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Entscheid des Bundesstrafgerichts: RR.2020.211 vom 09.10.2020

Hier finden Sie das Urteil RR.2020.211 vom 09.10.2020 - Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Sachverhalt des Entscheids RR.2020.211

Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hat festgestellt, dass die Bundesanwaltschaft unter der Verfahrensnummer SV.16.0330 gegen den Präsidenten der Beschwerdeführerin ein nationales Strafverfahren führte und das von Brasilien übernommene Strafverfahren im Sinne von Art. 88 ff. IRSG übernommen wurde. Die Bundesanwaltschaft unterlag Rechtsverweigerung (Art. 46 a VwVG) und die Kontosperre des Kontos Nr. 1 der A. SA bei der C. SA wurde nicht aufrechterhalten, da diese als Schlussverfügung vom 5. Mai 2019 mangels Zustelldomizil der Kontoinhaberin in der Schweiz zugestellt wurde. Die Beschwerdekammer hat daher die Rechtsverweigerung der Bundesanwaltschaft anfechtbar gemacht und den Antrag des Beschwerdeführers, die Sache an die Bundesanwaltschaft zurückzuweisen, abgelehnt.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Fallnummer:

RR.2020.211

Datum:

09.10.2020

Leitsatz/Stichwort:

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Brasilien. Akteneinsicht (Art. 80b IRSG). Rechtsverweigerung (Art. 46a VwVG).

Schlagwörter

Bundesanwaltschaft; Wilhelm; Konto; Beschwerdekammer; Vollmacht; Verfahren; Rechtshilfe; Kontos; Entscheid; Akten; Bundesstrafgericht; Rechtsanwalt; Christophe; Verfahren; Verfahrens; Akteneinsicht; Verfügung; Bundesstrafgerichts; Gericht; Person; Kontosperre; Dokument; Apos;; Zwischenentscheid; Tribunal; Sachen; Vertreter; Zustellung

Rechtskraft:

Kein Weiterzug, rechtskräftig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 1 VwVG ;Art. 46 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 55 ZGB ;Art. 63 VwVG ;Art. 84 BGG ;Art. 92 BGG ;Art. 93 BGG ;

Referenz BGE:

99 V 177; ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RR.2020.211

Entscheid vom 9. Oktober 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Andreas J. Keller, Vorsitz,

Giorgio Bomio-Giovanascini und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien

A. SA, vertreten durch Rechtsanwalt Christophe Wilhelm,

Beschwerdeführerin

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Brasilien

Akteneinsicht (Art. 80 b IRSG ); Rechtsverweigerung (Art. 46 a VwVG )


Die Beschwerdekammer hält fest, dass:

- die Bundesanwaltschaft unter der Verfahrensnummer SV.16.0330 gegen B. ein nationales Strafverfahren führte;

- dieses von Brasilien im Sinne von Art. 88 ff . IRSG übernommen wurde;

- die Generalstaatsanwaltschaft von Paraná in der Folge mit Rechtshilfeersuchen vom 7. Juni 2018 an die Schweiz gelangte und um Aufrechterhaltung der im nationalen Strafverfahren SV.16.0330 angeordneten Sperre des Kontos Nr. 1, lautend auf die A. SA, bei der C. SA ersuchte;

- die Bundesanwaltschaft am 28. Januar 2019 unter der Verfahrensnummer RH.19.0169 auf das Rechtshilfeersuchen eintrat und mit Verfügung vom 30. Januar 2019 die Kontosperre des genannten Kontos anordnete;

- die Bundesanwaltschaft am 3. Mai 2019 die Aufrechterhaltung der Kontosperre des betroffenen Kontos der A. SA verfügte;

- diese als Schlussverfügung bezeichnete Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 3. Mai 2019 mangels Zustelldomizil der Kontoinhaberin in der Schweiz der C. SA zugestellt wurde (vgl. zum Ganzen Beschwerdeantwort der Bundesanwaltschaft vom 1. Oktober 2020, Ziff. II 1);

- mit Schreiben vom 15. Januar 2020 Rechtsanwalt Christophe Wilhelm (nachfolgend «RA Wilhelm») als Vertreter von B. an die Bundesanwaltschaft gelangte und um Auskunft zu einer allfälligen Kontosperre des Kontos Nr. 1 der A. SA bei der C. SA, an welchem B. wirtschaftlich Berechtigter sei, sowie um Einsicht in allfällige Akten, insbesondere die Verfügung, mit welcher die Kontosperre angeordnet worden sei, ersuchte (act. 1.3);

- die Bundesanwaltschaft am 22. Januar 2020 RA Wilhelm aufforderte eine rechtsgenügende Vollmacht für die Vertretung der A. SA einzureichen (act. 1.5);

- RA Wilhelm mit Schreiben vom 18. März 2020 nunmehr namens der A. SA bei der Bundesanwaltschaft um Zustellung der betreffend das gesperrte Konto der A. SA ergangenen Verfügungen der Bundesanwaltschaft und um Akteneinsicht in das Dossier RH.19.0169 ersuchte (act. 1.8);

- die Bundesanwaltschaft mit Schreiben vom 1. Mai 2020 das Akteneinsichtsgesuch abwies (act. 1.9);

- mit Eingaben vom 5. Mai, 29. Juni und 20. August 2020 die A. SA wiederholt ihr Gesuch um Zustellung der Verfügungen der Bundesanwaltschaft betreffend das gesperrte Konto Nr. 1 und um Akteneinsicht stellte (act. 1.10, 1.12 und 1.14);

- diese Gesuche von der Bundesanwaltschaft allesamt mit Schreiben jeweils vom 7. Mai, 7. Juli und 26. Augst 2020 abgewiesen wurden (act. 1.11, 1.13 und 1.1);

- RA Wilhelm namens der A. SA mit Datum vom 7. September 2020 gegen das ablehnende Schreiben der Bundesanwaltschaft vom 26. August 2020 bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erhoben hat und die Feststellung der Rechtsverweigerung beantragt sowie den Antrag stellt, die Sache sei an die Bundesanwaltschaft zurückzuweisen, damit diese der A. SA die Schlussverfügung vom 5. Mai 2019 im Verfahren RH.19.0224 sowie die vorgehenden Zwischenverfügungen zustelle und der A. AG Akteneinsicht gewähre (act. 1 S. 8);

- RA Wilhelm zusammen mit der Beschwerde dem Gericht eine von B. am 17. März 2020 unterzeichnete Vollmacht einreichte (act.1.4)

- die Beschwerdekammer die A. SA mit Schreiben vom 22. September 2020 dazu aufforderte, ein aktuelles, datiertes Dokument einzureichen, das nachweise, dass der Vollmachtunterzeichner berechtigt sei, die A. SA zu vertreten (act. 9);

- diese Aufforderung mit Hinweis verbunden worden ist, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werde, wenn das genannte Dokument nicht innert Frist eingereicht werde;

- RA Wilhelm der Beschwerdekammer mit Schreiben vom 1. Oktober 2020 fristgerecht folgende Unterlagen einreichte: eine von B. unterzeichnete Vollmacht vom 24. September 2020 sowie ein Dokument, bei dem es sich um einen Registerauszug des obersten Gerichts der Republik Uruguay vom 9. September 2013 handeln soll, das die Berechtigung von B. zur Vertretung der A. SA beweise (act. 11);

- am 2. und 5. Oktober 2020 bei der Beschwerdekammer die Beschwerde-antworten des Bundesamtes für Justiz und der Bundesanwaltschaft eingegangen sind (act. 10 und 12);

- diese der A. SA mit dem heutigen Entscheid lediglich zur Kenntnis und nicht zur weiteren Vernehmlassung zugestellt werden, da auf die Beschwerde mangels Vorliegen der Eintretensvoraussetzungen - wie nachfolgend zu zeigen sein wird - nicht einzutreten ist.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:

- auf Beschwerdeverfahren in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten die Bestimmungen des VwVG anwendbar sind (Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 4 StBOG ), wenn das IRSG nichts anderes bestimmt (Art. 12 Abs. 1 IRSG );

- die Beschwerdeschrift die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten hat (Art. 52 Abs. 1 VwVG );

- die Beschwerdeinstanz dem Beschwerdeführer eine kurze Nachfrist zur Verbesserung einräumt, wenn die Beschwerde diesen Anforderungen nicht genügt und sich die Beschwerde nicht als offensichtlich unzulässig herausstellt (Art. 52 Abs. 2 VwVG), wobei sie diese Nachfrist mit der Androhung verbindet, nach unbenutztem Fristablauf auf Grund der Akten zu entscheiden oder, wenn Begehren, Begründung oder Unterschrift fehlen, auf die Beschwerde nicht einzutreten (Art. 52 Abs. 3 VwVG );

- sich die von Rechtshilfemassnahmen betroffene Person im Beschwerdeverfahren vor der Beschwerdekammer durch einen Rechtsbeistand vertreten lassen kann (vgl. Art. 21 Abs. 2 IRSG);

- in Verfahren nach VwVG grundsätzlich auch eine mündliche oder konkludent erteilte Vollmacht genügt (BGE 99 V 177 E. 3 S. 181);

- Prozesshandlungen, die ohne gültige Vollmacht oder von einer handlungsunfähigen Person vorgenommen werden, ungültig sind, weshalb auf ein Gesuch oder auf ein Rechtsmittel, das von einer nicht vertretungsbefugten Person eingereicht worden ist, nicht eingetreten wird ( Kiener/Rütsche/Kuhn , Öffentliches Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2015, N. 621; Marantelli/Huber , in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2016, Art. 11 VwVG N. 28);

- juristische Personen durch ihre Organe handeln (Art. 55 Abs. 2 ZGB );

- der für die juristische Person handelnde Rechtsvertreter eine von einem zeichnungsberechtigten Organ unterschriebene Vollmacht vorweisen muss;

- vorliegend die Vollmacht vom 24. September 2020 von B. unterzeichnet worden ist;

- der von der Beschwerdeführerin eingereichten notariellen Urkunde der Republik Uruguay zu entnehmen ist, dass B. seit dem 27. März 2000 Präsident der Beschwerdeführerin und einziges Verwaltungsratsmitglied sei;

- dieses Dokument vom 13. September 2013 datiert und mithin eine Rechtssituation wiedergibt, die sieben Jahre zurückliegt;

- daher der Nachweis, dass B. zum Zeitpunkt der Vollmachtsunterzeichnung zeichnungsberechtigtes Organ der Beschwerdeführerin und somit zur Unterzeichnung der Vollmacht der Beschwerdeführerin berechtigt war, nicht erbracht worden ist;

- weshalb androhungsgemäss auf die Beschwerde nicht einzutreten ist;

- die Verfahrenskosten bei diesem Ausgang des Verfahrens dem vollmachtlosen Vertreter aufzuerlegen sind (Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2015.110 vom 10. September 2015 E. 2.2);

- die Gerichtsgebühr auf Fr. 500.- festzusetzen ist (Art. 63 Abs. 5 VwVG i.V.m. Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 3 lit. a BStKR ), unter Anrechnung des entsprechenden Betrags am geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 4'000.--;

- die Bundesstrafgerichtskasse anzuweisen ist, Rechtsanwalt Christophe Wilhelm Fr. 3'500.-- zurückzuerstatten.


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird Rechtsanwalt Christophe Wilhelm auferlegt, unter Anrechnung des entsprechenden Betrags am geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 4'000.--. Die Bundesstrafgerichtskasse wird angewiesen, Rechtsanwalt Christophe Wilhelm Fr. 3'500.-- zurückzuerstatten.

Bellinzona, 9. Oktober 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Vorsitzende: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Rechtsanwalt Christophe Wilhelm

- Bundesanwaltschaft

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe

Rechtsmittelbelehrung

Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig (Art. 92 Abs. 1 BGG ). Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden (Art. 92 Abs. 2 BGG ).

Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sind andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar. Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können, oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Entscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (vgl. Art. 93 Abs. 1 und 2 BGG ). Ist die Beschwerde gegen einen Vor- oder Zwischenentscheid gemäss Art. 93 Abs. 1 und 2 BGG nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG ).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (vgl. Art. 84 Abs. 1 BGG ). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG ).

Die Beschwerde ist innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (vgl. Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG ).

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