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Entscheid des Bundesstrafgerichts: SK.2020.31 vom 29.09.2020

Hier finden Sie das Urteil SK.2020.31 vom 29.09.2020 - Strafkammer

Sachverhalt des Entscheids SK.2020.31

Der Bundesstrafgericht A hat den Gesuchsteller wegen versuchter Gefährdung durch Sprengstoffe in verbrecherischer Absicht zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Die Strafkammer erhält die Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 20'000.- aufgrund des Gesuchstellers nach dem Urteil SK.2014.10 und reduziert diese auf Fr. 5'000.- in einem Beschluss vom 26. Juni 2018. Der Gesuchsteller erhält keinen Erlass der Verfahrenskosten, da seine finanzielle Situation seitdem nicht verschlechtert ist.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Strafkammer

Fallnummer:

SK.2020.31

Datum:

29.09.2020

Leitsatz/Stichwort:

Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten (Art. 425 StPO)

Schlagwörter

Gesuch; Verfahren; Gesuchsteller; Kammer; Verfahrenskosten; Urteil; Beschluss; Erlass; Bundesanwaltschaft; Bundesstrafgericht; Entscheid; Gesuchstellers; Bundesstrafgerichts; Apos;; Gericht; Urteils; Dienst; Urteilsvollzug; Situation; Verhältnisse; Anstellung; Tribunal; Forderung; Akten; Verhältnissen; Vorsitz; Gerichtsschreiber

Rechtskraft:

Kein Weiterzug, rechtskräftig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 36 StPO ;Art. 363 StPO ;Art. 364 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 42 StPO ;Art. 442 StPO ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: SK.2020.31

Beschluss vom 29. September 2020
Strafkammer

Besetzung

Bundesstrafrichter in Miriam Forni, Vorsitz

Joséphine Contu Albrizio und Martin Stupf ,

Gerichtsschreiber Rafael Schoch

Partei

A. ,

Gesuchsteller

Gegenstand

Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten


Die Strafkammer erwägt:

1. Mit Urteil SK.2014.10 vom 7. Oktober 2014 verurteilte die Strafkammer des Bundesstrafgerichts A. (nachfolgend: der Gesuchsteller) wegen versuchter Gefährdung durch Sprengstoffe in verbrecherischer Absicht zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren. Sie legte ihm die Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 20'000.- auf (Dispositiv-Ziff. III.1). Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

2. Mit Eingabe vom 8. Januar 2018 ersuchte der Gesuchsteller die Bundesanwaltschaft um Erlass der erwähnten Verfahrenskosten. Die Bundesanwaltschaft, Dienst Urteilsvollzug, leitete das Gesuch am 24. Januar 2018 zuständigkeitshalber an die Strafkammer weiter. Mit Beschluss SK.2018.4 vom 26. Juni 2018 hiess die Strafkammer das Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten teilweise gut und reduzierte die Forderung aus den Verfahrenskosten gemäss Ziff. III.1 des Dispositivs des Urteils des Bundesstrafgerichts SK.2014.10 vom 7. Oktober 2014 auf den Betrag von Fr. 5'000.-. Der Beschluss ist inzwischen rechtskräftig.

3. Mit Eingabe vom 25. Juli 2020 ersuchte der Gesuchsteller die Bundesanwaltschaft erneut um Erlass der erwähnten reduzierten Verfahrenskosten. Die Bundesanwaltschaft, Dienst Urteilsvollzug, leitete das Gesuch am 13. August 2020 zuständigkeitshalber an die Strafkammer weiter.

4.

4.1 Gemäss Art. 363 Abs. 1 StPO trifft das Gericht, welches das erstinstanzliche Urteil gefällt hat, auch die einer gerichtlichen Behörde übertragenen selbstständigen nachträglichen Entscheide, sofern Bund oder Kantone nichts anderes bestimmen. Dazu gehört auch ein Entscheid über Erlass oder Stundung von Verfahrenskosten ( Schwarzenegger , in: Andreas Donatsch/Thomas Hansjakob/Viktor Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. Aufl. 2014, Art. 363 StPO N. 5). Im Bundesstrafverfahren besteht keine abweichende Regelung (Art. 76 StBOG ).

4.2 Die Zuständigkeit der Strafkammer ist gegeben, da sie das erstinstanzliche Urteil gefällt hat und das Gesuch den Erlass der Verfahrenskosten zum Gegenstand hat.


5. Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen für den nachträglichen richterlichen Entscheid erfüllt sind, und ergänzt wenn nötig die Akten oder lässt weitere Erhebungen durch die Polizei durchführen. Es gibt den betroffenen Personen und Behörden Gelegenheit, sich zum vorgesehenen Entscheid zu äussern und Anträge zu stellen (Art. 364 Abs. 3 und 4 StPO ). Das Gericht entscheidet in Verfahren wie dem vorliegenden grundsätzlich gestützt auf die Akten. Es erlässt seinen Entscheid schriftlich und begründet ihn kurz (Art. 365 Abs. 1 und Abs. 2 StPO ).

5.1 Der Gesuchsteller legte seinem Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten Belege über seine persönliche und finanzielle Situation bei (TPF 1.100.004 f.). Auf Einladung der Strafkammer reichte der Gesuchsteller der Strafkammer zudem das von ihm ausgefüllte Formular zu seiner persönlichen und finanziellen Situation ein (TPF 1.231.4.005 ff.). Die Strafkammer holte zudem von Amtes wegen Steuerunterlagen des Gesuchstellers für die Steuerperioden 2017 bis 2019 (TPF 1.231.2.002 ff.), einen Auszug aus dem Betreibungsregister (TPF 1.231.3.002 f.) sowie die zwischen dem Gesuchsteller und der Bundesanwaltschaft, Dienst Urteilsvollzug, geführte Korrespondenz in Bezug auf das Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten (TPF 1.510.001 ff.) ein. Im Übrigen bilden die Akten der Verfahren SK.2014.10 und SK.2018.4 Grundlage für den vorliegenden Entscheid.

5.2 Mit Schreiben vom 14. September 2020 lud die Strafkammer die Bundesanwaltschaft ein, zum Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten Stellung zu nehmen (TPF 1.400.002 f.). Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft sind die Verfahrenskosten als uneinbringlich zu betrachten und dem Gesuchsteller deshalb zu erlassen (TPF 1.510.006 ff.).

6. Gemäss Art. 425 StPO können Forderungen aus Verfahrenskosten von der Straf-behörde gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden. Diese Bestimmung ist nicht nur im Rahmen der Vollstreckung, sondern auch bei der Festsetzung bzw. Auferlegung der Verfahrenskosten anwendbar. Im Vordergrund steht dabei der Resozialisierungsgedanke (D OMEISEN , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 425 StPO N. 3).

7.

7.1 Die Strafkammer trug den beengten finanziellen Verhältnissen des Gesuchstellers in Anwendung von Art. 425 StPO bereits im Urteil SK.2014.10 Rechnung, indem sie ihm von den angefallenen Verfahrenskosten von Fr. 37'439.55 (Gebühren und Auslagen, ohne Kosten der amtlichen Verteidigung) nur einen Teil, namentlich Fr. 20'000.-, auferlegte (a.a.O., E. 10.4). Sodann hat die Strafkammer im Beschluss SK.2018.4 der Verschlechterung der finanziellen Lage des Gesuchstellers seit dem Urteil SK.2014.10 Rechnung getragen, indem sie die ihm auferlegten Verfahrenskosten von Fr. 20'000.- auf Fr. 5'000.- reduzierte. Bei dieser Sachlage würde sich ein vollständiger oder erneuter teilweiser Erlass der Verfahrenskosten nur rechtfertigen, wenn seit dem Beschluss vom 26. Juni 2018 eine wesentliche Veränderung in den finanziellen Verhältnissen des Gesuchstellers eingetreten ist oder neue Umstände geltend gemacht werden, die ein Zurückkommen auf den Kostenentscheid rechtfertigen (vgl. Urteil des Bundesstrafgerichts SK.2014.20 vom 10. Dezember 2014 E. 5.3; Beschluss des Bundesstrafgerichts SK.2019.11 vom 11. April 2019 E. 5).

7.2 Die Strafkammer stellte im Beschluss SK.2018.4 fest, dass der Gesuchsteller nach seiner Haftentlassung keine feste Anstellung finden konnte. Er verfügte über kein steuerbares Einkommen und kein Vermögen. Seit Oktober 2017 wurde er von der Sozialhilfe unterstützt. E ine künftige Anstellung des dazumal 52-jährigen Gesuchstellers, insbesondere auch mit der Unterstützung durch die Sozialbehörden, kam weiterhin durchaus in Frage (a.a.O., E. 6.3).

7.3 Die aktuelle finanzielle Situation des Gesuchstellers präsentiert sich wie folgt: Der Gesuchsteller konnte seit dem Beschluss SK.2018.4 keine feste Anstellung finden. Er verfügt über kein steuerbares Einkommen und kein Vermögen und wird weiterhin von der Sozialhilfe unterstützt. Die finanzielle Situation des Gesuchstellers ist nach wie vor prekär, hat sich seit dem Beschluss SK.2018.4 allerdings nicht verschlechtert. Auch heute kommt e ine künftige Anstellung und somit Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des heute 54-jährigen Gesuchstellers, insbesondere auch mit der Unterstützung durch die Sozialbehörden, immer noch durchaus in Frage.

7.4 Insgesamt ist seit dem Beschluss SK.2018.4 keine (wesentliche) Veränderung in den persönlichen und finanziellen Verhältnissen eingetreten, die eine Neubeurteilung der Kostenregelung rechtfertigt. Das Gesuch vom 25. Juli 2020 ist demnach abzuweisen.

7.5 Ergänzend sei der Gesuchsteller darauf hingewiesen, dass es im Ermessen der Vollzugsbehörde (d.h. der Bundesanwaltschaft) liegt, ob sie ihm Zahlungserleichterungen in Form eines Zahlungsaufschubs respektive von Ratenzahlungen gewährt oder die Forderung auf dem Rechtsweg eintreibt (Art. 442 Abs. 1 StPO).

8. Für diesen Entscheid sind keine Kosten zu erheben.

Die Strafkammer erkennt:

1. Das Gesuch von A. um Erlass von Verfahrenskosten wird abgewiesen.

2. Es werden keine Kosten erhoben.

3. Dieser Beschluss wird A. und der Bundesanwaltschaft, Dienst Urteilsvollzug, schriftlich eröffnet.

Im Namen der Strafkammer

des Bundesstrafgerichts

Die Vorsitzende Der Gerichtsschreiber

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der Strafkammer des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliches Gericht, ausgenommen verfahrensleitende Entscheide, kann innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts geführt werden (Art. 393 Abs. 1 lit. b und Art. 396 Abs. 1 StPO; Art. 37 Abs. 1 StBOG ).

Mit der Beschwerde können gerügt werden: Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung; die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 StPO ).

Versand: 29. September 2020

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