RR.2021.242
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal |
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Geschäftsnummer: RR.2021.242 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen
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| Entscheid vom 25. November 2021 |
Besetzung |
| Bundesstrafrichter Roy Garré, Vorsitz, Miriam Forni und Cornelia Cova, Gerichtsschreiber Stephan Ebneter |
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Parteien |
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A. AG, vertreten durch Rechtsanwalt Moritz Näf,
Beschwerdeführerin
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Staatsanwaltschaft des Kantons Zug,
Beschwerdegegnerin
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Gegenstand |
| Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Russland
Herausgabe von Beweismitteln ( Art. 74 IRSG) |
Die Beschwerdekammer hält fest, dass:
- die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (nachfolgend «StA ZG») mit Schlussverfügung vom 29. September 2021 dem Rechtshilfeersuchen der Generalstaatsanwaltschaft der russischen Föderation vom 12. April 2021 insofern entsprach, als sie die Herausgabe der durch die A. AG mit Schreiben vom 29. Juni 2021 eingereichten Geschäftsunterlagen und des Protokolls zur Zeugeneinvernahme von B. vom 25. August 2021 anordnete (act. 1.1);
- die A. AG, vertreten durch Rechtsanwalt Moritz Näf, mit Beschwerde vom 9. November 2021 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts gelangt und hauptsächlich die Aufhebung der Schlussverfügung der StA ZG vom 29. September 2021 beantragt (act. 1);
- die Beschwerdekammer die Sendungsverfolgung zur angefochtenen Verfügung beizog (act. 1.3, 3);
- die Beschwerdekammer mit Schreiben vom 10. November 2021 die A. AG u.a. einlud, zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde Stellung zu nehmen (act. 4);
- die A. AG sich mit Eingabe vom 22. November 2021 vernehmen liess (act. 6).
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:
- auf Beschwerdeverfahren in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten die Bestimmungen des VwVG anwendbar sind (Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 StBOG), wenn das IRSG nichts anderes bestimmt ( Art. 12 Abs. 1 IRSG);
- die Verfügung der ausführenden kantonalen Behörde oder der ausführenden Bundesbehörde, mit der das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen wird, zusammen mit den vorangehenden Zwischenverfügungen der Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts unterliegt ( Art. 80e Abs. 1 IRSG);
- die Beschwerdefrist gegen die Schlussverfügung 30 Tage ab der schriftlichen Mitteilung der Verfügung beträgt ( Art. 80k IRSG);
- eine Frist, die sich nach Tagen berechnet und der Mitteilung an die Parteien bedarf, an dem auf ihre Mitteilung folgenden Tage zu laufen beginnt ( Art. 20 Abs. 1 VwVG);
- eine Mitteilung, die nur gegen Unterschrift des Adressaten oder einer anderen berechtigten Person überbracht wird, spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt gilt (Art. 20 Abs. 2bis VwVG);
- gemäss Sendungsverfolgung die angefochtene Schlussverfügung vom 29. September 2021 mit eingeschriebener Postsendung versandt wurde; die Sendung am 30. September 2021 zur Abholung gemeldet wurde; der Empfänger am 7. Oktober die Abholfrist verlängerte; die Sendung am 11. Oktober 2021 zugestellt wurde (act. 1.3, 3);
- die Beschwerdeführerin geltend macht, die Zustellfiktion komme vorliegend nicht zum Tragen; zum einen, weil sie an der rechtzeitigen Abholung unverschuldet verhindert gewesen sei, was eine «Wiederherstellung der Beschwerdefrist» in dem Sinne rechtfertige, dass die Frist erst mit der erfolgten Abholung der Schlussverfügung am 11. Oktober 2021 zu laufen begonnen habe; zum anderen, weil sie darauf habe vertrauen dürfen, dass die Beschwerdefrist erst mit der Abholung der Schlussverfügung am 11. Oktober 2021 zu laufen begonnen habe;
- die Zustellungsfiktion voraussetzt, dass der Adressat mit der fraglichen Zustellung hatte rechnen müssen ( BGE 134 V 49 E. 4 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen S. 52); diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn ein Verfahrens- oder Prozessrechtsverhältnis begründet wurde, indem die betroffene Person selbst ein Verfahren eingeleitet hat oder ihr die Einleitung eines Verfahrens rechtsgenüglich mitgeteilt wurde ( Egli, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar, 2. Aufl. 2016, Art. 20 VwVG N. 54);
- aus der angefochtenen Schlussverfügung vom 29. September 2021 hervorgeht, dass die Beschwerdegegnerin mit Eintretensverfügung vom 19. Mai 2021 u.a. die Aktenedition bei der Beschwerdeführerin anordnete und die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29. Juni 2021 der Beschwerdegegnerin die angeforderten Dokumente übermittelte;
- damit von einem Verfahrensverhältnis auszugehen ist und die Beschwerdeführerin entsprechend mit der Zustellung der angefochtenen Schlussverfügung vom 29. September 2021 zu rechnen hatte;
- die Beschwerdeführerin damit auch der Pflicht unterlag dafür zu sorgen, dass behördliche Akte, die das Verfahren betreffen, auch tatsächlich zugestellt werden können, ungeachtet allfälliger Wechsel in den Organen der juristischen Person;
- vor diesem Hintergrund die Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei an der rechtzeitigen Abholung der Sendung unverschuldet verhindert gewesen, unbehelflich sind;
- es bei der Zustellfiktion darum geht, den Zeitpunkt der Zustellung behördlicher Entscheide allgemein und verbindlich zu regeln; die Frist bis zum Eintreten der Zustellfiktion danach nicht verlängert wird, wenn ein Abholen nach den anwendbaren Bestimmungen der Post auch noch länger möglich ist; auch wenn der Postbote auf der Abholungseinladung versehentlich eine andere als die siebentägige Frist notiert, dies grundsätzlich nichts am Zeitpunkt des Eintritts der Zustellfiktion ändert; denn dieser bedarf einer klaren, einfachen und einheitlichen Regelung; es deshalb nicht überspitzt formalistisch ist, die Zustellungsfiktion unabhängig von der postalischen Abholfrist eintreten zu lassen, auch wenn diese ohne Veranlassung durch den Empfänger von der Post spontan oder irrtümlich verlängert wird ( BGE 127 I 31 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 2b S. 34 f. mit Hinweis; Urteil des Bundesgerichts 4A_704/2011 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 16. Januar 2012 E. 3.4 m.w.H.);
- vor diesem Hintergrund auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe darauf vertrauen dürfen, dass die Beschwerdefrist erst mit der Abholung der angefochtenen Schlussverfügung am 11. Oktober 2021 zu laufen begonnen habe, unbehelflich ist, zumal das Auseinanderklaffen des Datums der gesetzlichen Zustellfiktion und der tatsächlichen Abholfrist auf die Verlängerung durch die Beschwerdeführerin zurückzuführen ist;
- folglich die angefochtene Schlussverfügung vom 29. September 2021 am siebten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch vom 30. September 2021, mithin am 7. Oktober 2021 als zugestellt gilt;
- der letzte Tag der 30-tägigen Beschwerdefrist auf den Samstag, 6. Oktober 2021 fiel;
- die Frist am nächstfolgenden Werktag endet, wenn der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag ist;
- demnach die Beschwerdefrist am Montag, 8. November 2021, endete;
- schriftliche Eingaben spätestens am letzten Tage der Frist der Behörde eingereicht oder zu deren Handen der schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden ( Art. 21 Abs. 1 VwVG);
- die vorliegende Beschwerde vom 9. November 2021 datiert und gleichentags der schweizerischen Post übergeben wurde;
- die Beschwerde damit nicht innert Frist erhoben wurde;
- das Vorliegen der weiteren Eintretensvoraussetzungen offenbleiben kann;
- nach dem Gesagten auf die Beschwerde nicht einzutreten ist;
- die Gerichtskosten bei diesem Ausgang des Verfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen sind (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG);
- die Gerichtsgebühr auf Fr. 1'000.– festzusetzen ist (vgl. Art. 63 Abs. 5 VwVG i.V.m. Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 3 lit. a des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]), unter Anrechnung des entsprechenden Betrags am geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 5'000.–; die Bundesstrafgerichtskasse anzuweisen ist, der Beschwerdeführerin Fr. 4'000.– zurückzuerstatten;
und erkennt:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.– wird der Beschwerdeführerin auferlegt, unter Anrechnung des entsprechenden Betrags am geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 5'000.–. Die Bundesstrafgerichtskasse wird angewiesen, der Beschwerdeführerin Fr. 4'000.– zurückzuerstatten.
Bellinzona, 25. November 2021
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :
Zustellung an
- Rechtsanwalt Moritz Näf
- Staatsanwaltschaft des Kantons Zug
- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden ( Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG). Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden ( Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind ( Art. 48 Abs. 2 BGG).
Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt ( Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist ( Art. 84 Abs. 2 BGG).