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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BG.2020.7 vom 02.04.2020

Hier finden Sie das Urteil BG.2020.7 vom 02.04.2020 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BG.2020.7

Der Bundesstrafgericht BG20207 hat am 2. April 2020 einen Beschluss getroffen, in dem er die Zuständigkeit des Gerichtsstands für den Fall des Verdachts von Betrug und Vergewaltigung gegen B wegen der Straftat im Kanton Appenzell Ausserrhoden festlegt. Der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts wurde vorgestellt, dass es sich um einen Fall handelt, in dem die Strafbehörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden für sämtliche den beiden Beschuldigten vorgeworfenen Delikte zuständig sind. Der Gesuchsgegner 1 hat jedoch beantragt, dass der Kanton St Gallen für das Verfahren gegen B und E als zuständig gilt. Der Bundesstrafgericht hat die folgenden Punkte in Betracht gezogen: * Die Strafbehörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden sind berechtigt und verpflichtet, die B und E zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen. * Es gibt keine triftigen Gründe, warum der Kanton St Gallen für das Verfahren gegen B und E als zuständig gilt. Der Bundesstrafgericht hat jedoch auch einige Bedenken hinsichtlich des Meinungsaustauschs zwischen den Strafbehörden: * Der Gesuchsgegner 1 hat argumentiert, dass der Meinungsaustausch nicht abgeschlossen sei und daher ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand gebieterisch aufdrängt. * Der Bundesstrafgericht hat jedoch darauf hingewiesen, dass die Strafbehörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden grundsätzlich berechtigt sind, den Meinungsaustausch zu durchführen. Der Bundesstrafgericht hat schliesslich eine Vereinbarung getroffen: * Der Kanton St Gallen wird für das Verfahren gegen B und E als zuständig erklärt. * Die Strafbehörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden werden jedoch zur Verfolgung und Beurteilung der Beschuldigten gebeten, ihre Zuständigkeit zu bestätigen. Der Bundesstrafgericht hat den Beschluss BG20207 vom 2. April 2020 veröffentlicht.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BG.2020.7

Datum:

02.04.2020

Leitsatz/Stichwort:

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO).

Schlagwörter

Kanton; Kantons; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Gallen; Gerichtsstand; Appenzell; Ausserrhoden; Gerichtsstands; Gesuch; Untersuchung; Akten; Verfahren; Anschuldigung; Untersuchungsamt; Betrug; Bundesstrafgericht; Behörde; Behörden; Verfolgung; Bundesstrafgerichts; Gerichtsstandsakten; Vergewaltigung; Beschuldigte; Geldes; Übernahme; Delikt; Beschuldigten

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 14 StPO ;Art. 26 StPO ;Art. 3 StPO ;Art. 303 StGB ;Art. 31 StPO ;Art. 33 StPO ;Art. 34 StPO ;Art. 39 StPO ;Art. 40 StPO ;Art. 423 StPO ;

Referenz BGE:

129 IV 202; 86 IV 222; ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2020.7

Beschluss vom 2. April 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Andreas J. Keller und Cornelia Cova ,

Gerichtsschreiberin Santina Pizzonia

Parteien

Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft,

Gesuchsteller

gegen

1. Kanton Appenzell A.Rh., Staatsanwaltschaft,

2. Kanton St. Gallen, Staatsanwaltschaft St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO)


Sachverhalt:

A. Am 5. September 2018 erstattete der in Bern wohnhafte A. bei der Kantonspolizei Bern Anzeige gegen B. samt Strafantrag. Er warf B. vor, ihm über die Auktionsplattform M.ch ein Mobiltelefon angeboten zu haben, die Lieferung jedoch nach Erhalt des verlangten Kaufpreises von Fr. 700.-- unterlassen zu haben (Untersuchungsakten BJS 19 138, s. Strafantrag und Anzeigerapport Regionalpolizei Seeland - Berner Jura vom 8. April 2019).

Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen stellte sich heraus, dass sich B. zum Tatzeitpunkt im Rehabilitationszentrum Z. (AR) aufhielt (Untersuchungsakten BJS 19 1).

Auf Rechtshilfeersuchen der Berner Behörden hin vernahm die Kantonspolizei Appenzell-Ausserrhoden B. ein erstes Mal am 7. November 2018 und ein zweites Mal am 8. März 2019. Am 7. November 2018 sagte B. aus, er habe das Mobiltelefon mit der Rufnummer, mit welcher der Betrug ausgeführt wurde, C. gegeben. Er selber habe nie mit A. kommuniziert. Er denke, irgendjemand wolle etwas auf ihn abschieben. Auf die Frage, wer etwas auf ihn schieben wolle, erklärte B., er habe nach seiner Haftzeit (in der Strafanstalt in Y. [SG]) hauptsächlich nur noch mit C. zu tun gehabt. Die Leute der Strafanstalt in Y. (SG) seien eh alle kriminell, deshalb könne er es noch Eini­gen zutrauen (S. 7 f.). Mit E-Mail vom 8. November 2018 an den einvernehmenden Polizeibeamten erklärte B., er habe aus «Versehen» C. falsch beschuldigt. Er habe Probleme mit gewissen Leuten gehabt, denen er Geld ge­schuldet habe, also habe er das Telefon als Pfand gegeben. Er bitte vielmals um Entschuldigung für die falschen Angaben. Anlässlich seiner zweiten Einvernahme vom 8. März 2019 im «Vorverfahren wegen Betruges, falscher Anschuldigung sowie Irreführung der Rechtspflege» anerkannte er die Forderung von A. B. wurde sodann mit dem Vorwurf konfrontiert, wissentlich und willentlich nichtschuldige Personen bei einer Behörde eines Verbrechens oder Vergehens beschuldigt zu haben. Darauf gab B. folgende Antwort: «Ähm, sie hatten mir aber noch Zeit gegeben bis zum nächsten Tag, um dies richtig zu stellen. Das habe ich dann ja auch gemacht» (S. 6).

Mit Verfügungen vom 7., 14. Januar und 12. Februar 2019 forderte sodann die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland die Bank D. auf, Auskunft über das Konto zu erteilen, auf welches der Geschädigte den Kaufpreis zuhanden von B. einbezahlt hatte (Untersuchungsakten BJS 19 1).

Am 3. Mai 2019 eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern die Strafuntersuchung gegen B. wegen Betrugs, evtl. Geldwäscherei zum Nachteil von A. (Untersuchungsakten BJS 19 138).

B. Am 7. und 12. Mai 2019 wurde bei der Kantonspolizei St. Gallen Anzeige gegen B. wegen Einführen, Erwerben, Lagern falschen Geldes, in Umlaufsetzen falschen Geldes und geringfügigen Betrugs erstattet (Strafakten Untersuchungsamt St. Gallen ST.2019.15567, Dossier S2 und S3). Gemäss der Telefonnotiz vom 13. Mai 2019 der zuständigen Staatsanwältin beim Untersuchungsamt Gossau wurde der Bundesanwaltschaft in diesem Zusammenhang eine Gerichtsstandsanfrage in Aussicht gestellt (Strafakten Untersuchungsamt St. Gallen ST.2019.15567, Dossier S3, Urk. 3.9). Eine solche ist den Akten indes nicht zu entnehmen. Am 17. Mai 2019 wurde bei der Kantonspolizei St. Gallen sodann Anzeige gegen B. wegen Hausfriedensbruchs und Ladendiebstahls erhoben (Strafakten Untersuchungsamt St. Gallen ST.2019.15567, Dossier S1).

Am 12. Juli 2019 wurden bei der Kantonspolizei St. Gallen weiter drei Anzeigen gegen B. sowie gegen E. wegen in Mittäterschaft begangenen Sachbeschädigungen erstattet (Strafakten Untersuchungsamt St. Gallen ST.2019.15567, Dossier S4).

Am 14. August 2019 wurde bei der Kantonspolizei St. Gallen schliesslich Anzeige gegen E. wegen mehrfacher Vergewaltigung, begangen zwischen 1. August 2018 und 14. August 2019, erstattet (Strafakten Untersuchungsamt St. Gallen, Dossier S1, ST.2019.30004). Die Untersuchung gegen E. wegen Vergewaltigung wurde am 2. September 2019 im Schweizerischen Strafregister eingetragen (Strafakten Untersuchungsamt St. Gallen, Dossier P, ST.2019.30004).

C. Mit Schreiben vom 8. Mai 2019 ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Generalstaatsanwaltschaft, zunächst die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen um Übernahme des Strafverfahrens gegen B. Zur Begründung der Zuständigkeit des Kantons St. Gallen führte sie aus, dass die zur Anzeige gebrachte Handlung am damaligen Wohnort von B. in X. (SG) begangen worden sei (act. 1.1; Gerichtsstandsakten).

D. Mit Schreiben vom 5. Juli 2019 lehnte das Untersuchungsamt St. Gallen die Verfahrensübernahme ab. Gemäss seinen Ermittlungen sei B. vom 30. Juli 2018 bis zum 19. April 2019 im Rehabilitationszentrum in Z. (AR) wohnhaft gewesen. Aufgrund des Tathergangs sei davon auszugehen, dass die Tat am damaligen Wohnsitz von B. in Z. (AR) ausgeführt worden sei, weshalb die Tathandlung nicht in seinen Zuständigkeitsbereich falle (act. 1.2; Gerichtsstandsakten).

Gleichzeitig ersuchte das Untersuchungsamt St. Gallen die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern um Übernahme der bei ihm gegen B. hängigen Verfahren (ST.2019.15567) wegen geringfügigen Diebstahls, Hausfriedensbruchs, in Umlaufsetzen falschen Geldes, geringfügigen Betruges sowie Einführen, Erwerben, Lagern falschen Geldes (s.o.) mittels Übernahmeverfügung (act. 1.2; Gerichtsstandsakten).

E. In der Folge ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern mit Schreiben vom 18. Juli 2019 die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden um Übernahme ihres Verfahrens gegen B. (act. 1.3; Gerichtsstandsakten).

Sie überwies ihr des Weiteren die Gerichtsstandsanfrage des Kantons St. Gallen betreffend geringfügigen Diebstahl, Hausfriedensbruch, in Umlaufsetzen falschen Geldes mit dem Hinweis, sich betreffend die Übernahme dieser Verfahren mit dem Kanton St. Gallen in Verbindung zu setzen (act. 1.3; Gerichtsstandsakten).

F. Die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden lehnte mit Schreiben vom 5. August 2019 die Verfahrensübernahme mit folgender Begründung ab: Beim Betrug handle es sich um ein zusammengesetztes Delikt und es würden vorliegend mehrere Handlungsorte vorliegen. Es seien daher die Behörden zuständig, an denen die erste Verfolgungshandlung vorgenommen worden sei. Der Kanton St. Gallen habe die erste Vorbereitungshandlung vorgenommen, weshalb er zuständig sei. Sodann gehe aus der Gerichtsstandsanfrage nicht hervor, dass B. die Tat von seinem Wohnort in AR aus begangen habe. Diesfalls gelte subsidiär der Erfolgsort als Anknüpfungspunkt, welcher im Kanton Bern liegen würde (act. 1.4; Gerichtsstandsakten).

G. Mit Schreiben vom 13. August 2019 wiederholte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern ihr Übernahmeersuchen gegenüber der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden unter Beilage der Gerichtsstandsanfrage des Kantons St. Gallen samt Akten und wies diese darauf hin, dass aufgrund des Geständnisses und des Tathergangs davon auszugehen sei, dass B. die arglistige Täuschungshandlung an seinem damaligen Aufenthaltsort in Z. (AR) ausgeführt habe (act. 1.5; Gerichtsstandsakten).

H. Die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden lehnte mit Schreiben vom 16. August 2019 das Übernahmeersuchen der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern wiederum ab unter Rücksendung der Akten BJS 19 138 und ST.2018.15567. B. möge in Z. (AR) für eine gewisse Zeit wohnhaft gewesen sein, doch sage dies nichts darüber aus, wo er sich während der Tatzeit aufgehalten habe. Die einzigen gesicherten Anknüpfungspunkte seien im Kanton St. Gallen als Handlungsort und im Kanton Bern, wo der Erfolg eingetreten sei (act. 1.6; Gerichtsstandsakten).

I. Mit Schreiben vom 29. August 2019 wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern das Ersuchen der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen, um Übernahme der weiteren Verfahren gegen B. (geringfügiger Diebstahl, Hausfriedensbruch, in Umlaufsetzen falschen Geldes, geringfügiger Betrug, Einführen, Erwerben, Lagern falschen Geldes; s.o.) unter Beilage der entsprechenden Akten ab (act. 1.7; Gerichtsstandsakten).

J. Mit Rechtshilfeersuchen vom 2. September 2019 ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden um eine weitere Befragung von B. Namentlich solle er zur Frage einvernommen werden, wo (in welchem Kanton, an welcher Adresse) und auf welchem Computer B. das fragliche Verkaufsangebot im August 2018 erstellt habe. Am 11. September 2019 teilte der zuständige Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern mit, dass der Aufenthaltsort von B. unbekannt sei, weshalb das Rechtshilfeersuchen vereinbarungsgemäss zurückgesandt werde (Untersuchungsakten BJS 19 138; Gerichtsstandsakten).

K. In der Folge ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern mit Schreiben vom 12. September 2019 die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden um Übernahme der Verfahren wegen falscher Anschuldigung, Betrugs, evtl. Geldwäscherei. B. werde vorgeworfen, sich anlässlich der Einvernahme vom 8. März 2019 der falschen Anschuldigung strafbar gemacht zu haben. Der Tatort liege dabei offensichtlich dort, wo B. die falsche Aussage zu Protokoll gegeben habe, mithin in W. (AR), Kanton Appenzell Ausserrhoden. Die falsche Anschuldigung stelle die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat dar, weshalb der Kanton Appenzell Ausserrhoden für die Verfolgung von B. zuständig sei (act. 1.8; Gerichtsstandsakten).

L. Mit Schreiben vom 20. September 2019 lehnte die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden auch dieses Ersuchen um Verfahrensübernahme ab. Zur Hauptsache brachte sie vor, der Tatbestand der falschen Anschuldigung sei vorliegend nicht erfüllt. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern habe in der Vergangenheit die falsche Anschuldigung auch nicht als relevant erachtet (act. 1.9; Gerichtsstandsakten).

M. Mit Schreiben vom 30. September 2019 übermittelte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern sowohl der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden als auch dem Untersuchungsamt St. Gallen ihr Ersuchen um Übernahme ihres Verfahrens BJS 19 138 wegen Betrugs, evtl. Geldwäscherei (und evtl. falscher Anschuldigung, Kanton Appenzell Ausserrhoden) im Sinne eines abschliessenden Meinungsaustausches (act. 1.10; Gerichtsstandsakten).

N. Mit Schreiben vom 3. Oktober 2019 lehnte das Untersuchungsamt St. Gallen die Zuständigkeit ab im Strafverfahren gegen B. wegen des Verdachts

- des Betruges zum Nachteil von A. begangen am 22. August 2018,

- des Hausfriedensbruchs und des geringfügigen Diebstahls zum Nachteil der Genossenschaft F. in V. (SG) begangen am 17. Mai 2019,

- des Einführens, Erwerbens, Lagerns falschen Geldes zum Nachteil von G. AG begangen am 7. Mai 2019 in U. (SG) («Bundeskompetenz»),

- des in Umlaufsetzen falschen Geldes, Einführens, Erwerbens, Lagerns falschen Geldes («Bundeskompetenz»), des versuchten geringfügigen Betruges begangen zwischen 12. März 2019 und 12. Mai 2019 in Z. (AR) bzw. Taxistandplatz St. Gallen,

- der Sachbeschädigung zum Nachteil von H. begangen am 12. Juli 2019 in V. (SG),

- der Sachbeschädigung zum Nachteil von Club I. begangen am 12. Juli 2019 in V. (SG),

- der Sachbeschädigung zum Nachteil von J. begangen am 12. Juli 2019 in V. (SG),

- der falschen Anschuldigung zum Nachteil von C. begangen am 7. November 2018 in W. (AR)

sowie im Strafverfahren gegen E. wegen des Verdachtes

- der Vergewaltigung, Nötigung, Drohung zum Nachteil von L., begangen zwischen 1. August 2018 und 14. August 2019 in V. (SG),

- des Betrugs zum Nachteil von L. begangen zwischen 24. Mai 2018 und 18. Oktober 2018 in ZZ. (GR) und YY. (GR),

- der Sachbeschädigung zum Nachteil von H. begangen am 12. Juli 2019 in V. (SG),

- der Sachbeschädigung zum Nachteil von Club I. begangen am 12. Juli 2019 in V. (SG),

- der Sachbeschädigung zum Nachteil von J. begangen am 12. Juli 2019 in V. (SG).

Das Untersuchungsamt St. Gallen ergänzte, dass B. und E. verdächtigt werden, die drei Sachbeschädigungen vom 12. Juli 2019 in V. (SG) gemeinsam begangen zu haben, weshalb sie als Mittäter gemeinsam zu verfolgen und beurteilen seien. Abschliessend erachtete es aufgrund der falschen Anschuldigung den Kanton Appenzell Ausserrhoden für das Verfahren gegen B. und den Mittäter (bei den Sachbeschädigungen) E. zuständig (act. 1.11).

O. Die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden lehnte mit Schreiben vom 8. Oktober 2019 auch das letzte Übernahmeersuchen der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern ab (act. 1.12).

Mit E-Mail vom 11. Oktober 2019 stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern der Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden die vorstehende Stellungnahme der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen vom 3. Oktober 2019 zur Kenntnis zu, weil die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden zuvor keine Kopie dieser Stellungnahme erhalten hatte (act. 1.15). Eine Reaktion darauf blieb seitens der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden innerhalb der angesetzten Frist aus (s. act. 1.15).

P. Mit Eingabe vom 18. Oktober 2019 richtete die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern ein erstes Gesuch um Bestimmung des Gerichtsstands an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Gerichtsstandsverfahren BG.2019.49 ).

Darin wurde beantragt, es seien die Strafbehörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden, eventualiter diejenigen des Kantons St. Gallen für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die B. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen (act. 1.18). Was die Verfahren betreffend E. anbelangt, erklärte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, dass es am Kanton St. Gallen liege, entsprechende Anträge zu stellen (act. 1.18 S. 5). Im Eventualstandpunkt führte die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern aus, dass zu prüfen sei, ob gestützt auf die Mittäterschaft von E. an die Vergewaltigung anzuknüpfen sei, wenn davon ausgegangen werden sollte, dass der Tatbestand der falschen Anschuldigung offensichtlich nicht erfüllt sei (act. 1.18 S. 6). Diesfalls sei der Kanton St. Gallen für die Verfolgung und Beurteilung aller Delikte des Beschuldigten" zuständig (act. 1.18 S. 7). Mit Gesuchsreplik vom 15. November 2019 änderte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern ihre Anträge insofern, als die Strafbehörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden, eventualiter diejenigen des Kantons St. Gallen für berechtigt und verpflichtet zu erklären seien, nicht nur die B., sondern auch die E. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen (act. 1.23).

Mit Gesuchsantwort vom 29. Oktober 2019 beantragte das Untersuchungsamt St. Gallen, der Kanton Appenzell Ausserrhoden sei für die Strafverfahren gegen B. und E. als zuständig zu erklären (act. 1.19). Mit Gesuchsreplik vom 6. November 2019 beantragte es, es sei der Kanton Appenzell Ausserrhoden für das Strafverfahren gegen B. für zuständig zu erklären. Mit Schreiben vom 21. November 2019 hielt es fest, die Zuständigkeit liege beim Kanton Appenzell Ausserrhoden (act. 1.21, 1.24).

Mit Gesuchsantwort vom 1. November 2019 beantragte die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden, es sei auf das Gesuch nicht einzutreten. Eventualiter seien die Behörden des Kantons St. Gallen zu Verfolgung und Beurteilung von B. für berechtigt und verpflichtet zu erklären. Subeventualiter seien die Behörden des Kantons Bern zu Verfolgung und Beurteilung von B. für berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 1.20). Die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden hielt weiter fest, dass ihr der Lebenssachverhalt in Bezug auf die Vergewaltigung und dem Beschuldigten E. nicht bekannt sei. Es sei davon auszugehen, dass bei einer allfälligen Vereinigung der Verfahren der Kanton St. Gallen für die Verfolgung zuständig sei (act. 1.20 S. 4). Mit Gesuchsduplik vom 22. November 2019 hielt die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden an ihren früher gestellten Anträgen fest (act. 1.25).

Mit Beschluss BG.2019.49 vom 11. Februar 2020 trat die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts auf das Gesuch nicht ein (act. 1.26). Zur Begründung führte sie aus, dass die Bundesanwaltschaft in den Meinungsaustausch mit Blick auf die Strafuntersuchung gegen B. wegen in Umlaufsetzen falschen Geldes, geringfügigem Betrug, Einführen, Erwerben, Lagern falschen Geldes zu Unrecht nicht involviert worden war. Sie kam zum Schluss, dass der Meinungsaustausch diesbezüglich nicht abgeschlossen war (E. 1.6). Sie beurteilte sodann den Vorwurf der Vergewaltigung als vorrangig gerichtsstandsrelevant (gegenüber dem Vorwurf der falschen Anschuldigung, welcher sich auf den Vorwurf des Betrugs bezieht). Sie hielt weiter fest, dass sich der Vorwurf der Vergewaltigung von der Deliktsart her klar von den übrigen Vorwürfen unterscheide, und stellte die Frage, ob vor diesem Hintergrund die Anknüpfung des Gerichtsstands für beide Mittäter am Vorwurf der Vergewaltigung zweckmässig sei. Sie wies in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Frage nach einer (partiellen) Trennung hin. Sie beurteilte abschliessend das Gesuch auch in dieser Hinsicht als mangelhaft und erachtete davon ausgehend eine Bestimmung des Gerichtsstands auch vor diesem Hintergrund als nicht möglich.

Q. In der Folge ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern mit Schreiben vom 14. Februar 2020 die Bundesanwaltschaft, zur Zuständigkeitsfrage Stellung zu nehmen (act. 1.28).

Mit Vereinigungsverfügung vom 24. Februar 2020 ordnete die Bundesanwaltschaft an, dass die Strafverfolgung in den Strafsachen SV.19.0908, GGS 19 838, U 19 804 und ST.2019.15567 gegen B. gestützt auf Art. 26 Abs. 2 StPO in der Hand der kantonalen Behörden vereinigt werde (act. 1.31).

R. Mit Schreiben ebenfalls vom 14. Februar 2020 ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern auch das Untersuchungsamt St. Gallen und die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell, unter Berücksichtigung der Erwägungen des vorgenannten Beschlusses abschliessend zur Gerichtsstandsfrage Stellung zu nehmen. Sie hielt fest, dass aus ihrer Sicht die falsche Anschuldigung das mit der schwersten Strafe bedrohte Delikt sei, welche in W. (AR) begangen worden sei, weshalb die Zuständigkeit des Kantons Appenzell-Ausserrhoden für sämtliche den beiden Beschuldigten vorgeworfenen Delikte gegeben seien. Gewichtige Gründe für eine Verfahrenstrennung seien nicht ersichtlich (act. 1.27).

S. Mit Antwortschreiben vom 18. Februar 2020 erklärte das Untersuchungsamt St. Gallen, dass der Kanton Appenzell Ausserrhoden für das Verfahren gegen B. und E. für alle den beiden vorgeworfenen Taten zuständig sei (act. 1.29). Da die falsche Anschuldigung als Sanktion eine Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren vorsehe, handle es sich im Vergleich zu Vergewaltigung um die mit der schwereren Strafe bedrohte Tat entgegen den Erwägungen im ersten Beschluss des Bundesstrafgerichts. B. und E. seien von der gleichen Strafverfolgungsbehörde zu beurteilen. Von einer Trennung der Verfahren sei nie die Rede gewesen (act. 1.29 S. 3).

T. Mit Schreiben vom 21. Februar 2020 verweist die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell auf den Beschluss des Bundesstrafgerichts, in welchem es als zweckmässig erachtet werde, für sämtliche Verfahren am Gerichtsstand der Vergewaltigung anzuknüpfen (act. 1.30).

U. Mit Eingabe vom 27. Februar 2020 richtet die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern ihr zweites Gesuch um Bestimmung des Gerichtsstands an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Gerichtsstandsverfahren BG.2020.7 ). Sie beantragt, es seien die Behörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden zur Verfolgung und Beurteilung der Beschuldigten bezüglich sämtlicher ihnen vorgeworfenen Taten für berechtigt und verpflichtet zu erklären. Eventualiter seien die Behörden des Kantons St. Gallen für die Verfahren gegen B. und E. als zuständig zu erklären. Subeventualiter seien die Behörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden für das Verfahren gegen B. wegen Betruges zum Nachteil von A. für zuständig zu erklären (act. 1).

Das Untersuchungsamt St. Gallen schliesst sich in seiner Gesuchsantwort vom 3. März 2020 vollumfänglich den Ausführungen des Gesuchstellers an und beantragt, den Kanton Appenzell Ausserrhoden für das Verfahren gegen B. und E. als zuständig zu erklären (act. 3).

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden beantragt in ihrer Gesuchsantwort, es seien die Behörden des Kantons St. Gallen zur Verfolgung und Beurteilung der Beschuldigten bezüglich sämtlicher ihnen vorgeworfenen Tat für berechtigt und verpflichtet zu erklären. Eventualiter sei auf das Gesuch nicht einzutreten. Die Akten seien ihr zur Überprüfung des Gerichtsstands zuzustellen (act. 4).

Mit Schreiben vom 11. März 2020 wurden die vorstehenden Eingaben den Parteien zur Kenntnis gebracht (act. 5).

Mit Schreiben vom 16. März 2020 reichte die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern ihre Stellungnahme ein (act. 6), welche mit Schreiben vom gleichen Tag wiederum allen Parteien zur Kenntnis gebracht wurde (act. 7).

Mit Schreiben vom 19. März 2020 reichte die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden ihre Entgegnung ein (act. 8), welche mit Schreiben vom 24. März 2020 allen Parteien zur Kenntnis zugestellt wurde (act. 9).

V. Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO ). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO ). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG ). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO ).

1.2 Der Meinungsaustausch wurde durchgeführt. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf das Gesuch ist einzutreten.

2.

2.1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist (Art. 31 Abs. 1 StPO ). Der Ausführungsort befindet sich dort, wo der Täter gehandelt hat (BGE 86 IV 222 E. 1). Ist eine Straftat von mehreren Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO ). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO).

Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen mehrere Delikte, so sind Art. 33 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt werden, wo von einem Mittäter die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo die Verfolgungshandlungen zuerst vorgenommen worden sind (vgl. hierzu u. a. die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2011.49 vom 19. Januar 2012 E. 2.1; BG.2011.33 vom 28. September 2011 E. 2.2.1; BG.2011.4 vom 10. August 2011 E. 2.2.2). Die schwerste Tat im gerichtsstandsrechtlichen Sinn ist diejenige mit der höchsten abstrakten gesetzlichen Strafdrohung, wobei Qualifizierungs- und Privilegierungselemente des besonderen Teils des StGB, welche den Strafrahmen verändern, zu berücksichtigen sind. Bei gleichen Höchststrafen ist dasjenige Delikt mit der höchsten gesetzlichen Mindeststrafe entscheidend (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2013.15 vom 27. Juni 2013 E. 3.1; BG.2010.14 vom 20. September 2010 E. 2.1; BK_G 031/04 vom 12. Mai 2004 E. 1.2 in fine).

2.2

2.2.1 Es ist dem Gesuchsteller und dem Gesuchsgegner 2 beizupflichten, dass der Vorwurf der falschen Anschuldigung gemäss Art. 303 Ziff. 1 StGB aufgrund der Strafandrohung von 20 Jahren Freiheitsstrafe die abstrakt schwerste Straftat betrifft, im Vergleich zur Höchststrafe von zehn Jahren Freiheitsstrafe für den E. betreffenden Vergewaltigungsvorwurf. Der Gesuchsgegner 1 weist zwar zu Recht auf den bundesrätlichen Entwurf des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der Strafrahmen hin, welcher die Kritik an den ausserordentlich weiten Strafrahmen für den Tatbestand der falschen Anschuldigung übernimmt und hiefür eine Höchststrafe von fünf Jahren sowie eine Verdoppelung der Mindeststrafe bei der Vergewaltigung vorsieht (Botschaft zur Harmonisierung der Strafrahmen und zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht vom 25. April 2018; BBl 2018 2827 ). Nichtsdestotrotz lässt sich im Gerichtsstandsverfahren nicht rechtfertigen, de lege ferenda in die konstante Rechtsprechung zu Strafrahmen bzw. -zumessung einzugreifen (s. im Zusammenhang mit der falschen Anschuldigung Urteil des Bundesgerichts 6S.199/2004 vom 27. April 2005 E. 3.2).

2.2.2 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder sei sicher ausgeschlossen. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.10 vom 10. Juni 2014 E. 2.1).

2.2.3 Nach Ansicht des Gesuchsgegners 1 ist der Vorwurf der falschen Anschuldigung haltlos. Die Angaben, man habe ein Mobiltelefon jemandem gegeben, erfülle bei Weitem nicht den Tatbestand der falschen Anschuldigung. Die Bezichtigung müsse sich darauf beziehen, es sei ein Verbrechen oder Vergehen begangen worden. Die Bezichtigung müsse unmissverständlich den Vorwurf enthalten, der Beschuldigte werde eines Delikts für schuldig erachtet. Dies sei vorliegend keineswegs gegeben (act. 4 S. 2 f.; Gerichtsstandsakten).

2.2.4 Dem kann nicht gefolgt werden. B. wusste im Zeitpunkt seiner ersten Einvernahme, dass der Polizei bekannt war, dass mit dem fraglichen Mobiltelefon der Betrug ausgeführt worden war. Wenn er ihr daher angibt, das Mobiltelefon C. übergeben zu haben, und anfügt, Leute der Strafanstalt in Y. (SG) " seien eh alle kriminell, weshalb er es [den Betrug] noch Einigen zutrauen könne, lenkt er den Tatverdacht und damit die Strafverfolgung offensichtlich auf C. im Wissen um dessen Unschuld. In seiner E-Mail vom Folgetag gibt B. denn auch zu, C. falsch" beschuldigt zu haben. Auch wenn B. selber sein Handeln nachträglich als Versehen" bezeichnet, ist in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro duriore auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen. Gestützt auf das bisherige Ermittlungsergebnis lässt sich der Tatbestand der falschen Anschuldigung nach dem Gesagten nicht sicher ausschliessen, weshalb er für die Bestimmung des Gerichtsstands vorliegend massgeblich bleibt.

2.2.5 Die falsche Anschuldigung erfolgte im Kanton Appenzell Ausserrhoden, weshalb dessen Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich berechtigt und verpflichtet sind, die B. und E. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

3.

3.1 Der Gesuchsgegner 1 bringt auch in seiner Stellungnahme vom 10. März 2020 vor, der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit sowie die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten würden offensichtlich im Kanton St. Gallen liegen, weshalb ein triftiger Grund für das Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand bestehen würde. Auch seien (mutmasslich) die Opfer im Kanton St. Gallen wohnhaft (act. 4 S. 3 ff.).

3.2 Die Beschwerdekammer kann (wie die beteiligten Staatsanwaltschaften untereinander auch) einen andern als den in den Art. 31 - 37 StPO vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen (Art. 40 Abs. 3 StPO ). Ein solches Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand soll indes die Ausnahme bleiben. Eine Vereinbarung bzw. der Beschluss, einen gesetzlich nicht zuständigen Kanton mit der Verfolgung zu betrauen, setzt triftige Gründe voraus und die Überlegungen, welche den gesetzlichen Gerichtsstand als unzweckmässig erscheinen lassen, müssen sich gebieterisch aufdrängen; die Latte für ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand ist entsprechend hoch anzusetzen. Überdies kann ein Kanton entgegen dem gesetzlichen Gerichtsstand nur für zuständig erklärt werden resp. sich selber als zuständig erklären, wenn dort tatsächlich ein örtlicher Anknüpfungspunkt besteht ( TPF 2012 66 E. 3.1 S. 67 f.; TPF 2011 178 E. 3.1 S. 180 f.; jeweils m.w.H.).

3.3 Ein triftiger Grund für das Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand kann im Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit der Beschuldigten liegen (vgl. Art. 38 Abs. 1 und Art. 40 Abs. 3 StPO ). Gemäss konstanter Praxis kann von einem solchen Schwergewicht ausgegangen werden, wenn mehr als zwei Drittel einer grösseren Anzahl von Straftaten auf einen einzigen Kanton entfallen (BGE 129 IV 202 E. 2 S. 203; siehe zuletzt auch den Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2011.25 vom 28. September 2011 E. 3.2). Das Übergewicht muss dabei so offensichtlich und bedeutsam sein, dass sich das Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand geradezu aufdrängt (M O-SER /S CHLAPBACH , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 38 StPO N. 7 f.; G UIDON /B ÄNZIGER , Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts zum interkantonalen Gerichtsstand in Strafsachen, Jusletter 21. Mai 2007, [Rz 46] m.w.H.). Fehlt es bereits an einer grösseren Zahl der in Frage stehenden Fälle, so drängt sich ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand - sofern nicht weitere triftige prozessökonomische Gesichtspunkte ernsthaft in Betracht gezogen werden müssen - hingegen nicht auf (siehe hierzu den Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2011.25 vom 28. September 2011 E. 3.2; vgl. auch die Entscheide des Bundesstrafgerichts BG.2009.30 vom 26. Oktober 2009 E. 2.3; BG.2009.23 vom 13. Oktober 2009 E. 2.4; BK_G 038/04 vom 13. Juli 2004 E. 5). Namentlich hervorzuheben ist der Entscheid des Bundesstrafgerichts BG.2009.30 vom 26. Oktober 2009 E. 2.3, wonach sich bei bloss 21 zu beurteilenden Einbruchdiebstählen kein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand aufdrängt.

3.4 Nach dem Gesagten fehlt es im vorliegenden Fall für Schwerpunktüberlegungen mit 13 zu untersuchenden Delikten bereits an einer grösseren Zahl von Gegenstand der Untersuchung bildenden Straftaten. In diesem Sinne liegen keine triftigen Gründe vor, welche ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand gebieterisch aufdrängen würden. Der Umstand allein, dass beide Beschuldigten im Kanton St. Gallen wohnhaft sind, vermag gestützt auf Art. 38 StPO ebenso wenig ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand zu rechtfertigen. Eines der mutmasslichen Opfer (A.) wohnt im Kanton Bern, weshalb das Argument bereits im Ansatz nicht greift.

3.5 Der Gesuchsgegner 1 erklärte in seiner Gesuchsantwort, er habe dem Gesuchsgegner 2 vorgeschlagen, ohne Anerkennung der Zuständigkeit oder anderweitiger Rechtspflicht den Vorwurf der falschen Anschuldigung sowie des Betrugs abzuklären, wobei die weiteren Verfahren, welche sich auf St. Galler Boden zugetragen hätten, beim Gesuchsgegner 2 verbleiben würden (act. 4 S. 5). Darüber hinaus stellten weder er noch die übrigen Verfahrensbeteiligten einen konkreten Antrag auf Trennung des Strafverfahrens gegen E. wegen Vergewaltigung unter Beibehaltung der Zuständigkeit der Behörden des Gesuchsgegners 2 zur Verfolgung und Beurteilung dieser Straftat. Unter diesen Umständen kann die Beschwerdekammer auch nicht darüber befinden.

4. Nach dem Gesagten ist das Gesuch im Hauptpunkt gutzuheissen und es sind die Strafbehörden des Gesuchsgegners 1 (KT AR) für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die B. und E. zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen.

5. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 423 Abs. 1 StPO ).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafbehörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden sind berechtigt und verpflichtet, die B. und E. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 2. April 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern

- Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh.

- Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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