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Entscheid des Bundesstrafgerichts: RH.2021.15 vom 17.11.2021

Hier finden Sie das Urteil RH.2021.15 vom 17.11.2021 - Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Sachverhalt des Entscheids RH.2021.15


Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Fallnummer:

RH.2021.15

Datum:

17.11.2021

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

ügen; Filter; Entscheid; Auslieferung; Entscheide; BStGer; Bundes; Haftentlassung;; Beschwerdekammer; Schweiz; Operation; Bundesstrafgericht; Fluchtgefahr; Haftentlassungsgesuch; Bundesstrafgerichts; Spital; Auslieferungshaft; Verfahren; Beschwerdegegner; Deutschland; Behörde; Beschwerdeführers; Urteil; Justiz

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 251 StPO ;Art. 379 StPO ;Art. 48 BGG ;Art. 63 VwVG ;Art. 84 BGG ;Art. 92 BGG ;Art. 93 BGG ;

Referenz BGE:

130 II 306; 132 II 81; 136 IV 20; 139 II 65; 141 IV 249; 142 IV 250; ;

Kommentar:

Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Bundesstrafgerichts

RH.2021.15

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RH.2021.15 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen

Entscheid vom 17. November 2021
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Giorgio Bomio-Giovanascini und Cornelia Cova,

Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien

A., vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Regli,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung ,

Beschwerdegegner

Gegenstand

Auslieferung an Deutschland

Aufhebung der Haft ( Art. 50 Abs. 3 IRSG)


Sachverhalt:

A.      Mit Schreiben vom 27. April 2021 ersuchte das Justizministerium Nordrhein-Westfalen die Schweiz um Auslieferung des deutschen Staatsangehörigen A. ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 6.1).

B.      Das Bundesamt für Justiz (nachfolgend «BJ») erliess am 25. Mai 2021 einen Auslieferungshaftbefehl gegen A. und beauftragte die Thurgauer Behörden mit dessen Festnahme ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 6.2 und 6.3).

C.      Am 1. Juni 2021 wurde A. von der Kantonspolizei Thurgau festgenommen. Anlässlich der Einvernahme vom 2. Juni 2021 widersetzte sich A. einer vereinfachten Auslieferung nach Deutschland ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 6.4 und 6.5). Der Auslieferungshaftbefehl vom 25. Mai 2021 blieb unangefochten.

D.      Mit Schreiben vom 14. Juni 2021 beantragte A. seine Haftentlassung, was vom BJ am 17. Juni 2021 abgelehnt wurde ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 6.6 und 6.7).

E.      A. nahm mit Schreiben vom 30. Juni 2021 zum Auslieferungsersuchen der deutschen Behörden schriftlich Stellung und ersuchte erneut um Haftentlassung ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 6.8).

F.      Mit Auslieferungsentscheid vom 8. Juli 2021 bewilligte das BJ die Auslieferung von A. für die dem Auslieferungsersuchen vom 27. April 2021 zugrundeliegenden Straftaten (Dispositiv-Ziffer 1) und wies das Haftentlassungsgesuch vom 30. Juni 2021 ab (Dispositiv-Ziffer 2, RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 6.9).

G.      Am 6. August 2021 reichte A. beim Staatssekretariat für Migration SEM ein Asylgesuch ein ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 23).

H.      Mit Eingabe vom 9. August 2021 erhob A. gegen den Auslieferungsentscheid vom 8. Juli 2021 Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Er beantragte die Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 1 des Auslieferungsentscheids vom 8. Juli 2021 sowie die Abweisung des Auslieferungsgesuchs der deutschen Behörden vom 27. April 2021. Ausserdem stellte A. ein akzessorisches Haftentlassungsgesuch ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 1).

I.        Im Rahmen des Schriftenwechsels im Beschwerdeverfahren RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen machte A. mit Eingabe vom 7. September 2021 geltend, er habe am 26. August 2021 notfallmässig vom Gefängnis ins Spital verlegt werden müssen. Dort sei bei ihm Prostatakrebs festgestellt worden.  Er beantragte den Beizug seiner Krankenakte und die umgehende Haftentlassung ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 10).

J.       Mit Schreiben vom 7. September 2021 überwies die Beschwerdekammer das Haftentlassungsgesuch zuständigkeitshalber an das BJ ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 12). Dieses lehnte das Haftentlassungsgesuch mit Schreiben vom 10. September 2021 ab (act. 3.2). Dieser Entscheid blieb unangefochten.

K.      Am 14. Oktober 2021 liess A. erneut ein Haftentlassungsgesuch beim BJ stellen, das mit Verfügung vom 18. Oktober 2021 abgewiesen wurde (act. 3.3 und 3.4).

L.      Mit Entscheid vom 27. Oktober 2021 wies das SEM das Asylgesuch von A. vom 6. August 2021 ab ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 26).

M.     Gegen die Abweisung des Haftentlassungsgesuchs des BJ vom 18. Oktober 2021 gelangte A. mit Beschwerde vom 29. Oktober 2021 an die Beschwerdekammer. Er beantragt die Aufhebung der Verfügung vom 18. Oktober 2021 und die unverzügliche Entlassung aus der Auslieferungshaft. Eventualiter sei die Verfügung des BJ vom 18. Oktober 2021 aufzuheben und an den Beschwerdegegner zur korrekten Abklärung und Neubeurteilung zurückzuweisen (act. 1 S. 2).

N.      Das BJ beantragt in seiner Beschwerdeantwort vom 6. November 2021 die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde (act. 3). In seiner Replik vom 11. November 2021 lässt A. durch seinen Rechtsvertreter sinngemäss an den in der Beschwerde gestellten Anträgen festhalten (act. 4). A. nimmt zudem persönlich mit Eingabe vom 11. November 2021 zur Beschwerdeantwort des BJ Stellung. Er weist insbesondere auf seinen Gesundheitszustand hin und verneint das Vorliegen von Fluchtgefahr (act. 5). Die Replik und die Stellungnahme von A. werden dem BJ zusammen mit dem vorliegenden Entscheid zur Kenntnisnahme zugestellt.

O.      Mit Eingabe vom 16. November 2021 lässt das BJ der Beschwerdekammer eine Kopie des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts D-488/2021 Urteile BVGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 11. November 2021, mit welchem dieses die von A. gegen den ablehnenden Asylentscheid erhobene Beschwerde abgewiesen hat, zur Kenntnis zukommen ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 28).

          Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1     Für den Auslieferungsverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland sind primär das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1), die hierzu ergangenen Zusatzprotokolle vom 17. März 1978 (ZPII EAUe; SR 0.353.12) und vom 10. November 2010 (ZPIII EAUe; SR 0.353.13) sowie der Vertrag vom 13. November 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des EAUe und die Erleichterung seiner Anwendung (ZV EAUe; SR 0.353.913.61) massgebend. Überdies anwendbar sind das Schengener Durchführungsübereinkommen vom 14. Juni 1985 (SDÜ; CELEX-Nr. 42000A0922(02); ABl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19-62; Text nicht publiziert in der SR, jedoch abrufbar auf der Webseite der Schweizerischen Eidgenossenschaft unter «Rechtssammlung zu den bilateralen Abkommen», 8.1 Anhang A; https://www.admin.ch/opc/de/european-union/international-agreements/008.html) i.V.m. dem Beschluss des Rates 2007/533/JI vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS der zweiten Generation (SIS II), namentlich Art. 26-31 (CELEX-Nr. 32007D0533; ABl. L 205 vom 7. August 2007, S. 63-84; abrufbar unter «Rechtssammlung zu den bilateralen Abkommen», 8.4 Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands), sowie diejenigen Bestimmungen des Übereinkommens vom 27. September 1996 über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-Auslieferungsübereinkommen; CELEX-Nr. 41996A1023(02); Abl. C 313 vom 23. Oktober 1996, S. 12–23), welche gemäss dem Beschluss des Rates 2003/169/JI vom 27. Februar 2003 (CELEX-Nr. 32003D0169; Abl. L 67 vom 12. März 2003, S. 25 f.; abrufbar unter «Rechtssammlung zu den sektoriellen Abkommen mit der EU», 8.2 Anhang B) eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellen (d.h. die Art. 2, 6, 8, 9 und 13 des EU-Auslieferungsübereinkommens sowie dessen Art.1, soweit er für die anderen Artikel relevant ist). Die zwischen den Vertragsparteien geltenden weitergehenden Bestimmungen aufgrund bilateraler oder multilateraler Abkommen bleiben unberührt (Art. 59 Abs. 2 SDÜ; Art. 1 Abs. 2 EU-Auslieferungsübereinkommen).

1.2     Soweit die Staatsverträge und Zusatzprotokolle bestimmte Fragen weder ausdrücklich noch stillschweigend regeln, bzw. das schweizerische Landesrecht geringere Anforderungen an die Rechtshilfe stellt (sog. Günstigkeitsprinzip; BGE 142 IV 250 E. 3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 140 IV 123 E. 2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 136 IV 82 E. 3.1 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 135 IV 212 E. 2.3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 5. Aufl. 2019, N. 229), sind das Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) und die dazugehörige Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11) anwendbar. Vorbehalten bleibt die Wahrung der Menschenrechte ( BGE 139 II 65 E. 5.4 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 135 IV 212 E. 2.3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 123 II 595 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 7c; TPF 2008 24 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 1.1; TPF 2016 65 E. 1.2; TPF 2008 24 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 1.1).

1.3     Für das Beschwerdeverfahren gelten zudem die Art. 379-397 StPO sinngemäss ( Art. 48 Abs. 2 i.V.m. Art. 47 IRSG) und die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021; vgl. Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation des Strafbehörden des Bundes [Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71]).

2.

2.1     Gegen die Abweisung des Haftentlassungsgesuchs durch das BJ kann der Verfolgte bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde führen ( Art. 50 Abs. 3 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 IRSG).

2.2     Die gegen den negativen Haftentlassungsentscheid vom 18. Oktober 2021 erhobene Beschwerde erweist sich als fristgerecht. Die weiteren Eintretens-voraussetzungen geben keinen Anlass zu Bemerkungen. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.

3.       Die Beschwerdekammer ist nicht an die Begehren der Parteien gebunden ( Art. 25 Abs. 6 IRSG). Sie prüft die Auslieferungsvoraussetzungen grundsätzlich mit freier Kognition. Die Beschwerdekammer befasst sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand der Beschwerde bilden ( BGE 132 II 81 E. 1.4 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 130 II 337 E. 1.4 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; TPF 2011 97 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 5).

Ausserdem muss sich die Beschwerdeinstanz nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Sie kann sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken, und es genügt, wenn die Behörde wenigstens kurz die Überlegungen nennt, von denen sie sich leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt ( BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 139 IV 179 E. 2.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen).

4.

4.1     Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nicht hafterstehungsfähig. Er habe vor einem Monat die Diagnose Prostatakrebs erhalten. Er müsse operiert werden, wobei die Operation mit Chemotherapie (vorher und nachher) begleitet werde. Diese Situation sei für ihn sehr einschneidend, zumal er anschliessend gemäss den bisherigen Erkenntnissen impotent sein dürfte. Die Operation müsse gemäss den behandelnden Ärzten im Spital zeitnah erfolgen. Die aktuelle Stresssituation in Gefangenschaft, insbesondere aufgrund der lauten und unruhigen Umgebung im Gefängnis bzw. der geführten Einzelhaft im Spital sei schlecht für die Vor- und Nachbereitung dieser Operation. Der Beschwerdeführer leide derzeit enorm unter der Haft, dies in physischer, vor allem aber auch in psychischer Form. Der Beschwerdegegner habe bezüglich der Hafterstehungsfähigkeit des Beschwerdeführers keine weiteren Abklärungen getroffen bzw. in jedem Fall dessen Gesundheitszustand und die damit verbundenen Folgen für diesen nicht ausreichend überprüft (act. 1 S. 4 ff.).

4.2     Die Haft des Verfolgten während des ganzen Auslieferungsverfahrens bildet die Regel ( BGE 136 IV 20 E. 2.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 130 II 306 E. 2.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen). Eine Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls sowie eine Haftentlassung rechtfertigen sich nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen, wenn der Verfolgte sich voraussichtlich der Auslieferung nicht entzieht und die Strafuntersuchung nicht gefährdet ( Art. 47 Abs. 1 lit. a IRSG), wenn er den sogenannten Alibibeweis erbringen und ohne Verzug nachweisen kann, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war ( Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG), wenn er nicht hafterstehungsfähig ist oder andere Gründe vorliegen, welche eine weniger einschneidende Massnahme rechtfertigen ( Art. 47 Abs. 2 IRSG), oder wenn sich die Auslieferung als offensichtlich unzulässig erweist ( Art. 51 Abs. 1 IRSG; vgl. auch Forster, Basler Kommentar, 2015, Art. 47 IRSG N. 5 und 6). Diese Aufzählung ist nicht abschliessend ( BGE 130 II 306 E. 2.1 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; 117 IV 359 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 2a; vgl. auch Entscheide des Bundesstrafgerichts RH.2016.10 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 6. September 2016 E. 2; RH.2016.7 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 2. August 2016 E. 4.2).

Die ausnahmsweise zu gewährende Haftentlassung ist deshalb an strengere Voraussetzungen gebunden als der Verzicht auf die gewöhnliche Untersuchungshaft in einem Strafverfahren oder die Entlassung aus einer solchen. Diese Regelung soll es der Schweiz ermöglichen, ihren staatsvertraglichen Auslieferungspflichten nachzukommen (vgl. BGE 130 II 306 E. 2.2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen und 2.3; 111 IV 108 E. 2 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; Entscheid des Bundesstrafgerichts RH.2015.14 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 9. Juli 2015 E. 4.1).

4.3     Eine Person gilt als nicht hafterstehungsfähig, wenn mit Sicherheit oder grösster Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass die Haft sein Leben gefährden bzw. dessen Gesundheit schwerwiegend beeinträchtigen wird (vgl. im Allgemeinen dazu Graf, Hafterstehungsfähigkeit, in: Brägger [Hrsg.], Das Schweizerische Vollzugslexikon, 2014, S. 231 ff.). Zu beachten ist jedoch, dass die Inhaftierung für den Betroffenen immer ein Übel darstellt, das vom einen besser, vom anderen weniger gut ertragen wird (BGE 116 Ia 420 E. 3b). Die blosse Möglichkeit, dass Leben oder Gesundheit des Inhaftierten gefährdet sein könnten, genügt nicht. Selbst wenn mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, dass die Haft das Leben oder die Gesundheit des Inhaftierten gefährdet, ist stets eine Interessensabwägung vorzunehmen, wobei neben den medizinischen Gesichtspunkten Art und Schwere der vorgeworfenen Straftat und die Dauer der zu erwartenden Strafe mitzuberücksichtigen sind (vgl. BGE 116 Ia 420 E. 3a m.w.H.; Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2020.30 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen/51 vom 19. August 2020 E. 5.4.1; Hänni, Basler Kommentar, 2014, Art. 251/252 StPO N. 47 zur Untersuchungshaft). Ob eine Krankheit der Haft entgegensteht und ob eine genügende medizinische Betreuung in Haft gewährleistet ist, muss die zuständige Behörde unter Beiziehung von medizinischen Sachverständigen im Einzelfall abklären ( Hänni, a.a.O., Art. 251/252 StPO N. 49).

4.4     Gemäss dem ärztlichem Kurzbericht des Spitals vom 6. Oktober 2021 leidet der Beschwerdeführer gegenwärtig unter anderem an einem azinären Adenokarzinoms der Prostata. Die Ärzte halten fest, dass der urologische Eingriff (Prostataektomie) innerhalb der kommenden drei Monate durchgeführt werden sollte. Sofern der Beschwerdeführer die Operation wünsche, werde um Anmeldung bei weiterhin bestehendem Haftstatus (beim Spital) oder um Prüfung des Haftunterbruchs und Durchführung der Operation heimatnah gebeten. Falls der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen werde, sei die Operation durch ihn zu organisieren (act. 3.3.1). Der Beschwerdegegner hat bereits darauf hingewiesen, dass dem genannten ärztlichen Kurzbericht nicht zu entnehmen ist, der Beschwerdeführer sei nicht mehr hafterstehungsfähig, vielmehr sei er am 6. Oktober 2021 vom Spital ins Gefängnis zurückverlegt worden. Auch geht aus dem betreffenden Bericht nicht hervor, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Haft nicht ausreichend medizinisch versorgt werden könnte bzw. wird. Im Gegenteil: Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers, inklusive Operation und Vor- und Nachbetreuung, ist auch während dessen Inhaftierung ausdrücklich gewährleistet. Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, der behandelnde Arzt habe ihm gesagt, die Operation sowie die Vor- und Nachbehandlung hätten möglichst ausserhalb der Haft zu erfolgen, um das geeignete Umfeld für die belastende Situation zu schaffen (act. 4 S. 2). Wie bereits ausgeführt, ergibt sich Derartiges nicht aus dem ärztlichen Bericht. Es steht sodann ausser Zweifel, dass eine Krebsdiagnose eine grosse psychische und physische Belastung darstellt. Eine solche Belastung führt jedoch nicht automatisch zur Annahme einer Hafterstehungsunfähigkeit. So stand denn auch aus Sicht des Spitals einer Rückverlegung des Beschwerdeführers in die Justizvollzugsanstalt nichts im Wege. Zusammenfassend bestehen gegenwärtig keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Hafterstehungsunfähigkeit des Beschwerdeführers. Vor diesem Hintergrund war denn auch der Beschwerdegegner nicht verpflichtet, diesbezüglich weitere Abklärungen vorzunehmen.

5.

5.1     Der Beschwerdeführer bestreitet sodann das Vorliegen von Fluchtgefahr. Er sei bereit, sich entsprechenden Ersatzmassnahmen, wie Hausarrest, Meldepflicht oder Schriftenhinterlegung zu unterziehen, eine angemessene Kaution zu leisten oder sich in einer geeigneten Klinik, wo die entsprechenden Behandlungen und Operationen vorgenommen werden könnten, einem Arrest zu unterziehen (act. 1 S. 5).

5.2     Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Verneinung von Fluchtgefahr ist überaus restriktiv und misst der Erfüllung der staatsvertraglichen Auslieferungspflichten im Vergleich zu den Interessen des Verfolgten ausserordentlich grosses Gewicht bei. Das Bundesgericht bejaht die Fluchtgefahr bei drohenden, hohen Freiheitsstrafen in der Regel sogar dann, wenn der Betroffene über eine Niederlassungsbewilligung und familiäre Bindungen in der Schweiz verfügt ( BGE 136 IV 20 E. 2.3 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen; Urteil des Bundesgerichts 8G.45/2001 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 15. August 2001 E. 3a). Um Fluchtgefahr ausreichend zu bannen, werden Ersatzmassnahmen für Auslieferungshaft wie Abgabe der Reisedokumente, Schriftensperre, Meldepflicht und Electronic Monitoring angesichts der einfachen Möglichkeit, sich ins Ausland abzusetzen, nach konstanter Rechtsprechung nur in Kombination mit einer sehr substantiellen Sicherheitsleistung als überhaupt geeignet erachtet (Entscheide des Bundesstrafgerichts RH.2020.10 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 23. September 2020 E. 4.2; RH.2020.9 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 11. September 2020 E. 5.2; RH.2020.5 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 12. August 2020 E. 6.4; jeweils m.w.H.).

5.3     Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Auslieferung und einer Verurteilung in Deutschland eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 6.1). Eine (enge) Beziehung zur Schweiz, wo er sich eigenen Angaben zufolge seit 2020 aufhält ( RR.2021.165 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen, act. 6.5), wird weder geltend gemacht noch ist eine solche ersichtlich. Damit ist ohne Weiteres von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen, zumal die deutschen Behörden ein formelles Auslieferungsersuchen gestellt haben, der Beschwerdegegner die Auslieferung des Beschwerdeführers an Deutschland mit Auslieferungsverfügung vom 8. Juli 2021 bewilligt hat und das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil D-488/2021 Urteile BVGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 11. November 2021 nunmehr die vom Beschwerdeführer gegen den ablehnenden Asylentscheid erhobene Beschwerde abgewiesen hat (vgl. supra lit. A, F und O). Die erhöhte Fluchtgefahr wird vorliegend auch nicht dadurch gebannt, dass der Beschwerdeführer an Prostatakrebs leidet. Mildere Ersatzmassnahmen, die geeignet wären, der hohen Fluchtgefahr ausreichend zu begegnen, sind keine ersichtlich. Wie bereits ausgeführt, kommen Ersatzmassnahmen nur in Kombination mit einer sehr substantiellen Sicherheitsleistung in Betracht. Der Beschwerdeführer äussert sich nicht zur Höhe einer allfälligen Sicherheitsleistung. Über die finanzielle Leistungsfähigkeit und die Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers sind zudem keine Angaben vorhanden. Damit fallen von vornherein sämtliche vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen ausser Betracht.

5.4     Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

6.       Nach dem Gesagten erweist sich die vorliegend angeordnete Auslieferungshaft als zulässig, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.

7.       Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.-- festzusetzen (vgl. Art. 63 Abs. 5 VwVG und Art. 73 StBOG sowie Art. 5 und 8 Abs. 3 lit. a BStKR).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 17. November 2021

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                             Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

-              Rechtsanwalt Tobias Regli

-              Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung

Rechtsmittelbelehrung

Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig ( Art. 92 Abs. 1 BGG). Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden ( Art. 92 Abs. 2 BGG).

Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sind andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar. Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können, oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Entscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (vgl. Art. 93 Abs. 1 und 2 BGG). Ist die Beschwerde gegen einen Vor- oder Zwischenentscheid gemäss Art. 93 Abs. 1 und 2 BGG nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken ( Art. 93 Abs. 3 BGG).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (vgl. Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist ( Art. 84 Abs. 2 BGG).

Die Beschwerde ist innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (vgl. Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG). Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden ( Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind ( Art. 48 Abs. 2 BGG).

 

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