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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BB.2022.120 vom 08.11.2022

Hier finden Sie das Urteil BB.2022.120 vom 08.11.2022 - Strafkammer

Sachverhalt des Entscheids BB.2022.120


Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Strafkammer

Fallnummer:

BB.2022.120

Datum:

08.11.2022

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Beschuldigte; Beschuldigten; Bundes; Aussage; Recht; Urteil; Aussagen; Fingerabdrücke; Grenzwachtbeamte; Beamte; Grenzwachtbeamten; Schweiz; Amtshandlung; Gericht; Bundesanwaltschaft; Gewalt; Aufenthalt; Apos;; Bundesstrafgericht; Aufenthalts; Bundesstrafgerichts; Täter; Behörde; über

Rechtskraft:

Weiterzug

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 111 AIG ;Art. 115 AIG ;Art. 12 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 19 StPO ;Art. 23 StPO ;Art. 28 StGB ;Art. 285 StGB ;Art. 34 StGB ;Art. 356 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 398 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 42 StPO ;Art. 422 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 47 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 6 StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 9 StGB ;Art. 91 StPO ;

Referenz BGE:

101 IV 62; 103 IV 186; 117 IV 14; 130 II 56; 134 IV 189; 136 IV 55; ;

Kommentar:

Schmid, Jositsch, Praxis, 3. Aufl. , Art. 426 StPO , 2018

Entscheid des Bundesstrafgerichts

SK.2022.5

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: SK.2022.5

Urteil vom 8. November 2022 Strafkammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stefan Heimgartner, Einzelrichter

Gerichtsschreiber Friedo Breitenfeldt

Parteien

Bundesanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwalt des Bundes Johannes Rinnerthaler

gegen

A., amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin Lena Reusser

Gegenstand

Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, Rechtswidriger Aufenthalt

Anträge der Bundesanwaltschaft:

1. A. (hinfort «der Beschuldigte») sei wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB) und rechtswidrigen Aufenthalts i.S.v. Art. 115 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20) schuldig zu sprechen.

2. Der Beschuldigte sei mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je Fr. 30.--, entsprechend Fr. 4'500.--, zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.

3. Der Beschuldigte sei zudem mit einer Verbindungsbusse von Fr. 900.-- zu bestrafen, bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 30 Tagen.

4. Die Kosten des Verfahrens, bestehend aus den Kosten des Vorverfahrens in der Höhe von Fr. 1'200.-- (Gebühr der Bundesanwaltschaft) und den gerichtlich zu bestimmenden Kosten des Hauptverfahrens, seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.

Anträge der Verteidigung:

1. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, angeblich begangen am 12. April 2021, freizusprechen.

2. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf des rechtswidrigen Aufenthalts freizusprechen.

3. Die Verfahrenskosten seien vollumfänglich der Eidgenossenschaft aufzuerlegen und dem Beschuldigten sei eine gemäss der eingereichten Honorarnote festzusetzende Parteikostenentschädigung zuzusprechen.

Sachverhalt:

A. Am 4. Mai 2021 erstattete das Grenzwachtkorps Strafanzeige gegen den Beschuldigten wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB), Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB) sowie rechtswidrigen Aufenthalts (Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG) (BA pag. 05-00-0001 ff.).

B. Am 23. Juni 2021 erliess die Bundesanwaltschaft einen Strafbefehl wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB) sowie rechtswidrigen Aufenthalts (Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG) (BA pag. 03-01-0001 ff.).

C. Am 2. Juli 2021 erhob der Beschuldigte Einsprache gegen den Strafbefehl und stellte gleichzeitig ein Gesuch um amtliche Verteidigung (BA pag. 16-01-0001 ff.).

D. Am 7. Juli 2021 setzte die Bundesanwaltschaft RA Moritz Grossenbacher als amtlichen Verteidiger des Beschuldigten ein (BA pag. 16-01-0009 f.). Am 17. Dezember 2021 übertrug sie das Mandat auf RAin Lena Reusser (BA. 16-01-0039 f.).

E. Am 1. Februar 2022 überwies die Bundesanwaltschaft den Strafbefehl an das Bundesstrafgericht (Art. 355 Abs. 3 lit. a und d sowie Art. 356 Abs. 1 StPO). Sie verzichtete auf die persönliche Teilnahme an der Hauptverhandlung.

F. Am 27. September 2022 holte das Gericht einen schriftlichen Bericht bei der behandelnden Ärztin des Beschuldigten, B., ein (TPF 2.264.1.001 ff.). Des Weiteren holte das Gericht im Rahmen der Prozessvorbereitung von Amtes wegen Auszüge aus dem schweizerischen Strafregister und dem Betreibungsregister sowie aktuelle Steuerunterlagen betreffend den Beschuldigten ein (TPF pag. 2.231.1.001 ff.).

G. Die Hauptverhandlung fand am 8. November 2022 in Anwesenheit des Beschuldigten am Sitz des Bundesstrafgerichts statt. Das Dispositiv wurde dem Beschuldigten gleichentags eröffnet. Der Bundesanwaltschaft wurde es schriftlich zugestellt.

Der Einzelrichter erwägt:

1. Prozessuales

1.1 Zuständigkeit

Die Bundesgerichtsbarkeit ist vorliegend gestützt auf Art. 23 Abs. 1 lit. h StPO gegeben. Die Kompetenz des Einzelrichters der Strafkammer des Bundesstraf-gerichts ergibt sich aus Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 36 Abs. 2 des Bun-desgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes vom 19. März 2010 (StBOG; SR 173.71).

1.2 Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache

Hinsichtlich der Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache, die das Gericht vorfrageweise zu prüfen hat (Art. 356 Abs. 2 StPO), stellen sich keine Fragen; Strafbefehl und Einsprache sind gültig.

2. Anklagevorwurf

2.1 Die Bundesanwaltschaft erhebt folgende Vorwürfe gegen den Beschuldigten: Er sei am Montag, 12. ApriI 2021 um 11.00 Uhr am Bahnhof Z. durch die drei Grenzwachtbeamten Wm C., Kpl D. und KpI E. angehalten und kontrolliert worden. Im Rahmen der Ausweiskontrolle habe sich der Beschuldigte mit einem abgelaufenen Ausweis für Asylsuchende ausgewiesen, weshalb sich die drei Grenzwachtbeamten für eine Verschiebung auf den Grenzwachtstützpunkt Z. entschieden hätten. Während der auf dem Grenzwachtstützpunkt im Festhalteraum Nr. 1 durchgeführten Kontrolle habe sich der Beschuldigte zunächst geweigert, sich seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen. Als die Grenzwachtbeamten ihm angezeigt hätten, dass sie ihn aus Sicherheitsgründen abtasten würden, habe sich der Beschuldigte geweigert, die Anweisungen zu befolgen, sei aufbrausend geworden und habe sich aktiv gegen die Kontrolle gewehrt. Dabei habe er Kpl D. am HaIs gepackt, weshalb der Beschuldigte in der Folge durch die drei anwesenden Grenzwachtbeamten zu Boden geführt worden sei. Dabei habe sich der Beschuldigte mit Tritten und Schlägen gegen die drei Grenzwachtbeamten gewehrt. Infolge der starken Gegenwehr des Beschuldigten seien den drei anwesenden Grenzwachtbeamten weitere drei Mitarbeiter zur Hilfe geeilt. Die sechs Grenzwachtmitarbeiter hätten den Beschuldigten danach mit grosser Mühe in das Schliesszeug gelegt. Als sich der Beschuldigte habe beruhigen können, sei er auf gefährliche Gegenstände abgetastet worden und habe schliesslich überzeugt werden können, sich seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen. Abklärungen mit dem Migrationsdienst Bern hätten in der Folge ergeben, dass sich der Beschuldigte seit dem 1. August 2020 rechtswidrig in der Schweiz aufhalte.

2.2 In der umschriebenen Weise habe der Beschuldigte gehandelt, obschon er gewusst habe, dass es sich um Grenzwachtbeamte gehandelt habe, die befugt gewesen seien, Kontrollen durchzuführen und Personen anzuhalten. Ebenso habe er gewusst, dass er den Anweisungen der Grenzwachtbeamten Folge zu leisten habe. Dennoch habe der Beschuldigte die drei Grenzwachtbeamten während derer Amtsausübung bewusst und gewollt tätlich angegriffen, wobei er durch den Angriff auf den Hals von Kpl D. und die Tritte und Schläge gegen Wm C., Kpl D. und Kpl E. eine Verletzung dieser zumindest billigend in Kauf genommen habe. Mit seinem Verhalten habe der Beschuldigte gewusst bzw. zumindest billigend in Kauf genommen, dass er die Grenzwachtbeamten an der Ausübung ihrer beruflichen Pflicht gehindert habe.

2.3 Gleichzeitig habe er wissentlich und willentlich gegen die geltenden Aufenthaltsbestimmungen verstossen, da sein Asylgesuch rechtskräftig abgewiesen worden sei und er sich folglich rechtswidrig in der Schweiz aufgehalten habe.

3. Rechtliches

3.1 Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziff. 1 StGB)

3.1.1 Nach Art. 285 Ziff. 1 StGB wird bestraft, wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, hindert, zu einer Amtshandlung nötigt oder während einer Amtshandlung tätlich angreift.

3.1.2 Geschütztes Rechtsgut von Art. 285 StGB ist das Funktionieren staatlicher Organe. Angriffsobjekt ist nicht der handelnde Beamte, sondern die Amtshandlung als solche. Träger der Amtsgewalt, gegen deren Amtshandlungen sich die Tat richten muss, sind Beamte und Behörden sämtlicher Gemeinwesen (Bund, Kantone, Bezirke, Kreise, Gemeinden) und deren Körperschaften und Anstalten (Heimgartner, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Vor Art. 285 StGB N. 3).

3.1.3 Als Amtshandlung gilt jede Handlung, die innerhalb der Amtsbefugnisse des Beamten fällt und in seiner örtlichen und sachlichen Zuständigkeit liegt. Amtshandlung ist jede Betätigung in der Funktion als Beamter. Erfasst sind alle Teilakte der Amtstätigkeit, auch Vorbereitungs- und Begleithandlungen. Entscheidend ist, dass die Handlung in Zusammenhang mit der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Funktion steht (Urteile des Bundesgerichts 6B_891/2010 vom 11. Januar 2011 E. 3.2; 6B_132/2008 vom 13. Mai 2008 E. 3.3). Bereits das «Durch-den-Zug-Gehen» eines Kondukteurs stellt eine Amtshandlung dar (Heimgartner, a.a.O., Art. 285 StGB N. 9). Der Täter hindert eine Amtshandlung bereits, wenn diese in einer Art und Weise beeinträchtigt wird, dass sie nicht reibungslos durchgeführt werden kann (BGE 103 IV 186 E. 2; Heimgartner, a.a.O., Art. 285 StGB N. 5). Der tatbestandmässige Erfolg liegt in der Beeinträchtigung der Amtshandlung durch Einsatz der vom Gesetz genannten qualifizierten Mittel der Gewalt oder Drohung (Heimgartner, a.a.O., Art. 285 StGB N. 5).

3.1.4 Das Tatbestandsmerkmal der Gewalt ist gemäss herrschender Lehre im gleichen Sinne wie bei der Nötigung auszulegen. Unter Gewalt ist demnach jede physische Einwirkung auf den Amtsträger zu verstehen. Diese muss indessen eine gewisse Intensität aufweisen, um tatbestandsmässig zu sein (Heimgartner, a.a.O., Art. 285 StGB N. 6). Zu beachten ist, dass relative Kriterien zur Bestimmung der vorausgesetzten Intensität massgebend sind. Insbesondere ist auf die Konstitution, das Geschlecht und die Erfahrung des Opfers abzustellen. Vorausgesetzt wird eine eindeutige aggressive Kraftentfaltung gegen die betreffende Amtsperson. An einem solchen fehlt es etwa bei einem leichten Rempeln im Rahmen eines «Gerangels» (Heimgartner, a.a.O., Art. 285 StGB N. 6, 15 m.w.H.), beim Um-sich-Schlagen ohne zu treffen oder beim Herumfuchteln mit den Händen (vgl. Urteil des Bundesstrafgerichts SK.2018.50 vom 25. Januar 2019 E. 3.1.).

3.1.5 Bei der Tatbestandsvariante des tätlichen Angriffs während einer Amtshandlung wird vorausgesetzt, dass der Angriff während der Amtshandlung erfolgt. Der Begriff des tätlichen Angriffs nach Art. 285 Ziff. 1 StGB stimmt nach der Rechtsprechung mit dem Begriff der Tätlichkeit nach Art. 126 StGB überein. Ein tätlicher Angriff besteht mithin in einer unmittelbaren körperlichen Aggression im Sinne von Art. 126 StGB. Eine Tätlichkeit liegt vor bei einer das allgemein übliche und gesellschaftlich geduldete Mass überschreitenden physischen Einwirkung auf einen Menschen, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge hat (BGE 134 IV 189 E. 1.2). Die Verursachung von Schmerzen ist dabei nicht erforderlich (BGE 117 IV 14). Eine Tätlichkeit muss gleichwohl von einer gewissen Intensität sein. Das Verursachen eines deutlichen Missbehagens genügt (vgl. zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 6B_883/2018 vom 18. Dezember 2018 E. 1.2).

3.1.6 Der subjektive Tatbestand verlangt Vorsatz; Eventualvorsatz genügt (Art. 12 Abs. 1 und 2 StGB). Dem Täter muss bewusst sein, dass es sich bei seinem Gegenüber möglicherweise um einen Amtsträger handelt. Zudem muss sich sein Vorsatz auch auf die Amtshandlung beziehen, d.h. der Täter muss um das mögliche Vorliegen einer Amtshandlung wissen, wobei auch hier Eventualvorsatz ausreicht. Die Handlung des Täters muss weiter vom Willen getragen sein, den Amtsträger an der Amtshandlung zu hindern (Urteil des Bundesgerichts 6B_132/2008 vom 13. Mai 2008 E. 3.3; Heimgartner, a.a.O., Art. 285 StGB N. 23 sowie Art. 286 StGB N. 15).

3.1.7 Bei der Tatbestandsvariante der Hinderung einer Amtshandlung durch Gewalt oder Drohung muss der Täter mit Wissen und Willen um die möglicherweise hindernde Wirkung seiner Handlung vorgehen. Zudem muss er wissen, dass seine Handlungsweise gewaltsam oder drohend ist. Bei der Tatbestandsvariante des tätlichen Angriffs während einer Amtshandlung muss der Täter zumindest in Kauf nehmen, dass seine Handlung einem tätlichen Angriff gleichkommt (Heimgartner, a.a.O., Art. 285 StGB N. 23). Ein bestimmter Beweggrund ist dabei nicht erforderlich (BGE 101 IV 62 E. 2c).

3.2 Rechtswidriger Aufenthalt (Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG)

Nach Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG macht sich strafbar, wer sich rechtswidrig, namentlich nach Ablauf des bewilligungsfreien oder des bewilligten Aufenthalts, in der Schweiz aufhält. Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG gelangt nicht zur Anwendung, wenn es der betroffenen ausländischen Person – etwa auf Grund einer Weigerung des Heimatlands, Staatsangehörige zurückzunehmen oder Ausweispapiere auszustellen (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.1.3; 125 II 217 E. 2) – objektiv unmöglich ist, legal aus der Schweiz auszureisen bzw. rechtmässig in das Heimatland zurückzukehren. Das strafrechtliche Schuldprinzip setzt die Freiheit voraus, anders handeln zu können. Ein in der Schweiz illegal anwesender Ausländer darf daher nicht nach Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG verurteilt werden, wenn ihm eine legale Ausreise aus der Schweiz objektiv nicht möglich ist (siehe dazu etwa die Urteile des Bundesgerichts 6B_274/2016 vom 15. Mai 2017 E. 1.6.1; 6B_320/2013 vom 29. August 2013 E. 2.1; 6B_482/2010 vom 7. Oktober 2010 E. 3.2.2; je mit Hinweisen).

4. Aussagen der Beteiligten

4.1 Aussagen des Beschuldigten

4.1.1 Anlässlich der formellen Befragung am 22. April 2021 um 8.07 Uhr auf dem Grenzwachtstützpunkt Z. äusserte sich der Beschuldigte wie folgt: Es stimme, dass er am 8. Mai 2020 rechtskräftig weggewiesen und am 10. Juli 2020 anlässlich des Ausreisegesprächs über die Fristen informiert worden sei. Er habe die Schweiz seit dem 8. Mai 2020 nie verlassen. Er wolle in der Schweiz bleiben, da er im Iran als Angehöriger einer Minderheit verfolgt werde. Deshalb wolle er auch keinen Pass auf der iranischen Botschaft beantragen. Er wohne gemäss einer Vereinbarung mit dem Migrationsdienst Bern an der …strasse in Y. Er erachte sich als nicht schuldig und anerkenne den Tatbestand des rechtswidrigen Aufenthalts nicht, da er nicht illegal in der Schweiz sei. Die Migrationsbehörden seien über ihn informiert (BA pag. 05-00-0005 f.).

4.1.2 Am 29. September 2021 wurde der Beschuldigte durch die Bundesanwaltschaft einvernommen. Nach dem Grund für seine Einsprache gegen den Strafbefehl vom 23. Juni 2021 gefragt, gab der Beschuldigte zu Protokoll, dass es nicht 11.00 Uhr, sondern 10.40 Uhr gewesen sei, als er einer Ausweiskontrolle am Bahnhof unterzogen worden sei. Er habe jeden Montag einen Termin bei der Psychiaterin. Er müsse jede Woche hin. Als er aus dem Zug gestiegen sei, seien «sie» vorher mit ihm im Zug gewesen. Sein Zug sei um 10.38 Uhr in Z. angekommen. Als er dann aus dem Bahnhof habe gehen wollen, sei jemand zu ihm gekommen, zwischen den Gleisen 1, 2 und 3, 4. Das sei um 10.40 Uhr gewesen (BA pag. 13-01-0007). Anlässlich der Hauptverhandlung gab der Beschuldigte hinsichtlich des Grunds für seine Einsprache gegen den Strafbefehl an, er habe seine «Akten gelesen und in diesen Akten» würden «viele Probleme dargestellt» und seien «viele Fehler» (TPF pag. 2.731.004).

4.1.3 Sodann wurde der Beschuldigte mit dem Vorhalt konfrontiert, sich der Abnahme der Fingerabdrücke durch die Grenzwachtbeamten, auch nach mehreren Erklärungsversuchen und Aufforderungen, verweigert zu haben. Beim Versuch ihn abzutasten sei der Beschuldigte aufbrausend geworden und habe sich aktiv zur Wehr gesetzt. Hierzu gab der Beschuldigte Folgendes zu Protokoll: Das stimme nicht. Er sei «nett» zu ihnen gewesen. Er sei seit 5 Jahren in der Schweiz und habe bis jetzt «auch nie Probleme gehabt mit der Polizei». Als er in dieses Gebäude reingegangen sei, hätten sie ihm gesagt: «Wirf all deine Sachen da rein». Das habe er auch gemacht. Sie hätten die Sachen mitgenommen und seien rausgegangen. Nach «eins, zwei Minuten» seien sie wieder ins Zimmer hereingekommen und hätten seine Fingerabdrücke abnehmen wollen. Er habe sie nach dem Grund gefragt, worauf sie geantwortet hätten, dass sie das machen müssten. Diese Antwort habe ihn beängstigt. Er habe gesagt, dass die Wahrheit sei, dass er das nicht machen könne, bevor er mit seiner Anwältin gesprochen habe, was sie ihm jedoch nicht erlaubt hätten. Sein Handy und all seine Sachen seien bei ihnen gewesen, weshalb er seine Anwältin nicht habe anrufen können. Er habe ihnen das gesagt, aber sie hätten «es» ihm nicht gegeben. Sie hätten ihn «noch gar nicht kontrollieren» wollen, sondern bloss seine Fingerabdrücke abnehmen. Er habe jedoch nicht gewusst warum er seine Fingerabdrücke abgeben müsse. Deshalb habe er sie nach dem Grund gefragt, worauf diese geantwortet hätten: «Das ist das Gesetz, das musst du machen, weil wir dich überprüfen wollen». Daraufhin habe er ihnen gesagt, dass er vor fünf Jahren in die Schweiz gekommen sei und damals Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Sie hätten jedoch gesagt, sie müssten das machen, woraufhin er gesagt habe: «Ok, lasst mich einfach mit meiner Anwältin sprechen», was sie ihm wiederum nicht gestattet hätten. Dann sei ihre Chefin mit einem Zettel gekommen. Darauf seien ein paar Gesetzesartikel mit rotem Stift gestanden. Die Chefin habe ihm gesagt: «Das sind unsere Gesetze, deshalb müssen wir das machen». Er habe aber nicht gewusst, was diese Artikel besagten und habe abermals nach seiner Anwältin verlangt, was die Chefin wiederum nicht gestattet habe. Die ganze Zeit sei er unter Stress und Angst gestanden. Die Chefin habe gesagt: «Wenn du das nicht freiwillig machst, dann müssen wir das von dir nehmen». […]. Er habe ihnen gesagt, er werde ihnen das nicht erlauben, bevor er nicht mit seiner Anwältin gesprochen habe, da er nicht wisse, warum er diese Fingerabdrücke abgeben müsse. Auf Frage hin gab der Beschuldigte an, nicht aufbrausend gewesen zu sein während er sich im Gebäude aufgehalten habe (BA pag. 13-01-0009 f.).

4.1.4 Alsdann wurde dem Beschuldigten vorgehalten, C. und D. mehrfach auf die Brust geschlagen und letzteren danach am Hals gepackt und zugedrückt zu haben. Hierzu äusserte sich der Beschuldigte folgendermassen: Das stimme nicht. Als er dann gesagt habe, dass er die Fingerabdrücke nicht abgeben möchte und «die Frau» gesagt habe, dass die Polizisten das von ihm nehmen würden, sei die Frau aus dem Zimmer gegangen. Die drei Polizisten hätten sich ihm genähert und die Handschuhe angezogen. […] Sie hätten sich ihm genähert und er habe seine Hände hinter dem Rücken zu einer Faust geballt. Einer von ihnen habe seine rechte Hand gehalten und der andere seine linke, ein weiterer habe ihm am Hals festgehalten. Er habe nicht zugelassen, dass sie seine Fingerabdrücke nähmen. Sie hätten ihn mit dem Gesicht auf den Boden geworfen. Bevor sie zu ihm gekommen seien, um ihm die Fingerabdrücke abzunehmen, hätten sie ihm gesagt, er solle seinen Gürtel und seine Schuhe abziehen, was er jedoch nicht getan habe. Sie hätten seine Hände und seinen Hals gehalten, weshalb er niemanden habe schlagen können. Derjenige, der seine linke Hand gehalten habe, habe seinen Daumen mit Gewalt hochziehen wollen, um seinen Fingerabdruck zu nehmen, was ihm jedoch nicht gelungen sei. Dann hätten sie zu Dritt auf seinem Rücken gekniet. Der eine habe gesagt, dass er den Spray in seinem Gesicht benutzen solle. Als das nicht funktioniert habe, hätten sie ihm Handschellen angelegt. Danach hätten sie ihn losgelassen. Auf Frage hin bestritt der Beschuldigte, D. auf die Brust geschlagen bzw. am Hals gepackt und zugedrückt zu haben (BA pag. 13-01-0010 f.).

4.1.5 Weiter wurde dem Beschuldigten vorgehalten, sich mit Tritten und Schlägen dagegen gewehrt zu haben, von den Beamten zu Boden geführt zu werden. Auf Grund seiner starken Gegenwehr seien drei weitere Grenzwachtbeamte dazugestossen, wobei diese zu sechst Mühe gehabt hätten, den Beschuldigten unter Kontrolle zu bringen. Es sei ihnen jedoch schlussendlich gelungen, ihn ins Schliesszeug zu legen. Diese Darstellung bestritt der Beschuldigte und äusserte sich wie folgt: Sie hätten ihn auf den Boden geworfen und seinen Hals und seine Hände sowie Arme gepackt und die Handschellen angelegt. Es seien nur drei Personen dagewesen. Sie hätten mit den Knien auf seinen Rücken gedrückt, sodass er nicht habe atmen können, was er ihnen gesagt habe. Derjenige, der seinen Hals gepackt habe, habe weiter zugedrückt. Nachdem sie ihm die Handschellen angelegt hätten, sei er weiter auf dem Boden gelegen und sie hätten ihn losgelassen. Er habe sich dann gedreht um sich auf den Boden zu setzen. Einer von ihnen habe zu ihm gesagt: «Setz[e] dich auf den Stuhl». Aber wegen des Drucks auf den Rücken habe er sich danach nicht mehr bewegen können. Er habe dann gesagt, dass er das nicht könne. Einer sei gekommen und habe ihn hochgehoben und auf den Stuhl gesetzt. Es habe eine Stange neben dem Stuhl gegeben. Sie hätten die Handschellen an die Stange neben dem Stuhl festgemacht. Dann hätten sie ihm die Schuhe und den Gurt ausgezogen und seien dann aus dem Zimmer gegangen. Er habe ihnen die ganze Zeit gesagt, er wolle mit seiner Anwältin reden. Danach gefragt, ob ihm mitgeteilt worden sei, um welche Art von Beamten es sich gehandelt habe, gab der Beschuldigte zu Protokoll, dass diese gesagt hätten, sie seien von der Polizei und wollten seinen Ausweis kontrollieren (BA pag. 13-01-0011 f.).

4.1.6 Anlässlich der Hauptverhandlung bestätigte der Beschuldigte seine im Rahmen der Einvernahme vom 29. September 2021 bei der Bundesanwaltschaft getätigten Aussagen und bestritt abermals, gegenüber den Grenzwächter aufbrausend oder gar tätlich geworden zu sein. Nicht er habe D. berührt oder angegriffen, sondern dieser habe ihn am Hals gepackt und er habe das Gefühl gehabt, nicht mehr atmen zu können. Er habe lediglich seine Anwältin sprechen wollen bevor er seine Fingerabdrücke abgebe. Er habe während der Kontrolle «unheimlich Angst» gehabt, da er «sehr schlechte Erinnerungen mit den Polizisten im Iran» habe. Er habe befürchtet, inhaftiert und zwangsweise in den Iran repatriiert zu werden. Die dokumentierten Verletzungen D.'s seien entstanden, da dieser «eine weisse Haut» habe, der Beschuldigte habe «niemanden geschlagen». Die ganze Situation sei für ihn, wie auch von seiner behandelnden Ärztin B. beschrieben, ein «Trigger Moment» im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf Grund von Erlebnissen im Iran gewesen (TPF pag. 2.731.004 ff.).

4.1.7 Im Rahmen seiner Einvernahme bei der Bundesanwaltschaft vom 29. September 2021 wurde dem Beschuldigten zudem vorgehalten, sich seit dem 1. August 2020 rechtswidrig in der Schweiz aufzuhalten. Hierzu äusserte sich der Beschuldigte folgendermassen: Er habe jetzt eine private Unterkunft. Er sei «nicht ganz illegal». Als sein Asylverfahren abgelehnt worden sei, habe man ihm einen Brief geschickt. Darin sei gestanden, dass er zurück in den Iran müsse. Seine Umstände erlaubten ihm die Rückkehr jedoch nicht. Im Iran würde man ihn umbringen oder er würde sein ganzes Leben im Gefängnis verbringen müssen. Der Kanton habe gesagt, er könne nicht in den Iran ausgeschafft werden, er müsse freiwillig gehen. Dies habe er abgelehnt. Sie hätten gesagt, dass er wählen könne, zwischen dem Zentrum und einer privaten Unterkunft. Sie hätten akzeptiert, dass er in einer privaten Unterkunft bleibe und sie ihm helfen würden. Er habe ein Formular unterschrieben, auf dem gestanden sei, dass er in der Schweiz bleiben werde. Er habe also ein entsprechendes Formular vom Kanton, dass er in der Schweiz bleibe und sei folglich nicht illegal in der Schweiz (BA pag. 13-01-0015). Anlässlich der Hauptverhandlung wiederholte der Beschuldigte diese Aussagen im Wesentlichen (TPF pag. 2.731.008 f.).

4.2 Aussagen von D.

4.2.1 Am 12. April 2021 verfasste D. einen Wahrnehmungsbericht zum Kontrollvorgang des Beschuldigten am selbigen Tag. Diesem ist folgende Darstellung zu entnehmen: Es sei durch die Kontrollierenden festgestellt worden, dass der Beschuldigte nicht im Besitze eines gültigen Aufenthaltstitels gewesen sei. Deshalb sei der Beschuldigte zur weitergehenden Kontrolle auf den Grenzwachtposten des Bahnhofs Z. verbracht worden. Bei Ankunft hätten sie den Beschuldigten auf die Zelle gebracht, um seine persönlichen Effekte zu kontrollieren. Sie hätten ihm erklärt, dass sie seine Fingerabdrücke abnehmen sowie seine Schuhe und seinen Gurt entfernen wollten. Hierbei sei der Beschuldigte aufbrausend geworden und habe gesagt, er wolle mit seinem Anwalt sprechen. Er sei nicht mit der Abnahme seiner Fingerabdrücke einverstanden. Hierauf habe D. ihn aufgefordert, seine Schuhe abzuziehen, woraufhin er entgegnet habe, dass er dies nicht wolle. Sodann habe D. ihn gefragt, ob er einen Gurt trage, was er verneint habe, obwohl D. vorher habe beobachten können, dass er einen getragen habe. C. und D. hätten sich entschieden, den Beschuldigten für ihre eigene Sicherheit abzutasten. Als sich C. neben den Beschuldigten begeben und ihm erklärt habe, dass er sich an die Wand anzulehnen habe, um abgetastet zu werden, habe der Beschuldigte die Arme verschränkt und sich an die Wand angelehnt. Daraufhin habe ihn C. am linken Arm gepackt, um ihn in Richtung Wand zu führen. Der Beschuldigte habe Widerstand geleistet und als D. sich ihm genähert habe, habe der Beschuldigte diesen an Oberkörper und Arm geschlagen. D. habe sich ihm erneut genähert und ihn aufgefordert, sich zu beruhigen. Hierauf habe der Beschuldigte D. am Hals gepackt und versucht, diesen zu würgen. D. habe sich aus der Umklammerung auf der Höhe des Nackens gelöst um den Beschuldigten zu Boden zu führen. Vom Boden aus habe der Beschuldigte nach D. getreten. In diesem Moment seien E. und F. hinzugekommen um dabei zu helfen, den Beschuldigten zu überwältigen. Sie hätten diesen mehrfach dazu aufgefordert, die Hände hinter den Rücken zu tun, was der Beschuldigte nicht getan habe. Dieser habe sich vielmehr weiterhin physisch gewehrt und habe versucht, mit Armen und Beinen um sich zu schlagen. Zudem habe er die Anwesenden mit «Fick dich!! Motherfucker!! Arschloch!!» beschimpft. Schliesslich sei es den Beamten gelungen, dem Beschuldigten Handschellen anzulegen. Sie hätten diesen auf die Bank gesetzt und ihn an den Ring fixiert, sodass er nicht in der Lage sei, weiter um sich zu schlagen. Währenddem er fixiert gewesen sei, habe der Beschuldigte mit dem Kopf an die Wand geschlagen, kräftig an der Fixierung gerissen und weiter lautstark Beschimpfungen von sich gegeben sowie seinen Anwalt verlangt. D. habe sich zum Gesundheitszentrum G. am Bahnhof Z. zur ärztlichen Kontrolle der Verletzungen und Schmerzen an Hals und rechtem Arm begeben (BA pag. 05-00-0025 f.).

4.2.2 Anlässlich seiner Einvernahme vom 29. September 2021 als Auskunftsperson wiederholte D. diese Darstellung im Wesentlichen. Die Frage, ob er Schmerzen gehabt habe, bejahte er und gab an, dass diese «einige Tage nach dem Vorfall bestehen» geblieben seien. Längerfristige Verletzungen habe er jedoch keine davongetragen (BA pag. 12-01-0009).

4.3 Aussagen von C.

4.3.1 C. verfasste ebenfalls am 12. April 2021 einen Wahrnehmungsbericht zum Vorfall am selbigen Tag. Seine Darstellung korrespondiert im Wesentlichen mit dem Bericht von D.. Hinsichtlich der Schläge des Beschuldigten gegen D. während des Versuchs, den Beschuldigten abzutasten, spricht C. – leicht abweichend von D. – davon, dass der Beschuldigte D. «von sich weggestossen» habe. Die Schläge seitens des Beschuldigten auf die Brust von D. bezeugt C. hingegen gleichlautend mit D. (BA pag. 05-00-0024).

4.3.2 Anlässlich seiner Einvernahme vom 30. September 2021 als Auskunftsperson wiederholte C. diese Aussagen im Wesentlichen. Er fügte hinzu, dass es nicht möglich sei, dass man versucht hätte, dem Beschuldigten die Daumenabdrücke abzunehmen, da immer die Zeigefingerabdrücke genommen würden. Zudem habe er lediglich beobachten können, wie H. auf dem Schulterblatt des Beschuldigten gekniet habe, nicht auf dessen Rücken. Zuletzt fügte er hinzu, dass es vor dem Angriff des Beschuldigten auf D. zu keinem physischen Kontakt zwischen den beiden gekommen sei (BA pag. 12-02-0008 ff.).

4.4 Aussagen von E.

Anlässlich seiner Einvernahme vom 30. September 2021 als Auskunftsperson gab E. eine mit den Aussagen des D. sowie des C. im Wesentlichen deckungsgleiche Darstellung der Vorkommnisse vom 12. April 2021 zu Protokoll. Wie die körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und D. begonnen habe, habe er nicht beobachten können. Er habe einzig gesehen, wie die rechte Hand des Beschuldigten am Hals von D. gewesen sei (BA pag. 12-03-0005 ff.).

4.5 Aussagen der weiteren Anwesenden

4.5.1 Aussage von I.

I. sagte wie folgt schriftlich aus: Anlässlich seines Dienstes vom 12. April 2021 als «Stagier» des Zoll J. auf dem Grenzwachtstützpunkt Z., seien seine Kollegen am Vormittag mit einem Herrn in die Räumlichkeiten des Grenzwachtstützpunkts Z. gekommen. Sie seien in den Festhalteraum gegangen, um eine «eingehende Kontrolle» durchzuführen. Er selbst sei im hinteren Teil des Grenzwachtstützpunkts Z. gewesen und habe gehört, wie sich die männliche Person geweigert habe, die Fingerabdrücke zu geben und sich lautstark geweigert habe, zu kooperieren. Nach etwa 10-15 Minuten habe es ein Geschrei gegeben und es habe «gerumpelt». Er habe sich zur Zelle begeben, um nachzusehen ob er helfen könne und habe beobachtet, wie seine Kollegen versucht hätten, den Mann zu arretieren. Nach ein paar Minuten hätten sie es geschafft und hätten den Herrn auf die Bank gesetzt und die Zellentür geschlossen. Während der ganzen Zeit habe der Mann die Kollegen als «Arschlöcher» beschimpft und einen Anwalt verlangt. Weiteres habe er nicht mitbekommen, da sich der Herr beruhigt habe, als eine Frau gekommen sei (BA pag. 05-00-0030).

4.5.2 Wahrnehmungsbericht von F.

Der Bericht von F. hinsichtlich des Vorfalls vom 12. April 2021 deckt sich im Wesentlichen mit dem Bericht von I. (BA pag. 05-00-0029).

4.5.3 Wahrnehmungsbericht von K.

K. verfasste ebenfalls einen Wahrnehmungsbericht, dem folgende Darstellung zu entnehmen ist: Anlässlich ihres Dienstes vom 12. April 2021 auf dem Grenzwachtstützpunkt Bahnhof Z., seien ihre Mitarbeiter Wm C., Kpl D. und E. mit dem Beschuldigten in die Räumlichkeiten des Grenzwachtstützpunkts gekommen. Wm C. habe sie über den Sachverhalt informiert und der Beschuldigte sei in den Festhalteraum verbracht worden. Sie habe die Abklärungen hinsichtlich des Aufenthalts vorgenommen und Wm C. den Beschuldigten über das weitere Vorgehen informiert, d.h., dass zwecks Identitätsfeststellung die Fingerabdrücke aufgenommen würden. Der Beschuldigte habe sich verbal geweigert, dies zuzulassen. Wm C. habe den Beschuldigten mehrmals sachlich über die Rechtmässigkeit der Identitätsfeststellung und seine Mitwirkungspflicht informiert, dies jedoch ohne Erfolg. Aufgrund dessen habe sie dem Beschuldigten erklärt, dass wenn er sich weiterhin weigere bzw. sie weiterhin an der Kontrolle hindere, dies eine Anzeige nach Art. 286 StGB nach sich ziehen werde. Der Beschuldigte habe sich weiterhin geweigert. Da eine Fingerabdruck-Aufnahme auf Grund dessen nur unter Zwang möglich gewesen sei, habe sie den Kaderpikett des Grenzwachtkorps informieren wollen und habe den Festhalteraum verlassen. Die zwischenzeitlich durchgeführte Sicherheitskontrolle, d.h. das Abtasten nach gefährlichen Gegenständen, sei in ein Gerangel ausgeartet, sodass sie keinen Kontakt mit dem Pikettdienst habe aufnehmen können. Zurück im Festhalteraum habe sie gesehen, wie ihre Mitarbeiter versucht hätten, den Beschuldigten zu fixieren. Dieser habe sich mit sehr grosser Kraft gewehrt sowie um sich geschlagen und getreten. Zusammen mit zwei weiteren Mitarbeitern habe der Beschuldigte fixiert und die Handschellen angelegt werden können. Auf Grund seines weiterhin renitenten Verhaltens sei der Beschuldigte an die Wandhalterung fixiert worden. Wm C. habe sie informiert, dass Kpl D. durch den Beschuldigten geschlagen und am Hals gewürgt worden sei. Sie habe feststellen können, dass Kpl D. eine sehr starke Rötung am Hals gehabt habe und entschieden, dass er umgehend zur ärztlichen Untersuchung müsse. Beim Beschuldigten habe sie keine Verletzungen feststellen können. Dieser sei im Festhalteraum allein gelassen und via Video überwacht worden. Bei der Videoüberwachung des Festhalteraum, habe sie gesehen, wie der Beschuldigte, als er alleine gewesen sei, mehrmals seinen Kopf an die Wand geschlagen habe und permanent an seinen Handschellen gezogen habe. Auf Grund der Vorkommnisse sei ein weiteres Team unter der Führung von Fw L. beigezogen worden. Es seien diverse Telefonate zugelassen worden, so habe der Beschuldigte mit seinem Betreuer (M.) einem Rechtsbeistand und seiner Therapeutin (Frau B.) telefonieren können. Weiter sei gestattet worden, dass seine Therapeutin vor Ort komme, damit sie den Beschuldigten sprechen und ihn beruhigen könne. Nach dem Gespräch mit seiner Therapeutin im Festhalteraum habe sich der Beschuldigte soweit beruhigt, sodass die Handschellen hätten entfernt werden können und die Abnahme der Fingerabdrücke möglich gewesen sei. Weiter sei vereinbart worden, die Einvernahme auf einen späteren Termin zu verschieben. Der Beschuldigte habe ausdrücklich auf eine ärztliche Untersuchung verzichtet. Die weiteren Kontrolltätigkeiten und Kommunikation mit dem Beschuldigten, seiner Therapeutin und seinem Heimleiter seien ausnahmslos durch Fw L. erfolgt (BA pag. 05-00-0027 f.).

4.5.4 Wahrnehmungsbericht von N.

Der Bericht von N. deckt sich im Wesentlichen mit den Wahrnehmungen von I. (BA pag. 05-00-0032).

4.5.5 Wahrnehmungsbericht von O.

Auch der Bericht von O. deckt sich im Wesentlichen mit den Darstellungen von I. (BA pag. 05-00-0031).

5. Beweiswürdigung und Subsumtion

5.1 Zu prüfen ist, ob sich der Beschuldigte der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziff. 1 StGB) strafbar gemacht hat.

5.1.1 Die Aussagen der anwesenden Grenzwachtbeamten sind in sich stimmig, deutlich und anschaulich. Sie zeichnen sich u.a. durch logische Konsistenz und Detailreichtum aus. In den Einvernahmen bzw. Wahrnehmungsberichten legten einzelne Beamte ihre Gefühlslage während der Vorkommnisse dar, beispielsweise das Schmerzempfinden im Anschluss an die Schläge des Beschuldigten. Diese Beschreibung von eigenpsychischen Vorgängen ist Teil eines hohen Detaillierungsgrads in qualitativer Hinsicht (vgl. Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Aufl. 2011, S. 27). Es werden auch Nebensächlichkeiten (z.B. die Abnahme der Zeigefingerabdrücke anstatt der Daumenabdrücke) geschildert, was Glaubhaftigkeit indiziert (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 3. Aufl. 2007, S. 95). All dies sind sogenannte Realkennzeichen. Die hohe Qualität der Realkennzeichen ist ein Hinweis auf die Erlebnisbasiertheit einer Aussage (Ludewig/Baumer/Tavor: Aussagepsychologie für die Rechtspraxis, 2017, S. 63). Ferner verzichtete etwa E. darauf, den Beschuldigten zu belasten, etwa indem er betonte, nicht gesehen zu haben, wie die körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und D. begann. Diese Entlastung bzw. Nichtbelastung der beschuldigten Person ist ein Merkmal, welches auf eine fehlende strategische Selbstdarstellung hinweist (vgl. Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 47 f.) und für die Glaubhaftigkeit spricht. Schliesslich finden sich in den Aussagen der Grenzwachtbeamten auch sogenannte negative Komplikationsketten, etwa, wenn es um die zahlreichen Versuche geht, den Beschuldigten von der Notwendigkeit der Abnahme seiner Fingerabdrücke zu überzeugen. Das Schildern vergeblicher Bemühungen und wiederholter Versuche ist eine inhaltliche Steigerungsform der Detaillierung und typisch für glaubhafte Aussagen (Arntzen, a.a.O., S. 34). Die Aussagen der Grenzwachtbeamten im Rahmen des Vorverfahrens geben in ihrer Gesamtheit in Bezug auf das hier interessierende Hauptgeschehen ein eindeutiges schlüssiges Bild. Es kann m.a.W. auch von Homogenität gesprochen werden (vgl. dazu Arntzen, a.a.O., S. 48).

5.1.2 Bei den Aussagen des Beschuldigten hingegen sind die Realkennzeichen deutlich weniger ausgeprägt. Die Aussagen bleiben meist vage, es entsteht zuweilen der Eindruck, der Beschuldigte würde den Vorfall herunterspielen wollen. Zwar bestätigt er einen Streit und ein Gerangel; wenn es um die konkreten Vorwürfe (insbesondere hinsichtlich der Beschimpfungen sowie der von ihm abgegebenen Schläge) geht, beschränkt sich der Beschuldigte jedoch grossmehrheitlich auf pauschales Bestreiten. Die Aussagen erscheinen sehr selektiv und blenden aus und sind nicht mit denjenigen der anwesenden Grenzwachtbeamten in Einklang zu bringen.

5.1.3 Vergleicht man die Aussagen, kommt man insgesamt zum Ergebnis, dass die Schilderungen der anwesenden Grenzwachtbeamten wesentlich glaubhafter erscheinen als diejenigen des Beschuldigten. Im Übrigen ist nicht erkennbar, welches Motiv die Beamten hätten, eine Geschichte zu erfinden und den Beschuldigten zu Unrecht zu belasten.

5.1.4 Nicht umstritten und beweismässig erstellt ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschuldigte einer Kontrolle durch die Grenzwachtbeamten unterzogen wurde und es dabei zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und D. kam. Die entsprechenden (leichten) Verletzungen von D. sind fotografisch dokumentiert. Auf den Aufnahmen ist klar ersichtlich, dass D. am Hals gewürgt wurde sowie starke Rötungen an weiteren Körperbereichen davontrug (BA pag. 05-00-0034). Entgegen den Bestreitungen des Beschuldigten, ist auf Grund der übereinstimmenden Aussagen der Grenzwachtbeamten beweismässig erstellt, dass der Beschuldigte D. auf die Brust schlug und ihn am Hals würgte. Erstellt ist zudem, dass er ihn zumindest mit Gewalt wegstiess. Hiermit erfüllte der Beschuldigte den Tatbestand von Art. 285 Ziff. 1 StGB im Sinne der angeklagten Variante des tätlichen Angriffs während einer Amtshandlung in objektiver Hinsicht.

5.1.5 In subjektiver Hinsicht ist festzuhalten, dass dem Beschuldigten bewusst war, dass er es mit Beamten zu tun hatte, da sich diese klar als solche zu erkennen gegeben hatten und er sich in einer Kontrolle befand. Die Grenzwachtbeamten waren befugt, die Fingerabdrücke des Beschuldigten abzunehmen (Art. 111i Abs. 6 AIG). Auch dies war dem Beschuldigten bewusst, wurde er von den Grenzwachtbeamten doch unbestrittenermassen über die gesetzlichen Grundlagen belehrt. Selbst wenn er diese, wie vom Beschuldigten vorgebracht, nicht verstanden haben sollte, so lagen keine Indizien vor, auf Grund derer er von einer nichtigen Amtshandlung hätte ausgehen müssen bzw. dürfen (BA pag. 13-01-0010 f.). Vielmehr hatte er mit einer Abnahme der Fingerabdrücke durch die Grenzwachtbeamten zu rechnen und diese auch zu dulden. Der Beschuldigte erfüllte somit den Tatbestand von Art. 285 Ziff. 1 StGB ebenfalls in subjektiver Hinsicht. Rechtfertigungs- und Schuldausschlussgründe sind keine ersichtlich.

5.1.6 Auf Grund des Ausgeführten ist der Beschuldigte wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte i.S.v. Art. 285 Ziff. 1 StGB schuldig zu sprechen.

5.2 Zuletzt ist zu prüfen, ob sich der Beschuldigte des rechtswidrigen Aufenthalts i.S.v. Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG schuldig gemacht hat.

5.2.1 Erstellt, und auch nicht bestritten, ist, dass das Asylgesuch des Beschuldigten rechtskräftig abgewiesen wurde. Aus diesem Grund ist der Beschuldigte seit dem 31. Juli 2020 (Ausreisefrist) verpflichtet, das Hoheitsgebiet der Schweiz zu verlassen. Dies wurde ihm mehrfach mitgeteilt, namentlich anlässlich des Ausreisegesprächs. Gemäss Auskunft des Migrationsdienstes des Kantons Bern kann die Ausreise nicht gegen den Willen des Beschuldigten vollzogen werden, da sich dieser weigert, die nötigen Ausweispapiere zu beschaffen. Aus diesem Grund wurde dem Beschuldigten gewährt, bis zu seiner Ausreise in einer privaten Unterkunft Aufnahme zu finden (BA pag. 18-01-0004 f.). Wenn der Beschuldigte aus diesem Arrangement schliesst, dass er das Recht habe, in der Schweiz zu verweilen, so tut er dies wider besseren Wissens.

5.2.2 Im Ergebnis erfüllte der Beschuldigte den Tatbestand des rechtswidrigen Aufenthalts i.S.v. Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht.

5.2.3 Rechtfertigungsgründe sind unter vorliegenden Umständen aufgrund der fehlenden Kooperation des Beschuldigten nicht gegeben (vgl. E. 3.2). Schuldausschlussgründe sind keine ersichtlich.

6. Strafzumessung

6.1 Rechtliches

6.1.1 Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (Abs. 2). Dem (subjektiven Tatverschulden) kommt somit bei der Strafzumessung eine entscheidende Rolle zu (BGE 136 IV 55 E. 5.4). Ausgehend von der objektiven Tatschwere hat der Richter dieses Verschulden zu bewerten. Er hat im Urteil darzutun, welche verschuldensmindernden und welche verschuldenserhöhenden Gründe im konkreten Fall gegeben sind, um so zu einer Gesamteinschätzung des Tatverschuldens zu gelangen (BGE 136 IV 55 E. 5.5). Der Gesetzgeber hat einzelne Kriterien aufgeführt, welche für die Verschuldenseinschätzung von wesentlicher Bedeutung sind und das Tatverschulden vermindern bzw. erhöhen (BGE 136 IV 55 E. 5.5 und 5.6). Es liegt im Ermessen des Gerichts, in welchem Umfang es die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Dabei ist es nicht gehalten, in Zahlen oder Prozenten anzugeben, wie es die einzelnen Strafzumessungskriterien berücksichtigt (BGE 136 IV 55 E. 5.6; 134 IV 17 E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_650/2007 vom 2. Mai 2008 E. 10.1).

6.1.2 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat, d.h. derjenigen Tat, die mit der schwersten Strafe bedroht ist, und erhöht sie angemessen (Asperationsprinzip). Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB).

6.2 Strafrahmen

Der Strafrahmen des vorliegend gravierendsten Tatbestands, der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziff. 1 StGB), erstreckt sich von Geldstrafe von drei Tagessätzen (Art. 34 Abs. 1 StGB) bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Bei der pekuniären Sanktion beträgt die Höchststrafe 180 Tagessätze (Art. 34 Abs. 1 StGB). Der Strafrahmen des Tatbestands des rechtswidrigen Aufenthalts (Art. 115 Abs. 1 AIG) erstreckt sich von Geldstrafe von drei Tagessätzen (Art. 34 Abs. 1 StGB) bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. In Anbetracht des noch leichten Verschuldens des Beschuldigten kommen vorliegend als Sanktionen nur je Geldstrafe in Betracht. Auf Grund der Gleichartigkeit der auszusprechenden Sanktionen, bzw. der vorzunehmenden Asperation (Art. 49 Abs. 1 StGB), beträgt der konkrete Strafrahmen somit Geldstrafe von vier bis 180 Tagessätzen.

6.3 Tatkomponente

6.3.1 In objektiver Hinsicht ist anzumerken, dass sich der Vorfall über einen nicht unerheblichen Zeitraum erstreckte, wobei der Beschuldigte mehrfach laut und ausfällig wurde und Beschimpfungen von sich gab. Zudem geschah dies anlässlich einer legitimen Kontrolle, im Rahmen derer die betreffenden Grenzwächter ihre gesetzlichen Befugnisse ausübten. Hinsichtlich des rechtswidrigen Aufenthalts ist hervorzuheben, dass sich der Beschuldigte nach eigenen Aussagen bereits seit 2015 rechtswidrig in der Schweiz aufhält (TPF pag. 2.731.008), was einen erheblichen Zeitraum darstellt. Insgesamt wirken sich die objektiven Tatkomponente leicht straferhöhend aus.

6.3.2 Der Beschuldigte musste mit einer Personenkontrolle, ggf. mit Abnahme der Fingerabdrücke, rechnen und es war ihm bewusst, dass die betreffenden Grenzwächter die Befugnis dazu hatten, diese durchzuführen. Erschwerend fällt ins Gewicht, dass die betreffenden Grenzwächter den Beschuldigten zunächst höflich aufforderten, seine Fingerabdrücke abzugeben. Anstatt kooperativ zu handeln, fühlte sich der Beschuldigte jedoch im Recht und hielt es gar für opportun, die Grenzwächter wüst zu beschimpfen und gar einen von ihnen tätlich anzugreifen. Zugunsten des Beschuldigten wirkt sich hingegen aus, dass dessen aggressives Verhalten gemäss eigenen Aussagen in Zusammenhang mit «schlechte[n] Erinnerung[en]» an Begegnungen mit iranischen Polizisten steht. So habe der Beschuldigte «unheimlich Angst» gehabt, als er aufgefordert worden sei, seine Fingerabdrücke abzugeben. Er habe in diesem Moment befürchtet, entweder in Haft genommen oder zwangsweise in den Iran repatriiert zu werden (TPF pag. 2.731.006). Diese Aussagen decken sich mit der Diagnose von dessen behandelnder Ärztin B., wonach der Beschuldigte unter einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode in Zusammenhang mit «Inhaftierung und Folter im Heimatland» leide. Im Lichte dieser Diagnose liessen die seitens des Beschuldigten gemachten Aussagen darauf schliessen, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass er sich drohend, bzw. gewalttätig verhalten habe, sondern dass es sich um «impulsive aggressive Reaktionen im Rahmen der emotionalen Überregung und massiven Angst» gehandelt habe, die durch das «Wiedererleben traumatischer Erfahrungen» bedingt gewesen seien (TPF 2.264.1.006 ff.). Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass auch die konsequente Weigerung seitens des Beschuldigten, sich Ausweise für die Rückkehr in den Iran zu beschaffen, mit diesem Krankheitsbild zusammenhängt. So gab der Beschuldigte anlässlich der Hauptverhandlung denn auch zu Protokoll, nicht in den Iran zurückkehren zu können, da er von dort geflohen sei, um nicht ins Gefängnis zu kommen bzw. dem Tod zu entrinnen (TPF pag. 2.731.008). Die subjektiven Tatkomponente wirken sich folglich erheblich strafmindernd aus.

6.3.3 In Würdigung der objektiven und subjektiven Tatkomponente ist das Verschulden noch im leichten Bereich anzusiedeln, wobei klar festzuzuhalten ist, dass es sich vorliegend nicht mehr um einen Bagatellfall handelt. Unter Berücksichtigung des beschriebenen Zustands des Beschuldigten erscheint eine Einsatzstrafe von 45 Tagessätzen angemessen.

6.4 Täterkomponente

6.4.1 Der Beschuldigte ist im Jahr 2015 in die Schweiz eingereist (TPF pag. 2.731.008) und begann zunächst eine Ausbildung im Bereich Haustechnik, die er jedoch auf Grund der fehlenden Aufenthaltsbewilligung nicht abschliessen konnte (BA pag. 18-01-0005; TPF pag. 2.731.003). Derzeit ist er in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht und wird medikamentös behandelt (TPF pag. 2.731.002). Anlässlich der Hauptverhandlung nach seinen Zukunftsplänen gefragt, gab der Beschuldigte an, sein Leben wieder aufzubauen und weiterhin einer Therapie folgen zu wollen. Der Beschuldigte ist derzeit nicht arbeitstätig und bezieht gemäss eigenen Aussagen eine finanzielle Hilfe seitens einer Flüchtlingsorganisation im Umfang von Fr. 240.-- pro Monat. Er besitze weder Vermögen noch habe er Unterstützungspflichten (TPF 2.731.003). Was das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten anbelangt, so wirken sich diese neutral auf die Strafzumessung aus. Strafmilderungs- oder minderungsgründe sind nicht ersichtlich.

Der Beschuldigte bestritt den Sachverhalt durchwegs, verhielt sich jedoch hinsichtlich seines Aussageverhaltens zumindest durchschnittlich kooperativ. Er hat sich seit Begehung der Tat wohl verhalten (was erwartet werden darf). Allerdings zeigte er weder Einsicht noch Reue für die begangenen Taten. Insgesamt wirken sich die Täterkomponente neutral auf die Strafzumessung aus.

6.4.2 Gemäss Art. 34 Abs. 2 StGB beträgt ein Tagessatz i.d.R. mindestens Fr. 30.-- und höchstens Fr. 3'000.--. Gebieten es die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kann der Tagessatz auf Fr. 10.-- gesenkt werden. Das Gericht bestimmt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum. Ausgangspunkt für die Bemessung bildet das Einkommen. Zum Einkommen zählen ausser den Einkünften aus selbständiger und unselbständiger Arbeit u.a. private Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge. Angesichts des Umstands, dass der Beschuldigte von sog. Nothilfe lebt, ist eine ausnahmsweise Reduktion des Tagessatzes auf Fr. 10.-- indiziert.

6.4.3 In Würdigung sämtlicher Strafzumessungsfaktoren erachtet das Gericht eine Geldstrafe von 45 Tagessätzen à Fr. 10.-- für Tat und Verschulden als angemessen.

6.4.4 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe in der Regel auf, wenn eine unbedingte Geldstrafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB).

6.4.5 Das Gericht erachtet die Voraussetzungen für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB als erfüllt: Der Beschuldigte ist nicht vorbestraft. Er befindet sich derzeit in psychiatrischer Behandlung und ist auch gewillt, diese weiterzuführen (TPF pag. 2.731.002 f.). Diese Umstände wirken sich stabilisierend auf seine persönlichen Verhältnisse aus. Aus spezialpräventiven Gesichtspunkten und mit Blick auf seine Zukunftsperspektiven erscheint ein Strafaufschub angezeigt. Das Gericht geht davon aus, dass die vorliegende Bestrafung den Beschuldigten von künftigem kriminellem Verhalten abhalten wird. Es kann ihm insgesamt eine gute Prognose gestellt und der bedingte Strafvollzug gewährt werden. Auf Grund der dargestellten finanziellen und persönlichen Situation des Beschuldigten erscheint die Verhängung einer Verbindungsbusse i.S.v. Art. 42 Abs. 4 StGB nicht opportun.

6.4.6 Dem Verschulden entsprechend erachtet das Gericht eine Probezeit von zwei Jahren als angezeigt.

7. Weisung

Gemäss den Ausführungen der behandelnden Ärztin B. habe diese in ihrem Konsultationsbericht vom 12. April 2021 folgende Diagnose betreffend den Beschuldigten festgehalten: «Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige bis schwere depressive Episode mit wiederkehrender Suizidalität, posttraumatische Belastungsstörung, Folterung, Verfolgung und Diskriminierung im Heimatland». Diese Diagnose habe den Beschuldigten auch während der vorliegend zu beurteilenden Taten beeinflusst. Es seien Behandlungsmöglichkeiten in Form von Psychotherapie und Medikation vorhanden. Der Beschuldigte sei auch entsprechend therapiewillig (TPF pag. 2.264.1.007). Mit anderen Worten befürwortet die behandelnde Ärztin die Weiterführung der psychotherapeutischen Behandlung. Eine solche erscheint zweifellos geeignet, den Beschuldigten zu unterstützen. Jedoch erscheint fraglich, ob die Voraussetzungen zur Anordnung einer ambulanten Massnahme gegeben sind. Für die Erteilung einer Weisung zur ärztlichen und psychologischen Betreuung ist jedoch nicht erforderlich, dass die Voraussetzungen von Art. 63 StGB erfüllt sind (Trechsel/Aebersold, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2021, Art. 94 StGB N. 6). Der Beschuldigte erklärte anlässlich der Hauptverhandlung, dass er «weiter Therapie machen» und sein Leben «wiederaufbauen» wolle (TPF pag. 2.731.002 f.). Da der Beschuldigte offensichtlich einsieht, dass eine psychiatrische Betreuung erforderlich ist, ist ihm die Weisung zu erteilen, sich einer solchen zu unterziehen.

8. Vollzugskanton

Als Vollzugskanton ist der Kanton Bern zu bestimmen (Art. 74 Abs. 2 StBOG).

9. Verfahrenskosten

9.1 Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren zur Deckung des Aufwands und den Auslagen im konkreten Straffall (Art. 422 Abs. 1 StPO; Art. 1 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]). Die Gebühren sind für die Verfahrenshandlungen geschuldet, die im Vorverfahren von der Bundeskriminalpolizei und von der Bundesanwaltschaft sowie im erstinstanzlichen Hauptverfahren von der Strafkammer des Bundesstrafgerichts durchgeführt oder angeordnet worden sind (Art. 1 Abs. 2 BStKR). Die Höhe der Gebühr richtet sich nach Bedeutung und Schwierigkeit der Sache, der Vorgehensweise der Parteien, ihrer finanziellen Situation und dem Kanzleiaufwand (Art. 5 BStKR); sie bemisst sich nach Art. 6 und Art. 7 BStKR. Die Auslagen umfassen die vom Bund vorausbezahlten Beträge, namentlich die Kosten für die amtliche Verteidigung, Übersetzungen, Gutachten, Mitwirkung anderer Behörden, Porti, Telefonspesen und andere entsprechende Kosten (Art. 422 Abs. 2 StPO; Art. 1 Abs. 3 BStKR).

9.2 Die Bundesanwaltschaft macht für das Vorverfahren eine Gebühr von insgesamt Fr. 1'200.-- geltend. Die Gebühr liegt innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens von Art. 6 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 lit. c BStKR und erscheint angemessen. Die Gebühr für das erstinstanzliche Hauptverfahren wird gemäss Art. 1 Abs. 4, Art. 5 und 7 lit. a BStKR auf Fr. 800.-- festgesetzt. Ohne Berücksichtigung der Kosten der erbetenen Verteidigung betragen die dem Beschuldigten auferlegbaren Verfahrenskosten im Ergebnis insgesamt Fr. 2'000.--.

9.3 Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Ausgenommen sind die Kosten für die amtliche Verteidigung (Art. 426 Abs. 1 StPO). Sie hat lediglich diejenigen Kosten zu tragen, die mit der Abklärung des zur Verurteilung führenden Delikts entstanden sind, d.h. es muss ein adäquater Kausalzusammenhang gegeben sein (Schmid/Jositsch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 426 StPO N. 1; Urteil des Bundesgerichts 6B_428/2012 vom 19. November 2012 E. 3).

Der Beschuldigte ist in beiden Anklagepunkten schuldig gesprochen worden und die Kausalität der bei der Abklärung der Delikte entstandenen Kosten ist ohne Weiteres gegeben. Im Ergebnis sind dem Beschuldigten Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 2'000.-- aufzuerlegen.

10. Entschädigung für die amtliche Verteidigung

10.1 Am 7. Juli 2021 setzte die Bundesanwaltschaft RA Moritz Grossenbacher als amtlichen Verteidiger des Beschuldigten ein (BA pag. 16-01-0009 f.). Am 17. Dezember 2021 übertrug sie das Mandat auf RA Lena Reusser (BA. 16-01-0039 f.).

10.2 Die Entschädigung der Verteidigung wird in Bundesstrafverfahren nach dem Anwaltstarif des Bundes – gemäss BStKR – festgesetzt (Art. 135 Abs. 1 StPO). Die Anwaltskosten umfassen das Honorar und die notwendigen Auslagen, namentlich für Reise, Verpflegung und Unterkunft sowie Porti und Telefonspesen (Art. 11 Abs. 1 BStKR). Das Honorar wird nach dem notwendigen und ausgewiesenen Zeitaufwand bemessen. Der Stundenansatz beträgt mindestens Fr. 200.-- und höchstens Fr. 300.-- (Art. 12 Abs. 1 BStKR). Die Auslagen werden im Rahmen der Höchstansätze aufgrund der tatsächlichen Kosten vergütet (Art. 13 BStKR). Bei Fällen im ordentlichen Schwierigkeitsbereich, d.h. für Verfahren ohne hohe sachliche oder rechtliche Komplexität, beträgt der Stundenansatz gemäss ständiger Praxis der Strafkammer Fr. 230.-- für Arbeitszeit und Fr. 200.-- für Reise- und Wartezeit (Beschluss des Bundesstrafgerichts BK.2011.21 vom 24. April 2012 E. 2.1). Der Stundenansatz für Praktikanten beträgt praxisgemäss Fr. 100.-- (Urteile des Bundesstrafgerichts SK.2010.28 vom 1. Dezember 2011 E. 19.2; SK.2010.3 vom 5. Mai 2010 E. 8.4; Urteil des Bundesgerichts 6B_118/2016 vom 20. März 2017 E. 4.4.1). Die Auslagen werden im Rahmen der Höchstansätze auf Grund der tatsächlichen Kosten vergütet (Art. 13 BStKR). Gemäss Art. 14 BStKR kommt die Mehrwertsteuer zum Honorar und den Auslagen hinzu.

10.3 Anlässlich der Hauptverhandlung reichte RAin Lena Reusser stellvertretend für RA Moritz Grossenbacher eine Honorarnote ein. Dieser ist ein Aufwand von 14.92 h à Fr. 230.-- zzgl. Reise- und Wartezeiten von 2.5 h à Fr. 200.-- sowie Barauslagen von Fr. 60.60, d.h. insgesamt inkl. MWST ein Rechnungsbetrag von Fr. 4'299.-- zu entnehmen. Für ihre eigenen Bemühungen reichte RAin Reusser eine Honorarnote mit folgender Kostenaufstellung ein: Aufwand von 36.08 h à Fr. 230.--, Reise- und Wartezeiten von 9.5 h à Fr. 200.-- sowie Barauslagen von Fr. 826.15, d.h. insgesamt Fr. 11'874.05 inkl. MWST (TPF pag. 2.721.037 ff.). Beide Honorarnoten erscheinen angemessen und können in diesem Umfang genehmigt werden.

10.4 Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation des Beschuldigten sind die Kosten seiner amtlichen Verteidigung durch die Eidgenossenschaft zu tragen. Zusammengefasst ist die Entschädigung des Beschuldigten für seine Verteidigungskosten auf  Fr. 4'299.-- (RA Moritz Grossenbacher) sowie Fr. 11'874.05 (RAin Lena Reusser) (inkl. Auslagen und MWST) festzusetzen.

Der Beschuldigte ist gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO zu verpflichten, der Eidgenossenschaft die Entschädigung für seine amtliche Verteidigung im Umfang von Fr. 16'173.05 zurückzubezahlen, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

Der Einzelrichter erkennt:

I.

1. A. wird schuldig gesprochen:

- der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Ziff. 1 StGB);

- des rechtswidrigen Aufenthalts (Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG).

2. A. wird bestraft mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen à Fr. 10.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren.

3. Für die Dauer der Probezeit wird A. angewiesen, sich einer psychiatrischen Betreuung zu unterziehen (Art. 94 StGB).

Für den Vollzug der Weisung wird der Kanton Bern als zuständig erklärt.

4. Die Verfahrenskosten betragen Fr. 2'000.-- (Gebühr Bundesanwaltschaft Fr. 1'200.--; Gerichtsgebühr Fr. 800.--) und werden A. auferlegt.

Wird seitens A. keine schriftliche Urteilsbegründung verlangt, so reduziert sich die Gerichtsgebühr um die Hälfte.

5. Rechtsanwalt Moritz Grossenbacher wird für die amtliche Verteidigung von A. durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 4'299.-- (inkl. MWST) entschädigt.

Rechtsanwältin Lena Reusser wird für die amtliche Verteidigung von A. durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 11'874.05 (inkl. MWST) entschädigt.

A. hat der Eidgenossenschaft für die Entschädigung seiner amtlichen Verteidiger Ersatz zu leisten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

II.

Dieses Urteil wird in der Hauptverhandlung eröffnet und durch den Einzelrichter mündlich begründet. Den Parteien wird das Urteilsdispositiv ausgehändigt.

Im Namen der Strafkammer

des Bundesstrafgerichts

Der Einzelrichter                                                               Der Gerichtsschreiber

Eine vollständige schriftliche Ausfertigung wird zugestellt an

- Bundesanwaltschaft

- Rechtsanwältin Reusser

Kopie an

- Migrationsamt des Kantons Bern

- Staatssekretariat für Migration SEM

Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an

- Bundesanwaltschaft als Vollzugsbehörde (vollständig)

Rechtsmittelbelehrung

Das Gericht verzichtet auf eine schriftliche Begründung, wenn es das Urteil mündlich begründet und nicht eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, eine Verwahrung nach Artikel 64 StGB, eine Behandlung nach Artikel 59 Absatz 3 StGB oder, bei gleichzeitig zu widerrufenden bedingten Sanktionen, einen Freiheitsentzug von mehr als zwei Jahren ausspricht (Art. 82 Abs. 1 StPO). Das Gericht stellt den Parteien nachträglich ein begründetes Urteil zu, wenn eine Partei dies innert 10 Tagen nach der Zustellung des Dispositivs verlangt oder eine Partei ein Rechtsmittel ergreift (Art. 82 Abs. 2 StPO).

Berufung an die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts

Gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts, die das Verfahren ganz oder teilweise abschliessen, kann innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils bei der Strafkammer des Bundesstrafgerichts mündlich oder schriftlich Berufung angemeldet werden (Art. 399 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 1 StPO; Art. 38a StBOG).

Mit der Berufung kann das Urteil in allen Punkten umfassend angefochten werden. Mit der Berufung können gerügt werden: Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhaltes sowie Unangemessenheit (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO).

Die Berufung erhebende Partei hat innert 20 Tagen nach Zustellung des begründeten Urteils der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts eine schriftliche Berufungserklärung einzureichen. Sie hat darin anzugeben, ob sie das Urteil vollumfänglich oder nur in Teilen anficht, welche Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils sie verlangt und welche Beweisanträge sie stellt. Werden nur Teile des Urteils angefochten, ist verbindlich anzugeben, auf welche sich die Berufung beschränkt (Art. 399 Abs. 3 und 4 StPO).

Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der Strafkammer des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliches Gericht, ausgenommen verfahrensleitende Entscheide, kann innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts geführt werden (Art. 393 Abs. 1 lit. b und Art. 396 Abs. 1 StPO; Art. 37 Abs. 1 StBOG).

Gegen den Entschädigungsentscheid kann die amtliche Verteidigung innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts führen (Art. 135 Abs. 3 lit. a und Art. 396 Abs. 1 StPO; Art. 37 Abs. 1 StBOG).

Mit der Beschwerde können gerügt werden: a. Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung; b. die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts; c. Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 StPO).

Einhaltung der Fristen

Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen der Schweizerischen Post, einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung oder, im Falle von inhaftierten Personen, der Anstaltsleitung übergeben werden (Art. 91 Abs. 2 StPO).

Versand: 25. Januar 2023

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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