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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BV.2019.44 vom 20.04.2020

Hier finden Sie das Urteil BV.2019.44 vom 20.04.2020 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BV.2019.44

Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hat das Verfahren BV201934 -39 und BV201940 -45 abgewiesen. Die Beschwerden der Parteien, A und B AG, gegen die Eidgenössische Steuerverwaltung (Eidgenössische Steuerverwaltung EStV) wegen Verdachts auf Hinterziehung der Verrechnungssteuer und Abgabebetrug, sowie wegen Widerhandlungen gegen das Mehrwertsteuergesetz, haben die Beschwerdekammer abgewiesen. Die Beschwerdeverfahren werden vereinigt.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BV.2019.44

Datum:

20.04.2020

Leitsatz/Stichwort:

Beschlagnahme (Art. 46 f. VStrR). Akteneinsicht (Art. 36 VStrR i.V.m. Art. 26 ff. VwVG).

Schlagwörter

Beschwerde; Verfahren; VStrR; Daten; Akten; Verfahren; Bundesstrafgericht; Beschwerdekammer; Unterlagen; Bundesstrafgerichts; Beschlag; Beschlagnahme; Verwaltung; Zwang; Zwangsmassnahme; Tatverdacht; Bundesgericht; Gericht; Rückgabe; Bundesgesetzes; Zwangsmassnahmen; Behörde; Beschluss; Eidgenössische; Verwaltungsstrafverfahren; Anträge; Beschwerdeverfahren; Mehrwertsteuer

Rechtskraft:

Weiterzug

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 10 BGG ;Art. 111 DBG ;Art. 197 StPO ;Art. 26 StPO ;Art. 26 VwVG ;Art. 66 BGG ;

Referenz BGE:

119 IV 326; 120 IV 365; 126 V 283; 137 IV 122; 138 IV 225; 139 IV 246; 141 I 105; 141 IV 87; 143 I 227; 143 IV 330; 144 II 427; ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummern: BV.2019.34 -39; BV.2019.40 -45

Beschluss vom 20. April 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Cornelia Cova und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

1. A. ,

2. B. AG ,

3. C. AG ,

4. D. AG ,

5. E. GmbH ,

6. F. AG ,

2-6 vertreten durch A.,

Beschwerdeführer

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung EStV,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Beschlagnahme (Art. 46 f . VStrR );
Akteneinsicht (Art. 36 VStrR i.V.m. Art. 26 ff . VwVG )


Sachverhalt:

A. Die EStV verdächtigte die G. AG in Liq., versucht und vollendet, fortgesetzt grosse Steuerbeträge hinterzogen zu haben (Steuerperioden 2006-2010). A. soll ihr Gehilfe gewesen sein und Steuerbetrug begangen haben. Überdies soll A. Einkommenssteuern (Steuerperioden 2006-2012) vollendet und versucht hinterzogen haben und dabei ebenfalls Steuerbetrug begangen haben. Die EStV gelangte an die Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartementes. Diese ermächtigte am 8. April 2014 die Abteilung Strafsachen und Untersuchungen der EStV (ASU), eine besondere Steueruntersuchung zu eröffnen. Dazu kamen das Verwaltungsstrafverfahren gegen A. wegen Verdachts auf Hinterziehung der Verrechnungssteuern sowie wegen Abgabebetrugs, ev. Steuerhinterziehung gemäss Mehrwertsteuergesetz (act. 2 S. 2).

B. Der Direktor der EStV erliess am 24. April 2014 einen Durchsuchungsbefehl für die Räumlichkeiten der B. AG (act. 2.1). Sie fand am 30. April 2014 an der Z.-Strasse, Y., statt. Es wurden zahlreiche Akten und Daten beschlagnahmt (act. 2.2). Die EStV spiegelte sichergestellte Datenträger und gab sie am 9. September 2014 zurück (vgl. act. 2.4 letzte Seite).

C. Am 21. August 2017 eröffnete die EStV A. den Untersuchungsbericht in der besonderen Steueruntersuchung der ASU. Sie stellte das Verfahren gegen die zwischenzeitlich liquidierte G. AG ein. Am 2. Mai 2018 erliess die EStV im Verwaltungsstrafverfahren bezüglich Verstosses gegen die Verrechnungssteuergesetzgebung das Schlussprotokoll. Am 23. November 2018 hat sie die Strafverfügung im Verfahren wegen Widerhandlungen gegen das Mehrwertsteuergesetz erlassen. A. hat die gerichtliche Beurteilung der Strafverfügung verlangt. Die Nach- und Steuerstrafverfahren betreffend die Steuerperioden 2006 bis 2012 waren bei den kantonalen Steuerämtern von St. Gallen und Zürich hängig.

D. A. schrieb am 11. Juni 2019 dem Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartementes und ersuchte um die unverzügliche Herausgabe aller am 30. April 2014 bei der B. AG beschlagnahmten Akten und Sachwerte (act. 2.3). Die EStV stellte A. am 25. Juli 2019 den Entwurf eines Rückgabeprotokolls zu, in dem diejenigen Unterlagen durchgestrichen waren, die von den Behörden für ihre Verfahren noch benötigt werden (act. 2.4, 2.5). Sie lud A. zugleich zur Stellungnahme ein. Am 23. August 2019 antwortete A., für ihn komme nur eine vollständige Rückgabe aller Akten und Daten in Frage. Eine bloss teilweise Rückgabe stehe für ihn ausser jeder Diskussion (act. 2.6). Die EStV begründete mit Verfügungen vom 26. September 2019, warum nicht sämtliche Unterlagen oder Daten freigegeben werden könnten. ( BV.2019.34 -39 act. 2.7; BV.2019.40 -45 act. 1.1).

E. Dagegen erhob A. am 30. September 2019 ( BV.2019.34 -39) und 7. Oktober 2019 ( BV.2019.40 -45) bei der EStV Beschwerden zuhanden der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Er beantragt für sich sowie die Gesellschaften B. AG, C. AG, D. AG, E. GmbH und F. AG (act. 1 S. 2):

1) Die ESTV sei anzuweisen, unverzüglich alle beschlagnahmten Akten und Sachwerte gemäss Durchsuchungsprotokoll vom 30. April 2014 an die Inhaber zurückzugeben. Ausgenommen von dieser Pflicht sind nur jene Akten und Sachwerte, welche die ASU/ESTV bereits wieder an die Inhaber zurückgegeben hat.

2) Der Vollzug der Herausgabe der Akten hat an das Domizil der Beschlagnahme, B. AG, Z.-Strasse, Y., auf Kosten der ESTV zu erfolgen.

3) Alle analog aufbereiteten und digital gespeicherten Daten, welche ASU/ESTV erstellt, gesammelt, beschlagnahmt oder deren Herstellung und Bezug ASU/ESTV analog oder digital veranlasst haben, sind unwiderruflich zu löschen und als unverwertbar zu erklären.

A. stellt sodann prozessuale Anträge, auf uneingeschränkte Akteneinsicht und es seien bestimmte Mitarbeiter der EStV sowie kantonaler Steuerämter als Zeugen einzuvernehmen.

Die EStV beantwortete die Beschwerden am 4. und 11. Oktober 2019. Sie beantragt, die Beschwerden sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei ( BV.2019.34 -45 act. 2). A. reichte mit Eingaben vom 24. Oktober 2019 Replik ein und hielt vollumfänglich an seinen Anträgen fest ( BV.2019.34 -39 act. 8; BV.2019.40 -45 act. 4). Sie wurden der EStV am 29. Oktober 2019 zur Kenntnis zugestellt ( BV.2019.34 -39 act. 9; BV.2019.40 -45 act. 5). Die unaufgeforderte Eingabe der Beschwerdeführer vom 16. März 2020 wurde der EStV am 24. März 2020 zur Kenntnis gebracht.

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Nach dem Grundsatz der Prozessökonomie sind Verfahren möglichst einfach, rasch und zweckmässig zum Abschluss zu bringen (BGE 126 V 283 E. 1 S. 285). Es steht im Ermessen des Gerichts, Verfahren nach diesem Grundsatz zu vereinen (Beschluss des Bundesstrafgerichts BV.2016.19 vom 7. Dezember 2016 E. 1). Die Beschwerdeverfahren BV.2019.34 -39 und BV.2019.40 -45 haben die gleichen Parteien, basieren auf demselben Sachverhalt und werfen die gleichen Rechtsfragen auf. Sie sind daher zu vereinen.

2.

2.1 Die EStV ist die nach Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht ( VStrR ; SR 313.0) zuständige Behörde, wenn es um schwere Steuerwiderhandlungen, Widerhandlungen gegen das Verrechnungssteuergesetz sowie Verstösse gegen die Mehrwertsteuer (Inlandsteuer, Bezugssteuer) geht (Art. 191 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer; DBG; SR 642.11 ; Art. 67 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer; Verrechnungssteuergesetz, VStG; SR 642.2 ; Art. 103 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer; Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20).

2.2 Die Bestimmungen der Eidgenössischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) sind insoweit ergänzend oder sinngemäss anwendbar, als das VStrR dies ausdrücklich festlegt (vgl. Art. 22, Art. 30 Abs. 2-3, Art. 31 Abs. 2, Art. 41 Abs. 2, Art. 43 Abs. 2 , Art. 58 Abs. 3 , Art. 60 Abs. 2 , Art. 80 Abs. 1 , Art. 82 , Art. 89 und Art. 97 Abs. 1 VStrR ). Soweit das VStrR einzelne Fragen nicht abschliessend regelt, sind die Bestimmungen der StPO grundsätzlich analog anwendbar (BGE 139 IV 246 E. 1.2 S. 248, E. 3.2 S. 249; Urteile des Bundesgerichts 1B_210/2017 vom 23. Oktober 2017 E. 1.1; 1B_91/2016 vom 4. August 2016 E. 4.1; zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 1B_433/2017 vom 21. März 2018 E. 1.1). Die allgemeinen strafprozessualen und verfassungsrechtlichen Grundsätze sind jedenfalls auch im Verwaltungsstrafverfahren zu berücksichtigen (BGE 139 IV 246 E. 1.2 und E. 3.2; vgl. hierzu auch TPF 2016 55 E. 2.3; Beschluss des Bundesstrafgerichts BV.2017.26 vom 6. September 2017 E. 1.2 und E. 1.3).


3.

3.1 Gegen Zwangsmassnahmen im Sinne der Art. 45 ff . VStrR und damit zusammenhängende Amtshandlungen kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden (Art. 26 Abs. 1 VStrR i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes; Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG, SR 173.71).

3.2 Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch den Beschwerdeentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 28 Abs. 1 VStrR). Gemäss Art. 47 Abs. 1 VStrR ist die Beschlagnahme gegen den Inhaber eines Gegenstandes oder Vermögenswertes gerichtet (vgl. BGE 119 IV 326 E. 7 f; Bommer/Goldschmid , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 263 StPO N. 31). Die Beschwerde ist innert dreier Tage nachdem der Beschwerdeführer von der Amtshandlung Kenntnis hat bei der zuständigen Behörde schriftlich, mit Antrag und kurzer Begründung, einzureichen (Art. 28 Abs. 3 VStrR ). Die Beschwerde gegen Zwangsmassnahmen der Untersuchungsbeamten ist beim Chef der entsprechenden Verwaltungseinheit einzureichen (vgl. Art. 26 Abs. 2 lit. b VStrR). Berichtigt der Chef der beteiligten Verwaltung die Amtshandlung oder Säumnis im Sinne der gestellten Anträge, so fällt die Beschwerde dahin; andernfalls hat er sie mit seiner Äusserung spätestens am dritten Werktag nach ihrem Eingang an die Beschwerdekammer weiterzuleiten (Art. 26 Abs. 3 VStrR).

3.3 Am 30. April 2014 führte die EStV Hausdurchsuchungen bei der B. AG in Y. (Z.-Strasse) durch, bei A. in X. sowie in der von der B. AG für A. gemieteten Privatwohnung (V-Strasse) in Y. (Schreiben der EStV an das kantonale Steueramt St. Gallen vom 8. März 2017, BV.2019.40 in act. 1.2; act. 2 S. 2 Vernehmlassung).

3.4 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben.

Vorliegend geht es um die Freigabe der in Y. bei der B. AG (vgl. BV.2019.40 act. 2.2-2.4, 2.8) sowie in der Privatwohnung von A. (vgl. BV.2019.34 act. 2.2, 2.7) beschlagnahmten Unterlagen / Daten. Damit sind die B. AG und A. für die jeweils in ihren Räumlichkeiten sichergestellten Unterlagen / Daten beschwerdelegitimiert. Den nicht direkt von der Zwangsmassnahme betroffenen Beschwerdeführerinnen 3-6 fehlt demgegenüber die Beschwerdelegitimation - auf die Beschwerde ist folglich insoweit nicht einzutreten.

3.5 Die Beschwerde stellt weiter prozessuale Anträge auf uneingeschränkte Akteneinsicht und auf Zeugeneinvernahmen. Die Beschwerdeführer beantragten indes keine Akteneinsicht vor der Vorinstanz und eine solche war auch nicht Gegenstand der angefochtenen Verfügung (vgl. BV.2019.34 act. 2.3, 2.7; BV.2019.40 act. 2.5-2.7, 2.8). Damit ist das Gesuch, die Verfahrensakten der EStV einzusehen, im vorliegenden Beschwerdeverfahren kein zulässiges Verfahrensthema. Auf den Antrag auf Einsicht in die Akten der EStV ist daher nicht einzutreten. Im Beschwerdeverfahren selbst haben die Beschwerdeführer sämtliche Eingaben der EStV erhalten (vgl. act. 4 S. 2 Einladung zur Replik). Sodann erweist sich das Beschwerdeverfahren als spruchreif; Zeugeneinvernahmen sind nicht erforderlich. Dementsprechend ist auch auf diesen prozessualen Antrag nicht einzutreten.

3.6 Damit ist auf die Beschwerde der B. AG bezüglich der an der Z.-Strasse in Y. sichergestellten Unterlagen einzutreten, ebenso wie auf die Beschwerde von A. hinsichtlich der an der V.-Strasse in Y. sichergestellten und beschlagnahmten Daten. (A. und die B. AG werden nachfolgend als "Beschwerdeführer" bezeichnet.) Im Übrigen ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

4. Vom untersuchenden Beamten sind mit Beschlag zu belegen (a) Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können; (b) Gegenstände und andere Vermögenswerte, die voraussichtlich der Einziehung unterliegen; (c) die dem Staate verfallenden Geschenke und anderen Zuwendungen (Art. 46 Abs. 1 VStrR). Die Beschlagnahme nach Art. 46 Abs. 1 lit. b VStrR stellt eine provisorische prozessuale Massnahme zur vorläufigen Sicherstellung der allenfalls der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte dar und greift dem Entscheid über die endgültige Einziehung nicht vor (BGE 120 IV 365 E. 1c). Als strafprozessuale Zwangsmassnahme setzt die Beschlagnahme im Verwaltungsstrafverfahren voraus, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht (vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO ). Sie muss ausserdem vor dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz standhalten (Art. 45 Abs. 1 VStrR ; vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. c -d StPO ). Nicht zulässig ist die Beschlagnahme nach Art. 46 Abs. 1 lit. b VStrR , falls eine strafrechtliche Einziehung aus materiell-rechtlichen Gründen bereits als offensichtlich unzulässig erscheint (Beschluss des Bundesstrafgerichts BV.2017.5 vom 20. April 2017 E. 5.1).

5.

5.1 Zu prüfen ist zunächst, ob ein hinreichender Tatverdacht gegeben ist.

Wohnungen und andere Räume sowie unmittelbar zu einem Hause gehörende umfriedete Liegenschaften dürfen nur durchsucht werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass sich der Beschuldigte darin verborgen hält oder dass sich Gegenstände oder Vermögenswerte, die der Beschlagnahme unterliegen, oder Spuren der Widerhandlung darin befinden (Art. 48 Abs. 1 VStrR ; Urteil des Bundesgerichts 1B_539 2019 vom 19. März 2020 E. 3.2.2).

Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das für die Beurteilung von Zwangsmassnahmen im Vorverfahren zuständige Gericht bei der Überprüfung des hinreichenden Tatverdachtes keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Bestreitet die beschuldigte (oder eine von Zwangsmassnahmen betroffene andere) Person den Tatverdacht, ist vielmehr zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung der beschuldigten Person an dieser Tat vorliegen, die Strafbehörden somit das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Hinweise auf eine strafbare Handlung müssen erheblich und konkreter Natur sein, um einen hinreichenden Tatverdacht begründen zu können (BGE 141 IV 87 E. 1.3.1 S. 90; 137 IV 122 E. 3.2 S. 126). Zur Frage des Tatverdachtes bzw. zur Schuldfrage hat die Beschwerdeinstanz weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden Strafrichter vorzugreifen (BGE 137 IV 122 E. 3.2 S. 126 f.; s.a. BGE 143 IV 330 E. 2.1 S. 333; zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 1B_433/2017 vom 21. März 2018 E. 5.2).

5.2 Der Beschwerdeführer zweifelt in seiner Beschwerdeschrift den Anfangstatverdacht nicht an und die EStV schildert in ihrer Stellungnahme vom 4. Oktober 2019 (act. 2) die allenfalls dazu relevante Verfahrensgeschichte. Demnach erhielt die EStV die Ermächtigung zur Durchführung einer besonderen Steueruntersuchung, erwähnt die EStV Nach- und Steuerstrafverfahren in den Kantonen Zürich und St. Gallen, hatte die EStV im Verrechnungssteuerverfahren das Schlussprotokoll gegen A. eröffnet und gegen ihn eine Strafverfügung gestützt auf das MWSTG erlassen. Diese könnten möglicherweise Indizien für einen Anfangstatverdacht sein, begründen ihn jedoch nicht. Immerhin erwähnt der Durchsuchungsbefehl des Direktors der EStV vom 24. April 2014 (BV.2019. 34 act. 2.1 lit. A und B) präzise die einzelnen Vorwürfe, auf welche Artikel diese sich stützen und für welche Perioden sie erhoben werden (vgl. auch obige lit. C). Bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass ein Anfangstatverdacht vorliege und macht dagegen auch keine Ausführungen, so kann die Beschwerdekammer den Tatverdacht nicht näher prüfen. Damit ist, aufgrund der Akten wie sie der Beschwerdekammer vorliegen, (knapp) von einem hinreichenden Anfangstatverdacht auszugehen.

6.

6.1 Zu prüfen ist weiter, ob die Beschlagnahme verhältnismässig ist (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 1B_539 2019 vom 19. März 2020 E. 3.2.3). Die EStV beschlagnahmte bei der B. AG Unterlagen / Daten und bei A. Daten. Nachdem sie die Daten gespiegelt hatte, gab sie die Computer zurück. Damit geht es vorliegend darum, ob es verhältnismässig war und ist, Beweismittel zu beschlagnahmen. Das Protokoll über die Beschlagnahme von Unterlagen bei der B. AG bezeichnet die einzelnen Sammelpositionen genau und diese stehen in wahrscheinlichem Bezug zur finanziellen Situation von A. oder stellen Geschäftsunterlagen dar (vgl. BV.2019.34 act 2.2). A. lehnte einen Vorschlag der EStV, bei der B. AG beschlagnahmte und von der EStV nicht mehr benötigte Unterlagen zurückzugeben, am 23. August 2019 ab (act. 2.6); er bestand auf einer vollständigen Rückgabe. Er bezeichnet auch in seiner Beschwerde nicht einzelne, für das Verfahren unmassgebliche Unterlagen. Die Beschwerdeführer machten in ihren Eingaben weiter nicht geltend, es seien Unterlagen mit strafrechtlich geschützten Berufsgeheimnissen betroffen und dies ist auch nicht erkennbar. Angesichts der weitläufigen Straf­untersuchungen ist nicht erkennbar, inwieweit einzelne Unterlagen dafür nicht erforderlich sein sollen. Die Rüge geht fehl.

Die Beschwerdeführer verlangen auch die integrale Rückgabe der Daten. Die EStV bot ihrerseits keine teilweise Rückgabe an, da mit einer Aussonderung und Vernichtung einzelner Datensätze die Integrität der ursprünglich gesicherten Daten nicht mehr gewährleistet sei. Dies ist indes gerade die Aufgabe der Strafbehörde, so sind z.B. Dokumente mit Berufsgeheimnissen oder eindeutig private Daten wie Fotos oder Tagebücher freizugeben. Die Strafbehörde stellt auch dabei die Nachverfolgbarkeit und Datenintegrität sicher. Freilich haben Beschwerdeführer die Verpflichtung mitzuwirken und die Daten genau zu bezeichnen, die ihnen zurückgegeben werden sollen. Dies haben sie unterlassen. Damit ist ihre Rüge unbegründet.

6.2 Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den Informationsaustausch mit kantonalen Steuerbehörden und machen, auch angesichts der Parallelität von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren, eine Verletzung von Art. 6 EMRK geltend. Art. 111 Abs. 1 DBG erlaubt einen solchen gegenseitigen Informationsaustausch ausdrücklich, wie auch Art. 36 VStG . Diese Rüge ist unbegründet. Das Bundesgericht hielt in BGE 144 II 427 E. 2.3.1-2.3.3 sodann fest, gegen den Zwang zur Selbstbelastung verstosse, wenn im steuerlichen Veranlagungsverfahren unter Strafandrohung erhobene Akten später in einem Strafverfahren verwendet werden. Es verstosse demgegenüber nicht gegen Art. 6 EMRK , wenn Sachverhaltsermittlungen durch strafprozessual zulässige Zwangsmassnahmen im Veranlagungsverfahren Verwendung finden. Zulässig ist auch, die im ASU-Verfahren erhobenen Akten im Veranlagungsverfahren nutzen. Die Veranlagungsverfahren müssen auch nicht sistiert werden. Soweit für das vorliegende Verfahren überhaupt relevant, sind die Einwendungen der Beschwerdeführer unbegründet.

7. Die erhobenen Rügen erweisen sich als unbegründet. Soweit auf die Beschwerde einzutreten ist, ist sie damit abzuweisen.

8. Art. 25 Abs. 4 VStrR bestimmt, dass Verfahren vor der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts kostenpflichtig sind. Art. 25 Abs. 4 VStrR verweist im Übrigen auf Art. 73 StBOG . Dieser Artikel enthält u.a. eine Delegationsnorm für die Berechnung der Verfahrenskosten (Art. 73 Abs. 1 lit. a StBOG ) sowie Grundsätze für die Gebührenbemessung (Art. 73 Abs. 2 StBOG ) und führt für die Kosten das Reglement des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren (BStKR; SR 173.713.162) an. Für die Kostenverteilung zwischen den Parteien wird nach der Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts einerseits Art. 66 Abs. 1 BGG analog herangezogen ( TPF 2011 25 E. 3). Bei Gerichtskosten greifen das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip nicht (BGE 143 I 227 E. 4.3.1, 4.2.3; anders BGE 141 I 105 E. 3.3.2); Gerichtskosten werden indes in Anlehnung an das Verursacherprinzip in der Regel nach Obsiegen/Unterliegen verteilt (Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2013.16 vom 27. Februar 2014 E. 7; vgl. BGE 138 IV 225 E. 8.1 bis 8.2 zur Situation unter der StPO).

Bei vorliegendem Ausgang des Verfahrens unterliegen die Beschwerdeführer und werden damit kostenpflichtig (vgl. Art. 25 Abs. 4 VStrR ). Die Gerichtsgebühr ist in Anwendung von Art. 5 und 8 BStKR auf Fr. 3'000.-- festzusetzen und den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung aufzuerlegen.


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerdeverfahren BV.2019.34 -39 und BV.2019.40 -45 werden vereinigt.

2. Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

3. Auf die prozessualen Anträge wird nicht eingetreten.

4. Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt, unter solidarischer Haftung.

Bellinzona, 20. April 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- A.

- Eidgenössische Steuerverwaltung

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG; SR 173.110). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG ).

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