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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Berufungskammer
Fallnummer:BB.2022.151, BP.2022.84
Datum:12.10.2022
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : Beschuldigte; Urteil; Apos;; Beschuldigten; Berufung; Generalkonsulat; Recht; Verfahren; Täter; Verfahren; Spreng; Bundes; Ziffer; Staat; Kammer; Sprengstoff; Sinne; Entschädigung; Staats; Kanton; Staatsanwalt; Gefährdung; Busse; Täters; Feuerwerk; Verfahrens; Staatsanwalts; Staatsanwaltschaft; Anschlag
Rechtskraft:Kein Weiterzug, rechtskräftig
Rechtsnorm: Art. 1 StGB ; Art. 10 StPO ; Art. 106 StGB ; Art. 13 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 139 StPO ; Art. 144 StGB ; Art. 17 StGB ; Art. 177 StGB ; Art. 2 StGB ; Art. 21 StPO ; Art. 22 StGB ; Art. 224 StGB ; Art. 226 StGB ; Art. 23 StPO ; Art. 239 StGB ; Art. 26 StGB ; Art. 260 StGB ; Art. 28 StGB ; Art. 285 StGB ; Art. 286 StGB ; Art. 29 StGB ; Art. 3 StGB ; Art. 31 StPO ; Art. 314 StPO ; Art. 32 BV ; Art. 329 StGB ; Art. 34 StGB ; Art. 37 StPO ; Art. 38 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 391 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 4 StGB ; Art. 405 StPO ; Art. 41 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 43 StPO ; Art. 433 St
Referenz BGE:103 IV 241; 104 IV 232; 108 Ib 301; 113 IV 56; 115 IV 111; 124 IV 86; 134 IV 60; 136 IV 76; 139 IV 282; 142 IV 315; ;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

CA.2022.4

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: CA.2022.4

Urteil vom 12. Oktober 2022 Berufungskammer

Besetzung

Richter Andrea Blum, Vorsitzende

Olivier Thormann und Brigitte Stump Wendt

Gerichtsschreiber Franz Aschwanden

Parteien

A.,

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Bernard Olivier Rambert,

Berufungsführerin / Beschuldigte

gegen

Bundesanwaltschaft,

vertreten durch Staatsanwalt des Bundes Vincens Nold,     

Berufungsgegnerin / Anklagebehörde

und

als Berufungsgegner / Privatklägerschaften

1.       Türkisches Generalkonsulat,

vertreten durch Konsul Mehmet Yüceer

2.       B.,

vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Bigler

3.       C.,

vertreten durch Rechtsanwalt Marco Uffer

4.       D.

5.       E.

6.       F.

 

Gegenstand

Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB), mehrfache Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziffer 1 StGB), Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 Abs. 1 StGB), Beschimpfung (Art. 177 Abs. 1 StGB), unbefugter Verkehr (Art. 37 Ziffer 1 SprstG), Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 7c Abs. 1 COVID-19-Verordnung 2 vom 13. März 2020 und Art. 83 Abs. 1 lit. j i.V.m. Art. 7 und Art. 40 EpG

Berufung (teilweise) der Beschuldigten vom 15. März 2022 gegen das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2021.7 vom 19. November 2021

Sachverhalt:

A. Prozessgeschichte und erstinstanzliches Urteil

A.1 Am 18. Januar 2017 errichtete eine unbekannte Täterschaft um ca. 00:24 Uhr gegenüber dem Generalkonsulat der Republik Türkei an der Weinbergstrasse 68a in Zürich eine Abschussrampe und zündete von dort aus mehrere pyrotechnische Gegenstände in Richtung des Konsulats. Durch die eingeschlagenen Böller zerbrach ein Fenster des Gebäudes. Am 10. November 2017 eröffnete die Bundesanwaltschaft (nachfolgend: BA) eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt wegen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 StGB) und sistierte diese im Sinne von Art. 314 Abs. 1 lit. a StPO (BA pag. 03-00-0001 f.). Diese Sistierung focht die Republik Türkei als Privatklägerschaft mit Beschwerde an. Mit Beschluss BB.2017.209 vom 28. März 2018 hiess die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts die von der Republik Türkei gegen die Sistierung erhobene Beschwerde gut und hob die angefochtene Verfügung vom 10. November 2017 hinsichtlich der Sistierung auf (BA pag. 21-01-0012 ff.). Mit Verfügung vom 8. Januar 2019 sistierte die BA das Verfahren wiederum im Sinne von Art. 314 Abs. 1 lit. a StPO, wogegen die Republik Türkei erneut Beschwerde erhob. Mit Beschluss der Beschwerdekammer BB.2019.13 vom 11. September 2019 wurde die Beschwerde der Republik Türkei wiederum gutgeheissen und die angefochtene Sistierungsverfügung aufgehoben (BA pag. 21-02-0012 ff.).

A.2 Mit Verfügung vom 26. September 2019 dehnte die BA das Strafverfahren auf die Beschuldigte aus (BA pag. 01-01-0001).

A.3 Mit Schreiben vom 8. Juli 2020 übernahm die BA die von der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland sowie der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl gegen die Beschuldigte geführten Verfahren wegen Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB), übler Nachrede (Art. 173 StGB) sowie unbefugten Verkehrs (Art. 37 Ziffer 1 SprstG) bzw. wegen Verstosses gegen die Covid-19-Verordnung 2 (Art. 10f COVID-19-Verordnung 2; BA pag. 02-01-0003; 02-05-0003; 02-07-0003). Sodann übernahm sie mit Schreiben vom 18. September 2020 das von der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat geführte Verfahren gegen die Beschuldigte wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB; BA pag. 02-07-0003). Mit Verfügung vom 27. Oktober 2020 vereinigte die BA die Verfahren gegen die Beschuldigte gestützt auf Art.  26 Abs. 2 StPO in der Hand der Bundesbehörden (BA pag. 02-01-0005 ff.).

A.4 Die Beschuldigte befand sich vom 18. bis 19. April 2018, am 14. November 2018, vom 6. bis 7. Juni 2020 und vom 13. bis 15. Juni 2020 in Polizeihaft (BA pag. 06-01-0001; 18-01-0004 bis -0013).

A.5 Am 23. Februar 2021 erhob die BA bei der Strafkammer des Bundesstrafgerichts (nachfolgend: Strafkammer) Anklage gegen die Beschuldigte wegen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 StGB), eventualiter Gehilfenschaft dazu (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB), Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziffer 1 StGB), Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 Abs. 1 StGB), Beschimpfung (Art. 177 Abs. 1 StGB), unbefugten Verkehrs (Art. 37 Ziff. 1 SprstG) sowie verbotener Veranstaltung (Art. 10f Abs. 1 lit. a COVID-19-Verordnung 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 COVID-19-Verordnung 2, Fassung vom 13. März 2020, und Art. 7 EpG) bzw. Verbots von Menschenansammlungen im öffentlichen Raum (Art. 10f Abs. 2 lit. a COVID-19-Verordnung 2 i.V.m. Art. 7c Abs. 1 COVID-19-Verordnung 2, Fassung vom 13. März 2020, und Art. 7 EpG; TPF pag. 3.100.001 ff.).

A.6 Im Rahmen der Prozessvorbereitung wurde unter anderem ein Amtsbericht beim Forensischen Institut Zürich (FOR) vom 15. Juli 2021 zu den abgefeuerten pyrotechnischen Gegenständen sowie der abgebrannten Rauchpetarde eingeholt (TPF pag. 3.262.1.001 ff., -005 ff.).

A.7 Zur Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter der Strafkammer am 18. November 2021 erschien die Beschuldigte (auch nach Abwarten einer Respektstunde) unentschuldigt nicht. Mit Einverständnis der anwesenden Parteien wurde eine vorzeitige Beweisaufnahme vorgenommen (TPF pag. 3.720.004, -008; 3.771.001 ff.; 3.772.001 ff.).

A.8 Auch zur zweiten Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter der Strafkammer vom 19. November 2021 erschien die Beschuldigte unentschuldigt nicht. Diese fand sodann in Anwesenheit der BA, mehrerer Privatkläger und Vertreter sowie der Verteidigung statt. Mit gleichentags mündlich eröffnetem Urteil SK.2021.7 wurde die Beschuldigte einerseits vom Vorwurf der Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 6 Abs. 2 COVID-19-Vo2 und Art. 13 EpG freigesprochen und andererseits der Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB), mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziffer 1 StGB), Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 Abs. 1 StGB), Beschimpfung (Art. 177 Abs. 1 StGB), des unbefugten Verkehrs (Art. 37 Ziffer 1 SprstG) sowie der Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 7c Abs. 1 COVID-19-Vo2 und Art. 83 Abs. 1 lit. j i.V.m. Art. 7 und 40 EpG schuldig befunden und mit einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten und einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen à Fr. 30.-- (unter Anrechnung der Polizeihaft von 8 Tagen) sowie einer Busse von Fr. 500.-- (TPF pag. 3.720.018; 3.930.001 ff.) bestraft.

A.9 Am 29. November 2021 meldete die Beschuldigte fristgerecht Berufung gegen das Urteil SK.2021.7 an (Art. 399 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 1 StPO; TPF pag. 3.940.001; CAR pag. 1.100.098). Das schriftlich begründete Urteil (TPF pag. 3.930.001 ff.; CAR pag. 1.100.005 ff.) wurde am 25. Februar 2022 an die Parteien versandt (TPF pag. 3.930.102; CAR pag. 1.100.097, -099 f.) und von diesen am 28. Februar 2022 (BA, Verteidigung, RA Geçer, RA Uffer, F., E., D.) bzw. 7. März 2022 (RA Bigler) postalisch entgegengenommen (TPF pag. 3.930.103 ff.; CAR pag. 1.100.098 ff.).

B. Verfahren vor der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts

B.1         Im Nachgang an die Übermittlung des erstinstanzlichen Urteils inkl. Berufungsanmeldung und sämtlichen Verfahrensakten an die Berufungskammer stellte die Beschuldigte mit Berufungserklärung vom 15. März 2022 folgende Anträge (CAR pag. 1.100.104 f.):

a)    Freispruch bezüglich des Vorwurfs der Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht im Sinne von Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 (Urteilsdispositiv Ziff. 2, 1. Absatz).

b)    Angemessene Herabsetzung der Freiheitsstrafe (Urteilsdispositiv Ziff. 3).

c)    Verzicht auf die Ausfällung einer Busse (Urteilsdispositiv Ziff. 4).

d)    Angemessene Herabsetzung der der Beschuldigten auferlegten Verfahrenskosten (Urteilsdispositiv Ziff. 6).

e)    Abweisung der Entschädigung für das Generalkonsulat der Republik Türkei im Kanton Zürich (Urteilsdispositiv Ziff. 8.1).

B.2         Die BA verzichtete mit Eingabe vom 24. März 2022 auf die Beantragung des Nichteintretens und die Erklärung der Anschlussberufung (CAR pag. 1.400.003).

B.3         Mit prozessleitender Verfügung vom 31. Mai 2022 wies die Verfahrensleitung den Antrag der Beschuldigten auf schriftliche Durchführung des Berufungsverfahrens ab (CAR pag. 2.102.001 f.; 8.101.001 ff.). Von Amtes wegen wurden ein Auszug aus dem Schweizerischen Strafregister, ein Betreibungsregisterauszug sowie die letzte Steuererklärung und -veranlagungsverfügung betreffend die Beschuldigte eingeholt (CAR pag. 4.401.001 ff.). Das Formular «Persönliche und finanzielle Situation» wurde von der Beschuldigten trotz gerichtlicher Aufforderung nicht eingereicht (CAR pag. 2.102.004).

B.4         Zur Berufungsverhandlung vom 16. September 2022 erschienen die BA, die Vertretung und der Rechtsbeistand der Privatklägerin Türkisches Generalkonsulat sowie der Verteidiger der Beschuldigten. Aufgrund des unentschuldigten Nichterscheinens der Beschuldigten trotz ordnungsgemässer Vorladung (CAR pag. 4.301.001 ff.; 5.100.002) wurde die Verhandlung abgebrochen und eine neue Vorladung i.S.v. Art. 366 Abs. 1 i.V.m. Art. 379 StPO veranlasst. Dies insbesondere aufgrund der nicht korrekt erfolgten Zweitvorladung der Beschuldigten vor erster Instanz (Doppelvorladung) und der damit einhergehenden ungenügenden Gelegenheit, sich zu den ihr vorgeworfenen Straftaten zu äussern; unter Auflage der säumnisbedingten Kosten an die Beschuldigte (Art. 417 StPO; vgl. CAR pag. 5.100.005).

B.5         Zur (neu angesetzten) Berufungsverhandlung vom 10. Oktober 2022 erschienen die BA, die Vertretung der Privatklägerin Türkisches Generalkonsulat sowie der Verteidiger der Beschuldigten, während die Beschuldigte trotz ordnungsgemässer Vorladung wiederum unentschuldigt nicht erschien (CAR pag. 4.301.007 ff.; 5.100.007 f.). Die von der Verfahrensleitung unmittelbar im Vorfeld der Verhandlung angeordnete polizeiliche Vorführung der Beschuldigten hatte sich aufgrund deren Nichtauffindbarkeit als erfolglos erwiesen, womit die Verhandlung in deren Abwesenheit fortgeführt wurde (CAR pag. 4.301.013 ff. und 5.100.008).

Die Verteidigung hielt an den Anträgen gemäss Berufungserklärung vom 15. März 2022 fest (CAR pag. 5.200.001).

Die BA stellte folgende Anträge (CAR pag. 5.200.017 f.):

              1.       Es sei festzustellen, dass das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2021.7 vom 19. November 2021 bezüglich Dispositiv-Ziffer 1 und Dispositiv-Ziffer 2, Lemma 2 bis und mit 6 (mehrfache Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB; Hinderung einer Amtshandlung im Sinne von Art. 286 Abs. 1 StGB, Beschimpfung im Sinne von Art. 177 Abs. 1 StGB, unbefugter Verkehr im Sinne von Art. 37 Ziff. 1 SprstG, Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 2 Iit. a i.V.m. Art. 7c Abs. 1 COVID-19 Verordnung 2 vom 13. März 2022 und das Epidemiegesetz im Sinne von Art. 83 Abs. 1 Iit. j i.V.m. Art 7 und Art. 40 EpG) in Rechtskraft erwachsen ist.

              2.       A. sei unter Abweisung der Berufung wie folgt (gemäss Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts vom 19. November 2021) zu verurteilen und schuldig zu sprechen:

                        2. 1.   A. sei schuldig zu sprechen der Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht im Sinne von Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art 25 StGB.

                        2.2.    A. sei mit einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten sowie in Zusatz zum Strafbefehl der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 9. JuIi 2018 sowie zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 22. März 2021 mit einer Geldstrafe von 50 Tagessatzen zu je Fr. 30.--. zu bestrafen.

                                 Die Polizeihaft von 8 Tagen sei auf die Strafe anzurechnen.

                        2.3.    A. sei zu bestrafen mit einer Busse von Fr. 500.--, bei schuldhafter Nichtbezahlung mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen.

                        2.4.    Der Kanton Zürich sei als Vollzugskanton zu bestimmen.

                        2.5.    Von den vorinstanzlichen Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 9'250.--seien A. Fr. 6'000.-- aufzuerlegen.

                        2.6.    Rechtsanwalt Bernard Olivier Rambert sei für die amtliche Verteidigung von A. durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 20'418.95 (inkl. MWST) zu entschädigen.

                                 A. sei zu verpflichten, der Eidgenossenschaft die Entschädigung zurückzubezahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

                        2.7.    A. sei zu verpflichten, der Eidgenossenschaft die an Rechtsanwalt Andy Bürgi für ihre amtliche Verteidigung ausbezahlte Entschädigung von Fr. 1'185.90 (inkl. MWST) zurückzubezahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

                        2.8.    A. sei zu verpflichten, den Privatklägern jeweils nachfolgende Entschädigung zu bezahlen:

                        2.8.1. Generalkonsulat der Republik Türkei im Kanton Zürich Fr. 7'867.10.

                        2.8.2. B. Fr. 9'350.50.

                        2.8.3. C. Fr. 5'461.10.

              3.           Die oberinstanzlichen Verfahrenskosten seien A. vollumfänglich aufzuerlegen.

              4.           Die weiteren Verfügungen seien von Amtes wegen zu treffen.

Die Privatklägerin Türkisches Generalkonsulat beantragte im Sinne der Ausführungen der BA die Abweisung der Berufung und die vollumfängliche Bestätigung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils (CAR pag. 5.100.011). Die Parteien verzichteten auf eine mündliche Eröffnung des Urteils (Art. 84 Abs. 3 Satz 2; Art. 351 Abs. 3 i.V.m. Art. 379 und Art. 405 Abs. 1 StPO). Das Urteilsdispositiv vom 12. Oktober 2022 wurde am 17. Oktober 2022 per Post sowie vorab per E-Mail versandt (CAR pag. 9.100.001 ff.).

Die Berufungskammer erwägt:

I. Formelle Erwägungen

1.           Eintreten / Fristen

1.1         Die Berufungsanmeldung und -erklärung der Beschuldigten erfolgten jeweils unter Fristenwahrung (Art. 399 Abs. 1-3 StPO; CAR pag. 1.100.098 ff., -104 f.).

1.2         Die Berufung richtet sich gegen das Urteil der Strafkammer SK.2021.7 vom 19. November 2021, mit welchem das Verfahren betreffend Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (evtl. Gehilfenschaft dazu), mehrfache Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, Hinderung einer Amtshandlung, Beschimpfung, Unbefugten Verkehr, Widerhandlung gegen die COVID-19-Vo2 bzw. das EpG ganz abgeschlossen wurde (vgl. Art. 398 Abs. 1 StPO). Mit diesem Urteil wurde die Beschuldigte der Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB), der mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziff. 1 StGB), der Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 Abs. 1 StGB), der Beschimpfung (Art. 177 Abs. 1 StGB), des unbefugten Verkehrs (Art. 37 Ziff. 1 SprstG) sowie der Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 7c Abs. 1 COVID-19-Vo2 und Art. 83 Abs. 1 lit. j i.V.m. Art. 7 und 40 EpG schuldig befunden und mit einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen à je Fr. 30.-- und einer Busse von Fr. 500.-- bestraft (TPF pag. 3.720.018; 3.930.001, -006). Entsprechend ist die Beschuldigte durch das vorinstanzliche Urteil beschwert, an dessen Aufhebung oder Änderung interessiert und zur Berufungserklärung legitimiert (Art. 104 Abs. 1 lit. a, Art. 111 Abs. 1 und Art. 382 Abs. 1 StPO).

1.3         Die Bestimmung von Art. 224 StGB untersteht der Bundesgerichtsbarkeit (Art. 23 Abs. 1 lit. d StPO). Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts (nachfolgend: Berufungskammer bzw. Berufungsgericht) ist in der Besetzung mit drei Richterpersonen für die Beurteilung der vorliegenden Berufung örtlich und sachlich zuständig (Art. 21 Abs. 1 lit. a StPO; Art. 33 lit. c, Art. 38a und Art. 38b des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes [Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71]). Sämtliche Eintretens-Voraussetzungen sind erfüllt. Verfahrenshindernisse liegen keine vor. Auf die Berufung ist somit einzutreten.

2.           Verfahrensgegenstand und Kognition / Verbot der reformatio in peius

2.1         Die vorliegende Berufung richtet sich gegen das Urteil der Strafkammer SK.2021.7 vom 19. November 2021, jedoch lediglich gegen den Schuldspruch bezüglich Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht gemäss Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB, mit entsprechenden Konsequenzen für die Strafzumessung und die Kosten-/Entschädigungsfolgen (vgl. Anträge oben Sachverhalt [nachfolgend: SV] lit. B.1 / B.5). Demgemäss ist festzustellen, dass folgende Dispositivziffern des Urteils SK.2021.7 in Rechtskraft erwachsen sind:

1.       A. wird freigesprochen vom Vorwurf der Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 6 Abs. 2 COVID-19-Verordnung 2 vom 13. März 2020 und Art. 7 EpG.

2.       A. wird schuldig gesprochen:

          –   […]

          –   der mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB;

          –   der Hinderung einer Amtshandlung im Sinne von Art. 286 Abs. 1 StGB;

          –   der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 Abs. 1 StGB;

          –   des unbefugten Verkehrs im Sinne von Art. 37 Ziff. 1 SprstG;

          –   der Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 7c Abs. 1 COVID-19-Verordnung 2 vom 13. März 2020 und das Epidemiengesetz im Sinne von Art. 83 Abs. 1 lit. j i.V.m. Art. 7 und Art. 40 EpG.

3.       […]

          Die Polizeihaft von 8 Tagen wird auf die Strafe angerechnet (Art. 51 StGB).

4.       […]

5.       Als Vollzugskanton wird der Kanton Zürich bestimmt (Art. 74 Abs. 2 StBOG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 StPO).

6.       Die Verfahrenskosten betragen Fr. 9'250.-- (Vorverfahren: Gebühr Fr. 3'000.--, Auslagen Fr. 1'750.--; Gerichtsgebühr Fr. 4'000.--, Auslagen des Gerichts Fr. 500.--).

7.       […]

7.1     Rechtsanwalt Bernard Olivier Rambert wird für die amtliche Verteidigung von A. durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 20'418.95 (inkl. MWST) entschädigt.

7.2     A. wird verpflichtet, der Eidgenossenschaft die an Rechtsanwalt Andy Bürgi für ihre amtliche Verteidigung ausbezahlte Entschädigung von Fr. 1'185.90 (inkl. MWST) zurückzubezahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO).

8.       A. wird verpflichtet, den Privatklägern jeweils nachfolgende Entschädigungen zu bezahlen:

8.1     […]

8.2     B. Fr. 9'350.50.

8.3     C. Fr. 5'461.10.

2.2         Das in Art. 391 Abs. 2 StPO verankerte Prinzip des Verbots der «reformatio in peius» (Verschlechterungsverbot [vgl. BGE 139 IV 282 E. 2.3.1]) greift zugunsten der beschuldigten Person, wenn das Rechtsmittel nur zu deren Gunsten ergriffen worden ist. Vorliegend haben weder die BA noch die Privatkläger Berufung oder Anschlussberufung erhoben. Entsprechend darf das Urteil im Sinne des Verbots der «reformatio in peius» nicht zu Ungunsten der Beschuldigten abgeändert werden.

II. Materielle Erwägungen

1.           Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB)

1.1         Anklagevorwurf / erstinstanzliches Urteil / Standpunkt der Beschuldigten

1.1.1      Die ursprünglich angeklagte und von der Vorinstanz verworfene Qualifikation als mittäterschaftliche Begehung (Anklageschrift [AKS] Ziffer 1.1; TPF pag. 3.100.003 f.) ist aufgrund des Verbots der reformatio in peius im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen (oben E. I. 2.2). Zu prüfen verbleibt somit die Gehilfenschaft gemäss AKS Ziffer 1.2 (TPF pag. 3.100.004 f.) bzw. die entsprechende Einschätzung der Vorinstanz.

1.1.2      Die Anklage wirft der Beschuldigten zusammengefasst (eventualiter) eine Tatbeteiligung im Sinne von Gehilfenschaft vor. Sie habe einer unbekannten Täterschaft am 18. Januar 2017, allenfalls früher, an der Weinbergstrasse 68a in Zürich oder andernorts Hilfe geleistet, um vorsätzlich und in verbrecherischer Absicht durch Sprengstoffe Leib und Leben von Menschen sowie fremdes Eigentum in Gefahr zu bringen, indem sie eine Horror-Knall-Rakete der Kategorie F3 mit Blitzknallsatz beschafft und der unbekannten Täterschaft ausgehändigt habe. Die unbekannte Täterschaft habe damit und mit einer Feuerwerksbatterie der Kategorie F3 mit 36 Schuss eine unkonventionelle Spreng- und/oder Brandvorrichtung (USBV) hergestellt und diese in Richtung des Generalkonsulats der Republik Türkei an der Weinbergstrasse 65 in Zürich ausgerichtet und gezündet. Am 18. Januar 2017 sei um 00:26 Uhr der erste Feuerwerkskörper auf das Generalkonsulat abgeschossen worden, der Aufprall an der linken Fassade des Gebäudes habe sich um 00:27 Uhr ereignet. Durch das eingeschlagene Feuerwerk seien ein Fenster des Gebäudes zerbrochen und an der Gebäudefassade kleinere Schäden verursacht worden. Die Beschuldigte habe zudem der unbekannten Täterschaft Hilfe bei diesem Anschlag geleistet, indem sie diese – aufgrund ihrer einschlägigen Erfahrungen bei der Planung und Durchführung des Anschlags auf das spanische (statt «türkische»; von der BA berichtigt in TPF pag. 3.721.012) Generalkonsulat am 29./30. September 2002 – im Vorfeld zum pyrotechnischen Anschlag auf das Generalkonsulat der Republik Türkei vom 18. Januar 2017 im Raum Zürich oder anderswo beraten habe (AKS Ziffer 1.2; TPF pag. 3.100.004 f.).

1.1.3      Nach Würdigung der Beweise erachtete die Vorinstanz indizienmässig nur – aber immerhin – den (eventualiter) angeklagten Sachverhalt im Sinne einer Gehilfenschaft am inkriminierten Anschlag auf das Generalkonsulat der Republik Türkei in Zürich als objektiv und subjektiv erstellt. Insbesondere mass sie dem Modus Operandi, der mit dem pyrotechnischen Anschlag der Beschuldigten auf das Spanische Generalkonsulat vom 29./30. September 2002 vergleichbar sei (Erfahrung mit Zündvorrichtungen mittels Mückenspiralen; vgl. rechtskräftige Verurteilung mit Urteil SK.2011.1 vom 8. November 2011 / Berichtigung vom 21. März 2012) grosse Bedeutung zu. Zum anderen erachtete sie die DNA-Spur der Beschuldigten auf dem Holzstab der Horror-Knall-Rakete (1 von 2) als massgebend. Schliesslich wurde die Zugehörigkeit der Beschuldigten zum linksradikalen J. bzw. K., (nachfolgend: J. / K.), welche in derselben Nacht auf ihrer Website ein Bekennerschreiben publizierte, als für die Zuordnung des Handlungsmotivs mass—geblich erachtet. Selbst wenn kein direkter Beweis vorliege, so würden die genannten Indizien in ihrer Gesamtheit die Tatbeteiligung der Beschuldigten – mindestens im Sinne einer Gehilfenschaft – rechtsgenüglich belegen. Die Einwände der Verteidigung wurden allesamt als unbegründet eingestuft. Zwar sei der Beschuldigten insofern zuzustimmen, dass eine DNA-Spur für sich alleine noch kein Beweis für die Täterschaft darstelle, jedoch würden die gesamten Indizien (DNA, politisches Motiv, Modus Operandi) als geschlossene Indizienkette für die Annahme einer Tatbeteiligung der Beschuldigten ausreichen. Die Freisprüche im Zusammenhang mit den Anschlägen auf das spanische Konsulat seien damals aufgrund fehlender DNA-Funde am Tatort erfolgt, weshalb die Beschuldigte aus diesen nichts zu ihren Gunsten ableiten könne (vgl. Urteil SK.2021.7 E. 2.4.3 - 2.4.5 und 2.4.7 - 2.4.7.3).

1.1.4      Die Beschuldigte hatte ihre Tatbeteiligung im Rahmen der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens stets bestritten. Insbesondere bestritt sie die Tatrelevanz der beiden Leitstäbe der Horror-Knall-Rakete, deren Funktion und Dimensionen sowie deren Beweiskraft, da ja nicht bekannt sei, wo diese gefunden worden seien. Zudem sei die DNA-Spur der Beschuldigten auf dem Leitstab der Rakete kein Beweis für die Täterschaft der Beschuldigten. Es sei nicht erstellt, wie das Zellmaterial (DNA) an den Leitstab gekommen sei. Schliesslich sei sie im Zusammenhang mit den ihr vorgeworfenen fünf Anschlägen mit pyrotechnischen Gegenständen auf das Spanische Generalkonsulat mit Urteil SK.2011.1 in drei von fünf Fällen freigesprochen worden. Dabei hätten weder der Modus Operandi noch das politische Motiv als Indiz für die Täterschaft ausgereicht (vgl. Urteil SK.2021.7 E. 2.4.6 - 2.4.6.7).

1.2         Rechtliches zum Tatbestand der Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB)

Nach Art. 224 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer vorsätzlich und in verbrecherischer Absicht durch Sprengstoffe oder giftige Gase Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt.

1.2.1      Elemente des objektiven Tatbestands von Art. 224 Abs. 1 StGB

1.2.1.1   Der Sprengstoffbegriff gemäss Art. 224 Abs. 1 StGB deckt sich im Wesentlichen mit dem Begriff im Bundesgesetz über explosionsgefährliche Stoffe vom 25. März 1977 (Sprengstoffgesetz, SprstG; SR 941.41). Als Sprengstoffe gelten nach Art. 5 Abs. 1 SprstG einheitliche chemische Verbindungen oder Gemische solcher Verbindungen, die durch Zündung, mechanische Einwirkung oder auf andere Weise zur Explosion gebracht werden können und die wegen ihrer zerstörenden Kraft, sei es in freier oder verdämmter Ladung, schon in verhältnismässig geringer Menge gefährlich sind. Darunter fallen Stoffe gemäss Art. 2 der Verordnung über explosionsgefährliche Stoffe vom 27. November 2000 (Sprengstoffverordnung, SprstV; SR 941.411). Nicht unter den Sprengstoffbegriff fallen Molotow-Cocktails (Brandwurfkörper) und Stoffe nach Art. 5 Abs. 2 lit. a SprstG (explosionsfähige Gase, Dämpfe von flüssigen Brennstoffen sowie andere Stoffe, die erst nach einer Vermischung mit Luft explodieren), lit. b (bei der Herstellung chemischer Produkte verwendete Hilfsstoffe oder entstehende Zwischenerzeugnisse, die explosionsgefährlich sind, aber diese Eigenschaft vor Abschluss des Produktionsverfahrens verlieren) und lit. c (explosionsfähige Erzeugnisse und Präparate, die nicht zu Sprengzwecken hergestellt und in den Handel gebracht werden). Die Definition in Art. 5 Abs. 1 SprstG gilt auch für die Art. 224-226 StGB, wobei das Merkmal der zerstörerischen Kraft entscheidend ist (BGE 104 IV 232 E. Ia; 103 IV 241 E. I. 1; Urteil der Strafkammer des BStGer SK.2015.28 vom 7. April 2016 E. 4.1; Trechsel/Coninx, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2021, Art. 224 StGB N. 2; Roelli, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 224 StGB N. 4). Feuerwerkskörper und andere gebrauchsfertige Erzeugnisse mit einem Explosiv- oder Zündsatz, die nicht zum Sprengen bestimmt sind, gelten als pyrotechnische Gegen—stände (Art. 7 SprstG), welche nicht unter den Sprengstoffbegriff von Art. 5 SprstG fallen. Pyrotechnische Gegenstände sind daher grundsätzlich nicht als Sprengstoff im Sinne von Art. 224 Abs. 1 StGB zu qualifizieren. Ausgenommen sind Erzeugnisse, die besonders grosse Zerstörungen bewirken oder zum Zwecke der Zerstörung verwendet werden (Urteile des BGer 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.5.1; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.2.5; 6B_299/2012 vom 20. September 2012 E. 2.2; BGE 104 IV 232 E. 1a; Urteile der Strafkammer des BStGer SK.2017.17 vom 9. August 2017 E. 4.1.1; SK.2015.28 vom 7. April 2016 E. 4.2).

1.2.1.2   Art. 224 StGB ist ein konkretes Gefährdungsdelikt und setzt objektiv voraus, dass der Täter durch Sprengstoffe oder giftige Gase Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum konkret in Gefahr bringt (Urteile des BGer 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.2.2; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.2.5; BGE 115 IV 111 E. 3b; 103 IV 241 E. I. 1). Die konkrete Gefährdung liegt vor, wenn eine Verletzung nicht nur möglich, sondern nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich ist (Urteil des BGer 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.2.2; BGE 103 IV 241 E. I.1). Massgebend sind die tatsächlichen Umstände des konkreten Falles. Die Gefahr muss nicht einer Mehrzahl von Personen oder Sachen von grosser Substanz gelten; es genügt die gezielte Gefährdung eines Menschen oder einer fremden Sache, aber gemäss der jüngsten bundesgerichtlichen Recht——sprechung ausschliesslich unter der Voraussetzung, dass sie nicht im Voraus individuell bestimmt, sondern vom Zufall ausgewählt ist. Die besondere Verwerflichkeit des gemeingefährlichen Delikts wird erst dadurch begründet, dass die Opfer unbeteiligte Drittpersonen sind, die nicht individuell ausgewählt wurden und für den Täter als Repräsentanten der Allgemeinheit erscheinen. Um die Allgemeinheit zu repräsentieren, müssen die Rechtsgüter vom Zufall ausgewählt sein, selbst wenn im Augenblick des Angriffs bereits feststeht, wen es treffen kann (Urteil des BGer 6B_795/2021 vom 27. April 2022 E. 2 f.). Wie die Gefährdung zu erfolgen hat, umschreibt das Gesetz nicht. Für die Erfüllung des Tatbestands genügt jeder wie auch immer geartete Umgang mit Sprengstoff oder giftigen Gasen, sofern nur der Gefährdungserfolg eintritt (Urteile des BGer 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.2.2; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.2.5 mit Hinweisen). Allerdings ist angesichts der hohen Strafdrohung von Art. 224 Abs. 1 StGB und des Umstands, dass der Tatbestand schon im Falle der Gefährdung einer einzigen, individuell bestimmten Person erfüllt sein kann, eine eher grosse Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Leib, Leben sowie Eigentum und damit eine eher nahe Gefahr erforderlich (Urteile des BGer 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.2.2; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.4.2 mit Hinweisen).

1.2.2      Elemente des subjektiven Tatbestands von Art. 224 Abs. 1 StGB

Der subjektive Tatbestand von Art. 224 Abs. 1 StGB setzt einerseits Gefährdungsvorsatz und anderseits ein Handeln in verbrecherischer Absicht voraus («Doppelvorsatz»; Urteil des BGer 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.7.2).

1.2.2.1   Gefährdungsvorsatz

Der Gefährdungsvorsatz im Sinne von Art. 224 Abs. 1 StGB liegt vor, sobald der Täter die Gefahr kennt und trotzdem handelt. Nicht erforderlich ist, dass der Täter die Verwirklichung der Gefahr, sei es auch nur eventuell, gewollt hat (Urteile des BGer 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.2.3; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.2.5 und 4.5.3; 6B_913/2016 vom 13. April 2017 E. 1.1.1; 6B_1038/2009 vom 27. April 2010 E. 1.2, nicht publiziert, in: BGE 136 IV 76, mit Hinweisen; BGE 103 IV 241 E. I. 1).

1.2.2.2   Verbrecherische Absicht

                   Nach allgemeinem Verständnis bezieht sich die verbrecherische Absicht auf das Handlungsziel des Täters. Dieses muss in der Verwirklichung eines (anderen) Verbrechens oder – über den Wortlaut hinaus – Vergehens bestehen; eine angestrebte Übertretung reicht dagegen nicht aus (Botschaft des Bundesrats vom 31. März 1924 an die Bundesversammlung über den Entwurf zu einem Bundesgesetz betr. den verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen und giftigen Gasen, BBl 1924 I 589, 596; Roelli, a.a.O., Art. 224 StGB N. 9; Trechsel/Coninx, a.a.O., Art. 224 StGB N. 7). Die verbrecherische Absicht besteht mithin darin, dass der Täter den Sprengstoff einsetzt, um (eventual-) vorsätzlich ein darüberhinausgehendes Verbrechen oder Vergehen zu verüben (Urteile des BGer 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.2.3; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.2.5). Betreffend die Aspekte der verbrecherischen Absicht bzw. die Abgrenzung von der Tatbestandsvariante ohne verbrecherische Absicht (Art. 225 StGB) wird auf die jüngste Rechtsprechung der Berufungskammer des BStGer verwiesen (Urteil CA.2021.29 vom 30. Juni 2022 E. II. 3.4.2 - 3.4.2.5).

1.2.3      Gehilfenschaft (Art. 25 StGB)

              Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen (Art. 10 StGB) vorsätzlich Hilfe leistet, wird (obligatorisch) milder bestraft (Art. 25 StGB). Gehilfenschaft zu Übertretungen ist nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen strafbar (Art. 105 Abs. 2; siehe Art. 293 Abs. 2 und Art. 329 Ziffer 2 StGB). Der Gehilfe will die Haupttat fördern und nimmt zumindest in Kauf, dass seine Hilfeleistung die Straftat erleichtert. Er handelt diesbezüglich vorsätzlich, wobei Eventualdolus genügt. Der Gehilfe muss mindestens damit rechnen, dass sein Verhalten die Haupttat unterstützt und fördert, und dies in Kauf nehmen (Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht Allgemeiner Teil 1, 4. Aufl. 2011, S. 421, § 13 Rz. 121). Der Tatbeitrag des Gehilfen ist untergeordneter Natur und für die Verwirklichung des Delikts nicht derart «wesentlich», dass sie mit ihm «steht oder fällt». Daher erscheint der Gehilfe nach den konkreten Umständen des Falles auch nicht als Hauptbeteiligter (Forster, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 25 StGB N. 1, 3, 17 ff. mit Hinweisen). Die blosse Förderung der Tat genügt. Der untergeordnete Tatbeitrag des Gehilfen braucht auch nicht die «adäquat-kausale» Ursache eines strafrechtlichen Erfolgs (im Sinne der Adäquanztheorie) darzustellen. Die Unterstützung muss jedoch tatsächlich zur Straf—tat beitragen, ihre praktischen Erfolgschancen erhöhen und sich in diesem Sinne als kausal erweisen (sogenannte Förderungskausalität). In Frage kommen dabei sowohl physische als auch intellektuelle oder psychische Beihilfe. Die Förderung der Haupttat durch physische Gehilfenschaft kann z.B. in Form von technisch-materieller Unterstützung erfolgen (BGE 108 Ib 301). Bei der rein intellektuellen Beihilfe gibt der Gehilfe bloss tatfördernde Ratschläge, Tipps und Anleitungen, ohne physisch einzugreifen. Psychische Gehilfenschaft wiederum erfolgt dadurch, dass der Täter seelisch in seinem Tatentschluss bestärkt wird, was diesem die Durchführung der Straftat erleichtert (vgl. Forster, a.a.O., Art. 25 StGB N. 8 ff. und 20 ff. mit Hinweisen).

1.3         Beweisgrundsätze / Beweisthema

1.3.1      Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind. Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts werden nur wiederholt, wenn: a. Beweisvorschriften verletzt worden sind; b. die Beweiserhebungen unvollständig waren; c. die Akten über die Beweiserhebungen unzuverlässig erscheinen. Die Rechts—mittelinstanz erhebt von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die erforderlichen zusätzlichen Beweise (Art. 389 StPO). Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind. Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139 Abs. 1 und 2 StPO). Art. 139 Abs. 2 StPO schränkt die gerichtliche Pflicht zur förmlichen Beweisführung wieder in engen Grenzen ein. Bestimmte Tatsachen müssen nicht bewiesen werden oder dürfen bereits vor dem Verfahren als bewiesen gelten. Art. 139 Abs. 2 StPO erlaubt damit in gewissem Umfang auch eine antizipierte Beweiswürdigung vor allem aus prozessökonomischen Gründen (Gless, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 139 StPO N. 31).

1.3.2      Gemäss Art. 10 Abs. 3 StPO geht das Gericht von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus, wenn unüberwindliche Zweifel daran bestehen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat erfüllt sind. Diese Bestimmung konkretisiert den verfassungsmässigen Grundsatz der Unschuldsvermutung (in dubio pro reo; Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziffer 2 EMRK). Der Grundsatz in dubio pro reo als Beweiswürdigungsregel besagt, dass sich der Strafrichter nicht von einem für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht mass—gebend, weil solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Es muss sich um erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel handeln, d.h. um solche, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen (Urteil des BGer 6B_781/2010 vom 13. Dezember 2010 E.3.2, mit Verweis auf BGE 124 IV 86 E. 2a; 120 Ia 31 E. 2c).

1.3.3      Im Rechtsmittelverfahren kann das Gericht für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz verweisen (Art. 82 Abs. 4 StPO). Diese Bestimmung dient der Prozessökonomie. Werden jedoch im Rechtsmittelverfahren erhebliche Einwände vorgebracht, welche nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens bildeten, entfällt die Möglichkeit der Verweisung (vgl. Stohner, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 82 StPO N. 9 mit Hinweisen).

1.3.4      Unbestritten und aufgrund der vorliegenden Beweise erstellt ist, dass sich der Angriff auf das türkische Generalkonsulat (was den rein äusserlichen Tatablauf und die Verübung der Tat durch eine unbekannte Täterschaft betrifft, exklusive der Frage einer allfälligen Beteiligung durch die Beschuldigte) gemäss Anklageschrift (Eventualstandpunkt; AKS Ziffer 1.2; TPF pag. 3.100.005 oben) abgespielt hat. Strittig ist nach wie vor, ob bzw. gegebenenfalls in welchem Ausmass sich die Beschuldigte an diesem Angriff überhaupt beteiligt hat. Diesbezüglich liegen keine direkten Beweise, sondern nur Indizien vor, wie nachfolgend ausgeführt wird.

1.4         Beweismittel (Indizien)

              Zum Anklagesachverhalt (AKS Ziffer 1.2; TPF pag. 3.100.004 f.) liegen folgende Indizien vor:

1.4.1      Bild- und Videoaufnahmen

Die BA stellte die Überwachungsvideos des Generalkonsulats der Republik Türkei vom pyrotechnischen Anschlag vom 18. Januar 2017 sicher. Auf dem Video- und dem erstellten Bildmaterial ist zu sehen, dass sich am 18. Januar 2017 um 00:13 Uhr eine dunkel gekleidete Person gegenüber dem Generalkonsulat auf der Grünfläche an der Weinbergstrasse 68a in Zürich aufhielt (BA pag. 05-00-0017 f.). Um 00:24 Uhr wurde auf der Grünfläche durch eine unbekannte Täterschaft das inkriminierte Feuerwerk gezündet (BA pag. 05-00-0019). Der erste Feuerwerkskörper wurde um 00:26 Uhr nahezu horizontal über die Weinbergstrasse in Richtung des Generalkonsulats an der Weinbergstrasse 65 abgefeuert. Das Feuerwerk detonierte teils zuerst auf der Weinbergstrasse, in mindestens zwei Fällen in unmittelbarer Nähe eines Tramhalteunterstands, wo sich eine erschreckte Person befand (BA pag. 05-00-0024). Sodann ist ersichtlich, wie um 00:27 Uhr mehrere Knallköper zusätzlich auf der linken Fassade des Generalkonsulats sowie auf dessen Parkplatz aufprallten (BA pag. 05-00-0020 f.; -0025, -0030). Insgesamt wurden 38 pyrotechnische Gegenstände in Richtung des Generalkonsulats abgefeuert (BA pag. 05-00-25 ff.). Durch das detonierte Feuerwerk zerbrach ein Kellerfenster des Generalkonsulats und an der Gebäudefassade entstanden kleinere Schäden und Verschmutzungen. Im Gebäude des Generalkonsulats befanden sich mehrere Personen.

1.4.2      Bekennerschreiben

Am 18. Januar 2017, 01:19 Uhr, wurde auf der linksextremistischen Internetplattform «G.» ein Bekennerschreiben mit dem Titel «Zürich: Angriff gegen das türkische Konsulat» veröffentlicht. In diesem Schreiben bekennt sich die Täterschaft, das türkische Generalkonsulat mit Feuerwerk angegriffen zu haben und sich somit in die Serie der Angriffe gegen die Vertretung des türkischen Staats in Europa einzureihen (BA pag. 05-00-0040; -0005).

1.4.3      Anzeigerapport der Stadtpolizei Zürich

Dem Anzeigerapport der Stadtpolizei Zürich vom 15. Februar 2017 ist zu entnehmen, dass am 18. Januar 2017, ca. 00:25 Uhr, mehrere Anrufer der Einsatzzentrale gemeldet haben, dass das türkische Generalkonsulat an der Weinbergstrasse 65 gerade mit Pyrotechnika beschossen wird. Zeitgleich meldete die mit der Bewachung des Generalkonsulats betraute Polizeipatrouille den Vorfall ebenfalls. Zu diesem Zeitpunkt konnte eine Person im Haltestellenunterstand an der Weinbergstrasse ausgemacht werden. Nach Ende des pyrotechnischen Beschusses konnte die Polizeipatrouille auf einer erhöhten Terrasse an der Weinbergstrasse 68a eine Abschussvorrichtung für pyrotechnische Gegenstände auffinden. An der Zündvorrichtung war eine Zeitverzögerung (Mückenspirale) angebracht. Die Abschussvorrichtung bestand aus einem Holzkasten, zwei Abschussrohren sowie einer Feuerwerksbatterie mit 36 Schuss. Personen konnten auf der Grünfläche neben der Liegenschaft 68a an der Weinbergstrasse keine mehr angetroffen werden. In Bezug auf die konkrete Gefährdung durch den Anschlag ist dem Rapport zu entnehmen, dass sich während des Abbrennens der pyrotechnischen Gegenstände ein Passant im Unterstand der VBZ-Haltestelle befand. Eine direkte Gefährdung durch die pyrotechnischen Gegenstände für die Personen im Generalkonsulat dürfte indes nicht bestanden haben. Durch das Aufprallen der Feuerwerkskörper an der Gebäudefassade entstanden dort mehrere Russanhaftungen sowie oberflächliche Beschädigungen. Ausserdem sei ein Fenster an der linken Seite zerbrochen. Der Schaden beträgt ca. Fr. 1'200.-- (BA pag. 05-00-0002 ff.).

1.4.4      Spurenbericht des FOR

Am Tatort wurden diverse Materialien und Spuren sichergestellt (BA pag. 11-01-0026 ff.). Gemäss Spurenbericht des FOR vom 20. Februar 2017 befindet sich gegenüber dem Generalkonsulat der Republik Türkei, neben dem Gebäude an der Weinbergstrasse 65, eine begrünte Terrasse. Dort befand sich eine Art «Abschussvorrichtung», mit welcher die pyrotechnischen Gegenstände in Richtung des Generalkonsulats geschossen wurden. Die Vorrichtung bestand aus einer Holzpalette, auf welcher mittels eines Spanngurts eine Feuerwerksbatterie und daneben mittels mehrerer Kabelbinder zwei graue Kunststoffrohre befestigt worden waren. Vor dieser Abschussvorrichtung konnten mehrere abgebrannte Anzündlitzen sowie eine ebenfalls abgebrannte Anzündvorrichtung festgestellt werden. Diese Anzündvorrichtung bestand aus einem Stück einer «Mückenspirale» und einem oder eventuell mehreren Streichhölzern, welche mittels Drahtes und eines Kabelbinders an den Enden den Anzündlitzen befestigt worden waren. Auf dem Parkplatz vor dem Generalkonsulat konnten ein Raketentreiber, ein Holzstab sowie mehrere Kartonteile/-fragmente festgestellt werden. Diese Gegenstände, wie auch die erwähnten Abschuss- und Anzündvorrichtungen, wurden zwecks einer DNA-Spurensicherung asserviert (BA pag. 11-01-0002).

1.4.5      DNA-Spurenbericht des FOR

Das FOR erstellte am 21. Februar 2017 einen Bericht über die Identifizierung der DNA-Spuren am Tatort. Auf einem sichergestellten Holzstab, der von einer der beiden abgefeuerten Horror-Knall-Raketen stammte, und welcher auf dem Parkplatz vor dem Generalkonsulat aufgefunden wurde, konnten zwei DNA-Spuren (1, PCN 2 und 3, PCN 4) festgestellt werden. Bezüglich der DNA-Spur 1, PCN 2 ergab die Auswertung als Spurenverursacherin die Beschuldigte (PCN 5; Asservaten-Nr. 1; BA pag. 11-01-0011; -0005; -0007; -0015; -0029).

1.4.6      Untersuchungsbericht des Wissenschaftlichen Forschungsdienstes der Stadtpolizei Zürich

Gemäss Untersuchungsbericht des Wissenschaftlichen Forschungsdienstes der Stadtpolizei Zürich (WFD) vom 8. März 2017 wurde am 18. Januar 2017, um ca. 00:30 Uhr, auf das Generalkonsulat der Republik Türkei an der Weinbergstrasse 65 in Zürich ein Anschlag mit einer unkonventionellen Sprengvorrichtung (USBV) verübt. Die Sprengvorrichtung bestand aus einer Palette, welche als Grundplatte diente. Auf der Palette waren zwei graue Rohre mit vier schwarzen Kabelbindern befestigt, aus welchen je eine Horror-Knall-Rakete der Kategorie F3 abgefeuert worden war. Die Rohre dienten dabei als Abschussvorrichtung für die Raketen. Sämtliche Rohre der Feuerwerksbatterie waren bei Erstellung des Berichts abgefeuert. Zu den zwei Horror-Knall-Raketen gehörte je ein Holzleitstab. Ausserdem war auf der Palette mit einem blauen Spanngurt eine Feuerwerksbatterie der Kategorie F3 befestigt, um ein waagrechtes Abschiessen der Batterie zu ermöglichen. Als Anzündvorrichtung und Verzögerung waren drei Anzündlitzen und eine Mückenspirale verwendet worden. Die Abschussvorrichtung mit der Feuerwerksbatterie und den beiden Horror-Knall-Raketen (USBV) zeigte in Richtung des Generalskonsulats (BA pag. 11-01-0024, -0026, -0030).

1.4.7      Amtsbericht des FOR

Zur abgefeuerten Feuerwerksbatterie mit 36 Schuss sowie den zwei Horror-Knall-Raketen und den von diesen ausgehenden Gefahren erstellte das FOR im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens anhand eines Fragenkatalogs des Einzelrichters der Strafkammer sowie des zur Verfügung gestellten Videomaterials vom pyrotechnischen Anschlag auf das Generalkonsulat einen Amtsbericht (TPF pag. 3.262.1.005 bis -051). Demnach handelt es sich bei der verwendeten Feuerwerksbatterie mit 36 Schuss sowie den zwei Horror-Knall-Raketen um pyrotechnische Gegenstände im Sinne des Sprengstoffgesetzes (gemäss Definition von Art. 7 SprstV und Anhang 1 Ziffer 2.3 SprstV, Zuordnung zur Kategorie F3). Von solchen Feuerwerksköpern geht eine mittlere Gefahr aus. Sie sind für die Verwendung in einem weiten, offenen Bereich vorgesehen. Die Feuerwerkskörper dürfen nicht an Personen unter 18 Jahren abgegeben werden (TPF pag. 3.262.1.013). In Bezug auf die Art der Verwendung führte das FOR aus, dass die Feuerwerksbatterie und die Horror-Knall-Raketen Feuerwerksköper zu Vergnügungszwecken dienen. Im Zusammenhang mit der Mückenspirale und der zusätzlichen Anzündlitze für die Zeitverzögerung wie auch der Abschussvorrichtung, mit welcher die Feuerwerksköper nahezu horizontal gegen das Generalkonsulat ausgerichtet waren, wurden die Feuerwerksbatterie und die beiden Horror-Knall-Raketen nicht bestimmungsgemäss verwendet. Sie wurden modifiziert (TPF pag. 3.262.1.014 f.). Da bei der Abschussvorrichtung eine Anzündlitze und eine Mückenspirale zur zeitlichen Verzögerung der Anzündung von mehreren Sekunden bis mehreren Minuten angebracht war, konnte die Täterschaft den genauen Zeitpunkt der Auslösung nicht kontrollieren. Dadurch seien Verletzungen von Personen und Beschädigungen von Objekten, die sich vom Zeitpunkt der Anzündung bis zur Auslösung der pyrotechnischen Gegenstände in der Gefahrenzone befunden hätten, in Kauf genommen worden; dadurch sei eine gefährliche Situation mit hohem Verletzungspotenzial geschaffen worden (vgl. TPF pag. 3.262.1.015). Gemäss Produktetikette der Horror-Knall-Rakete beträgt der Sicherheitsabstand bzw. Gefährdungsradius bei bestimmungsgemässer Verwendung 60 bis 80 Meter (TPF pag. 3.262.1.013 f.). Gemäss FOR wiesen die Horror-Knall-Raketen sogenannte Blitzknallsätze auf, bei einer Nettoexplosivstoffmasse (NEM) von ca. 62 g und ca. 20 g Blitzknallsatz. Die Feuerwerksbatterie könne in der Kategorie F3 bis zu 4 g verdämmten Blitzknallsatz pro Rohr aufweisen. Blitzknall—sätze sind sehr energiereiche, pyrotechnische Systeme mit hoher Reaktionsgeschwindigkeit. Dementsprechend gross seien Explosionsdruck und der Knalleffekt. Ladungen ab ca. 10 g Blitzknallsatz, die direkt am Körper umsetzen würden, könnten Gewebe erheblich zerstören, bei Betroffenheit von vitalen Strukturen könne es gar zu lebensbedrohlichen Verletzungen kommen (TPF pag. 3.262.1.014 f.). Die Dokumentation des FOR beinhaltete denn auch Fotos möglicher Verletzungen an Gliedmassen (zerfetzte Hand etc. [TPF pag. 3.262.1.029 ff.]).

1.4.8      Wahrnehmungsbericht

Dem Wahrnehmungsbericht der Auskunftsperson H., Polizistin der Stadtpolizei Zürich, vom 25. Januar 2017 ist zu entnehmen, dass sie und Kpl I. am 18. Januar 2017 den Auftrag erhalten hätten, von 23:30 Uhr bis 01:45 Uhr das türkische Generalkonsulat zu bewachen. Sie hätten das Fahrzeug auf dem Trottoir auf der Höhe der Weinbergstrasse 68 mit Blickrichtung Konsulat parkiert. Um ca. 00:25 Uhr habe sie plötzlich von rechts einen «Feuerschweif» gesehen, welcher über die Weinbergstrasse in Richtung der Frontfassade des Konsulats gezielt habe. Ca. eine Sekunde bis zwei Sekunden später habe es einen sehr lauten Knall gegeben. Daraufhin seien aus derselben Richtung ca. eine Minute lang diverse farbige Feuerwerkskörper in Richtung der Frontfassade des Konsulats abgefeuert worden. Die Feuerwerkskörper hätten die Hauptfassade vor allem rechtseckig und in der Nähe des Bodens getroffen. Sie hätten auf Höhe der Weinbergstrasse 68a eine Grünfläche gesehen, von wo sie die Abschüsse der Feuerwerksköper vermutet hätten. Dort hätten sie die Abschussvorrichtung des Feuerwerks gesehen. Während sie das Feuerwerk gesehen hätten, seien keine anderen Personen in unmittelbarer Nähe des Konsulats gewesen. Es habe sich lediglich ein Mann an der Tramhaltestelle Sonneggstrasse befunden, welcher aber durch eine Scheibe geschützt gewesen sei. Er habe sehr eingeschüchtert ausgesehen (BA pag. 05-00-0013 f.).

1.4.9      Aussagen der Beschuldigten

In der Einvernahme durch die Stadtpolizei Zürich vom 14. November 2018 und der Schlusseinvernahme durch die BA vom 20. Oktober 2020 verweigerte die Beschuldigte die Aussage (BA pag. 12-01-0006 ff.; 13-01-0031 f..; -0041 f.). Der erstinstanzlichen Hauptverhandlung sowie der Berufungsverhandlung blieb die Beschuldigte jeweils unentschuldigt fern (TPF pag. 3.720.002 f., -009; CAR pag. 5.100.002, -007 f.).

1.5         Beweiswürdigung; Beweisergebnis; Subsumtion des objektiven Tatbestands

1.5.1      Die Beschuldigte rügt, dass im «Spurenbericht» des FOR vom «20. Januar 2017» «(11-01-0010)» – tatsächlich gemeint ist offenbar der DNA-Spurenbericht des FOR vom 21. Februar 2017 (BA pag. 11-01-0010 ff.) – eine angebliche Sicherstellung von Spuren der Beschuldigten im AFIS (Fingerabdruck-Datenbank) zwei Hits angezeigt habe. DNA-Profile seien aber logischerweise in der DNA-Datenbank abgelegt und nicht in der Fingerabdruck-Datenbank AFIS. Die Identifizierung der Beschuldigten über AFIS als Spurengeberin sei definitiv nicht nachvollziehbar und erfordere dringend eine Klärung. Zudem sei der Informationsfluss zwischen dem FOR (polizeiliche Institution) und dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRM) nicht dokumentiert und demzufolge nicht nach—vollziehbar. Die Akten gäben keine Auskunft darüber, ob überhaupt eine Auswertung des Spurenmaterials durch das IRM stattgefunden habe und wenn ja, wie das FOR zu den Resultaten der (angeblichen) Auswertung des Spurenmaterials gekommen sei. Des Weiteren läge kein Gutachten vor. Ohne Gutachten, das Auskunft über die Analyse der Spuren und deren Interpretation gebe, sich weiter zur Beweiswert-Evaluation der Spuren mit Betrachtung zweier sich gegenseitig ausschliessender Hypothesen äussere und damit einerseits die Angabe von Likelihood-Quotienten und andererseits eines verbalen Statements enthalte, sei eine Verifizierung einer polizeilichen Aussage in einem polizeilichen Kurzbericht nicht möglich. Ohne Klärung der aufgeworfenen Fragen und ohne Gutachten zur Frage, ob das sichergestellte DNA-Spurenbild der Beschuldigten zuzuordnen sei, dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass diese Spur der Beschuldigten zuzuordnen sei. Andernfalls werde die Unschuldsvermutung verletzt (CAR pag. 5.200.002 f.).

1.5.2      Dazu ist Folgendes festzuhalten: Im DNA-Spurenbericht des FOR vom 21. Februar 2017 steht im Formular «Untersuchungen/Resultate» (BA pag. 11-01-0011) oben als Untertitel zwar «AFIS / HIT». Bei der Durchsicht des Formulars – insbesondere desjenigen Eintrags, mit welchem als Spurenverursacherin die Beschuldigte identifiziert wird (BA pag. 11-01-0011 oben) – wird aber eindeutig klar, dass es diesbezüglich um einen DNA-Hit geht, und nicht um einen Fingerabdruck. Mit anderen Worten handelt es sich um ein standardisiertes Formular, in welchem der Begriff «AFIS» ungenau bzw. undifferenziert gebraucht wird, der Inhalt des Formulars im Kontext aber trotzdem nachvollziehbar und verständlich ist (vgl. dazu auch BA pag. 11-01-0015 ff.).

              Auch der von der Beschuldigten gerügte «Informationsfluss» entspricht so, wie er aus den Akten ersichtlich ist, durchaus dem Standard und ist nachvollziehbar. So ist im Spurenbericht des FOR vom 20. Februar 2017 (BA pag. 11-01-0001 ff.; E. II. 1.4.4) insbesondere in Bezug auf das hier interessierende Asservat-Nr. 1 / PCN 2 (BA pag. 11-01-0007) vermerkt: «Weiterleitung an IRM ZH, Institut für Rechtsmedizin». Zudem wird darauf hingewiesen, dass gemäss mündlichem Auftrag des zuständigen Staatsanwalts des Bundes, Carlo Bulletti, sämtliche DNA-Asservate zwecks Auswertung an das IRM weitergeleitet worden seien (vgl. BA pag. 11-01-0008, mit weiteren Hinweisen). Entsprechend steht im DNA-Spurenbericht des FOR vom 21. Februar 2017 (BA pag. 11-01-0010; E. II. 1.4.5) in Bezug auf das Asservat-Nr. 1 / PCN 2 (BA pag. 11-01-0011) links der Vermerk «Beschreibung IRM». Des Weiteren ist die vom «IRM» durchgeführte «DNA-Untersuchung» (BA pag. 11-01-0014) in den Akten detailliert dokumentiert (BA pag. 11-01-0015 ff.). Weitere spezifische Ausführungen betreffend «Informationsfluss» sind in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.

              Im Übrigen bestehen keine begründeten Zweifel, dass auf den erwähnten DNA-Hit abgestellt werden kann, weshalb es diesbezüglich auch nicht zusätzlich eines Gutachtens bedarf.

              Die Rügen der Beschuldigten sind aus diesen Gründen nicht stichhaltig. Der DNA-Hit, welcher gemäss DNA-Spurenbericht des FOR vom 21. Februar 2017 der Beschuldigten zugeordnet werden konnte (BA pag. 11-01-0011 oben; DNA-Spur 1, PCN 2 [PCN 5]), wurde auf rechtmässige Weise erhoben und ist ohne Weiteres verwertbar. Diese DNA-Spur wurde auf einem sichergestellten Holzstab, der von einer der beiden ab—gefeuerten Horror-Knall-Raketen stammte, und welcher auf dem Parkplatz vor dem Generalkonsulat aufgefunden wurde, nachgewiesen (BA pag. 11-01-0002, -0005, -0007, -0011).

1.5.3      Die beweismässige Aussagekraft des die Beschuldigte betreffenden, verwertbaren DNA-Hits ist jedoch aus verschiedenen anderen Gründen sehr beschränkt: So wurde nur auf einem der beiden sichergestellten Stäbe, welche zum Abfeuern der beiden Horror-Knall-Raketen eingesetzt wurden, eine DNA-Spur der Beschuldigten gefunden. Auf dem zweiten aufgefundenen Stab war dies hingegen gerade nicht der Fall (vgl. BA pag. 11-01-0002, -0005, -0007, -0011, -0015 f.). Auch in Bezug auf diverse weitere Gegenstände, die am Tatort bzw. in dessen Umgebung sichergestellt wurden (z.B. Holzpalette, Spanngurt, Rohre, Kabelbinder, Anzündvorrichtung, Streichhölzer) konnten der Beschuldigten keine DNA-Spuren zugeordnet werden (vgl. BA pag. 11-01-0004 ff., -0012 f., -0017 f., -0024, -0026 ff.). Es liegt somit nur ein einziger direkter Sachbeweis vor, dass die Beschuldigte zu einem gewissen Zeitpunkt irgendwelchen Kontakt mit dem Holzstab der Horror-Knall-Rakete hatte. Bereits dadurch erscheint die Indizienlage sehr mangelhaft.

              Gerade aufgrund der (unbestrittenen) Tatsache, dass die Beschuldigte in linksradikalen Kreisen (J. / K.) verkehrt, lässt sich ohnehin nicht mit Überzeugung ausschliessen, dass sie mit einem solchen Holzstab unabhängig vom verübten Anschlag in Kontakt gekommen sein könnte. Ebenso ist unklar, wo und wie lange der Holzstab vor dem Tatereignis gelagert wurde. Auch unter diesen Gesichtspunkten lässt sich gestützt auf die erwähnte einzelne DNA-Spur nicht rechtsgenüglich nachweisen, dass die Beschuldigte «eine Horror-KnaII-Rakete der Kategorie F3 mit Blitzknallsatz beschaffte und der unbekannten Täterschaft aushändigte», wie ihr dies in AKS Ziffer 1.2 (TPF pag. 3.100.004; Hervorhebungen hinzugefügt) vorgeworfen wird. Vielmehr lässt sich in der vorliegenden Konstellation weder eine entsprechende Beschaffung noch eine Aushändigung an die unbekannte Täterschaft zweifelsfrei belegen. Entgegen der Vorinstanz (Urteil SK.2021.7 E. 2.4.4.1 lit. b; CAR pag. 1.100.024) beweist die einzelne DNA-Spur klarerweise nicht, dass die Beschuldigte «irgendeinen Beitrag zum Anschlag auf das Generalkonsulat der Republik Türkei geleistet hat» – insbesondere auch nicht in Kombination mit weiteren Überlegungen wie dem Modus Operandi oder der politischen Einstellung der Beschuldigten (unten E. II. 1.5.4.1 ff.).

1.5.4      Der Beschuldigten wird zudem vorgeworfen, sie habe der unbekannten Täterschaft beim vorliegenden Anschlag auf das Generalkonsulat Hilfe geleistet, indem sie die unbekannte Täterschaft – aufgrund ihrer einschlägigen Erfahrungen bei der Planung und Durchführung eines Anschlags auf das spanische Generalkonsulat am 29./30. September 2002 – im Vorfeld zum Anschlag vom 18. Januar 2017 im Raum Zürich oder anderswo beraten habe (vgl. AKS Ziffer 1.2 letzter Satz; TPF pag. 3.100.005; mit Verweis auf Urteil der Strafkammer des BStGer SK.2011.1 vom 8. November 2011 und Berichtigung vom 21. Marz 2012; sowie auf den Beschluss der Beschwerdekammer des BStGer BB.2019.13 vom 11. September 2019, insbesondere E. 3.3.4 ff.; BA pag. 21-02-0017 ff.). Dazu ist folgendes festzuhalten:

1.5.4.1   Mit Urteil der Strafkammer des BStGer SK.2011.1 vom 8. November 2011 und Berichtigung vom 21. Marz 2012 (TPF pag. 3.250.007 ff.) wurde die Beschuldigte von den Vorwürfen der Brandstiftung, der Gefährdung durch Sprengstoffe in verbrecherischer Absicht in den Anklagepunkten 1.2.1 lit. b, d und e, der Sachbeschädigung in den Anklagepunkten 1.2.3 lit. a, c und d sowie des verbotenen Besitzes von Waffen freigesprochen (Dispositivziffer I. 1). Sie wurde hingegen der mehrfachen Gefährdung durch Sprengstoffe in verbrecherischer Absicht gemäss Art. 224 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 StGB in den Anklagepunkten 1.2.1 lit. a und c, der Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB im Anklagepunkt 1.2.3 lit. b sowie des Aufbewahrens von Sprengstoffen gemäss Art. 226 Abs. 2 StGB schuldig gesprochen (Dispositivziffer I. 2; TPF pag. 3.250.079).

              Die BA bezieht sich in der vorliegenden AKS Ziffer 1.2 (TPF pag. 3.100.005 Fn. 27) sinngemäss auf den Schuldspruch im Urteil SK.2011.1 bezüglich mehrfacher Gefährdung durch Sprengstoffe in verbrecherischer Absicht gemäss Art. 224 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 StGB im Anklagepunkt 1.2.1 lit. a bzw. auf die dortigen E. 3.2 - 3.2.4 (TPF pag. 3.250.037 ff.). Der Beschuldigten wurde in diesem Anklagepunkt vorgeworfen, sie habe in der Nacht vom 29. auf den 30. September 2002 an der Hotzestrasse 23 in Zürich an der Hintertür des spanischen Generalkonsulates eine zu einer unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (USBV) umfunktionierte Horror-Knall-Rakete mit 50 g Blitzknallsatz mittels eines Klebebands befestigt und mit Hilfe von Bengalfackeln zur Detonation bringen wollen. Da die Bengalfackeln abgefallen seien, bevor die Zündschnur in Brand geriet, sei es zu keiner Explosion gekommen. Der Zündzeitpunkt der USBV sei nicht vorhersehbar gewesen, weshalb neben fremdem Eigentum auch Leib und Leben von Menschen gefährdet worden sei. Die Beschuldigte habe die Herbeiführung eines grossen Sachschadens durch die Explosion der USBV beabsichtigt (dortige E. 3.2; TPF pag. 3.250.037).

              Demgemäss hat sich der Modus Operandi beim (misslungenen) Anschlag vom 29./30. September 2002 auf das spanische Generalkonsulat – entgegen der Auffassung der Vorinstanz (Urteil SK.2021.7 E. 2.4.4.1) – gerade erheblich von jenem beim Anschlag vom 18. Januar 2017 auf das türkische Generalkonsulat unterschieden. Beim erstgenannten Anschlag wurde die Horror-Knall-Rakete an der Hintertür des spanischen Generalkonsulats mittels eines Klebebands befestigt und sollte mit Hilfe von Bengalfackeln zur Detonation gebracht werden (vgl. Urteil SK.2011.1 E. 3.2 f.). Beim zweitgenannten Anschlag bzw. dem anklagegegenständlichen Ereignis hingegen wurde (u.a.) eine Horror-Knall-Rakete in Richtung des Generalkonsulats der Republik Türkei abgefeuert, wobei als Anzündvorrichtung und Verzögerung drei Anzündlitzen und eine Mückenspirale verwendet wurden (vgl. TPF pag. 3.100.003 ff.).

              Die Vorinstanz beruft sich in diesem Zusammenhang u.a. darauf, dass bei der am 18. Januar 2017 verwendeten USBV als Anzündvorrichtung und Verzögerung drei Anzündlitzen und eine Mückenspirale verwendet worden seien (BA pag. 11-01-0024). Die Beschuldigte habe erwiesenermassen Erfahrung mit Zündvorrichtungen mittels Mückenspiralen, wie sich aus dem erwähnten Urteil SK.2011.1 ergebe (mit Verweis auf dortige E. 3.5, 3.5.1 lit. b und c [TPF pag. 3.250.051 f.]; E. 4.3.2 [TPF pag. 3.250.056]). Diesbezüglich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Beschuldigte im Urteil SK.2011.11 betreffend Anklageziffer 1.2.1 lit. d, welche in den von der Vorinstanz zitierten E. 3.5 und 3.5.1 geprüft wurde, gerade freigesprochen wurde (siehe dortige E. 3.5.2; TPF pag. 3.250.054), weshalb ihr insofern betreffend Modus Operandi nichts angelastet werden darf. Bei diesem Anklagepunkt ging es auch nicht um den Anschlag vom 29./30. September 2002 auf das spanische Generalkonsulat (auf welchen sich die BA in der vorliegenden Anklageschrift bezieht), sondern um einen vorgeworfenen Anschlag vom 22./23. Januar 2007 auf das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Bern. In der von der Vorinstanz zitierten E. 4.3.2 des Urteils SK.2011.1 wiederum wird zwar erwähnt, dass anlässlich einer Hausdurchsuchung vom 6. Mai 2008 im Zimmer der Beschuldigten eine Schachtel Mückenspiralen gefunden worden sei, doch bezieht sich diese Feststellung ebenfalls nicht auf den Anschlag vom 29./30. September 2002 auf das spanische Generalkonsulat. Auch unter diesen Gesichtspunkten vermag die Argumentation betreffend eines identischen oder (erheblich) vergleichbaren Modus Operandi nicht zu überzeugen. Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden von der BA erwähnten Anschlägen erweisen sich als eher vage, wenig spezifisch und oberflächlich.

1.5.4.2   Es gibt denn noch weitere Argumente, die gegen einen rechtsgenüglichen Nachweis sprechen, dass die Beschuldigte die unbekannte Täterschaft – aufgrund ihrer einschlägigen Erfahrungen bei der Planung und Durchführung eines Anschlags auf das spanische Generalkonsulat am 29./30. September 2002 – im Vorfeld zum Anschlag vom 18. Januar 2017 im Raum Zürich oder anderswo beraten habe. So fand der Anschlag vom 29./30. September 2002 auf das spanische Generalkonsulat über 14 Jahre vor jenem auf das türkische Generalkonsulat vom 18. Januar 2017 statt. Es handelt sich somit um einen längst vergangenen Vorfall. Seit diesem haben sich unbestrittenermassen zahlreiche ähnliche Anschläge ereignet (ohne dass die Beschuldigte dafür angeklagt bzw. verurteilt worden wäre; vgl. TPF pag. 3.721.045). Der Aufbau der beim anklagegegenständlichen Anschlag vom 18. Januar 2017 zur Anwendung gelangten Pyrotechnika (inkl. Anzündvorrichtung), respektive die Durchführung des Anschlags, war zudem nicht komplexer Art. Eine entsprechende Anleitung hätte die unbekannte Täterschaft somit ohne Weiteres aus dem Internet herunterladen, oder sich diesbezüglich von diversen anderen Personen als der Beschuldigten beraten lassen können. Selbst wenn die Beschuldigte die unbekannte Täterschaft «beraten» hätte, wäre fraglich, ob dies einen strafrechtlich relevanten Tatbeitrag dargestellt hätte – gerade, weil die Abschussvorrichtung einfach und problemlos bereitzustellen gewesen wäre.

1.5.4.3   Was schliesslich die politische (linksradikale) Gesinnung bzw. Vergangenheit der Beschuldigten, ihre Stellung als Exponentin des J. / K. betrifft, erlaubt dies beweisrechtlich (auch in Kombination mit anderen vorliegenden Indizien) klarerweise nicht, ihr die strafrechtliche Verantwortung für die Verfehlungen ihrer Gesinnungsgenossen aufzuerlegen. Dasselbe gilt in diesem Zusammenhang, was das im Internet auf «G.» von einer unbekannten Person veröffentlichte Bekennerschreiben betrifft (BA pag. 05-00-0040 f.; derselbe Artikel befindet sich auch auf der Webseite des J. [vgl. TPF pag. 3.721.012]). In diesem Zusammenhang ist es unabdingbar, dass insbesondere in einem Strafprozess die relevanten Grundrechte einer politisch aktiven beschuldigten Person gewahrt werden. Eine Missachtung dieser Grundrechte würde darauf hinauslaufen, dass unzulässigerweise politisch motivierte Verdachtsstrafen verhängt bzw. ein verpöntes Gesinnungsstrafrecht eingeführt würde (vgl. Stratenwerth, a.a.O., S. 326 ff., § 12 Rz. 3, 6).

1.5.5      Zusammenfassend ist weder eine Beschaffung und/oder Aushändigung einer Horror-KnaII-Rakete der Kategorie F3 mit Blitzknallsatz durch die Beschuldigte zugunsten der unbekannten Täterschaft noch eine Beratung der unbekannten Täterschaft durch die Beschuldigte im Vorfeld zum Anschlag vom 18. Januar 2017 im Raum Zürich oder anderswo rechtsgenüglich nachweisbar. Für das Gericht bestehen gemäss den obigen Ausführungen unüberwindliche Zweifel daran, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat erfüllt sind. Es fehlt an einer schlüssigen Indizienkette. Wie dargelegt wurde, sind vor allem diverse Alternativszenarien anstelle der Darstellung in der Anklageschrift (Ziffer 1.2) denkbar – sowohl was die vorgeworfene Beschaffung und/oder Aushändigung der Rakete betrifft, als auch hinsichtlich der vorgeworfenen Beratung der unbekannten Täterschaft. Bei objektiver Betrachtung verbleiben mithin erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat, wie es der Beschuldigten in Anklageschrift Ziffer 1.2 vorgeworfen wird. Deshalb ist in dubio pro reo von der für die Beschuldigte günstigeren Sachlage auszugehen (Art. 10 Abs. 3 StPO), d.h. dass die Beschuldigte der unbekannten Täterschaft weder eine Horror-KnaII-Rakete der Kategorie F3 mit Blitzknallsatz beschafft und/oder ausgehändigt, noch die unbekannte Täterschaft im Vorfeld zum Anschlag vom 18. Januar 2017 im Raum Zürich oder anderswo beraten hat.

              Der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB; Anklagesachverhalt Ziffer 1.2) ist demzufolge in dubio pro reo nicht erfüllt (vgl. E. II. 1.2 f.). Es liegt keine Gehilfenschaft der Beschuldigten zugunsten der unbekannten Täterschaft vor – weder in Form einer physischen, noch einer intellektuellen oder psychischen Beihilfe (E. II. 1.2.3). Eine Prüfung des subjektiven Tatbestands erübrigt sich in der vorliegenden Konstellation. Die Beschuldigte ist vom Vorwurf der Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB) freizusprechen.

2.           Strafzumessung

2.1         Rechtliches

2.1.1      Anwendbares Recht

              Am 1. Januar 2018 trat das neue Sanktionenrecht in Kraft (AS 2016 1249). Unter Berücksichtigung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots gilt das zum Tatzeitpunkt in Kraft gewesene Recht (Art. 2 Abs. 1 StGB), es sei denn, das neue Recht ist für den Täter das mildere (Art. 2 Abs. 2 StGB).

              Wie erwähnt, sind die Schuldsprüche des erstinstanzlichen Urteils SK.2021.7 – mit Ausnahme von demjenigen betreffend Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB, wo im vorliegenden Berufungsurteil ein Freispruch erfolgt (oben E. II. 1.5.5) – in Rechtskraft erwachsen (oben E. I. 2.1), womit sich eine Strafzumessung durch die Berufungsinstanz eigentlich erübrigen würde. Bei der nachfolgenden Strafzumessung ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Fall von teilweiser retrospektiven Konkurrenz vorliegt, d.h. strafbare Handlungen zu beurteilen sind, welche die Beschuldigte teils vor, teils nach einem Urteil begangen hat (vgl. TPF pag. 3.100.005 ff.; 3.262.2.004 ff.; 3.262.3.266 ff.). Diese zu beurteilenden Straftaten fanden zudem teilweise vor, teilweise nach dem oben erwähnten Stichtag vom 1. Januar 2018 (Inkrafttreten des neuen Sanktionenrechts) statt. Wie sich zeigen wird, weist die vorliegende Strafzumessung gemäss dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit in die Richtung, dass die Beschuldigte (auf—grund des Verschuldens) nicht mit einer Freiheitsstrafe, sondern mit einer Geldstrafe (sowie einer Busse) zu bestrafen ist. Vor diesem Hintergrund ist das neue Sanktionenrecht in concreto insgesamt als günstiger einzustufen, da in diesem das Maximum an Tagessätzen (TS) einer zu verhängenden Geldstrafe geringer ist («mindestens drei und höchstens 180 Tagessätze», Art. 34 StGB) als im alten Recht («höchstens 360 Tagessätze», Art. 34 aStGB). Demgemäss ist vorliegend das per 1. Januar 2018 in Kraft getretene neue Sanktionenrecht anzuwenden.

2.1.2      Grundsätze der Strafzumessung

              Die Vorinstanz hat die Grundsätze der Strafzumessung – insbesondere auch in Bezug auf die Konstellation der retrospektiven bzw. teilweise retrospektiven Konkurrenz – ausführlich und sorgfältig dargelegt, inkl. zahlreicher Hinweise auf die relevante Rechtsprechung und Lehre (Urteil SK.2021.7 E. 8.1.2 - 8.1.2.5). Diese grundsätzlichen Ausführungen sind unter den Parteien auch unbestritten geblieben. Auf sie kann im Sinne der Prozessökonomie verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO; oben E. II. 1.3.4).

2.2         Strafrahmen

2.2.1      Der Strafrahmen des Grundtatbestands der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte gemäss Art. 285 Ziffer 1 StGB (ebenso wie jener des Landfriedensbruchs gemäss Art. 260 Abs. 1 StGB; siehe zu beiden Tatbeständen den Straf—befehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, vom 9. Juli 2018; TPF pag. 3.262.2.004 ff.) erstreckt sich von Geldstrafe von drei Tagessätzen (Art. 34 Abs. 1 StGB) bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Bei der pekuniären Sanktion beträgt die Höchststrafe 180 Tagessätze (Art. 34 Abs. 1 StGB).

2.2.2      Vorliegend ist – im Sinne einer teilweisen retrospektiven Konkurrenz (oben E. II.  2.1.1 f.) – in Bezug auf die je rechtskräftigen Strafbefehle der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern vom 9. Juli 2018 (TPF pag. 3.262.2.004 ff.) und der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 22. März 2021 (TPF pag. 3.262.3.266 ff.) eine Zusatzstrafe auszufällen. Betreffend diese Zusatzstrafe beträgt der konkrete Strafrahmen, aufgrund des Verbots der reformatio in peius (oben E. I. 2.2) und der nachfolgend vorzunehmenden Asperation (vgl. oben E. II. 2.1.2), einerseits Geldstrafe von vier bis 50 Tagessätzen und andererseits Busse von Fr. 1.-- bis Fr. 499.-- (vgl. Urteil SK.2021.7 E. 8.8.7 und 8.9; Art. 34 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 StGB). Die Wahl einer Geldstrafe als Sanktionsform betreffend die gravierenderen Delikte erweist sich vorliegend aber aufgrund des Verschuldens der Beschuldigten – wie nach—folgend auszuführen ist – ohnehin als angemessen.

2.3         Tatkomponenten des Landfriedensbruchs (Art. 260 Abs. 1 StGB), begangen am 12. September 2015

              Als gravierendstes Delikt, welches vor dem 9. Juli 2018 (Datum des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, d.h. der ersten Verurteilung; TPF pag. 3.262.2.004) begangen wurde, ist nachfolgend zuerst der von der Beschuldigten am 12. September 2015 begangene Landfriedensbruch (Art. 260 Abs. 1 StGB; TPF pag. 3.262.2.004) zu beurteilen.

2.3.1      Objektive Tatkomponenten

2.3.1.1   Dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern vom 9. Juli 2018 (Sachverhalt Absatz 2) ist zu entnehmen, dass sich am 12. September 2015 in Bern auf dem Helvetiaplatz im Rahmen einer unbewilligten Kundgebung insbesondere Folgendes ereignet habe: AIs die Polizei gegen 14:00 Uhr begonnen habe, die Kundgebung aufzulösen, hätten einige Kundgebungsteilnehmer VierkanthöIzer, Holzstöcke, gefüllte PET-Flaschen und weitere Gegenstände gegen die Polizeikräfte geworfen. Sie seien dabei durch die Mehrheit der versammelten Personen unterstützt worden, welche trotz der Gewalttätigkeiten und der polizeilichen Aufforderungen am Ort verblieben seien und durch das Zusammenstehen einen Schutz gegen polizeiliche Zugriffe geboten hätten, wobei aus der Menge politische und interventionsfeindliche Parolen gerufen worden seien. Die Beschuldigte sei in der Kundgebungsgruppe verblieben, nachdem sie die Gewalttätigkeiten erkannt habe (vgl. TPF pag. 3.262.2.004).

2.3.1.2   Das Werfen der erwähnten Gegenstände gegen die Polizeikräfte war offenbar massiv und gefährlich. Der Umstand, dass im Strafbefehl nicht näher umschrieben ist, in welcher Form genau die Beschuldigte sich selbst an den Handlungen der Kundgebungsgruppe beteiligt haben soll, entlastet sie nicht (vgl. Fiolka, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 260 StGB N. 6 ff., 17 ff.). Die von der Beschuldigten mitverursachte Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts – des öffentlichen Friedens – bzw. das objektive Tatverschulden ist als nicht mehr leicht zu qualifizieren.

2.3.2      Subjektive Tatkomponenten

              Das Motiv der Beschuldigten lag offenbar darin, die unbewilligte Kundgebung «gegen den Krieg und das Massaker in Kurdistan», welche als Gegenkundgebung für die um 14:00 Uhr geplante und bewilligte «türkische» Kundgebung gedacht war, entgegen den polizeilichen Anordnungen fortzuführen bzw. deren Auflösung zu stören, verzögern oder verhindern (vgl. TPF pag. 3.262.2.004 f.). In dubio pro reo ist von einem eventualvorsätzlichen Vorgehen der Beschuldigten auszugehen. Das subjektive Tatverschulden ist (in Relation zum objektiven Tatverschulden) als neutral zu werten.

2.3.3      Gedankliche Einsatzstrafe

              Als gedankliche Einsatzstrafe für dieses Delikt erscheint in Anbetracht des insgesamt nicht mehr leichten Verschuldens eine Geldstrafe von 45 Tagessätzen als angemessen.

2.3.4      Asperation (betreffend die vor dem ersten Urteil begangenen Delikte)

2.3.4.1   Diese Strafe ist in Anwendung des Asperationsprinzips – soweit gleichartige Strafen gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB auszusprechen sind (E. II. 2.1.2) – infolge Deliktsmehrheit angemessen zu erhöhen. In einem ersten Schritt ist hierfür die ebenfalls am 12. September 2015, im Rahmen der erwähnten unbewilligten Kundgebung erfolgte Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziffer 1 StGB) zu berücksichtigen. Die Beschuldigte habe um ca. 14.30 Uhr bewusst, entgegen den von ihr verstandenen polizeilichen Anweisungen, ein polizeiliches Absperrband überschritten, um in Richtung der Polizisten zu gehen. Hierauf sei sie von den Polizisten verhaftet worden. Durch dieses Vorgehen hat die Beschuldigte die geplante Amtshandlung der Polizei (Auflösung der Kundgebung) gestört oder verzögert. Sie hat in doppelter Weise gegen die Anweisungen der Polizei verstossen (Überschreiten des Absperrbands und anschliessendes Zugehen in Richtung der Polizisten), wobei ihr Vorgehen aber nicht als gewalttätig einzustufen ist. Die Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts (Funktionieren staatlicher Organe; vgl. Heimgartner, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, vor Art. 285 StGB N. 2) war deshalb nicht schwerwiegend.

              Für dieses Delikt ist die Strafe um 10 Tagessätze zu erhöhen.

2.3.4.2   In einem zweiten Schritt ist die Strafe für die am 23. Februar 2018 erfolgte Beschimpfung (Art. 177 Abs. 1 StGB) zu asperieren. Gemäss Urteil SK.2021.7 E. 5 - 5.8 habe die Beschuldigte um 00:25 Uhr an der Weinbergstrasse 65 in 8006 Zürich beim türkischen Generalkonsulat im Rahmen einer unbewilligten Kundgebung gegenüber den Polizeibeamten der Stadtpolizei Zürich F., C., D. und E., die im Rahmen der Kundgebung mit Schutz- und Ordnungsaufgaben betraut und im Einsatz waren, den Mittelfinger gezeigt. Ausserdem habe sie F., C. und E. als Marionetten bezeichnet. Sie habe die Polizeibeamten durch ihre Äusserungen und Gebärden wissentlich und willentlich in deren Ehre angegriffen.

              Für dieses Delikt ist die Strafe um 10 weitere Tagessätze zu erhöhen.

2.3.4.3   In einem dritten Schritt ist die Strafe für die am 17. Januar 2018 erfolgte Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 Abs. 1 StGB) zu asperieren. Gemäss Urteil SK.2021.7 E. 4 - 4.7 habe die Beschuldigte sich um ca. 14.40 Uhr an der Heinrichstrasse 69 in 8005 Zürich einer Personenkontrolle durch Korporal EE., die Gefreiten D. und C. sowie den Polizisten FF. von der Stadtpolizei Zürich entzogen. Sie sei davongerannt und nicht stehen geblieben, als die Polizisten ihr Fahrzeug angehalten und ihr mehrmals lautstark «Stopp Polizei» zugerufen hätten.

              Für dieses Delikt ist die Strafe um 10 weitere Tagessätze zu erhöhen.

2.3.4.4   Zusammenfassend ergibt sich als Zwischenergebnis aufgrund der Asperation, wenn die erwähnten vier Delikte alle am 9. Juli 2018 (Datum des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern vom 9. Juli 2018; TPF pag. 3.262.2.004) beurteilt worden wären (vgl. Art. 49 Abs. 2 StGB), somit eine (hypothetische) Geldstrafe A von 75 Tagessätzen (45 TS + 10 TS + 10 TS + 10 TS = 75 TS).

2.4         Tatkomponenten der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziffer 1 StGB), begangen am 6. Juni 2020

              Als gravierendstes Delikt, das nach dem 9. Juli 2018 (Datum des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, d.h. der ersten Verurteilung; TPF pag. 3.262.2.004) begangen wurde, ist die von der Beschuldigten am 6. Juni 2020 begangene Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziffer 1 StGB) zu werten.

2.4.1      Objektive Tatkomponenten

2.4.1.1   Wie dem vorinstanzlichen Urteil (SK.2021.7 E. 3 - 3.5.3) zu entnehmen ist, habe die Beschuldigte am 6. Juni 2020, um 14:30 Uhr, anlässlich einer Personenkontrolle im Zusammenhang mit einer unbewilligten Demonstration zum Thema «Black Lives Matter» an der Kreuzung Sihlstrasse / St. Annagasse in Zürich, mit Armen und Beinen wissentlich und willentlich auf den Einsatzoffizier der Stadtpolizei Zürich B. eingeschlagen. Sie habe ihn mit den Füssen im Bereich Knie und Waden und mit den Armen und Ellbogen im Bereich Hüfte und Unterbauch getreten, wodurch der Polizeioffizier in seiner Amtshandlung behindert worden sei.

2.4.1.2   Durch ihr tätliches Vorgehen am 6. Juni 2020 gegenüber dem Einsatzoffizier hat die Beschuldigte das geschützte Rechtsgut (Funktionieren staatlicher Organe) in nicht unerheblichem Masse beeinträchtigt. Das objektive Tatverschulden ist als nicht mehr leicht zu werten.

2.4.2      Subjektive Tatkomponenten

              Das Motiv der Beschuldigten lag offenbar (erneut) darin, die Auflösung einer unbewilligten Kundgebung aus politischen Motiven und ideologischer Überzeugung heraus zu stören, verzögern oder verhindern. Der Beschuldigten wäre es ohne weiteres möglich gewesen, ihre Tat zu vermeiden. Das subjektive Tatverschulden ist als ebenfalls nicht mehr leicht zu werten.

2.4.3      (Zweite) gedankliche Einsatzstrafe

              Als gedankliche Einsatzstrafe für die Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziffer 1 StGB), begangen am 6. Juni 2020, erscheint in Anbetracht des insgesamt nicht mehr leichten Verschuldens eine Geldstrafe von 55 Tagessätzen als angemessen.

2.4.4      Asperation (betreffend die nach dem ersten Urteil begangenen Delikte)

2.4.4.1   Diese Strafe ist in Anwendung des Asperationsprinzips – soweit gleichartige Strafen gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB auszusprechen sind (E. II. 2.1.2) – infolge Deliktsmehrheit angemessen zu erhöhen. Wie dem vorinstanzlichen Urteil zu entnehmen ist, habe die Beschuldigte am 13. Juni 2020 im Zusammenhang mit einer unbewilligten Demonstration zum Thema «Black Lives Matter» im Raum Stadelhoferplatz 1 in Zürich zu Gewalt gegen die Polizeikräfte aufgerufen. Sie habe bei der polizeilichen Festnahme dem handelnden Polizeioffizier B. wissentlich und willentlich Faust- und Ellbogenschläge versetzt, ihm dadurch Prellungen zugefügt und den polizeilichen Einsatzleiter dadurch in seiner Amtshandlung behindert (Art. 285 Ziffer 1 StGB; Urteil SK.2021.7 E. 3.6 - 3.12). Für dieses Delikt ist die Strafe in einem ersten Schritt um 5 Tagessätze zu erhöhen.

2.4.4.2   In einem zweiten Schritt ist die Strafe für die am 30. November 2019 erfolgte Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen (Art. 239 Abs. 1 StGB), zu asperieren. Gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 22. März 2021, Begründung Ziffer 1 (TPF pag. 3.262.3.267) habe die Beschuldigte am 30. November 2019 ab ca. 13.45 Uhr in Basel an einem unbewilligten Demonstrationszug unter dem Motto «Schweizweite Mobilisierung gegen den Krieg in Rojava» teilgenommen. Auf der Route Messeplatz - Clarastrasse - Claraplatz - Greifengasse - Mittlere Brücke - Eisengasse – Marktplatz habe die Beschuldigte gemeinsam mit den anderen Kundgebungsteilnehmern sämtliche Fahrstreifen inkl. Tramspur blockiert. Dadurch habe sie zusammen mit den anderen im Demonstrationszug mitlaufenden Personen mindestens eventualvorsätzlich während rund 20 Minuten in unbefugter Weise den Betrieb der in diesem Bereich verkehrenden Linien des öffentlichen Tram- und Busnetzes der den allgemeinen Verkehrszwecken dienenden Basler Verkehrsbetriebe BVB gestört.

              Für dieses Delikt ist die Strafe um 5 weitere Tagessätze zu erhöhen.

2.4.4.3   In einem dritten Schritt ist die Strafe für die am 3. Oktober 2020 erfolgte Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 Abs. 1 StGB) zu asperieren. Aus dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 22. März 2021, Begründung Ziffer 3 (TPF pag. 3.262.3.269) geht Folgendes hervor: Als die Beschuldigte im Anschluss an die Einvernahme vom 3. Oktober 2020 um ca. 14:00 Uhr in den Räumlichkeiten der Haftleitstelle Basel-Stadt an der Inneren Margarethenstrasse 18 in Basel einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen werden sollte, habe sie die mit den Erfassungsmassnahmen betrauten Beamten der Kantonspolizei Basel-Stadt sowie der Haftleitstelle Basel-Stadt an der Vornahme von Amtshandlungen, die innerhalb ihrer Befugnisse lagen, gehindert, indem sie zunächst eine Kooperation verweigert und sich anschliessend auch den unter angemessenem Zwang vorgenommenen Erfassungshandlungen widersetzt bzw. sich dagegen gesperrt habe.

              Für dieses Delikt ist die Strafe um 5 weitere Tagessätze zu erhöhen.

2.4.4.4   Zusammenfassend ergibt sich als ein weiteres Zwischenergebnis aufgrund der Asperation, wenn die erwähnten, nach dem ersten Urteil vom 9. Juli 2018 erfolgten vier Delikte alle gleichzeitig beurteilt worden wären (vgl. Art. 49 Abs. 2 StGB), somit eine (hypothetische) Geldstrafe B von 70 Tagessätzen (55 TS + 5 TS + 5 TS + 5 TS = 70 TS).

2.5         Delikte, die mit Bussen zu bestrafen sind

2.5.1      Nachfolgend sind jene Delikte zu beurteilen, für die Bussen auszufällen sind (vgl. oben E. II. 2.1.1 Abs 2). Die Grundsätze bzw. Vorgehensweisen sind dabei vorliegend im Wesentlichen entsprechend (teilweise retrospektive Konkurrenz; Asperation; unter Berücksichtigung des Verbots der reformatio in peius).

2.5.2      Bezüglich des Tatzeitraums vor dem 9. Juli 2018 (Datum des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, d.h. der ersten Verurteilung; TPF pag. 3.262.2.004) liegt eine Verurteilung vor wegen des am 12. September 2015 erfolgten Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung (Art. 292 StGB). Die Polizei habe im Rahmen der unbewilligten Kundgebung in Bern vom 12. September 2015 (vgl. oben E. II. 2.3.1.1 ff.) die Kundgebungsteilnehmer um 12:59 Uhr und 13:01 Uhr mittels Wagenlautsprecher und Megaphone sowie unter Hinweis auf die Strafandrohung von Art. 292 StGB aufgefordert, den Helvetiaplatz zu räumen und die Kundgebungsansammlung zu verlassen. Die Beschuldigte sei dieser für sie klaren Aufforderung nicht nachgekommen (TPF pag. 3.262.2.004 Sachverhalt Abs. 1). Dafür wurde sie mit einer Busse A von Fr. 200.-- bestraft, bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 2 Tagen (TPF pag. 3.262.2.005). Abgesehen davon erfolgten im erwähnten Tatzeitraum keine weiteren Übertretungen, womit diesbezüglich keine Asperation vorzunehmen ist.

2.5.3      Was den Tatzeitraum nach dem 9. Juli 2018 (Datum des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, d.h. der ersten Verurteilung) betrifft, sind diesbezüglich folgende Vorkommnisse relevant:

2.5.3.1   Betreffend Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration in Basel vom 4. Juli 2020 wurde die Beschuldigte wegen mehrfacher Verletzung der Verkehrsregeln verurteilt (Art. 90 Ziffer [recte: Abs.] 1 SVG i.V.m. 49 Abs.1 und 2 SVG, Art. 46 Abs. 2, Art. 47 Abs. 1, 5 und 6 VRV; TPF pag. 3.262.3.267, Begründung Ziffer 2, Phase 1): Unter dem Motto «Solidarität mit den Angeklagten im Nazi-frei-Prozess (Anmerkung der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt: Die Prozesse im Nachgang an eine gewalttätige Demonstration der Iinken Szene hätten am 7. JuIi 2020 vor dem Strafgericht Basel-Stadt begonnen) sei via Social Media zu einer SoIidaritätsbekundung aufgerufen worden, weshalb sich am 4. JuIi 2020 ab ca. 15:30 Uhr bei der Heuwaage, Höhe Binningerstrasse 15, in Basel ein (unbewilligter) Demonstrationszug zu formieren begonnen habe. AIs Teilnehmerin dieser unbewilligten, mit Transparenten und Soundanlagen untermalten Kundgebung habe sich auch die Beschuldigte an vorgenannte Örtlichkeit begeben und dort (a) mit rund 150-160 Personen gegen ca. 15:40 Uhr die Fahrbahn betreten, obschon sie als Fussgängerin zur Benutzung des Trottoirs verpflichtet gewesen wäre. Sodann habe sie sich – (b) auf der Fahrbahn gehend – gemeinsam mit den restlichen Demonstrationsteilnehmern zur in unmittelbarer Nähe gelegenen Kreuzung vor der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt an der Binningerstrasse 21 in Basel begeben, wo sie (c) unnötigerweise weiterhin auf der Fahrbahn verweilt sei, damit sämtliche Fahrstreifen inkl. Tramspur blockiert und folglich den dort verkehrenden Fahrzeugen den Vortritt nicht belassen habe. Überdies habe sie dabei (d) die Verzweigung überquert, ohne die in weniger als 50 Metern Entfernung gelegenen Fussgängerstreifen zu benutzen und ohne die mit (Fussgänger-)Ampeln signalisierte Verkehrsregelung zu respektieren. Der um 15:47 Uhr durch den Einsatzleiter der Kantonspolizei Basel-Stadt dreifach via Megaphon erfolgten Abmahnung, verbunden mit der Aufforderung, den Patz freizugeben, sei die Beschuldigte indes nicht nachgekommen. Vielmehr sei sie (e) weiterhin im PuIk verblieben, habe verschiedenen Ansprachen gelauscht und im Rahmen dessen weiterhin sämtlichen Verkehr blockiert. Erst unter dem Eindruck der von der Heuwaage herannahenden Ordnungsdienstformation der Kantonspolizei Basel-Stadt habe sich die Beschuldigte gegen 15:52 Uhr schliesslich gezwungen gesehen, die Strasse freizugeben und sich in Richtung Nachtigallenwäldeli zurückzuziehen.

2.5.3.2   Bezüglich der oben (E. II. 2.5.3.1) beschriebenen strafbaren Verhaltensweisen der Beschuldigten erscheint jene unter lit. (e) beschriebene (sie sei – trotz Abmahnungen und Aufforderungen der Polizei – weiterhin im PuIk verblieben, habe verschiedenen Ansprachen gelauscht und im Rahmen dessen weiterhin sämtlichen Verkehr blockiert) als gravierendste. Dafür erscheint angesichts des nicht mehr leichten Verschuldens eine Einsatzstrafe in Form einer Busse von Fr. 200.-- als angemessen.

2.5.3.3   Für die erwähnten weiteren strafbaren Verhaltensweisen der Beschuldigten anlässlich der Demonstration in Basel vom 4. Juli 2020 (E. II. 2.5.3.1 lit. a - d) ist die Strafe um Bussen von je Fr. 100.-- bzw. zusammen Fr. 400.-- zu erhöhen.

2.5.4      Zudem wurde die Beschuldigte bezüglich ihres Verhaltens anlässlich dieser Demonstration auch wegen Diensterschwerung verurteilt, begangen insbesondere durch abschätzige Äusserungen/Parolengesänge gegenüber den eingesetzten Polizeikräften sowie durch verbale und physische Gegenwehr gegen Polizeikontrollen (§ 4 Übertretungsstrafgesetz des Kantons Basel-Stadt vom 13. Februar 2019; ÜStG BS; TPF pag. 3.262.3.268, Begründung Ziffer 2, Phasen 2 und 3). Für dieses Delikt ist die Strafe um eine Busse von Fr. 100.-- zu erhöhen.

2.5.5      Weiter wurde die Beschuldigte durch die Vorinstanz wegen Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 7c Abs. 1 COVID-19-Verordnung 2 vom 13. März 2020 und das Epidemiengesetz im Sinne von Art. 83 Abs. 1 lit. j i.V.m. Art. 7 und Art. 40 EpG verurteilt, begangen am 18. April 2020 an der Heinrichstrasse im Kreis 5 in Zürich, anlässlich einer Demonstration zum Thema «Sicherheit für alle Geflüchteten, sei es in der Schweiz, auf den griechischen Inseln oder sonst wo auf der Welt» (Urteil SK.2021.7 insbesondere E. 7.1, 7.2.4 - 7.4.2; 7.5.2 - 7.6; 7.7.2; 8.9). Die Strafe ist dafür um eine Busse von Fr. 150.-- zu erhöhen.

2.5.6      Schliesslich wurde die Beschuldigte durch die Vorinstanz wegen unbefugten Verkehrs im Sinne von Art. 37 Ziffer 1 des Bundesgesetzes über Strengstoffe (Sprengstoffgesetz, SprstG; SR 941.41) verurteilt. Sie habe am 14. Juni 2019 um 16:39 Uhr anlässlich des Frauenstreiktags im Hauptbahnhof Zürich verbotenerweise und zumindest eventualvorsätzlich eine Rauchpetarde inmitten von Teilnehmerinnen des Anlasses in der rechten Hand in die Höhe gehalten und abgebrannt, wobei roter Rauch in der Bahnhofshalle hochgestiegen sei (vgl. Urteil SK.2021.7 E. 6 - 6.7). Die Strafe ist dafür um eine Busse von Fr. 150.-- zu erhöhen.

2.5.7      Zusammenfassend ergibt sich als ein weiteres Zwischenergebnis aufgrund der Asperation, wenn die erwähnten, nach dem ersten Urteil vom 9. Juli 2018 erfolgten Delikte (E. II. 2.5.3 - 2.5.6) alle gleichzeitig beurteilt worden wären (vgl. Art. 49 Abs. 2 StGB), somit eine (hypothetische) Busse B von Fr. 1'000.-- (Fr. 200.-- + [4 x Fr. 100.--] + Fr. 100.-- + Fr. 150.-- + Fr. 150.-- = Fr. 1'000.--).

2.6         Täterkomponenten

2.6.1      Rechtliches

              Im Gegensatz zu den Tatkomponenten, die sich auf den Zeitpunkt der Tatbegehung beschränken, umfassen die Täterkomponenten den Zeitraum vor oder nach der Tat. Bei der Würdigung des Täters sind jedoch die Umstände massgeblich, wie sie sich zur Zeit der Beurteilung ergeben (Mathys, Leitfaden Strafzumessung, 2. Aufl. 2019, S. 117 N. 313; BGE 113 IV 56 E. 4). Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann bloss ein hartnäckiges Bestreiten der Tatvorwürfe unter gewissen Umständen als fehlende Einsicht und Reue ausgelegt und straferhöhend berücksichtigt werden (vgl. Urteil des BGer 6B_1032/2017 vom 1. Juni 2018 E. 6.4.2; Wiprächtiger/Keller, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 47 StGB N. 173). Ein deliktfreies Verhalten während eines laufenden Strafverfahrens darf vorausgesetzt werden (Urteil des BGer 6B_882/2009 vom 30. März 2010 E. 2.5); Delinquenz während der Probezeit und der Strafuntersuchung wirkt sich hingegen straferhöhend aus (Mathys, a.a.O., S. 124 f. N. 329 f.). Aufrichtige Reue, Zeitablauf verbunden mit Wohlverhalten sowie Betroffenheit durch die Tat wirken sich strafmildernd aus (Mathys, a.a.O., S. 126 ff. N. 334 ff.). Ein Geständnis wiederum führt nicht zwingend zu einer Strafreduktion, es muss als Zeichen der Einsicht und Reue stehen und die Strafverfolgung erleichtern (Mathys, a.a.O., S. 136 f. N. 363).

2.6.2      Vorleben und persönliche Verhältnisse

2.6.2.1   Was die Täterkomponenten angeht, ist vorab festzuhalten, dass die Beschuldigte im vorliegenden Verfahren nicht bereit war, Angaben zu ihrer Person und ihren persönlichen Verhältnissen zu machen. Bekannt ist, dass die heute 72-Jährige Beschuldigte in Zürich geboren ist. Sie lebt getrennt von ihrem Ehemann N. und ist Rentnerin. Über 10 Jahre lang lebte die Beschuldigte in Italien und entwickelte Kontakte zu den O., einer bekannten kommunistischen Terrororganisation. Danach liess sie sich in der Schweiz zur Sozialpädagogin ausbilden. Im Jahre 1992 gründete sie mit anderen Mitstreitern den J. Die Beschuldigte ist vor allem im K. tätig und Mitglied des Sekretariats der P. (TPF pag. 3.720.007; 3.721.002). Die K. Sektion des J. ist treibende Kraft der gewalttätigen linksextremen Szene. Aber auch der P. sind gewalttätige Aktionen nicht fremd, rief sie doch als Reaktion auf die Vorladung der Beschuldigten zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht vom 18./19. November 2021 zu Aktionen gegen den «türkischen Faschismus» auf (TPF pag. 3.721.002). Wie das vorliegende und frühere Strafverfahren gezeigt haben, schreckt die Beschuldigte auch vor Gewalt nicht zurück. Das Vorleben ist ansonsten in grossen Teilen unbekannt.

2.6.2.2   Die Beschuldigte ist mehrfach vorbestraft. Sie wurde mit Urteil der Strafkammer des BStGer vom 8. November 2011 wegen mehrfacher Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht, leichter Fall, Sachbeschädigung und Aufbewahrens von Sprengstoffen zu einer Freiheitsstrafe von 17 Monaten, als teilweiser Zusatz zu den Urteilen des Bezirksgerichts Zürich vom 1. Oktober 2003 und vom 5. Juli 2005, verurteilt. Mit Strafmandat der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 15. Oktober 2013 wurde die Beschuldigte wegen Landfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 50 Tagesätzen zu Fr. 30.-- verurteilt. Die Beschuldigte gilt in Bezug auf diese zwei Verurteilungen als vorbestraft. Die Vorstrafen wirken sich straferhöhend aus. Eine besondere Strafempfindlichkeit ist nicht ersichtlich.

2.6.3      Nachtatverhalten und Verhalten im Strafverfahren

2.6.3.1   Die Beschuldigte hat sich während laufender Strafuntersuchung nicht wohl verhalten, sondern weiter delinquiert. Während laufender Strafuntersuchung wurde sie durch die Regionale Staatsanwalt Bern-Mittelland mit Strafmandat vom 9. Juli 2018 und durch die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt mit Strafmandat vom 22. März 2021 zu Geldstrafen und Bussen verurteilt (vgl. oben E. II. 2.6.2; CAR pag. 4.401.006 f.; TPF pag. 3.262.2.004 ff.; 3.262.3.003 ff.). Sie ist offensichtlich unbelehrbar und manifestierte über Jahre hinweg ihre unveränderte Tatneigung. Die Delinquenz während laufender Strafuntersuchung wirkt sich straferhöhend aus.

2.6.3.2   Selbst, wenn man der Beschuldigten zu Gute halten wollte, dass sie ihre Taten als unerlässlichen Beitrag zur politischen und gesellschaftlichen Diskussion sieht, könnte dies nicht strafmindernd berücksichtigt werden, denn in einem freiheitlich-demokratischen Staat wie der Schweiz stehen jedem Bürger hinreichend gewaltfreie Formen der politischen Auseinandersetzung zur Verfügung. Gewalt ist kein erforderliches und legitimes Mittel im politischen Kampf.

2.6.3.3   Die Beschuldigte befolgte Vorladungen der BA zu Einvernahmen teilweise nicht, so dass sie polizeilich vorgeführt werden musste. Die Vorladungen der Vor—instanz wurden jeweils mit dem Vermerk «Nicht abgeholt» retourniert. An der erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung erschien sie unentschuldigt nicht. Sie zog es vor, am 18. November 2021 mit linksradikalen Gesinnungsgenossen vom K. vor dem Generalkonsulat der Republik Türkei in Zürich zu demonstrieren. Auch zur Berufungsverhandlung erschien die Beschuldigte jeweils unentschuldigt nicht.

2.6.4      Auswirkung der Täterkomponenten auf die (hypothetischen) Strafen

2.6.4.1   Zusammenfassend wirken sich die Täterkomponenten unter Einbezug aller Strafzumessungsfaktoren leicht straferhöhend aus. Insgesamt kann das Verschulden der Beschuldigten nicht mehr als leicht gewertet werden. Konkret bedeutet dies im Hinblick auf die auszufällende Geldstrafe sowie Busse Folgendes:

2.6.4.2   Als ein erstes Fazit der vorgenommenen Asperationen ergibt sich aufgrund der hypothetischen Geldstrafe A von 75 Tagessätzen (E. II. 2.3.4.4) und der hypothetischen Geldstrafe B von 70 Tagessätzen (E. II. 2.4.4.4) zusammen eine hypothetische Gesamt-Geldstrafe von 145 Tagessätzen (75 TS + 70 TS = 145 TS). Von dieser sind zur Ermittlung der auszufällenden Zusatz-Geldstrafe (E. II. 2.2.2) die durch die je rechtskräftigen Strafbefehle der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern vom 9. Juli 2018 (TPF pag. 3.262.2.004 ff.: Geldstrafe von 75 Tagessätzen) und der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 22. März 2021 (TPF pag. 3.262.3.266 ff.: Geldstrafe von 20 Tagessätzen) auferlegten Geldstrafen abzuziehen. Dies ergibt eine Zusatz-Geldstrafe von insgesamt 50 Tagessätzen (145 TS – 75 TS – 20 TS = 50 TS). Aufgrund des Verbots der reformatio in peius (E. I. 2.2) darf diese Zusatzstrafe – trotz der grundsätzlich straferhöhenden Auswirkung der Täterkomponenten (E. II. 2.6.4.1) – nicht erhöht werden.

2.6.4.3   Als weiteres Fazit ergibt sich aufgrund der hypothetischen Busse A von Fr. 200.-- (E. II. 2.5.2) und der hypothetischen Busse B von Fr. 1'000.-- (E. II. 2.5.7) zusammen eine hypothetische Gesamt-Busse von Fr. 1'200.--. Von dieser sind zur Ermittlung der auszufällenden Zusatz-Busse (E. II. 2.2.2) die durch die je rechtskräftigen Strafbefehle der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern vom 9. Juli 2018 (TPF pag. 3.262.2.004 ff.: Busse von Fr. 200.--) und der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 22. März 2021 (TPF pag. 3.262.3.266 ff.: Busse von Fr. 900.--) auferlegten Bussen abzuziehen. Dies ergibt – als Zwischenergebnis – eine (hypothetische) Zusatz-Busse von Fr. 100.--. Aufgrund der straferhöhenden Auswirkung der Täterkomponenten (E. II. 2.6.4.1) ist die Zusatz-Busse um Fr. 200.-- auf eine (definitive) Zusatz-Busse von insgesamt Fr. 300.-- zu erhöhen. Bei schuldhafter Nichtbezahlung tritt anstelle der Zusatz-Busse eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.

2.7         Höhe des Tagessatzes der Geldstrafe

2.7.1      Ein Tagessatz beträgt in der Regel mindestens 30 und höchstens 3000 Franken. Ausnahmsweise, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters dies gebieten, kann der Tagessatz bis auf 10 Franken gesenkt werden. Das Gericht bestimmt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB; vgl. BGE 142 IV 315 E. 5.3.3). Ausgangspunkt für die Tagessatzberechnung ist das Einkommen, welches dem Täter durchschnittlich an einem Tag zufliesst. Dabei bleibt belanglos, aus welcher Quelle dieses Einkommen stammt. Abzuziehen ist, was gesetzlich geschuldet ist oder dem Täter wirtschaftlich nicht zufliesst, so etwa laufende Steuern, obligatorische Versicherungsbeiträge oder allfällige Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge, soweit tatsächlich geleistet, nicht jedoch Schulden oder Wohnkosten (vgl. BGE 134 IV 60 S. 68 ff. E. 6.1 ff.; vgl. Dolge, Basler Kommentar, Basler Kommentar, 4. Aufl., Art. 34 StGB N. 45 ff. mit Hinweisen). Eine Schätzung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters im pflichtgemässen Ermessen ist dann möglich, wenn sich die Berechnung des Tagessatzes sonst als unverhältnismässig schwierig erweisen würde (vgl. Dolge, a.a.O., Art. 34 StGB N. 91 mit Hinweisen).

2.7.2      Betreffend die konkrete Berechnung des Tagessatzes kann im vorliegenden Fall auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden, da sich die finanziellen Verhältnisse der Beschuldigten seit dem erstinstanzlichen Urteil nicht Wesentlich verändert haben und die Ansetzung des Tagessatzes auf das grundsätzliche Minimum von Fr. 30.-- von keiner Partei substanziiert bestritten wurde (vgl. CAR pag. 4.401.010 bis -043; Art. 82 Abs. 4 StPO; E. II. 1.3.4).

2.8         Vollzug

2.8.1      Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Materiell wird das Fehlen einer ungünstigen Prognose vorausgesetzt, womit praxisgemäss auf das Fehlen von Anhaltspunkten für eine Wiederholungsgefahr abgestellt wird (BGE 134 IV 60 S. 73 f. E. 7.2).

2.8.2      Die objektiven Grenzen des bedingten Strafvollzugs sind vorliegend nicht überschritten. Aufgrund der einschlägigen Vorstrafen und des Nachtatverhaltens der Beschuldigten (E. II. 2.6.2.2; 2.6.3.1) kann vorliegend jedoch nicht vom Fehlen einer ungünstigen Prognose bzw. von fehlenden Anhaltspunkten für eine Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Die Zusatzstrafe von 50 Tagessätzen à Fr. 30.-- ist deshalb unbedingt auszusprechen. Bei schuldhafter Nichtbezahlung tritt anstelle dieser Zusatzstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen.

2.8.3      Für den Vollzug der Strafen ist wie erwähnt der Kanton Zürich zuständig (Art. 74 Abs. 2 StBOG i.V.m. 31 Abs. 2 StPO; E. I. 2.1 Ziffer 5).

2.9         Fazit der Strafzumessung

              Betreffend Strafbefehl der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 9. Juli 2018 und Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 22. März 2021 wird der Beschuldigten somit folgende Zusatzstrafe auferlegt: eine Geldstrafe von 50 Tagesätzen zu je Fr. 30.-- (bei schuldhafter Nichtbezahlung eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen) sowie eine Busse von Fr. 300.-- (bei schuldhafter Nichtbezahlung eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen).

              Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Polizeihaft von 8 Tagen auf die Strafe anzurechnen ist (Art. 51 StGB; oben E. I. 2.1 Ziffer 3).

3.           Verfahrenskosten

3.1         Anträge

3.1.1      Die Beschuldigte beantragte diesbezüglich die angemessene Herabsetzung der ihr auferlegten Verfahrenskosten (Urteilsdispositiv Ziff. 6; oben SV lit. B.1 d und B.5).

3.1.2      Die BA stellte folgende Anträge: «2.5 Von den vorinstanzlichen Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 9'250.-- seien A. Fr. 6'000.-- aufzuerlegen.» «3. Die oberinstanzlichen Verfahrenskosten seien A. vollumfänglich aufzuerlegen» (SV lit. B.5).

3.1.3      Die Privatklägerin Türkisches Generalkonsulat beantragte die Abweisung der Berufung und die vollumfängliche Bestätigung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils (SV lit. B.5).

3.2         Gesetzliche Grundlagen

3.2.1      Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO). Fällt die Rechtsmittelinstanz selber einen neuen Entscheid, so befindet sie darin auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung (Art. 428 Abs. 3 StPO). Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat (Art. 417 StPO).

3.2.2      Das Bundesstrafgericht regelt durch Reglement (a) die Berechnung der Verfahrenskosten, (b) die Gebühren, (c) die Entschädigungen an Parteien, die amtliche Verteidigung, den unentgeltlichen Rechtsbeistand, Sachverständige sowie Zeuginnen und Zeugen (Art. 73 Abs. 1 StBOG). Die Gebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien sowie nach dem Kanzleiaufwand (Art. 73 Abs. 2 StBOG; vgl. Art. 5 Reglement des Bundesstrafgerichts über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR, SR. 173.713.162]). Es gilt ein Gebührenrahmen von Fr. 200.-- bis Fr. 100'000.-- für jedes der folgenden Verfahren: (a) Vorverfahren, (b) erstinstanzliches Verfahren, (c) Rechtsmittelverfahren (Art. 73 Abs. 3 StBOG; vgl. Art. 6 - 7bis BStKR).

3.2.3      Die Verfahrenskosten umfassen die Gebühren und Auslagen (Art. 1 Abs. 1 BStKR). Die Gebühren sind für die Verfahrenshandlungen geschuldet, die im Vorverfahren von der BKP und von der BA, im erstinstanzlichen Hauptverfahren von der Strafkammer, im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren von der Berufungskammer und in Beschwerdeverfahren gemäss Artikel 37 StBOG von der Beschwerdekammer durchgeführt oder angeordnet worden sind (Art. 1 Abs. 2 BStKR). Die Auslagen umfassen die vom Bund vorausbezahlten Beträge, namentlich die Kosten für die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Verbeiständung, Übersetzungen, Gutachten, Mitwirkung anderer Behörden, Porti, Telefonspesen und andere entsprechende Kosten (Art. 1 Abs. 3 BStKR). Die Auslagen werden entsprechend den dem Bund verrechneten oder von ihm bezahlten Beträgen festgelegt (Art. 9 Abs. 1 BStKR).

3.3         Kosten des Untersuchungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens

3.3.1      Die Rechtsmittelinstanz fällt vorliegend selber einen neuen Entscheid. Die Beschuldigte wird im Berufungsverfahren im Hauptanklagepunkt freigesprochen, während sie diesbezüglich von der Vorinstanz schuldig gesprochen worden war. Die von der Vorinstanz in den Nebenanklagepunkten ausgesprochenen Schuld—sprüche sind hingegen mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.

3.3.2      Die Gebühr für das Vorverfahren von Fr. 3'000.--, die Auslagen für das Vorverfahren von Fr. 1'750.-, die erstinstanzliche Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- und die Auslagen der Vorinstanz von Fr. 500.-- ergeben zusammen Fr. 9'250.-- (Urteil SK.2021.7 E. 9.1.1 - 9.1.3). Die Vorinstanz auferlegte der Beschuldigten angesichts von deren wirtschaftlichen Verhältnisse die Verfahrenskosten nur zu einem Teil, im Betrag von Fr. 6'000.-- (Urteil SK.2021.7 E. 9.2 f.).

3.3.3      Aufgrund ihres Obsiegens im Hauptanklagepunkt, welcher prozessual den meisten Aufwand verursachte, bzw. wegen des entsprechenden Unterliegens der BA sowie der Privatklägerin Türkisches Generalkonsulat erscheint es angemessen, der Beschuldigten die erwähnten Verfahrenskosten von zusammen Fr. 9'250.-- in reduziertem Umfang von Fr. 3'000.-- aufzuerlegen.

3.4         Kosten des Berufungsverfahrens

3.4.1      Die Kosten des Berufungsverfahrens bestehen vorliegend aus einer Gerichtsgebühr, die im Lichte der erwähnten Grundsätze (oben E. II. 3.2.1 ff.) auf Fr. 3'500.- (inkl. Auslagen; vgl. Art. 73 Abs. 1 Iit. a und b sowie Abs. 3 lit. c StBOG; Art. 1, 5, 7bis und 9 BStKR) festgelegt wird.

3.4.2      Wie erwähnt, hat die Beschuldigte im Berufungsverfahren in dem von ihr angefochtenen Hauptanklagepunkt obsiegt. Dabei ist (zu ihren Gunsten) auch zu berücksichtigen, dass sie die vorinstanzlichen Schuldsprüche betreffend die Nebenanklagepunkte nicht angefochten hatte. Zu beachten ist allerdings auch, dass die Beschuldigte zur ersten (kurzen) Berufungsverhandlung vom 16. September 2022 unentschuldigt nicht erschienen ist, weshalb ihr die dadurch verursachten Verfahrenskosten aufzuerlegen sind (Art. 417 StPO; oben SV. lit. B.4). Gesamthaft betrachtet erscheint es angemessen, die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 3'500.-- (Gerichtsgebühr inkl. Auslagen) zu 1/7 (ausmachend Fr. 500.--) der Beschuldigten aufzuerlegen und im Übrigen auf die Staatskasse zu nehmen.

4.           Entschädigungen

4.1         Anträge

4.1.1      Die Beschuldigte beantragte diesbezüglich die Abweisung der Entschädigung für das Generalkonsulat der Republik Türkei im Kanton Zürich (Urteilsdispositiv Ziffer 8.1; oben SV lit. B.1 e und lit. B.5).

4.1.2      Die BA stellte folgende Anträge: «2.6. Rechtsanwalt Bernard Olivier Rambert sei für die amtliche Verteidigung von A. durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 20'418.95 (inkl. MWST) zu entschädigen. A. sei zu verpflichten, der Eidgenossenschaft die Entschädigung zurückzubezahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.» «2.7. A. sei zu verpflichten, der Eidgenossenschaft die an Rechtsanwalt Andy Bürgi für ihre amtliche Verteidigung ausbezahlte Entschädigung von Fr. 1'185.90 (inkl. MWST) zurückzubezahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.» «2.8. A. sei zu verpflichten, den Privatklägern jeweils nachfolgende Entschädigung zu bezahlen: 2.8.1.Generalkonsulat der Republik Türkei im Kanton Zürich Fr. 7'867.10. 2.8.2. B. Fr. 9'350.50. 2.8.3. C. Fr. 5'461.10» (SV lit. B.5).

4.1.3      Die Privatklägerin Türkisches Generalkonsulat beantragt, wie erwähnt, die Abweisung der Berufung und die vollumfängliche Bestätigung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils (SV lit. B.5). Im vorinstanzlichen Verfahren hatte das Türkische Generalkonsulat von der Beschuldigten eine Prozessentschädigung für die anwaltliche Vertretung gestützt auf Art. 433 Abs. 1 StPO verlangt (TPF pag. 3.851.009, -012); mit Kostennote vom 11. November 2021 hatte es die Ausrichtung eines Honorars bzw. einer Parteientschädigung von Fr. 7'867.12 beantragt (TPF pag. 3.851.009, -012; 3.720.912; Urteil SK.2021.7 E. 11.3.3 Abs. 1).

4.2         Gesetzliche Grundlagen

4.2.1      Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Artikeln 429–434. Erfolgt weder ein vollständiger oder teilweiser Freispruch noch eine Einstellung des Verfahrens, obsiegt die beschuldigte Person aber in anderen Punkten, so hat sie Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen (Art. 436 Abs. 1 und 2 StPO).

4.2.2      Auf die Berechnung der Entschädigung der ganz oder teilweise freigesprochenen beschuldigten Person, der Wahlverteidigung, der gänzlich oder teilweise obsiegenden Privatklägerschaft und der Drittperson im Sinne von Artikel 434 StPO sind die Bestimmungen über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung anwendbar (Art. 10 BStKR). Die Anwaltskosten umfassen das Honorar und die notwendigen Auslagen, namentlich für Reise, Verpflegung und Unterkunft sowie Porti und Telefonspesen (Art. 11 Abs. 1 BStKR). Das Honorar wird nach dem notwendigen und ausgewiesenen Zeitaufwand der Anwältin oder des Anwalts für die Verteidigung bemessen. Der Stundenansatz beträgt mindestens 200 und höchstens 300 Franken (Art. 12 Abs. 1 BStKR). Die Auslagen werden im Rahmen der Höchstansätze aufgrund der tatsächlichen Kosten vergütet (vgl. Art. 13 BStKR). Bei Fällen im ordentlichen Schwierigkeitsbereich, d.h. für Verfahren ohne hohe Komplexität und ohne Mehrsprachigkeit, beträgt der Stundenansatz gemäss ständiger Praxis der Straf- und der Berufungskammer Fr. 230.-- für Arbeitszeit und Fr. 200.-- für Reise- und Wartezeit (vgl. Beschluss der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts BK.2011.21 vom 24. April 2012 E. 2.1; Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SN.2011.16 vom 5. Oktober 2011 E. 4.1).

4.2.3      Das vorliegende Verfahren stellte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine überdurchschnittlichen Anforderungen an die Verteidigung. Der Stundenansatz für die anwaltliche Tätigkeit ist daher praxisgemäss auf Fr. 230.--, für die Reisezeit auf Fr. 200.-- sowie für die Praktikantentätigkeit auf Fr. 100.-- festzusetzen.

4.3         Vorverfahren / erstinstanzliches Verfahren

4.3.1      Was die erwähnten Anträge der BA betrifft (E. II. 4.1.2), ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Beschuldigte ihre Rückzahlungspflicht gegenüber der Eidgenossenschaft betreffend die an RA Bürgi für die amtliche Verteidigung (bezüglich Teilnahme der Beschuldigten an Kundgebungen) ausbezahlte Entschädigung sowie die Entschädigungspflicht gegenüber B. sowie C. nicht angefochten hat, weshalb die entsprechenden vorinstanzlichen Dispositivziffern 2.7, 2.8.2 und 2.8.3 in Rechtskraft erwachsen sind (oben E. I. 2.1).

4.3.2      Die Beschuldigte hat zwar nicht formell beantragt, dass die von der Vorinstanz festgelegte (vollumfängliche) Rückzahlungspflicht gegenüber der Eidgenossenschaft betreffend die an Rechtsanwalt Rambert für die amtliche Verteidigung ausbezahlte Entschädigung aufgehoben oder reduziert werde. Wegen des im Berufungsverfahren gestellten Antrags auf Freispruch im Hauptanklagepunkt gilt diese Rückzahlungspflicht jedoch implizit als mitangefochten.

4.3.3      Aufgrund ihres Obsiegens im Hauptanklagepunkt (vgl. oben E. II. 3.3.3) erscheint es angemessen, die Beschuldigte zu verpflichten, der Eidgenossenschaft 1/3 der an Rechtsanwalt Rambert ausbezahlten Entschädigung für die amtliche Verteidigung im Vorverfahren und erstinstanzlichen Verfahren von Fr. 20'418.95 (inkl. MWST), ausmachend Fr. 6'806.30 zurückzubezahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

4.4         Berufungsverfahren

4.4.1      Betreffend das weitgehende Obsiegen der Beschuldigten im Berufungsverfahren – unter Vorbehalt des unentschuldigten Nichterscheinens zur ersten Berufungsverhandlung vom 16. September 2022 (Art. 417 StPO) – ist auf obige E. II. 3.4.2 zu verweisen. Die entsprechenden Ausführungen gelten sinngemäss auch für die Frage der Rückzahlungspflicht der Beschuldigten gegenüber der Eidgenossenschaft betreffend die an Rechtsanwalt Rambert für die amtliche Verteidigung im Berufungsverfahren auszubezahlende Entschädigung.

4.4.2      Mit Honorarnote vom 7. Oktober 2022 (CAR pag. 5.200.019 ff.) machte Rechtsanwalt Rambert für die amtliche Verteidigung der Beschuldigten im Berufungsverfahren folgende Leistungen geltend:

4.4.2.1   Auf der Honorarnote aufgeführte Positionen / Ansätze:

              -    Zeitaufwand insgesamt                      52 h

               -    davon Arbeitszeit                               40 h

               -    davon Reisezeit                                 12 h

              -    Stundenansatz Arbeitszeit                  Fr. 260.-- / h

              -    Stundenansatz Reisezeit                    Fr. 200.-- / h

              Auf der Honorarnote geltend gemachte Kosten:

-    Honorar                                             Fr. 12'800.--  (40 h x Fr. 260.-- / h = 10'400.--;

                                                                                                                          12 h x Fr. 200.-- / h = Fr. 2'400.--)

              -    Auslagen                                           Fr.      241.20 (Porti 4 x Fr. 6.30 = Fr. 25.20;

                                                                                                                                 2 Bahnbillette à Fr. 108.-- = Fr. 216.--)

              Zwischentotal (exkl. MWST)                    Fr. 13'041.20

              MWST 7,7 % von Fr. 13'041.20               Fr.   1'004.15

              Rechnungstotal (inkl. MWST)                   Fr. 14'045.35

4.4.2.2   Folgende Korrekturen sind vorzunehmen:

              -    Stundenansatz Arbeitszeit                  Fr. 230.-- / h statt Fr. 260.-- / h

              -    Berufungsverhandlung 10. Okt. 2022

                   (von RA Rambert geschätzte Arbeitszeit)  2 h statt 7 h, d.h. minus 5 h

4.4.2.3   Demgemäss werden folgende Positionen (teilweise) gutgeheissen:

              -    Arbeitszeit: 40 h - 5 h =                      35 h x Fr. 230.-- / h                   = Fr.   8'050.--

              -    Reisezeit                                           12 h x Fr. 200.-- / h          = Fr.   2'400.--

              -    Auslagen (siehe oben E. II. 4.4.2.1)                                           = Fr.      241.20

              Zwischentotal (exkl. MWST)                                                             Fr. 10'691.20

              MWST 7,7 % von Fr. 10'691.20                                                        Fr.      823.20

              Rechnungstotal (inkl. MWST)                                                            Fr. 11'514.40

4.4.2.4   Somit ist Rechtsanwalt Rambert für die amtliche Verteidigung der Beschuldigten im Berufungsverfahren durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 11'514.40 (inkl. MWST) zu entschädigen.

4.4.3      Betreffend die diesbezügliche konkrete Rückzahlungspflicht der Beschuldigten (Art. 135 Abs. 4 StPO; Positionen aufgrund von Art. 417 StPO) ist Folgendes auszuführen:

4.4.3.1   -    Reisezeit 15. Sept. 2022 (6 h à Fr. 200.-- / h)                                                = Fr.   1'200.--

              -    Berufungsverhandlung 15. Sept. 2022 (1 h Arbeitszeit à Fr. 230.-- / h)      = Fr.      230.--

              -    Tel. Klientin 16. Sept. 2022 (0,2 h Arbeitszeit à Fr. 230.-- / h)               = Fr.        46.--

              -    Bahnbillett 15. Sept. 2022                                                                     Fr.      108.--

              Zwischentotal (exkl. MWST)                                                                     Fr.   1'584.--

              MWST 7,7 % von Fr. 1'584.--                                                                     Fr.     121.95

              Rechnungstotal (inkl. MWST)                                                                     Fr.   1'705.95

4.4.3.2   Demzufolge hat die Beschuldigte der Eidgenossenschaft für die Entschädigung ihres amtlichen Verteidigers im Berufungsverfahren in reduziertem Umfang von Fr. 1'705.95 (inkl. MWST) Ersatz zu leisten, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

4.4.4      Entschädigung der Privatklägerschaft

              Die Vorinstanz hatte die Beschuldigte verpflichtet, dem Generalkonsulat der Republik Türkei eine Entschädigung von Fr. 7'867.10 zu bezahlen (Urteil SK.2021.7 E. 11.3.4 bzw. Dispositivziffer I. 8.1). Zufolge Freispruchs der Beschuldigten im Hauptanklagepunkt des Berufungsverfahrens ist der Antrag des Generalkonsulats der Republik Türkei in Zürich betreffend die Verpflichtung der Beschuldigten zur Bezahlung einer Entschädigung von Fr. 7'867.10 (inkl. MWST) jedoch abzuweisen (vgl. Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 433 StPO; oben E. II. 4.2.1 f.).

Die Berufungskammer erkennt:

I. Feststellung der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils

Es wird festgestellt, dass das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2021.7 vom 19. November 2021 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

1.       A. wird freigesprochen vom Vorwurf der Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 6 Abs. 2 COVID-19-Verordnung 2 vom 13. März 2020 und Art. 7 EpG.

2.       A. wird schuldig gesprochen:

          –   […]

          –   der mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB;

          –   der Hinderung einer Amtshandlung im Sinne von Art. 286 Abs. 1 StGB;

          –   der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 Abs. 1 StGB;

          –   des unbefugten Verkehrs im Sinne von Art. 37 Ziff. 1 SprstG;

          –   der Widerhandlung gegen Art. 10f Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 7c Abs. 1 COVID-19-Verordnung 2 vom 13. März 2020 und das Epidemiengesetz im Sinne von Art. 83 Abs. 1 lit. j i.V.m. Art. 7 und Art. 40 EpG.

3.       […]

          Die Polizeihaft von 8 Tagen wird auf die Strafe angerechnet (Art. 51 StGB).

4.       […]

5.       Als Vollzugskanton wird der Kanton Zürich bestimmt (Art. 74 Abs. 2 StBOG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 StPO).

6.       Die Verfahrenskosten betragen Fr. 9'250.-- (Vorverfahren: Gebühr Fr. 3'000.--, Auslagen Fr. 1'750.--; Gerichtsgebühr Fr. 4'000.--, Auslagen des Gerichts Fr. 500.--).

7.       […]

7.1     Rechtsanwalt Bernard Olivier Rambert wird für die amtliche Verteidigung von A. durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 20'418.95 (inkl. MWST) entschädigt.

         

7.2     A. wird verpflichtet, der Eidgenossenschaft die an Rechtsanwalt Andy Bürgi für ihre amtliche Verteidigung ausbezahlte Entschädigung von Fr. 1'185.90 (inkl. MWST) zurückzubezahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO).

8.       A. wird verpflichtet, den Privatklägern jeweils nachfolgende Entschädigungen zu bezahlen:

8.1     […]

8.2     B. Fr. 9'350.50.

8.3     C. Fr. 5'461.10.

II. Neues Urteil

1.       A. wird vom Vorwurf der Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 StGB) freigesprochen.

2.       Betreffend Strafbefehl der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 9. Juli 2018 und Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 22. März 2021 wird A. folgende Zusatzstrafe auferlegt: eine Geldstrafe von 50 Tagesätzen zu je Fr. 30.-- (bei schuldhafter Nichtbezahlung eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen) sowie eine Busse von Fr. 300.-- (bei schuldhafter Nichtbezahlung eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen).

3.       Die Gebühr für das Vorverfahren von Fr. 3'000.--, die Auslagen für das Vorverfahren von Fr. 1'750.--, die erstinstanzliche Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- und die Auslagen des erstinstanzlichen Gerichts von Fr. 500.-- (zusammen Fr. 9'250.--) werden A. in reduziertem Umfang von Fr. 3'000.-- auferlegt.

4.       A. wird verpflichtet, der Eidgenossenschaft 1/3 der Entschädigung für die amtliche Verteidigung im Vorverfahren und erstinstanzlichen Verfahren von Fr. 20'418.95 (inkl. MWST), ausmachend Fr. 6'806.30 zurückzubezahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

5.       Der Antrag des Generalkonsulats der Republik Türkei in Zürich, A. habe ihm eine Entschädigung von Fr. 7'867.10 (inkl. MWST) zu bezahlen, wird abgewiesen.

III. Kosten und Entschädigungen im Berufungsverfahren

1.       Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 3'500.-- (Gerichtsgebühr inkl. Auslagen) werden zu 1/7 (ausmachend Fr. 500.--) A. auferlegt und im Übrigen vom Staat getragen.

2.       Rechtsanwalt Bernard Olivier Rambert wird für die amtliche Verteidigung von A. im Berufungsverfahren durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 11'514.40 (inkl. MWST) entschädigt.

3.       A. hat der Eidgenossenschaft für die Entschädigung ihres amtlichen Verteidigers im Berufungsverfahren in reduziertem Umfang von Fr. 1'705.95 (inkl. MWST) Ersatz zu leisten, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

Im Namen der Berufungskammer

des Bundesstrafgerichts

Die Vorsitzende                                                                Der Gerichtsschreiber

Andrea Blum                                                                     Franz Aschwanden

Zustellung an (Gerichtsurkunde):

- Bundesanwaltschaft

- Herrn Rechtsanwalt Bernard Olivier Rambert

- Generalkonsulat der Republik Türkei

- Herrn Rechtsanwalt Adrian Bigler

- Herrn Rechtsanwalt Marco Uffer

- Herrn D.

- Herrn E.

- Herrn F.

Kopie an (brevi manu):

- Strafkammer des Bundesstrafgerichts

Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an:

- Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug und Vermögensverwaltung

- Bundesamt für Polizei (fedpol)

- Bundesamt für Gesundheit

Rechtsmittelbelehrung

Beschwerde an das Bundesgericht

Dieses Urteil kann innert 30 Tagen nach Eröffnung der vollständigen Ausfertigung mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht angefochten werden. Das Beschwerderecht und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in den Art. 78-81 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG) geregelt. Die begründete Beschwerdeschrift ist beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.

Die Fristeinhaltung bei Einreichung der Beschwerdeschrift in der Schweiz, im Ausland bzw. im Falle der elektronischen Einreichung ist in Art. 48 Abs. 1 und 2 BGG geregelt.

Versand: 23. Januar 2023

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