Fällen, da die Strafverfolgungsbehörde den Inhaber auffordert, ihr Dokumente per Post zukommen zu lassen, der Inhaber die Dokumente unversiegelt übermitteln muss. Gleichzeitig hat er der Behörde ein begründetes Gesuch um Versiegelung zu stellen ( BGE 127 II 151 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 4d/bb; Urteile des Bundesgerichts 1B_289/2016 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 8. Dezember 2016 E. 2.1; 1B_477/2012 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 13. Februar 2013 E. 3.2; 1B_320/2012 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 14. Dezember 2012 E. 4.2; 1A.171/2001 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 28. Februar 2002 E. 1.2). Das Bundesgericht lehnt damit die Zulässigkeit einer sog. Privatsiegelung ausdrücklich ab. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Kartons bei der Gesuchstellerin zunächst geöffnet und alsdann gestützt auf das ausdrückliche Siegelungsgesuch der Gesuchsgegnerin durch die Gesuchstellerin amtlich versiegelt wurden. Die Gesuchstellerin führt dazu aus, die amtliche Versiegelung sei im Anschluss an die Öffnung der Kartons durch den internen Postdienst vorgenommen worden, ohne dass der Inhalt der Kartons von der Gesuchstellerin eingesehen worden sei. Die Gesuchstellerin habe die Gesuchsgegnerin unverzüglich mit Schreiben vom 28. Juni 2019 über die Vorkommisse orientiert ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 6 S. 2 und act. 1.3). Es liegen keine Gründe vor, an den Aussagen der Gesuchstellerin zu zweifeln. Eine Verletzung von Verfahrensrechten ist nicht ersichtlich. Die Gesuchsgegnerin geht zudem fehl, wenn sie unter Berufung auf BGE 127 II 151 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen ausführt, die Siegelung hätte nur in deren Anwesenheit vorgenommen werden dürfen. Ein solches Vorgehen geht aus der einschlägigen Bestimmung des Art. 50 VStrR gerade nicht hervor und dürfte sich ohnehin nur in solchen Fällen aufdrängen, da der untersuchenden Strafverfolgungsbehörde unklar ist, welche Dokumente zu versiegeln sind, was vorliegend jedoch nicht der Fall war.
5.
5.1 Es ist sodann auf das Vorbringen der Gesuchsgegnerin einzugehen, die Gesuchstellerin hätte gestützt auf Art. 263 Abs. 2 StPO analog ihre Aufforderung zur Aktenedition vom 29. Mai 2019 zumindest kurz begründen müssen. Die betreffende Aufforderung sei nicht ausreichend begründet ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 4 S. 5).
5.2 Eine Editionsaufforderung wird im Hinblick auf eine Durchsuchung ( Art. 50 Abs. 1 VStrR) bzw. Beschlagnahme ( Art. 46 Abs. 1 VStrR) erlassen (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BV.2015.1 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 3. Februar 2015; BV.2014.51 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 18. November 2014 E. 2.2; vgl. Urteil des Bundesgerichts 1B_562/2011 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 2. Februar 2012 E. 1.1) und stellt keine Zwangsmassnahme dar ( BGE 120 IV 260 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 3d; Urteil des Bundesgerichts 1S.4/2006 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 16. Mai 2006 E. 1.3). Eine Beschwerdemöglichkeit nach Art. 26 bzw. 27 VStrR besteht nicht (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BV.2015.1 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 3. Februar 2015; BV.2014.51 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 18. November 2014 E. 2.4; Entscheide des Bundesstrafgerichts BV.2008.7 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 14. Juli 2008 E. 1.3; BV.2006.72 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 30. Januar 2007 E. 1.3). Es ist deshalb fraglich, ob die Gesuchsgegnerin bezüglich der Editionsaufforderung überhaupt Verfahrensrechte aus Art. 29 Abs. 2 BV ableiten kann (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_730/2013 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 4. Juni 2014 E. 6.3; Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2018.2 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 30. Mai 2018 E. 2.2). Wie es sich damit verhält, kann vorliegend jedoch offen bleiben, da die Editionsaufforderung jedenfalls ausreichend begründet war, so dass die Gesuchsgegnerin den einschlägigen Rechtsbehelf, die Einsprache gegen die Durchsuchung gemäss Art. 50 Abs. 3 VStrR, wirksam ergreifen konnte. Die entsprechende Rüge der Gesuchsgegnerin geht damit fehl.
6.
6.1 Die Gesuchsgegnerin kritisiert ferner das Vorgehen der Gesuchstellerin, wonach diese der Beschwerdekammer mit ihrem Gesuch vom 23. August 2019 und unter Hinweis auf Art. 25 Abs. 3 VStrR eine Reihe von Beweismitteln eingereicht hat, welche die Beschwerdekammer unter Ausschluss der Gesuchsgegnerin zur Kenntnis nehmen solle. Der Verweis auf die Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber dem Beschuldigten oder anderen Steuerpflichtigen sei im vorliegenden Fall nicht stichhaltig. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die privaten Interessen des Tatverdächtigen einer Einsichtnahme seiner ehemaligen Steuerberaterin in dessen Steuerunterlagen entgegenstehen könnten. Insbesondere könne dies nicht für Sachverhalte und Unterlagen gelten, die in den Tatzeitraum fallen würden, in welchem die Gesuchsgegnerin für den Tatverdächtigen als Steuerberaterin tätig gewesen sei (bis Frühling 2012). Die Wahrung der Interessen des Tatverdächtigen würden vielmehr eine Offenlegung der Begründung des Tatverdachts gebieten, damit der Gesuchsgegnerin die Überprüfung der Voraussetzungen für eine Entsiegelung ermöglicht werde. Die Geheimhaltung der Unterlagen gemäss Beilage A zum Entsiegelungsgesuch verletzte daher das rechtliche Gehör der Gesuchsgegnerin ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 4 S. 6).
6.2 Wo es zur Wahrung wesentlicher öffentlicher oder privater Interessen nötig ist, hat die Beschwerdekammer von einem Beweismittel unter Ausschluss des Beschwerdeführers oder Antragstellers Kenntnis zu nehmen ( Art. 25 Abs. 3 VStrR). Diese Bestimmung ist auch im Rahmen eines Entsiegelungsverfahrens nach Art. 50 Abs. 3 VStrR anwendbar (Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2009.30 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 10. März 2010 E. 3). Die Beschwerdekammer betrachtet hierbei das blosse Interesse der beteiligten Verwaltung an der Geheimhaltung einer Information nicht als gleichbedeutend mit einem wesentlichen öffentlichen Interesse. Nicht die Verwaltung setzt die Wertmassstäbe für die Interessenabwägung, sondern die richterliche Kontrollinstanz. Die Formulierung von Art. 25 Abs. 3 VStrR ist imperativ. Die Beschwerdekammer muss den Betroffenen von der Kenntnisnahme ausschliessen, wenn die Sachlage den vom Gesetz verlangten Voraussetzungen entspricht ( Hauri, Verwaltungsstrafrecht [VStrR], 1998, S. 74 m.w.H.; Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2009.30 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 15. Dezember 2009 E. 2.2). Der Grund für die Verweigerung der Akteneinsicht kann in wesentlichen privaten Interessen von Drittpersonen liegen. Die Beschwerdekammer anerkennt regelmässig im gesetzlich geschützten Steuergeheimnis (vgl. Art. 110 DBG oder Art. 37 VStG) wesentliche private Interessen von Drittpersonen, die einer Einsichtnahme in Steuerunterlagen entgegenstehen können (vgl. hierzu den Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2018.2 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 30. Mai 2018 E. 6.2.5).
Gemäss Praxis der Beschwerdekammer sind aber in einem solchen Fall Akten, welche einer Partei nicht offengelegt werden sollen, aber worauf sie sich stützen soll, in Form einer Zusammenfassung einzureichen, wobei die betroffene Partei uneingeschränkt Gelegenheit zur Stellungnahme erhält (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BV.2018.9 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 13. September 2018 E. 4.2; BE.2018.2 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 30. Mai 2018 E. 6.2.5; Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2009.30 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 15. Dezember 2009 E. 2.4 m.w.H.). Kommt die Verwaltung dem nicht nach, werden die vom Antrag im Sinne von Art. 25 Abs. 3 VStrR betroffenen Akten an die Verwaltung retourniert, ohne dass das Gericht von diesen Kenntnis nimmt. Hat das Gericht von diesen bereits Kenntnis genommen, dürfen sie jedenfalls nicht in die Beurteilung und den Entscheid einfliessen ( Leonova, Basler Kommentar, 2020, N. 19 zu Art. 25 VStrR). Es liegt somit alleine in der Verantwortung der Verwaltung, dass der zusammengefasste Inhalt der geheim zuhaltenden Akten zwar die dargelegten Interessen Dritter schützt, aber dennoch genügend detailliert ist, damit die Voraussetzungen der Entsiegelung durch den Siegelungsberechtigten und das Gericht überprüft werden können.
6.3 Die Gesuchstellerin will mit ihrem Vorgehen verhindern, dass die steuerstrafrechtliche Untersuchung erschwert bzw. das Steuergeheimnis gegenüber anderen Beschuldigten bzw. Steuerpflichtigen verletzt wird (vgl. BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 1, Ziff. 3.4 f.).
6.4 Die vertraulichen Unterlagen bestehen aus einer Darlegung des ausführlichen Tatverdachts (Beilage A.1), der Ermächtigung des Vorstehers des EFD vom 15. Mai 2019 (Beilage A.2, recte A.3), der Steuermeldung MWST vom 5. August 2016 (Beilage A.3, recte A.2), sowie den Steuerrulings der Gesuchsgegnerin vom 19. Juni 2003 und 23. Februar 2005 (Beilagen A.4 und A.5). Die Gesuchsgegnerin war eigenen Angaben gemäss von 2003 bis zum Sommer 2012 die Steuerberaterin von D., die Steuerrulings wurden von ihr selbst verfasst, sodass deren Inhalte der Gesuchsgegnerin bekannt sind. Diese befinden sich denn auch in den bei der Gesuchsgegnerin edierten Unterlagen (vgl. nachfolgend E. 9.3.2). Insofern handelt es sich bei den Rulings nicht um Akten, die gegenüber der Gesuchsgegnerin geheim zu halten sind. Mit Bezug auf die Beilagen A.1-A.3 ist festzuhalten, dass sich diese unter anderem auf steuerrechtliche Vorkommnissen beziehen, welche die Zeitspanne nach 2012 beschlagen, mithin nach der Beendigung des Mandatsverhältnisses zwischen D. und der Gesuchsgegnerin. Insofern enthalten diese zweifelsohne Steuergeheimnisse, die der Geheimhaltungspflicht gemäss Art. 110 Abs. 1 DBG und Art. 37 Abs. 1 VStG unterliegen. Die Gesuchstellerin führte im Entsiegelungsgesuch aus, dass sie den Inhalt der vertraulichen Dossiers in Ziffer 3.7 des Entsiegelungsgesuches zusammengefasst wiedergegeben habe (act. 1 Ziff. 3.7). Dazu konnte die Gesuchsgegnerin Stellung nehmen, weshalb dem Prinzip nach der Praxis des Bundesstrafgerichts Genüge getan ist. Eine andere Frage jedoch ist, ob der zusammengefasste Inhalt sämtliche wesentliche Elemente enthält, damit die Voraussetzungen der Entsiegelung überprüft werden können. Darauf ist in den nachfolgenden Erwägungen (E. 8) einzugehen.
7. Gemäss konstanter Praxis der Beschwerdekammer entscheidet diese bei Entsiegelungsgesuchen, ob die Durchsuchung im Grundsatz zulässig ist, mithin ob die Voraussetzungen für eine Entsiegelung grundsätzlich erfüllt sind. Sofern dies bejaht wird, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob schützenswerte Geheimhaltungsinteressen einer Entsiegelung entgegenstehen ( TPF 2007 96 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 2).
Daraus folgt, dass auch allgemeine Einwände gegen die Durchsuchung einen Grund zur Siegelung darstellen, mithin die Siegelung auch aus Gründen mangelnden Tatverdachts sowie wegen fehlender Beweisrelevanz verlangt werden kann, sofern es dem Berechtigten im Ergebnis darum geht, die Einsichtnahme der Untersuchungsbehörde in die sichergestellten Unterlagen und deren Verwertung zu verhindern ( BGE 140 IV 28 E. 4.3.6 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; Urteil des Bundesgerichts 1B_117/2012 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 26. März 2012 E. 3.2 f.).
8.
8.1 Im Entsiegelungsentscheid ist vorab zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine die Durchsuchung rechtfertigende Straftat besteht. Dazu bedarf es zweier Elemente: Erstens muss ein Sachverhalt ausreichend detailliert umschrieben werden, damit eine Subsumtion unter einen oder allenfalls auch alternativ unter mehrere Tatbestände des Strafrechts überhaupt nachvollziehbar vorgenommen werden kann. Zweitens müssen ausreichende Beweismittel oder Indizien angegeben und vorgelegt werden, die diesen Sachverhalt stützen. In Abgrenzung zum dringenden setzt dabei der hinreichende Tatverdacht gerade nicht voraus, dass Beweise oder Indizien bereits für eine erhebliche oder hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sprechen (vgl. zum Ganzen bereits ausführlich den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2006.7 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 20. Februar 2007 E. 3.1 m.w.H.; die dort angeführten Überlegungen in Bezug auf das ordentliche Strafverfahren gelten gleichermassen auch für das Verwaltungsstrafverfahren, gibt es doch diesbezüglich keinen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Rechtsanwendung; vgl. u.a. den Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2018.7 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 22. November 2018 E. 4.1).
8.2
8.2.1 Die Gesuchstellerin begründet im Entsiegelungsgesuch den Tatverdacht wie folgt:
Anlässlich einer Kontrolle der Externen Prüfung der Hauptabteilung MWST sei festgestellt worden, dass die B. AG mit Sitz in Z./TG von einer in Guernsey ansässigen, ihr nahestehenden C. Limited Fremdkapital in beträchtlicher Höhe erhalten habe. Die B. AG habe das Fremdkapital als «Darlehen Nahestehende» ausgewiesen. In den Jahresrechnungen sei die Darlehensgeberin zwar nicht namentlich genannt worden, in den Kontodetails werde jedoch die C. Limited als Darlehensgeberin bezeichnet. Die Darlehen hätten in den Jahren 2011 bis 2014 Bestände von rund CHF 24 Mio. aufgewiesen und seien mit 3.25% verzinst worden. Gemäss Rundschreiben der Gesuchstellerin «Zinssätze für die Berechnung der geldwerten Leistungen» habe der höchstzulässige Fremdkapitalzinssatz bei Liegenschaftskrediten bis zu einem Kredit in der Höhe der ersten Hypothek bzw. bis zu 2/3 des Verkehrswertes der Liegenschaft 2% (Jahr 2011) bzw. 1.5% (Jahre 2012-2014) betragen. Es sei damit davon auszugehen, dass die Höhe der Verzinsung von 3.25% aufgrund des Nahestehendenverhältnisses gewählt worden sei. Den Jahresabschlüssen der B. AG sei zu entnehmen, dass unabhängige Dritte der B. AG Hypotheken mit einer Verzinsung von 1.18% bis 1.91% gewährt hätten. Bei der B. AG handle es sich um eine im November 1998 gegründete Gesellschaft, deren Alleinaktionär und einziger Verwaltungsrat D. sei.
Die C. Limited werde durch die in Grossbritannien ansässige Personengesellschaft E. LPP gehalten. Gemäss «Companies House» halte D. mindestens 75% an der E. LLP. Nebst ihm seien seine Söhne F. und G. Gründungsmitglieder der E. LLP. Letztere hätten einen Kapitalanteil von je GBP 1'000.-- an der E. LLP deklariert.
Den bei der Steuerverwaltung des Kantons Thurgau edierten Steuerakten von D. habe ferner entnommen werden können, dass dessen Steuervertreterin, die Gesuchsgegnerin, im Jahr 2003 und 2005 zwei Steuerrulings eingereicht habe. Das Ruling aus dem Jahr 2003 habe die Wohnsitznahme von D. im Kanton Thurgau, dessen selbständige Erwerbstätigkeit und schliesslich die Gründung einer britischen LLP, in welche Kontokorrentforderungen, Barmittel sowie die Aktien der H. AG hätten eingebracht werden sollen, geregelt. Für allfällige Tätigkeiten in der Schweiz sei ein Nettobetrag von CHF 150'000.-- zur Besteuerung in der Schweiz zugewiesen worden. Das zweite Ruling aus dem Jahre 2005 habe die Information beinhaltet, dass die in die mittlerweile gegründete E. LLP eingebrachten Aktien der H. AG auf die auf Guernsey domizilierte C. Limited übertragen würden, und dass diese Aktien der H. AG an die beiden Söhne von D. gehörende I. verkauft würden.
Es bestehe damit der Verdacht, dass im Geschäftsbereich der B. AG und der C. Limited in den Steuerperioden 2009-2017 hohe Steuerbeträge hinterzogen worden seien und sich D. wegen versuchter und vollendeter Steuerhinterziehungen schuldig gemacht habe.
8.2.2 Die Gesuchsgegnerin macht geltend, die Ausführungen der Gesuchstellering zum Tatverdacht seien nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, und es lägen keine Beweise und Indizien vor, die diesen stützen würden ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 4 S. 5f.).
8.3
8.3.1 Soweit zunächst die Gesuchstellerin der Ansicht ist, die Höhe der Verzinsung des von der C. Limited an die B. AG von 3.25% sei aufgrund des Nahestehendenverhältnisses gewählt worden und sie damit offenbar den Verdacht begründet, dass durch die Ausweisung von zu hohem Zinsaufwand der Gewinn der B. AG verkürzt und zu grosse Steuerbeträge hinterzogen worden seien, ist der Sachverhalt im Entsiegelungsgesuch ausreichend detailliert wiedergegeben. Auch bestehen diesbezüglich genügend Hinweise. So stützt die als vertraulich eingestufte Steuermeldung MWST vom 5. August 2016 mit den beiliegenden Buchhaltungsunterlagen (Beilage A.2) die Ausführungen der Gesuchstellerin, dass die B. AG von der C. Limited ein Darlehen in grossem Umfang erhalten und dieses mit 3.25% verzinst hat. Die Gesuchstellerin legt zudem dar, dass gestützt auf die Deklaration der Steuerpflichtigen davon ausgegangen werden müsse, dass es sich bei der C. Limited um eine den Steuerpflichtigen nahestehende Gesellschaft handle. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Jahresrechnungen der B. AG, in welchen in den Jahren 2011-2014 Fremdkapital in der Höhe von CHF 24 Mio. als «Darlehen Nahestehende» deklariert wurde sowie auf die Rulings, wonach die C. Limited indirekt von D. über die E. LLP gehalten werde, welcher wiederum Alleinaktionär und Verwaltungsrat der B. AG sei. Damit bestehen zum jetzigen Zeitpunkt genügend Hinweise, die den hinreichenden Tatverdacht begründen, wonach die B. AG den Tatbestand der Hinterziehung hoher Steuerbeträge im Sinne von Art. 175 und 176 DBG erfüllt haben könnte. In diesem Zusammenhang ist ferner gegen D. der Verdacht auf Anstiftung oder Gehilfenschaft zu den Gewinnsteuerhinterziehungen der B. AG ( Art. 177 i.V.m. Art. 171 DBG) sowie der Verdacht auf Hinterziehung von Verrechnungssteuern ( Art. 61 lit. a VStG), begangen im Geschäftsbereich der B. AG, gegenwärtig zu bejahen.
8.3.2 Die Gesuchstellerin ist ferner der Ansicht, es bestehe der Verdacht, D. habe sich der vollendeten (Steuerperioden 2009-2016) und der versuchten (Steuerperiode 2017) Hinterziehung der Einkommensteuer schuldig gemacht. Weder aus dem im Entsiegelungsgesuch geschilderten, zusammengefassten Tatverdacht noch aus anderen der Gesuchsgegnerin zugänglichen Akten geht hervor, worauf der Verdacht der Gesuchstellerin fusst. Sie hat sich auch im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels nicht zum diesbezüglichen Tatvorwurf geäussert. Hingegen wird in der von der Gesuchstellerin als vertraulich bezeichneten Beschreibung des ausführlichen Tatverdachts der entsprechende Tatvorwurf konkretisiert und dargelegt, auf welche Hinweise sich die Gesuchstellerin dabei stützt. Diese Ausführungen sind jedoch – wie bereits unter E. 6.5 dargelegt – der Gesuchsgegnerin nicht offengelegt worden, weshalb die Beschwerdekammer (zum Nachteil der Gesuchsgegnerin) diese bei ihrer Entscheidfindung nicht berücksichtigen kann. Gestützt auf die der Gesuchsgegnerin zugänglich gemachten Akten ergibt sich jedenfalls kein hinreichender Tatverdacht bezüglich der D. vorgeworfenen vollendeten und versuchten Hinterziehung der Einkommenssteuer. Wie bereits oben unter E. 6.2 dargelegt, liegt es in der Verantwortung der Verwaltung, den zusammengefassten Inhalt der geheim zuhaltenden Akten hinreichend detailliert darzulegen, damit die Voraussetzungen der Entsiegelung überprüft werden können. Kommt die Verwaltungsbehörde dem nicht genügend nach, hat sie sich dieses Versäumnis selbst anzulasten.
8.3.3 Auch mit Bezug auf den Vorwurf, die in Guernsey ansässige C. Limited habe sich der Hinterziehung hoher Steuerbeträge (Steuerperioden 2009-2017) strafbar gemacht, ergeben sich in den der Gesuchsgegnerin offengelegten Akten keine Hinweise auf das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts. Insbesondere legt die Gesuchstellerin dort nicht dar, weshalb die im Ausland ansässige Gesellschaft der schweizerischen Steuerhoheit unterliegen soll (vgl. Art. 50 DBG).
8.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ein hinreichender Tatverdacht, der eine Durchsuchung zu rechtfertigen vermag, nur insoweit besteht, als der B. AG vorgeworfen wird, sie habe durch die Verbuchung von zu hohem Zinsaufwand ihren Gewinn verkürzt und damit hohe Steuerbeträge hinterzogen und in diesem Zusammenhang D. vorgeworfen sind, er habe sich der Anstiftung oder Gehilfenschaft zu den Gewinnsteuerhinterziehungen der B. AG sowie der Hinterziehung von Verrechnungssteuern begangen im Geschäftsbereich der B. AG schuldig gemacht (vgl. supra E. 8.3.1).
9.
9.1 Damit ist prüfen, ob anzunehmen ist, dass sich unter den zu durchsuchenden Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung des Sachverhalts gemäss E. 8.3.1 von Bedeutung sind (Deliktskonnex; Art. 50 Abs. 1 VStrR). Die Untersuchungsbehörden müssen hierbei jedoch im Rahmen des Entsiegelungsgesuchs noch nicht darlegen, inwiefern ein konkreter Sachzusammenhang zwischen den Ermittlungen und einzelnen noch versiegelten Dokumenten besteht. Es genügt, wenn sie aufzeigen, inwiefern die versiegelten Unterlagen grundsätzlich verfahrenserheblich sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1B_322/2013 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 20. Dezember 2013 E. 3.1 m.w.H.). Betroffene Inhaber von Aufzeichnungen und Gegenständen, welche die Versiegelung beantragen bzw. Durchsuchungshindernisse geltend machen, haben ihrerseits die prozessuale Obliegenheit, jene Gegenstände zu benennen, die ihrer Ansicht nach offensichtlich keinen Sachzusammenhang mit der Strafuntersuchung aufweisen. Dies gilt besonders, wenn sie die Versiegelung von sehr umfangreichen bzw. komplexen Dokumenten oder Dateien verlangt haben (Urteil des Bundesgerichts 1B_637/2012 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 8. Mai 2013 E. 3.8.1 in fine, nicht publiziert in BGE 139 IV 246 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; vgl. zum Ganzen zuletzt u.a. Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2017.15 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 21. November 2017 E. 5.3.1).
9.2
9.2.1 Die Gesuchstellerin forderte die Gesuchsgegnerin auf, für die Zeit seit 2003 Dauerakten betreffend D., Aktennotizen, Besprechungsprotokolle der Gesuchsgegnerin betreffend D., Korrespondenzen und E-Mails zwischen der Gesuchsgegnerin und D. sowie Unterlagen jeglicher Art (Gründungsdokumente, Jahresabschlüsse, Kontendetails, Steuererklärungen, Korrespondenzen, Aktennotizen, Besprechungsprotokolle etc.) betreffend die E. LLP, die C. Limited und die B. AG zuzustellen (act. 1.1). Die Gesuchstellerin führt dazu aus, es sei davon auszugehen, dass die edierten Unterlagen Informationen enthielten, welche für die Erhebung des relevanten Sachverhalts und die Klärung des Tatverdachts von erheblicher Bedeutung seien ( BE.2019.12 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 1 S. 9).
9.2.2 Die Gesuchsgegnerin bestreitet demgegenüber die Relevanz verschiedener herauszugebender Unterlagen in zeitlicher und sachlicher Hinsicht.
9.3
9.3.1 Zunächst ist festzuhalten, dass mit Bezug auf den vorliegend relevanten Sachverhalt gemäss E. 8.3.1 die D. und der B. AG vorgeworfenen Widerhandlungen gegen das DBG bzw. das VStG die Steuerperioden 2009-2017 betreffen. Soweit sich in den Akten Steuerunterlagen von D. (Steuererklärungen mitsamt Beilagen, Veranlagungsentscheide der Steuerbehörden) mit Bezug auf die Jahre vor 2009 befinden, sind diese von vornherein auszuscheiden. Dies betrifft die Unterlagen in Ordner 1 (Laschen 4 und 7), Ordner 2 (Lasche 4) und Ordner 4 (Laschen 3-5 und 7).
9.3.2 Die restlichen Unterlagen bestehen aus der Rahmenvereinbarung zwischen D. und der Gesuchsgegnerin vom 17. Januar 2007 (Ordner 1, Lasche 1), den Honorarrechnungen der Gesuchsgegnerin für die Jahre 2006-2012 (Ordner 1, Lasche 2; Ordner 5, Lasche 3), internen Notizen der Gesuchsgegnerin, Korrespondenzen zwischen D. und der Gesuchsgegnerin bzw. zwischen J. und der Gesuchsgegnerin aus den Jahren 2004 und 2005 im Hinblick auf die Erstellung der Rulings bzw. auf die Errichtung der E. LLP und den Verkauf der Beteiligung an der H. AG sowie die allfällige Begünstigung der damaligen Lebenspartnerin von D. (Ordner 1, Lasche 5; Ordner 2, Laschen 3, 7 und 10, 14-15; Ordner 3, Laschen 3 und 7-9, 14; Ordner 4, Lasche 1), Bilanzen bzw. Jahresabschlüssen der E. LLP für die Jahre 2004 bis 2006 (Ordner 1, Lasche 6; Ordner 2, Lasche 5; Ordner 3, Lasche 9), einer Übersicht der Struktur der E. LLP aus dem Jahre 2004 (Ordner 2, Laschen 1 und 11), einer Übersicht «Liquidität 2004/2005» (Ordner 2, Lasche 8), einem Entwurf eines Technical Service Agreement zwischen der E. LLP und der K. S.A. aus dem Jahre 2003 (Ordner 2, Lasche 9), einem Entwurf zum «L. Trust»/Memorandum of Wishes aus dem Jahre 2004 (Ordner 2, Laschen 13 und 31), einem Schreiben der Gesuchsgegnerin an die ESTV vom 24. März 2005 betreffend den Verkauf der Beteiligung an der H. AG mitsamt Beilagen (Ordner 3, Lasche 14), Unterlagen im Zusammenhang mit der Beendigung des Mandatsverhältnisses zwischen D. und der Gesuchsgegnerin aus dem Jahr 2012 (Ordner 5, Laschen 2 und 4), dem Einschätzungsvorschlag 2009 der Zürcher Steuerbehörden, inklusive Beilagen (Ordner 5, Lasche 6), einem Fristerstreckungsgesuch der Gesuchsgegnerin betreffend Einreichung der Steuererklärung vom 9. Juni 2011 (Ordner 7, Lasche 1), interner Korrespondenz der Gesuchsgegnerin sowie Korrespondenz zwischen letzterer und D. aus dem Jahre 2011 betreffend Schenkungsverträge zwischen D. und seinen Söhnen sowie betreffend Begünstigung seiner damaligen Lebenspartnerin sowie der Entwürfe der Schenkungsverträge zwischen D. und seinen Söhnen (Ordner 5, Lasche 7) und der Steuerunterlagen 2009 und 2010 von D., inklusive Beilagen (Ordner 6; Ordner 7, Lasche 3).
Die Durchsicht dieser Unterlagen ergibt, dass diese keine untersuchungsrelevanten Informationen zum vorliegend massgeblichen Sachverhalt enthalten. Weder befinden sich darunter Abschlüsse der B. AG noch Dokumente, die zu den gewährten Darlehen der C. Limited an die B. AG noch zu den Beteiligungsverhältnissen der C. Limited Aufschluss geben würden. Der Deliktskonnex der betreffenden Unterlagen zum untersuchten Sachverhalt ist damit zu verneinen.
9.4 Aus dem Gesagten folgt, dass das Entsiegelungsgesuch abzuweisen ist. Die Unterlagen sind der Gesuchsgegnerin herauszugeben.
10.
10.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen ( Art. 66 Abs. 4 BGG analog; TPF 2011 25 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 3).
10.2 Mangels eines Aufwands im vorliegenden Verfahren ist von der Entrichtung einer Parteientschädigung an die Gesuchsgegnerin abzusehen.
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Das Gesuch wird abgewiesen.
2. Die Akten werden nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Beschlusses direkt an die Gesuchsgegnerin herausgegeben.
3. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
4. Von der Entrichtung einer Parteientschädigung an die Gesuchsgegnerin wird abgesehen.
Bellinzona, 1. April 2022
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :
Zustellung an
- Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer
- Rechtsanwalt Franz J. Kessler
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden ( Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind ( Art. 48 Abs. 2 BGG).
Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.
Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet ( Art. 103 BGG).