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Entscheid des Bundesstrafgerichts: RR.2020.12 vom 21.07.2020

Hier finden Sie das Urteil RR.2020.12 vom 21.07.2020 - Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Sachverhalt des Entscheids RR.2020.12

Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hat die Beschwerde der A. SA und der B. SA gegen die Strafuntersuchung mit Verfahrenszahlungsvolumen SV.15.0775 wegen des Verdachts der Strafbarkeit des Unternehmens (Art. 102 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 septies und Art. 305 bis Ziff. 2 StGB) gegen die C. SA u.a. abgewiesen. Die Beschwerdegegnerin hat sich auf Datenträgern in einem von der D. Ltd angemieteten Rack befunden, die durch die Bundesanwaltschaft beschlagnahmt wurden und an den Gesellschaften der Gruppe F. genutzt wurden. Der Instruktionsrichter des Bundesstrafgerichts hat die Beschwerde abgewiesen und die mit Zwischenentscheid vom 23. Januar 2020 ( RP.2020.3 und RP.2020.4 ) getroffene Anordnung aufgehoben, wodurch die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.- für den Beschwerdeführerinnen auferlegt wurde.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Fallnummer:

RR.2020.12

Datum:

21.07.2020

Leitsatz/Stichwort:

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Teilnahme am Verfahren und Akteneinsicht (Art. 80b IRSG).

Schlagwörter

Daten; Rechtshilfe; Verfahren; Beschwerdeführerinnen; Bundesanwaltschaft; Akten; Sàrl; Rechtshilfeverfahren; Recht; Verfahren; Server; Entscheid; Beschwerdekammer; Sachen; Parteistellung; Person; Beschwerdelegitimation; Bundesstrafgericht; Datenträger; Sinne; Verfügung; Besitz; Bundesgericht; Gesellschaften; Dokumente; Bundesstrafgerichts; Rechtshilfemassnahme; Beschlagnahme; ängig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 246 StPO ;Art. 25 StGB ;Art. 63 VwVG ;Art. 641 ZGB ;Art. 84 BGG ;

Referenz BGE:

127 II 104; 128 II 211; 132 II 81; 137 IV 134; 137 IV 208; 140 IV 28; ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummern: RR.2020.11 , RR.2020.12

(Nebenverfahren: RP.2020.3 , RP.2020.4 )

Entscheid vom 21. Juli 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Andreas J. Keller und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

1. A. SA,

2. B. SA,

beide vertreten durch die Rechtsanwälte Peter Burckhardt und Eva Wyler,

Beschwerdeführerinnen

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen

Teilnahme am Verfahren und Akteneinsicht

(Art. 80 b IRSG)


Sachverhalt:

A. Die Bundesanwaltschaft führte gegen die A. SA sowie gegen weitere verschiedene juristische und natürliche Personen die Strafuntersuchung mit der Verfahrensnummer SV.15.0775 wegen des Verdachts der Strafbarkeit des Unternehmens (Art. 102 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 septies und Art. 305 bis Ziff. 2 StGB ), der Bestechung (Art. 322 septies StGB), der Falschbeurkundung (Art. 251 StGB ) und der qualifizierten Geldwäscherei (Art. 305 bis Ziff. 2 StGB).

B. Am 1. März 2016 stellte die Bundesanwaltschaft im Rahmen dieser Strafuntersuchung bei der im Kanton Genf domizilierten C. SA u.a. Daten sicher, welche sich auf Datenträgern in einem von der D. Ltd angemieteten Rack befanden. Diese wurden in der Folge durch die Bundesanwaltschaft beschlagnahmt. Ab dem 17. März 2016 schritt die Bundesanwaltschaft auch bei der im Kanton Genf domizilierten E. Sàrl zur Sicherstellung von Daten, welche sich auf Datenträgern in einem ebenfalls von der D. Ltd angemieteten Rack befanden (vgl. hierzu die eingereichten Auszüge aus den Akten BA, SV.15.0775). Gemäss den Ausführungen der Bundesanwaltschaft enthalten die betreffenden Systeme, Datenträger und Daten insbesondere die von den Gesellschaften der Gruppe F. genutzten Systeme Drousys und MyWebDay. Unter dem Drousys-System sei ein für verbrecherische Zwecke genutztes Kommunikationssystem zu verstehen. Über dieses System sei ein Teil der Kommunikation und Organisation in Bezug auf die Abwicklung von Bestechungszahlungen erfolgt. Mit dem System MyWebDay seien die gesamte Schattenbuchhaltung der Gruppe F. und insofern auch die vorgenommenen Geldwäschereihandlungen und die Bestechungszahlungen erfasst worden (vgl. hierzu act. 1.3, S. 1).

C. In der Folge gingen bei der Bundesanwaltschaft im gleichen Kontext Rechtshilfeersuchen verschiedener Staaten ein, welche um die Auswertung der durch die Bundesanwaltschaft im oben erwähnten nationalen Strafverfahren sichergestellten Daten baten. Die Bundesanwaltschaft ist auf diese Ersuchen eingetreten und zog die Daten der in den Räumlichkeiten der C. SA und der E. Sàrl beschlagnahmten Server der D. Ltd in die Rechtshilfeverfahren bei. Dabei gewährleistete die Bundesanwaltschaft in diesen Verfahren die Parteirechte der C. SA bzw. der E. Sàrl «gemäss den einschlägigen Bestimmungen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen» (vgl. act. 1.3, S. 1 f.).

D. Mit Eingabe vom 19. Juli 2019 gelangten die Vertreter der A. SA und der B. SA (beides Gesellschaften der Gruppe F.) an die Bundesanwaltschaft. Dabei bezogen sie sich auf zuvor schon ergangene Korrespondenz sowie auf eine gemeinsame Besprechung betreffend allfällige, den Gesellschaften der Gruppe F. in den Rechtshilfeverfahren zustehende Parteirechte und stellten eine Reihe von Anträgen. Mit Schreiben vom 23. Juli 2019 teilte die Bundesanwaltschaft diesbezüglich mit, dass sie der A. SA und der B. SA betreffend die in Genf beschlagnahmten Serverdaten in Rechtshilfeverfahren keine Parteistellung einräume und dass diese insbesondere auch nicht beschwerdeberechtigt seien. Mit Eingabe vom 30. September 2019 ersuchten die A. SA und die B. SA die Bundesanwaltschaft darum, ihnen in sämtlichen hängigen (passiven) Rechtshilfeverfahren, welche von der Bundesanwaltschaft auf Servern in Genf beschlagnahmte Daten und Dokumente der A. SA und der B. SA zum Gegenstand haben, Parteistellung einzuräumen und sämtliche Parteirechte zu gewähren, in einem ersten Schritt Akteneinsicht. Am 6. November 2019 ersuchte die Bundesanwaltschaft die A. SA und die B. SA diesbezüglich um Einreichung ergänzender Unterlagen und Informationen. Die entsprechende Eingabe erfolgte am 22. November 2019.

E. Am 2. Dezember 2019 verfügte die Bundesanwaltschaft Folgendes (act. 1.3):

Der Antrag vom 30. September 2019 bezüglich der Parteistellung von A. SA und B. SA in (passiven) Rechtshilfeverfahren im Zusammenhang mit bei der C. SA und E. Sàrl beschlagnahmten Servern, wird abgelehnt und A. SA und B. SA werden damit keinerlei Parteirechte, insbesondere Akteneinsicht, gewährt.

F. Hiergegen gelangten die A. SA und die B. SA mit Beschwerde vom 3. Januar 2020 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (act. 1). Sie beantragen Folgendes:

1. Die angefochtene Schlussverfügung der Beschwerdegegnerin vom 2. Dezember 2019 im Verfahren RH.19.0297 sei aufzuheben.

2. Den Beschwerdeführerinnen sei Parteistellung in sämtlichen hängigen und zukünftigen passiven Rechtshilfeverfahren einzuräumen, die von der Beschwerdegegnerin auf Servern bei C. SA und E. Sàrl beschlagnahmte Daten und Dokumente der Beschwerdeführerinnen und mit ihnen verbundene Gesellschaften zum Gegenstand haben.

3. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Vornahme weiterer Abklärungen und/oder neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen.

Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegnerin.

Mit Zwischenentscheid vom 23. Januar 2020 hiess der Instruktionsrichter der Beschwerdekammer den mit Beschwerde zusätzlich gestellten prozessualen Antrag gut. Er wies die Bundesanwaltschaft an, bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens betreffend Parteistellung der A. SA und der B. SA in den verschiedenen passiven Rechtshilfeverfahren keine Schlussverfügungen zu erlassen, mit welchen direkt oder indirekt die rechtshilfeweise Herausgabe von Daten und Informationen, welche auf den bei der C. SA und E. Sàrl beschlagnahmten Servern sichergestellt wurden, an ausländische Behörden bewilligt wird (act. 5).

In seiner Stellungnahme vom 5. Februar 2020 schliesst das Bundesamt für Justiz (nachfolgend «BJ») auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei (act. 9). In ihrer Beschwerdeantwort vom 10. Februar 2020 beantragt die Bundesanwaltschaft, die Beschwerde sei abzuweisen, unter Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdeführerinnen (act. 10). Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels halten die Parteien an ihren bereits gestellten Anträgen fest (act. 16, 18 und 19). Mit spontaner Eingabe vom 2. April 2020 nahmen die A. SA und die B. SA Stellung zur Duplik der Bundesanwaltschaft (act. 21). Diese Eingabe wurde der Bundesanwaltschaft und dem BJ am 3. April 2020 zur Kenntnisnahme übermittelt (act. 22).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Soweit andere Gesetze oder internationale Vereinbarungen nichts anderes bestimmen, regeln das Bundesgesetz vom 20. März 1981 (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1) und die Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfeverordnung, IRSV; SR 351.11) alle Verfahren der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 1 Abs. 1 IRSG ). Auf Beschwerdeverfahren in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten sind zudem die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021) anwendbar (Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 StBOG ), wenn das IRSG nichts anderes bestimmt (siehe Art. 12 Abs. 1 IRSG ).

2.

2.1 Die Verfügung der ausführenden Behörde, mit der das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen wird, unterliegt zusammen mit den vorangehenden Zwischenverfügungen der Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 80 e Abs. 1 IRSG), wobei die Beschwerdefrist 30 Tage beträgt (Art. 80 k IRSG ). Nach der Rechtsprechung ist der Entscheid, mit welchem die ausführende Behörde die Stellung einer Person als Partei im Rechtshilfeverfahren verneint, mit Bezug auf diese Person prozessual als Schlussverfügung zu behandeln (Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2019.12 vom 29. Mai 2019 E. 1.5; RR.2018.240 vom 12. Dezember 2018 E. 2.1; RR.2014.95 vom 23. Oktober 2014 E. 2.2.3). Zur Beschwerde ist dabei grundsätzlich berechtigt, wer der Vorinstanz vorwirft, sie habe die Legitimation zu Unrecht verneint (BGE 128 II 211 E. 2.2 S. 216 f.; 122 II 130 E. 1).

2.2 Mit der angefochtenen Verfügung verneint die Beschwerdegegnerin die Legitimation der Beschwerdeführerinnen und damit deren Parteistellung in verschiedenen Rechtshilfeverfahren. Die Beschwerdeführerinnen sind nach dem Gesagten (E. 2.1) legitimiert, sich gegen diese Entscheidung mit Beschwerde zur Wehr zu setzen. Auf deren frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

3. Die Beschwerdekammer ist nicht an die Begehren der Parteien gebunden (Art. 25 Abs. 6 IRSG). Sie prüft die bei ihr erhobenen Rügen grundsätzlich mit freier Kognition, befasst sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand der Beschwerde bilden (BGE 132 II 81 E. 1.4; 130 II 337 E. 1.4; Urteil des Bundesgerichts 1A.1/2009 vom 20. März 2009 E. 1.6; TPF 2011 97 E. 5).

4.

4.1 Personen, gegen die sich das ausländische Strafverfahren richtet, können Verfügungen nur anfechten, wenn eine Rechtshilfemassnahme sie persönlich und direkt betrifft und sie ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung haben (Art. 21 Abs. 3 IRSG ). Die Berechtigten können dementsprechend am Verfahren teilnehmen und Einsicht in die Akten nehmen, soweit dies für die Wahrung ihrer Interessen notwendig ist (Art. 80 b Abs. 1 IRSG). Diese Berechtigung bzw. die sich daraus ergebende Parteistellung im Rechtshilfeverfahren ist demzufolge keine umfassende ( Gless/Schaffner , Basler Kommentar Internationales Strafrecht, 2015, Art. 21 IRSG N. 60), sondern muss auf die Beschwerdelegitimation nach Art. 80 h lit. b IRSG abgestimmt werden (BGE 127 II 104 E. 4b; TPF RR.2019.46 vom 5. September 2019 E. 5.2, zur Publikation vorgesehen m.w.H.; siehe auch Gstöhl , Geheimnisschutz im Verfahren der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, 2008, S. 271 ff.).

4.2

4.2.1 Gemäss Art. 80 h lit. b IRSG ist zur Beschwerdeführung berechtigt, wer persönlich und direkt von einer Rechtshilfemassnahme betroffen ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Als persönlich und direkt betroffen im Sinne dieser Bestimmung gelten gemäss Art. 9 a IRSV namentlich der Kontoinhaber bei der Erhebung von Kontoinformationen (lit. a), der Eigentümer oder der Mieter bei Hausdurchsuchungen (lit. b) und der Halter bei Massnahmen betreffend Motorfahrzeuge (lit. c).

4.2.2 Die Praxis des Bundesgerichts verlangt für die Anerkennung der Beschwerdelegitimation im Sinne von Art. 80 h lit. b IRSG eine «spezifische Beziehungsnähe» des Rechtsuchenden zur angefochtenen Schlussverfügung. Eine bloss mittelbare Betroffenheit genügt hingegen nicht (BGE 137 IV 134 E. 5.2.1 S. 137 f. m.w.H.). Zu bejahen ist die Beschwerdebefugnis jeder natürlichen oder juristischen Person, die von einer Rechtshilfemassnahme direkt berührt ist. Die Praxis bejaht insbesondere die Beschwerdelegitimation jener Person, gegen die unmittelbar eine Zwangsmassnahme angeordnet wurde. Für bloss indirekt Betroffene, insbesondere Personen, die zwar in den erhobenen Unterlagen erwähnt werden, aber nicht direkt von Zwangsmassnahmen betroffen bzw. Inhaber von sichergestellten Dokumenten sind, ist die Beschwerdebefugnis grundsätzlich zu verneinen (BGE 137 IV 134 E. 5.2.2 m.w.H.; siehe auch Bussmann , Basler Kommentar Internationales Strafrecht, 2015, Art. 80 h IRSG N. 25). Insofern ist an die Beschwerdebefugnis bei Angelegenheiten der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen grundsätzlich ein restriktiver Massstab anzulegen ( BGE 137 IV 134 E. 6.4).

In diesem Sinne bezieht sich Art. 9 a lit. b IRSV auf Hausdurchsuchungen bzw. auf die Beschlagnahme von Dokumenten und Gegenständen. Dass diese Bestimmung grundsätzlich am unmittelbaren Besitz (tatsächliche Verfügungsgewalt) bzw. an der direkten Betroffenheit durch Zwangsmassnahmen anknüpft, bringt das Gesetz dadurch zum Ausdruck, dass bei Hausdurchsuchungen (neben dem Eigentümer der betroffenen Wohnung oder Liegenschaft) «der Mieter» als beschwerdelegitimiert bezeichnet wird (BGE 137 IV 134 E. 6.2 m.w.H.; vgl. zum Ganzen auch Ludwiczak Glassey , Entraide judiciaire internationale en matière pénale, 2018, N. 650 f.).

4.2.3 Die Beschlagnahme von Urkunden, die sich in den Händen von Dritten befinden, kann ein von der Zwangsmassnahme nur indirekt Betroffener im Rechtshilfeverfahren nicht selbst anfechten. Dies gilt auch dann, wenn die Urkunden Informationen zu Aktivitäten des indirekt Betroffenen enthalten. Der Verfasser von Dokumenten, die sich im Besitz eines Dritten befinden, ist durch die den Dritten betreffende Verpflichtung zur Edition nicht persönlich berührt. Dementsprechend hat das Bundesgericht auch entschieden, dass allein der Aufbewahrer und Besitzer (Lagerhalter) von beschlagnahmten Geschäftsunterlagen und (elektronischen Datenspeichern) beschwerdelegitimiert sei und nicht deren (von der Beschlagnahme nur indirekt betroffener) Hinterleger bzw. zivilrechtlicher Eigentümer (BGE 137 IV 134 E. 5.2.3 m.w.H.; Urteile des Bundesgerichts 1C_460/2019 vom 17. September 2019 E. 2.1; 1C_287/2008 vom 12. Januar 2009 E. 2.2; Ludwiczak Glassey , a.a.O., N. 652; siehe auch Bussmann , a.a.O., Art. 80 h IRSG N. 47 f.).

4.2.4 Diese Regeln gelten ausdrücklich nicht nur für physische Dokumente, sondern auch für anlässlich einer Hausdurchsuchung sichergestellte elektronische Daten (Urteil des Bundesgerichts 1C_287/2008 vom 12. Januar 2009 E. 2.2 [Festplatte]; Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2016.123 vom 3. März 2017 E. 2.2 [Server]; RR.2016.277 vom 7. Februar 2017 E. 1.5.2
[E-Mail- und andere Dateien]; RR.2013.160 vom 6. Februar 2014 E. 2.2.4 [Laptop bzw. USB-Stick]; Ludwiczak Glassey , a.a.O., N. 653).

4.3 Der eine Teil der vorliegend zur Diskussion stehenden Daten wurde durch die Beschwerdegegnerin am 1. März 2016 im Rahmen eines nationalen Strafverfahrens in den Räumlichkeiten der C. SA sichergestellt (vgl. hierzu das entsprechende Beschlagnahmeprotokoll vom 1. März 2016 [Akten BA SV.15.0775, pag. 10.204-0010 f.] sowie das diesbezügliche Verzeichnis der sichergestellten Gegenstände [Akten BA SV.15.0775, pag. 10.204-0012 f.] und den Bericht Vollzug Edition vom 23. März 2016 [Akten BA SV.15.0775, pag. 10.204-0001 ff.]). Die technischen Installationen wurden vor Ort beschlagnahmt und versiegelt. In der Folge wurden die Daten forensisch gesichert und ausgewertet (vgl. hierzu den Nachtragsbericht vom 8. Juli 2016 [Akten BA SV.15.0775, pag. 10.204-0228 f.]). Der andere Teil der Daten wurde in den Räumlichkeiten der E. Sàrl sichergestellt (vgl. hierzu den Bericht vom 8. Juli 2016 [Akten BA SV.15.0775, pag. 10.204-0182 ff.]).

Nach Auswertung der aufgefundenen Daten der D. Ltd bei der C. SA (bzw. bei der E. Sàrl), der vorhandenen physischen Hardware und der virtuellen Serverumgebung, berichtete die Bundeskriminalpolizei am 22. Juni 2016 zusammenfassend, das Setup sei vergleichbar mit einem «offsite» Office, über welches sich die Benutzer über einen Fernzugriff verbinden, um darauf zu arbeiten (Akten BA SV.15.0775, pag. 10.203-0015). Vertragliche Grundlagen zur Bereitstellung der Infrastruktur bzw. zur Erbringung von Dienstleistungen waren dabei das Master Service Agreement zwischen der C. SA und der D. Ltd (Akten BA SV.15.0775, pag. 10.204-0014 ff.) sowie das Master Agreement zwischen Letzterer und der E. Sàrl (act. 1.7).

4.4 Die Beschwerdeführerinnen machen zur Begründung ihrer Legitimation zusammengefasst geltend, dieser exklusive Fernzugriff habe ihnen - losgelöst vom unmittelbaren Besitz an den Servern - die direkte Verfügungsgewalt über die beschlagnahmten elektronischen Daten verschafft. Die Daten hätten sich in einem «unabhängig von den physischen Strukturen bestehenden, selbstständig von aussen betretbaren, virtuellen Datenraum» befunden. Auf diesen hätten ausschliesslich die Beschwerdeführerinnen über einen ortsungebundenen elektronischen Fernzugriff Zugang gehabt (act. 1, Rz. 41; act. 16, Rz. 7). Dieser Zugang sei durch die im Frühjahr 2016 erfolgten Zwangsmassnahmen unterbrochen worden. Schliesslich bringen die Beschwerdeführerinnen vor, die relevanten Racks, in denen die betroffenen Server lagerten, seien durch die C. SA bzw. durch die E. Sàrl vermietet worden. Diese hätten damit die direkte Verfügungsmacht daran aufgegeben (siehe u.a. act. 1, Rz. 48).

4.5 Der Argumentation der Beschwerdeführerinnen ist in erster Linie entgegen zu halten, dass die vorliegend zur Diskussion stehenden, allenfalls auf dem Rechtshilfeweg herauszugebenden Daten durch die Beschwerdegegnerin auf Datenträgern sichergestellt wurden, welche sich in den Räumlichkeiten der C. SA bzw. der E. Sàrl befunden haben. Die Speicherung von digitalen Daten erfolgt auf Datenspeichern (Hardware) wie z.B. Festplatten, DVD etc. Digitale Daten sind für sich selbst absolut unselbstständig. Ihre Aufbewahrung bzw. ihr Erhalt ist zwingend von einem Datenträger oder Datenverarbeitungssystem abhängig. Für sich allein können sie nicht existieren (vgl. Eckert , Digitale Daten als Wirtschaftsgut: digitale Daten als Sache, SJZ 112/2016, S. 245 ff., 246; Hess-Odoni , Die Herrschaftsrechte an Daten, Jusletter vom 17. Mai 2004, N. 1; ferner Wolf/Wiegand , Basler Kommentar, 6. Aufl. 2019, Vor Art. 641 ff . ZGB N. 19a-19d). Der Zugriff auf die vorliegenden Daten erfolgte durch physische Behändigung eben dieser Datenträger, auf welchen sich die Daten befanden. Den Ausführungen der Beschwerdeführerinnen, wonach sich die Daten unabhängig von physischen Strukturen in einem virtuellen Datenraum befunden hätten, kann daher nicht gefolgt werden. Die C. SA bzw. die E. Sàrl waren somit im Sinne der eingangs erwähnten Rechtsprechung durch die Rechtshilfemassnahmen in Form einer Hausdurchsuchung bzw. einer Verpflichtung zur Edition unmittelbar betroffen. Bei einer derartigen Konstellation ist allein der Aufbewahrer und Besitzer der beschlagnahmten elektronischen Datenspeicher beschwerdelegitimiert und nicht deren Hinterleger, deren zivilrechtlicher «Eigentümer» oder anderswie daran Berechtigte. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerinnen aus der Ferne auf die fraglichen Daten zugreifen konnten, verschafft ihnen keine Beschwerdelegitimation. Durch die Rechtshilfemassnahmen der forensischen Sicherstellung, der Durchsuchung und der Beschlagnahme waren sie damit eben gerade mittelbar (und dies überdies noch durch Zwischenschaltung der D. Ltd) und nicht unmittelbar betroffen. Bei der Trennung der Verbindung bzw. der Aufhebung des Fernzugriffs der Beschwerdeführerinnen auf die Daten handelte es sich demgegenüber um einen faktischen Vorgang, welcher im Interesse der nationalen Strafverfolgung und in jenem Zeitpunkt gerade nicht im Hinblick auf irgendwelche Rechtshilfemassnahmen verfügt worden ist. Dieser Vorgang diente der Unterbindung der weiteren verbrecherischen Nutzung der vorhandenen Hardware (siehe u.a. act. 1.14, S. 2 und 4; act. 1.15) und ist demnach für die Frage der Beschwerdelegitimation im Rechtshilfeverfahren nicht von Relevanz. Nichts zu ihren Gunsten ableiten können die Beschwerdeführerinnen auch aufgrund der ihnen bzw. Dritten (vgl. hierzu act. 1.15) im nationalen Strafverfahren allenfalls eingeräumten Parteirechte. So mag beispielsweise nach Praxis des Bundesgerichts die Befugnis, sich gegen eine Durchsuchung von Aufzeichnungen im Sinne von Art. 246 ff . StPO zu wehren, über den Kreis der Gewahrsamsinhaber hinausgehen und auch Personen erfassen, die unabhängig der Besitzverhältnisse ein rechtlich geschütztes Interesse an der Geheimhaltung des Inhalts der Unterlagen haben können (BGE 140 IV 28 E. 4.3.4 S. 35 ff.). Im Rechtshilfeverfahren gelten zur Beschwerdelegitimation aber andere, eben die eingangs erläuterten restriktiveren Regeln. Auch die strafrechtliche Zurechnung beim Besitz an elektronischen Daten mit pornographischem Inhalt (siehe BGE 137 IV 208 E. 4.1 S. 213) folgt anderen Gesichtspunkten und nicht den hier anwendbaren Regeln. Ebenso an der Sache vorbei gehen die Vorbringen der Beschwerdeführerinnen, der C. SA bzw. der E. Sàrl fehle es an der von der Rechtsprechung geforderten spezifischen Beziehungsnähe zu den fraglichen Daten bzw. die Gesellschaften hätten ihre diesbezügliche Verfügungsmacht daran aufgegeben (siehe act. 1, Rz. 48; act. 16, Rz. 9). Den Akten kann eindeutig entnommen werden, dass es die Verantwortlichen dieser Gesellschaften waren, welche der Beschwerdegegnerin den physischen Zugriff auf die fraglichen Datenträger und damit auf die entsprechenden Daten verschafft haben (siehe den Bericht vom 23. März 2016 betreffend C. SA [Akten BA SV.15.0775, pag. 10.204-0001 ff.] und den Bericht vom 8. Juli 2016 betreffend E. Sàrl [Akten BA SV.15.0775, pag. 10.204-0182 ff.]). So spielt es letztlich auch keine Rolle, dass auch aufgrund der von den Beschwerdeführerinnen selber eingereichten Unterlagen keinerlei Anhaltspunkte für eine irgendwie geartete Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerinnen zu erkennen sind. So war namentlich allein die D. Ltd Vertragspartnerin der C. SA bzw. der E. Sàrl und nicht die Beschwerdeführerinnen (siehe oben E. 4.3).

5. Nach dem Gesagten fehlt es den Beschwerdeführerinnen hinsichtlich der vorliegend zur Diskussion stehenden Daten an einer spezifischen Beziehungsnähe im Sinne der Rechtsprechung. Demzufolge kommt ihnen im Rechtshilfeverfahren weder Beschwerdelegitimation noch Parteistellung zu. Deren Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.

6. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die mit Zwischenentscheid vom 23. Januar 2020 ( RP.2020.3 und 4) erfolgte Anordnung des Instruktionsrichters aufzuheben.

7. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten den unterliegenden Beschwerdeführerinnen aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG ). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 6'000.- festzusetzen (Art. 63 Abs. 5 VwVG i.V.m. Art. 73 StBOG sowie Art. 5 und 8 Abs. 3 lit. a des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]), unter Anrechnung des geleisteten Kostenvorschusses in gleicher Höhe (act. 3 und 6).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die mit Zwischenentscheid des Instruktionsrichters vom 23. Januar 2020 ( RP.2020.3 und RP.2020.4 ) getroffene Anordnung wird aufgehoben.

3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.- wird den Beschwerdeführerinnen auferlegt, unter Anrechnung des geleisteten Kostenvorschusses in gleicher Höhe.

Bellinzona, 21. Juli 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- Rechtsanwälte Peter Burckhardt und Eva Wyler

- Bundesanwaltschaft

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG ).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG ).

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