BB.2021.74, BP.2021.36
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal |
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Geschäftsnummer: BB.2021.74 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen Nebenverfahren: BP.2021.36 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen
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| Beschluss vom 5. April 2022 |
Besetzung |
| Bundesstrafrichter Roy Garré, Vorsitz, Daniel Kipfer Fasciati und Miriam Forni, Gerichtsschreiber Stephan Ebneter |
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Parteien |
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A. ,
Beschwerdeführer
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| gegen | |
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Bundesanwaltschaft, Beschwerdegegnerin
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Gegenstand |
| Ablehnung der Wiederaufnahme ( Art. 323 StPO); unentgeltliche Rechtspflege im Beschwerdeverfahren ( Art. 29 Abs. 3 BV) |
Die Beschwerdekammer hält fest, dass:
- A. mit als «Eingabe Strafanzeigen gemäss Beilagen + Revisionsgesuch + Untersuchungsforderung/Strafanzeigen» betitelter Eingabe datiert vom 23. April 2020 an die Bundesanwaltschaft (nachfolgend «BA») gelangte (act. 1.9; Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2020.196 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 14. August 2020);
- die BA am 19. Mai 2020 unter der Verfahrensnummer SV.20.0510 verfügte, die Strafanzeige werde – soweit eine Bundeszuständigkeit vorliege – nicht anhand genommen (act. 1.8; Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2020.196 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 14. August 2020);
- die Beschwerdekammer eine von A. dagegen erhobene Beschwerde mit Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2020.196 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 14. August 2020 abwies, soweit darauf einzutreten war;
- die Berufungskammer auf ein von A. dagegen erhobenes Revisionsgesuch mit Beschluss des Bundesstrafgerichts CR.2020.28 vom 6. Oktober 2020 nicht eintrat;
- A. in diesem Zusammenhang mit Eingaben vom 2. November (act. 1.7; Akten BA, Reiter 1), 19. November 2020 (act. 1.6; Akten BA, Reiter 2), sowie 6. Januar (act. 1.5; Akten BA, Reiter 3) und 1. Februar 2021 (act. 1.4; Akten BA, Reiter 5) an die BA gelangte;
- die BA mit Schreiben vom 27. Januar 2021 unter der Verfahrensnummer SV.21.0132 A. zusammengefasst mitteilte, sie könne auf Anträge oder Gesuche im Zusammenhang mit bzw. Wiederholungen einer zuvor rechtskräftig mit Nichtanhandnahmeverfügung erledigten Strafanzeige nicht eintreten (act. 1.3; Akten BA, Reiter 4);
- A. mit Eingabe vom 4. Februar 2021 (act. 1.2; Akten BA, Reiter 6) erneut an die BA gelangte; er darin geltend macht, es lägen neue Beweismittel im Sinne von Art. 323 StPO vor, weshalb die Wiederaufnahme des durch Nichtanhandnahmeverfügung vom 19. Mai 2020 beendeten Verfahrens zu verfügen sei; er ausserdem um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht und zudem um Zustellung sämtlicher Verfahrensakten im Original ersucht, ansonsten «er die Erstellung dieser zu benannten Kosten» verrechnen müsse;
- die BA am 17. März 2021 unter der Verfahrensnummer SV.21.0132 diesbezüglich verfügte, dass die nicht anhand genommene Strafanzeige vom 24. (recte: 23.) April 2020 nicht wiederaufgenommen werde (Dispositiv-Ziff. 1) und dass die Kosten zu Lasten des Staates gehen (Dispositiv-Ziff. 2; act. 1.1; Akten BA, Reiter 7);
- A. dagegen mit Beschwerde vom 28. März 2021 an die Beschwerdekammer gelangt (act. 1); er sinngemäss beantragt, es sei die Verfügung vom 17. März 2021 aufzuheben, es sei die BA anzuweisen, das durch Nichtanhandnahmeverfügung vom 19. Mai 2020 beendeten Verfahrens wiederaufzunehmen; darüber hinaus sei für das Verfahren vor der BA die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und (eventualiter) die BA anzuweisen, ihm die vollständigen Original-Akten (547 Seiten) umgehend zu retournieren; er ferner um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das vorliegende Beschwerdeverfahren ersucht;
- A. unaufgefordert eine weitere Eingabe vom 4. April 2021 (Poststempel: 5. April 2021) einreichte (act. 3);
- die BA am 12. April 2021 der Beschwerdekammer aufforderungsgemäss ihre Verfahrensakten SV.21.0132 übermittelte (act. 4);
- A. unaufgefordert eine weitere Eingabe vom 27. Dezember 2021 (Poststempel: 29. Dezember 2021) einreichte (act. 5).
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:
- gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Bundesanwaltschaft bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erhoben werden kann ( Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG);
- die Verweigerung der Wiederaufnahme eines durch Nichtanhandnahmeverfügung rechtskräftig beendeten Verfahrens zulässiges Anfechtungsobjekt bildet (vgl. Landshut, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2020, Art. 323 StPO N. 30; Roth/Villard, Commentaire romand, 2. Aufl. 2019, Art. 323 StPO N. 11a; im Gegensatz zur Wiederaufnahme eines durch Nichtanhandnahmeverfügung rechtskräftig beendeten Verfahrens, vgl. hierzu BGE 144 IV 81 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen);
- zur Beschwerde jede Partei oder jeder andere Verfahrensbeteiligte berechtigt ist, welche oder welcher ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat ( Art. 382 Abs. 1 StPO; Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO);
- die geschädigte Person somit grundsätzlich nur insoweit zur Beschwerde legitimiert ist, als sie sich im Sinne der Art. 118 f. StPO als Privatklägerschaft konstituiert hat bzw. als sie noch keine Gelegenheit hatte, sich als Privatklägerschaft zu konstituieren (vgl. zur Beschwerde gegen Nichtanhandnahmeverfügungen u.a. den Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2019.196 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 11. Dezember 2019 E. 1.2.1 mit Hinweis);
- vorliegend die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers zu bejahen ist;
- die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen ist ( Art. 396 Abs. 1 StPO);
- wenn die Schweizerische Strafprozessordnung verlangt, dass das Rechtsmittel begründet wird, die Person oder die Behörde, die das Rechtsmittel ergreift, gemäss Art. 385 Abs. 1 StPO genau anzugeben hat, welche Punkte des Entscheides sie anficht (lit. a), welche Gründe einen anderen Entscheid nahe legen (lit. b) und welche Beweismittel sie anruft;
- Antrag und Begründung grundsätzlich jeweils auseinanderzuhalten sind; es bei Laieneingaben indes genügen kann, wenn die Anträge hinreichend deutlich aus der Begründung hervorgehen ( Ziegler/Keller, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 385 StPO N. 1b);
- in der vorliegenden Beschwerdeschrift zwar eine klare Trennung zwischen Anträgen und Begründung nicht zu erkennen ist; aus ihr aber hinreichend deutlich hervorgeht, wie und aus welchen Gründen zu entscheiden sei;
- auf die im Übrigen fristgerecht erhobene Beschwerde gegen die Verfügung vom 17. März 2021 also grundsätzlich einzutreten ist;
- der Streitgegenstand durch die angefochtene Verfügung oder Verfahrenshandlung verbindlich festgelegt wird und vom Beschwerdeführer nicht frei bestimmt werden kann; die Beschwerdekammer nicht Gegenstände beurteilen kann, über welche die vorinstanzliche Strafbehörde nicht entschieden hat (vgl. Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, 2011, N. 390 und 543);
- die angefochtene Verfügung einzig die Wiederaufnahme zum Gegenstand hat;
- soweit der Beschwerdeführer beantragt, es sei für das Verfahren vor der BA die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und (eventualiter) es sei die BA anzuweisen, ihm die vollständigen Original-Akten (547 Seiten) umgehend zu retournieren, darauf nicht einzutreten ist;
- der Beschwerdeführer geltend macht, die gesamten vorgängig eingegebenen Akten seien in vollem Umfang als neu zu werten, weil die Beschwerdegegnerin sie gar nie geprüft habe;
- gemäss Art. 323 Abs. 1 StPO die Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme eines durch Einstellungsverfügung rechtskräftig beendeten Verfahrens verfügt, wenn ihr neue Beweismittel oder Tatsachen bekannt werden, die für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der beschuldigten Person sprechen (lit. a) und sich nicht aus den früheren Akten ergeben (lit. b); diese beiden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen ( BGE 141 IV 194 E. 2.3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen S. 197);
- Art. 323 StPO aufgrund der Verweisung in Art. 310 Abs. 2 StPO auch auf die Wiederaufnahme eines durch Nichtanhandnahmeverfügung beendeten Verfahrens Anwendung findet (vgl. auch Art. 11 Abs. 2 StPO); an die Wiederaufnahme in diesem Fall jedoch noch geringere Voraussetzungen geknüpft sind als an die Wiederaufnahme nach einer Einstellung ( BGE 141 IV 194 E. 2.3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen S. 198 mit Hinweis);
- Beweismittel oder Tatsachen neu sind, wenn sie zum Zeitpunkt der Nichtanhandnahme unbekannt waren; entscheidend dabei ist, ob entsprechende Hinweise in den Akten vorhanden waren oder nicht (vgl. BGE 141 IV 194 E. 2.3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen S. 197);
- der Beschwerdeführer weder in seinen Eingaben an die Beschwerdegegnerin, noch in seinen Eingaben an die Beschwerdekammer Beweismittel oder Tatsachen geltend macht, die zum Zeitpunkt der Nichtanhandnahme unbekannt waren;
- er vielmehr auf die gesamten vorgängig eingegebenen Akten verweist und damit im Ergebnis die Nichtanhandnahmeverfügung vom 19. Mai 2020 beanstandet; dem Beschwerdeführer offenstand, diese auf dem Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen; der Beschwerdeführer mit Beschwerde und Revisionsgesuch von dieser Möglichkeit ausschöpfend Gebrauch machte; es nicht angeht, über die Wiederaufnahme darauf zurückzukommen;
- die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme eindeutig nicht erfüllt sind;
- die Ablehnung der Wiederaufnahme durch die Beschwerdegegnerin nicht zu beanstanden ist;
- sich die Beschwerde nach dem Gesagten als offensichtlich unbegründet erweist, weshalb sie ohne die Durchführung eines Schriftenwechsels abzuweisen ist, soweit darauf einzutreten ist ( Art. 390 Abs. 2 StPO im Umkehrschluss);
- bei diesem Ausgang des Verfahrens das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das vorliegende Beschwerdeverfahren wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen ist (vgl. Art. 29 Abs. 3 BV; Urteil des Bundesgerichts 1B_705/2011 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 9. Mai 2012 E. 2.3.2);
- bei diesem Ausgang des Verfahrens die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind (vgl. Art. 428 Abs. 1 StPO) und die Gerichtsgebühr auf Fr. 200.– festzusetzen ist (vgl. Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]);
und erkennt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 200.– wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
Bellinzona, 5. April 2022
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :
Zustellung an
- A.
- Bundesanwaltschaft
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.