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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BG.2020.31
Datum:20.08.2020
Leitsatz/Stichwort:Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO).
Schlagwörter : Kanton; Luzern; Wallis; Delikt; Gericht; Kantons; Einbruch; Gerichtsstand; Akten; Diebstahl; Staatsanwalt; Delikte; Staatsanwaltschaft; Bande; T?ter; B?ckerei; Gerichtsstands; Y/VS; Bundesstrafgericht; Nidwalden; Gewerbe; Begangen; Bandenm?ssige; Meinungsaustausch; Bundesstrafgerichts; Gesuch; Mitt?ter; Taten; Beschluss; V/LU
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 13 StGB ; Art. 139 StGB ; Art. 14 StPO ; Art. 2 StGB ; Art. 29 StPO ; Art. 33 StPO ; Art. 34 Or; Art. 34 StPO ; Art. 39 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 5 StPO ;
Referenz BGE:124 IV 86; 135 IV 158; 138 IV 186; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2020.31

Beschluss vom 20. August 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Cornelia Cova und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

Kanton Nidwalden, Staatsanwaltschaft ,

Gesuchsteller

gegen

1. Kanton Luzern, Oberstaatsanwaltschaft ,

2. Kanton Wallis, Zentrale Staatsanwaltschaft ,

3. Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO )


Sachverhalt:

A. Ein Anwohner meldete der Polizei am 29. Januar 2020 nachts um 1.28 Uhr, im Gemeindehaus Z./NW sei es sehr laut. Er vermute, es seien Einbrecher im Haus. Die Polizei konnte in der Umgebung A., B. und C. festnehmen. Ihnen wird in den Kantonen Luzern, Bern, Wallis sowie Nidwalden eine Reihe von Einbruchdiebstählen vorgeworfen.

Die genannten Beschuldigten befanden sich seit 29. Januar 2020 in Haft: B. und C. bis 29. August 2020 in Untersuchungshaft; A. verbüsste eine viermonatige Gefängnisstrafe im Kanton Wallis, woran sich eine kurze Ausschaffungshaft anschloss. Das Zwangsmassnahmengericht Nidwalden versetzte ihn am 26. Juni 2020 bis 4. August 2020 in Untersuchungshaft.

B. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden (nachfolgend «StA/NW») begann am 17. Februar 2020 den Meinungsaustausch mit dem Kanton Luzern. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern sah sich nicht imstande, Stellung zu nehmen, da nicht alle relevanten Einvernahmen durchgeführt worden waren und nicht alle wesentlichen Verfahrensakten vorlagen. Am 24. April 2020 leitete die StA/NW erneut den Meinungsaustausch mit den beteiligten Staatsanwaltschaften ein (Luzern, Bern, Wallis). Er endete am 11. Mai 2020 mit der Absage der Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis. Am 6. Juli 2020 initiierte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden den zweiten Meinungsaustausch. Er endete am 14. Juli 2020 ohne Einigung.

C. Mit Schreiben vom 17. Juli 2020 rief der Oberstaatsanwalt des Kantons Nidwalden die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts an. Das am 17. Juli 2020 der Post aufgegebene Schreiben erhielt das Bundesstrafgericht am 24. Juli 2020 zugestellt. Er beantragt, es sei die Zuständigkeit des Kantons Luzern, eventuell des Kantons Wallis, festzustellen.

Der Kanton Luzern beantragt in seiner Gesuchsantwort vom 24. Juli 2020, der Kanton Wallis sei für zuständig zu erklären (act. 3).

Am 27. und 28. Juli 2020 fanden zwei Telefonate der juristischen Gerichtskanzlei mit dem gesuchstellenden Kanton Nidwalden statt (act. 4 Telefonnotiz vom 28. Juli 2020). Es ging um die Akten von Einbrüchen in Y./VS vom 8./9. Juli 2018, die vor denjenigen im Kanton Bern ab dem 9. Juli 2018 stattgefunden hatten. Diese lagen im Gerichtsstandsverfahren nicht vor und waren im Deliktsverzeichnis des Gerichtsstandsgesuchs auch nicht aufgenommen, ohne dass offenbar ein Zusammenhang ausgeschlossen werden konnte. Das Gericht stellte die Telefonnotiz den Parteien zur Kenntnis zu.

Der Kanton Bern beantragt in seiner Gesuchsantwort vom 29. Juli 2020, es sei der Kanton Luzern, eventuell der Kanton Wallis für zuständig zu erklären. Der Kanton Wallis verzichtete am 3. August 2020 auf eine Gesuchsantwort. Er verwies dabei auf die bisherigen Stellungnahmen, insbesondere auf das Gerichtsstandsgesuch.

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO ). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO ). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG ). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, ist im Normalfall die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu u.a. TPF 2011 94 E. 2.2 S. 96). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO ).

1.2 Der Kanton Nidwalden leitete mit Schreiben vom 6. Juli 2020 den zweiten Meinungsaustausch ein. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern antwortete am 13. Juli 2020, die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern am 14. Juli 2020. Der Kanton Nidwalden hatte sich am 6. Juli 2020 auch an das zuständige Zentrale Amt der Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis gewandt (vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. c des Einführungsgesetzes vom 11. Februar 2009 des Kantons Wallis zur Schweizerischen Strafprozessordnung; EGStPO; SGS 312.0). Es antwortete ihm ein Staatsanwalt des Amtes der Region Oberwallis. Aufgrund der korrekten Adressierung ist davon auszugehen, dass der Kanton Wallis sich im Meinungsaustausch geäussert hat (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2020.21 vom 16. Juli 2020 E. 1.1.3).

1.3 Die weiteren Eintretensvoraussetzungen (Frist und Form, vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2019.50 vom 22. Januar 2020 E. 1.1) sind vorliegend erfüllt und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf das Gesuch ist einzutreten.

2.

2.1 Der Kanton Nidwalden forderte die beteiligten Kantone am 14. Mai 2020 auf, sämtliche für die Bestimmung des Gerichtsstands relevanten Akten einzureichen. Der Kanton Wallis beanstandet zurecht, dass der Kanton Luzern die Akten zur dortigen Diebstahlserie im Jahr 2015 nicht komplett einreichte. Diese sind einschlägig zur Beurteilung, ob A. diesbezüglich ein bandenmässiger Diebstahl vorzuwerfen ist. Der Kanton Luzern selbst verweist in seiner Stellungnahme denn auch auf nicht eingelegte Akten des dortigen Verfahrens, v.a. auf den Strafbefehl vom 15. Dezember 2016 gegen D. Der Kanton Wallis selbst hat freilich ebenso wenig seine Akten zu allen Einbruchdiebstählen eingereicht - sei es zu denjenigen im Jahr 2015 (9. bis 11. Mai 2015 in die Boulangerie E. in X./VS; 20./21. Juni 2015 im Café F. in W./VS) oder zu jenen im Juli 2018 (in Y./VS , vom 8./9. sowie 13. Juli 2018). Letztere Akten selbst dann nicht, nachdem er die Telefonnotiz des Gerichts vom 28. Juli 2020 erhalten hat und darin auf den möglichen Zusammenhang (und die fehlenden Akten) hingewiesen worden war.

2.2 Gemäss Art. 39 Abs. 2 StPO informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung. Für den Meinungsaustausch zwischen Staatsanwaltschaften sind sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Akten im Rahmen der Klärung des Gerichtsstandes offenzulegen, womit der verfahrenstaktische Spielraum von vornherein geschlossen wird (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2017.39 vom 28. Februar 2018 E. 3.1; Baumgartner , Die Zuständigkeit im Strafverfahren, 2014, S. 458).

2.3 Findet ein Meinungsaustausch nicht zu sämtlichen einschlägigen Akten bzw. in Frage kommenden Taten statt, so ist das Gerichtsstandsverfahren grundsätzlich noch nicht spruchreif. Diesfalls wäre auf ein Gerichtsstandsersuchen nicht einzutreten. Waren die fehlenden Akten im Meinungsaustausch bereits angesprochen, so kann es im Interesse der Sache gegebenenfalls geboten sein, einen Teilbeschluss zu fällen (mithin gewisse Kantone auszuscheiden) und/oder eine vorläufige Zuständigkeit (z.B. für ein Sammelverfahren) bei dem Kanton festzustellen, dessen Zuständigkeit wahrscheinlich ist - gerade, wenn es auch ein Kanton wäre, der nicht sämtliche Akten offenlegte. Denn mit dem Gebot der raschen Einigung wäre die Gefahr eines erneut unvollständigen Meinungsaustauschs nicht verträglich. Je nach Umständen - vorliegend geht es z.B. um einen vordringlich zu führenden Haftfall (Art. 5 Abs. 2 StPO ) - ist allenfalls aufgrund der Akten materiell zu entscheiden.

3.

3.1 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind nach Art. 34 Abs. 1 StPO für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Die schwerste Tat im gerichtsstandsrechtlichen Sinn ist diejenige mit der höchsten abstrakten gesetzlichen Strafdrohung, wobei Qualifizierungs- und Privilegierungselemente des besonderen Teils des StGB, welche den Strafrahmen verändern, zu berücksichtigen sind (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2010.14 vom 20. September 2010 E. 2.1; Baumgartner , a.a.O., S. 232 ff.). Bei gleichen Höchststrafen ist dasjenige Delikt mit der höchsten gesetzlichen Mindeststrafe entscheidend (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2019.20 vom 24. April 2019 E. 3.2; Baumgartner, a.a.O., S. 234). Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO ). Straftaten werden gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt (Art. 33 Abs. 1 StPO ; Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO ).

Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder sei sicher ausgeschlossen. Der Gerichtsstand bestimmt sich also nicht nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem, was ihm vorgeworfen wird, das heisst, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt. Dabei stützt sich die Beschwerdekammer auf Fakten, nicht auf Hypothesen (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2016.29 vom 5. Dezember 2016 E. 2.2 m.w.H). Es gilt der aus dem Legalitätsprinzip fliessende Grundsatz in dubio pro duriore (BGE 138 IV 186 E. 4.1). Daraus leitet sich für die Bestimmung des Gerichtsstandes ab, dass im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (statt vieler Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2017.19 vom 11. September 2017 E. 2.2).

3.2 Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 139 Ziff. 1 StGB ). Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft (in der bis 1. Januar 2018 geltenden Fassung: Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen), wenn er den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat (Art. 139 Ziff. 3 Abs. 1 StGB ). Die Strafe für den gewerbsmässigen Diebstahl (Art. 139 Ziff. 2 StGB ) lautet auf Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 90 Tagessätzen (gleiche Strafdrohung vor dem 1. Januar 2018).

3.3 Bei der rechtlichen Handlungseinheit werden mehrere selbständig strafbare Handlungen im Sinne einer natürlichen Handlungsmehrheit durch ihre gesetzliche Umschreibung im Tatbestand (gewerbsmässiges oder bandenmässiges Delikt oder Dauerdelikt) zu einer Einheit verschmolzen, die auch als Kollektivdelikt bezeichnet wird. Diese rechtliche Einheit besteht objektiv in gleich gelagerten Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sind, an verschiedenen Orten begangen werden können, jedoch in einem zeitlichen Zusammenhang stehen und subjektiv auf einem alle Handlungen umfassenden Entschluss bzw. einem Gesamtvorsatz beruhen ( Schwe­ri/Bänziger , Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl. 2004, N. 83; Baumgartner , a.a.O., S. 101). Sofern Teil des Kollektivdelikts, so gelten alle einem Beschuldigten zur Last gelegten versuchten oder vollendeten Verfehlungen als mit gleicher Strafe bedroht ( Schwe­ri/Bänziger , a.a.O., N. 84; Baumgartner , a.a.O., S. 104 f.). Kein Kollektivdelikt, sondern blosse Handlungsmehrheit liegt dann vor, wenn hinsichtlich eines Einzelaktes die für dessen Qualifikation notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2019.20 vom 24. April 2019 E. 3.2).

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Bandenmässigkeit gegeben, wenn zwei oder mehrere Täter sich mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger, im Einzelnen möglicherweise noch unbestimmter Straftaten zusammenzuwirken. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob zwei oder mehrere Täter vorhanden sind. Haben sich nur zwei Personen zur fortgesetzten Begehung von Straftaten zusammengefunden, so kann eine bandenmässige Tatbegehung nicht ausgeschlossen werden, wenn gewisse Mindestansätze einer Organisation und die Intensität des Zusammenwirkens ein derartiges Ausmass erreichen, dass von einem bis zu einem gewissen Grade fest verbundenen und stabilen Team gesprochen werden kann (BGE 135 IV 158 E. 2 und E. 3). Ist demgegenüber schon die Zusammenarbeit derart locker, dass von Anfang an nur ein sehr loser und damit völlig unbeständiger Zusammenhalt besteht, liegt keine Bande vor (BGE 124 IV 86 E. 2b). Aus Vorbereitung und/oder Ausführung der Tat muss sich ergeben, dass der Täter den Diebstahl in Erfüllung einer ihm von der Bande übertragenen Aufgabe begangen hat. Nicht davon erfasst sind jedoch Taten die im Alleingang begangen werden, also in der Eigenschaft eines Alleintäters ( Niggli/Riedo , Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 139 StGB N. 123, 126, 130 ff.).

3.4 Unter den beteiligten Kantonen ist unbestritten, dass es um Diebstähle geht; umstritten ist, ob und seit wann eine qualifizierte Tatbegehung (Gewerbsmässigkeit, Bandenmässigkeit) vorliege. Neben einem ersten Delikt im Jahr 2015 im Kanton Luzern, fanden sie in drei Wellen statt:

· 8. Juli 2018 bis 13. Juli 2018 (Kt. Wallis, Kt. Bern);

· 5. November 2019 (Kt. Wallis) bis 12. November 2019 (mit 2 Delikten im Kt. Luzern);

· 22. Januar 2020 (Kt. Bern) bis 29. Januar 2020 (Kt. Nidwalden).

Die angedrohte Mindeststrafe des bandenmässigen Diebstahls (6 Monate Freiheitsstrafe) ist schwerer im Vergleich zu derjenigen des gewerbsmässigen Diebstahls (Geldstrafe nicht unter 90 Tagessätzen). Damit ist vorliegend ein allfälliger bandenmässiger Diebstahl die schwerste Tat im gerichtsstandsrechtlichen Sinn.

3.5 Zum Rechtsbegriff der Bande im vorliegenden Zusammenhang das Folgende: Es geht um Taten von rumänischen mutmasslichen Einbrechern, die zumeist nicht als Einzeltäter unterwegs gewesen zu sein scheinen. Die Polizei befragte sie, ob es Hintermänner gebe oder die Beschuldigten einer Organisation angehören würden, was sie verneinten. Bei den Beschuldigten fallen die Vorstrafen für Diebstähle auf. Luxemburg stellte für C. am 19. Februar 2020 einen internationalen Haftbefehl zwecks Strafvollzugs aus. Er war dort am 20. Januar 2016 bezüglich Delikten in den Jahren 2011/2012 zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, was das luxemburgische Berufungsgericht auf drei Jahre reduzierte. C. hatte in Luxemburg ausgesagt, ein «Chef» hätte Einreise, Unterkunft und Tateinsätze bestimmt. Es bestehen bei C. offenbar weitere Vorstrafen (2. Mai 2013 Tribunal correctionnel de La Côte, Nyon, gewerbsmässiger Diebstahl; Verurteilungen in Italien in den Jahren 2006, 2008 und 2010; Verurteilung in Rumänien im Jahr 2001). Auch B. ist vorbestraft (Urteil vom 10. Juni 2015 des Tribunal correctionnel de l'est vaudois, gewerbs- und bandenmässiger Diebstahl; Urteil vom 22. November 2017 Tribunal Penal de la Sarine, gewerbs- und bandenmässiger Diebstahl; Strafbefehl der StA/VS vom 1. April 2019, rechtswidrige Einreise), wie auch A. (Strafbefehle der StA/VS vom 4. Dezember 2012, gewerbsmässiger Diebstahl begangen am 1. November 2011 und vom 11. November 2015, begangen zwischen dem 9. und 11. Mai 2015 sowie 20. und 21. Juni 2015).

Während die Zusammensetzung nicht stets die gleiche ist, gibt es doch die Vermutung, dass die Beschuldigten aus demselben «Pool» stammen oder zumindest in Verbindung stehen. Der Kanton Nidwalden verweist dafür auf das jeweils ähnliche Tatvorgehen (u.a. eine Affinität, Flachwerkzeuge auf Fenster anzuwenden und Tresore zu öffnen, oft durch Suchen der Schlüssel am Tatort, aber auch durch Gewalt), die Art der Tatobjekte (Gewerbeobjekte), dass die Taten jeweils in Mittäterschaft begangen wurden sowie die Bekanntschaften gewisser Täter untereinander. Es liege ein arbeitsteiliges und systematisches Vorgehen vor (act. 1 S. 9 Ziff. 2.3.1.15). Auch erscheint der Abtransport der Beute über Frankreich und z.T. bis nach Rumänien professionell organisiert.

In den Akten des vorliegenden Gerichtsstandsverfahrens fehlen konkrete Hinweise, um sämtliche Straftaten - als gemeinsame Handlungen derselben Gruppierung - allen oder den meisten bekannten Beschuldigen vorzuwerfen. Damit eine Bande im rechtlichen Sinne vorliegt, genügt es nicht, dass Delikte und Täter einander abstrakt zugeordnet werden können, z.B. da Delikte mit ähnlichem modus operandi mittäterschaftlich begangen wurden. Die Bandenmässigkeit wie auch die Gewerbsmässigkeit ist ein persönliches Merkmal im Sinne von Art. 27 StGB ( Trechsel/Crameri , Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 139 N. 16, Niggli/Riedo , a.a.O., Art. 139 StGB N. 117, 135). Gemäss Art. 27 StGB werden besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, (nur) bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen ( Forster , Basler Kommentar, a.a.O., Art. 27 StGB N. 1). Während häufig sowohl banden- als auch gewerbsmässig begangene Delikte anzutreffen sind (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2013.15 vom 27. Juni 2013 E. 3.5), kann eine festgestellte Gewerbsmässigkeit zwar ein Merkmal der Bande sein, doch entbindet das Zusammentreffen nicht festzustellen, welches einzelne Delikt Teil der Handlungseinheit ist (vgl. den Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2010.6 vom 6. Juli 2010 E. 3.5), zumal es sich bei diesen Qualifikationen eben um persönliche Merkmale jedes Teilnehmers handelt.

4.

4.1 Im Einzelnen geht es um die folgenden Delikte:

Datum Kanton Tatort Beteiligte

17./18.06.2015 LU Bäckerei A., ev. unbek. Mittäter

8./9.07.2018 VS 6 kleinere EBD B. und G. 1)

8./9.07.2018 VS Hallenbad Y./VS B. und G. 1)

9.07.2018 BE Einfam.haus B. und G.

10./11.07.2018 BE Schwimmbad B. und G.

10./11.07.2018 BE Bahnhof B. und G.

13.07.2018 VS Tankstelle G. und 2 unbek. Mittäter

13.07.2018 VS Hallenbad Y./VS G. und 2 unbek. Mittäter 1)

5./6.11.2019 VS Gewerbe B., C., H.

5./6.11.2019 VS Gewerbe B., C., H.

7./8.11.2019 VS Metzgerei B., C., H.

7./8.11.2019 VS Garage B., C., H.

7./8.11.2019 VS Gewerbe B., C., H.

7./8.11.2019 VS Restaurant B., C., H.

7./8.11.2019 VS Gemeindehaus B., C., H.

7./8.11.2019 VS Betr./Konk.Amt B., C., H.

7./8.11.2019 VS Arztpraxis B., C., H.

7./8.11.2019 VS Käserei B., C., H.

8./9.11.2019 VS Gewerbe B., C., H.

8.-11.11.2019 VS Gewerbe B., C., H.

9.11.2019 VS Gewerbe B., C., H.

9./10.11.2019 VS Garage B., C., H.

8.-11.11.2019 LU Gewerbe B., C., H.

8.-11.11.2019 LU Gewerbe B., C., ev. Unbek.

11./12.11.2019 VS Wohnwagen B., C., H.

22./23.01.2020 BE Gemeindehaus B., C., A.

23.01.2020 BE Gewerbe B., C., A.

22./23.01.2020 BE Gewerbe B., C., A.

29.01.2020 NW Gemeindehaus B., C., A., Gehilfe

1) Delikte gemäss Nachtragsrapport der Kantonspolizei Bern vom 10. März 2020, nicht im Deliktsverzeichnis des Gerichtsstandsgesuchs enthalten.

4.2

4.2.1 Der Kanton Nidwalden geht im Gerichtsstandsgesuch vom 17. Juli 2020 davon aus, alle Einbruchdiebstähle seien in Mittäterschaft begangen worden. Angesichts der im Rapport der Luzerner Polizei vom 15. Oktober 2016 im gleichen Zeitraum verübten zahlreichen Einbrüche in derselben Region und Manier und der aufgefundenen Spuren scheine es konstruiert, eine Alleintäterschaft anzunehmen. Einen Kassenschrank aus der Halterung zu reissen benötige Kraft und sei ein weiterer Hinweis auf eine Mittäterschaft. Kennten sich die Täter überdies untereinander, sei in dubio pro duriore bereits beim ersten Einbruchdiebstahl im Kanton Luzern, spätestens aber bei denjenigen im Kanton Wallis eine bandenmässige Tatbegehung anzunehmen. Ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand dränge sich mangels einer grösseren Anzahl von Straftaten nicht auf.

4.2.2 Der Kanton Luzern legt dar, es bestünden keinerlei konkrete Hinweise darauf, dass der Einbruchdiebstahl vom 17./18. Juni 2015 in der Bäckerei I. in V./LU durch mehr als einen Alleintäter (A.) begangen worden sei. Zwischen Ende April und Ende Juli 2015 hätten in Luzern und V./LU zwar auffallend viele Einbrüche in Gewerberäumlichkeiten stattgefunden. Die Kantonspolizei Luzern sei in ihrem Rapport vom 15. Oktober 2016 gestützt auf das Vorgehen und die gesicherten Spuren davon ausgegangen, es liege das Werk derselben Tätergruppierung vor. Der Kanton Luzern verweist dafür auf das Verfahren gegen D., abgeschlossen mit Strafbefehl vom 15. Dezember 2016. Der Kanton Luzern hat im Meinungsaustausch weder den Strafbefehl noch die vollständigen Verfahrensakten dazu eingereicht. D. habe eine Beteiligung am Einbruch in die Bäckerei I. bestritten und ausgesagt, sein Kompagnon «J.» sei auch alleine tätig geworden. Im Fall «Bäckerei I.» hätten keine Schuhsolenprofile gesichert werden können. Keines der aufgefundenen Profile habe A. zugeordnet werden können. Die Kantonspolizei habe A. auch nicht für die von D. und «J.» begangenen Delikte verzeigt. A. habe eine Teilnahme an deren Delikten abgestritten, ja verneint, sie nur schon zu kennen. Für eine Mitwirkung von A. spreche nur seine Nationalität und dass er sich im betreffenden Zeitraum auch im Kanton Luzern aufgehalten habe.

A. habe bereits zuvor mindestens einen Einbruchdiebstahl alleine verübt, nämlich am 9. bis 11. Mai 2015 in die Boulangerie E. in X./VS. Am 20./21. Ju­ni 2015 habe er zusammen mit K. in das Café F. in W./VS eingebrochen. Es spreche nichts dafür, dass er schon mit diesem in die Bäckerei I. in V./LU eingestiegen sei oder gar mit ihm eine Bande gebildet habe. Ebenso fehlten Anzeichen, dass A. bereits 2015 mit B. und C. Delikte verübt habe. Der zeitliche Unterbruch von drei Jahren zu den Delikten ab 2018 lasse auch in dubio pro duriore nicht zu, gesamthaft von einer Bande auszugehen. Der Einbruch in die Bäckerei I. sei nicht Teil des Kollektivdelikts.

4.2.3 Der Kanton Bern geht in seiner Stellungnahme vom 7. Mai 2020 davon aus, dass B. zusammen mit G. an den Einbruchdiebstählen im Kanton Wallis beteiligt war. Davon sei aufgrund des gleichen modus operandi, der ausgewählten Räumlichkeiten (Gewerberäume, Schwimmbäder, Clubhäuser etc.) und seiner Vorstrafen auszugehen. Dessen Akten (vom Kanton Wallis) würden benötigt, um den Gerichtsstand zu bestimmen. Im zweiten Meinungsaustausch weist er am 13. Juli 2020 zudem darauf hin, dass die Einbruchserie im Kanton Wallis vom 8./9. Juli 2018 (u.a. in das Hallenbad Y./VS ) vor dem Einbruch in das Einfamilienhaus in U./BE gemeldet worden sei. Die ersten Verfolgungshandlungen hätten sich somit im Kanton Wallis ereignet.

4.2.4 Der Kanton Wallis verweist in seiner Gesuchsantwort vom 3. August 2020 auf seine bisherigen Stellungnahmen und auf das Nidwalder Gesuch an das Gericht um Bestimmung des Gerichtsstands. Im Sammelverfahren sah er am 11. Mai 2020 die Zuständigkeit beim Kanton Luzern. A. habe bis anhin immer als Bandenmitglied delinquiert und so auch bei den Einbrüchen im Jahr 2015 im Kanton Luzern. Damit seien dort die ersten Verfolgungshandlungen erfolgt, weshalb der Kanton Luzern zuständig sei. Im zweiten Meinungsaustausch sah der Kanton Wallis am 13. Juli 2020 keine Veranlassung, vom gesetzlichen Gerichtsstand im Kanton Luzern abzuweichen. Es bestehe eine örtliche und zeitliche Koinzidenz zu den dortigen weiteren Einbruchdiebstählen. Unter Hinweis auf ein fehlendes Geständnis des Beschuldigten seien diese Fälle offenbar ad acta und nicht im Gerichtsstandsverfahren ins Recht gelegt worden.

4.3 Ein Kollektivdelikt wie ein bandenmässiger Diebstahl kann vorliegend in erster Linie entweder dann vorliegen, wenn A. bereits beim ersten Einbruch in die Bäckerei I. in V./LU als Teil einer Bande agierte. Ist dies zu verneinen, kann die Qualifizierung auch bei einem anderen Täter und Delikt, im Vordergrund steht B. und der Kanton Wallis, zum ersten Mal aufgetreten sein.

4.3.1 Am Tatort des ersten Delikts, am 17./18.06.2015 in der Bäckerei I. in V./LU begangen, fanden sich DNA-Spuren von A. an einer weissen Sportsocke der Marke Nike. Sie hatte dazu gedient, auf der Gebäuderückseite den Bewegungsmelder über der Türe abzudecken. Der Lieferanteneingang wurde mit einem Flachwerkzeug geöffnet. Die Täterschaft entnahm aus dem Schlüsselkasten im Büro alle Schlüssel. Aus einem Serviceportemonnaie entnahm sie Bargeld. Vor der Schublade, indem es aufbewahrt wurde, stand eine Flasche Wasser. Die Täterschaft versuchte, das Zahlenschloss des Kassenschranks (Tresor) im Kühlraum gewaltsam zu entriegeln. Der Kassenschrank wurde anschliessend aus der Verankerung gerissen, auf den Boden gelegt und von unten her versucht, gewaltsam mittels unbekannten Werkzeugs zu öffnen. Es entstand ein Loch mit ca. 3cm Durchmesser. D. bestritt seine Beteiligung an dieser Tat.

Vom 30. April 2015 bis 21. Juli 2015 ereigneten sich in V./LU und der Stadt Luzern Einbruchdiebstähle in Gewerberäumlichkeiten, wovon die Kantonspolizei Luzern deren 44 D. zurechnet. Die Taten fanden in drei Serien statt (30.04. bis 4.05.2015; 9.06. bis 18.06.2015; 14.7. bis 21.7.2015). Zwischendurch gab es während Wochen keine gleichgelagerten Fälle. An diversen Tatorten wurden Schuhspuren eines zweiten Täters gefunden. Am 18./19. Juni 2015 (also in der Folgenacht des Einbruchs in die Bäckerei I.) betraf die Serie das Gewerbe von V./LU . Es wurde an einem Ort das Schuhprofil «P» gefunden. Die Luzerner Polizei teilte der Luzerner Staatsanwaltschaft Abteilung 2 Emmen mit, dass sie von Mittäterschaft zwischen D. und A. ausgehe, jedoch habe die verfahrensleitende Staatsanwaltschaft 1 Luzern nichts davon wissen wollen. Die Staatsanwaltschaft Emmen ersuchte die Staatsanwaltschaft 1 daher am 14. Februar 2020 um Übernahme. Diese lehnte die Übernahme am 24. Februar 2020 ab. Von diesem Schreiben liegt nur die erste Seite in den Akten.

Zwischen dem 9. und 11. Mai 2015 brach A. in die Bäckerei E. in X./VS ein, wie DNA-Spuren zeigten. Er öffnete gewaltsam den Tresor. Er konsumierte drei Flaschen Mineralwasser. Zwischen dem 20. und 21. Juni 2015 war das Café F. in W./VS das Ziel von A. und K. Auch hier wurde der Tresor aufgebrochen. Bereits zwischen dem 11. April und 29. Mai 2015 fanden hier vier Einbruchversuche statt.

Am 19. Juli 2015 erhielt die Luzerner Polizei die Meldung, zwei Männer hätten etwas aus einem Auto genommen und bei einem Baum im Eichwald versteckt. Die Polizeipatrouille fand unter einer Zeltblache, offensichtlich ein Schlafplatz, einen Mann. Es handelte sich um D., gegen den damals nichts vorlag. D. wurde am 22. Juli 2015 im Tessin kontrolliert und nun festgenommen. D. bestritt, am Einbruch in die Bäckerei I. beteiligt gewesen zu sein. Am 9. August 2015 durchsuchte die Luzerner Polizei erneut den damaligen Kontrollort und fand einen zweiten, ebenfalls getarnten Schlafplatz sowie weitere Gegenstände.

4.3.2 Beim ersten Delikt vom 17./18. Juni 2015 in der Bäckerei I. in V./LU erscheint A. als tatverdächtig. Die Luzerner Polizei versuchte längere Zeit, ihm auch eine Beteiligung an den weiteren Delikten im zeitlichen und örtlichen Umfeld nachzuweisen. Bis heute, gut fünf Jahre nach der Tat, gibt es dafür höchstens vage Indizien, in erster Linie den zeitlichen Zusammenhang. Auf eine Mittäterschaft beim Einbruch in die Bäckerei I. deutet hin, dass hier ebenfalls ein Flachwerkzeug verwendet wurde und es nicht einfach ist, alleine einen Tresor aus einer Verankerung zu lösen. Gegen seine Beteiligung an den übrigen Delikten von D. im Luzernischen spricht, dass A. in W./VS (9. und 11. Mai 2015; 20. und 21. Juni 2015) ohne ihn tätig wurde. A. tritt danach erst wieder ab dem 22. Januar 2020 ins Visier der Strafverfolgungsbehörden, der Kantone Bern und Nidwalden.

Konnte die Luzerner Polizei ihre Arbeitshypothese einer Mittäterschaft bis heute nicht belegen, erscheint heute selbst in dubio pro duriore die Beweislage zu dünn, um den Einbruch in die Bäckerei I. als Bestandteil von fortgesetzten Taten zu sehen, für welche sich eine Bande zusammengefunden hat. Zwar könnte sich aus den nicht eingereichten Luzerner Akten mö­gli­cher­wie­se ein solcher Zusammenhang ergeben. Immerhin führte die Luzerner Oberstaatsanwaltschaft in ihrem Schreiben vom 14. Juli 2020 jedoch ausdrücklich aus, die Aktenlage gäbe keinen Hinweis auf eine Verübung durch mehr als einen Täter. Bei der Deliktsserie von D. wiederum fehlten Hinweise auf eine Beteiligung von A. In der vorliegenden Situation, ein Haftfall mit anstehender Verlängerung, mag dies aufgrund des Beschleunigungsgebots genügen. Für eine Bandenmässigkeit bei A. über den Zeitsprung vom 2015 bis ins 2020 aufgrund eines Gesamtvorsatzes für sämtliche Taten sieht das Gericht keine Anhaltspunkte. Während zudem ein gewerbsmässiger Diebstahl beim isolierten Luzerner Delikt wahrscheinlich scheint, so ist der bandenmässige Diebstahl doch das schwerere Delikt (höhere Mindeststrafe). Den mutmasslichen Taten von A. kommen damit keine entscheidende gerichtsstandsbestimmende Bedeutung zu.

4.4 Als mutmasslicher Täter im Vordergrund steht damit B., der in die Einbruchswellen vom 8. bis 13. Juli 2020, 5. bis 12. November 2019 sowie 22. bis 29. Januar 2020 involviert ist.

In Y./VS wurden bereits in der Nacht vom 8./9. Juli 2018 sechs Einbruchdiebstähle mehrheitlich in Garten- und Clubhäuser verübt, wie auch ein erster versuchter Einbruch in das Hallenbad (vgl. Verwaltungsbericht der Kantonspolizei Wallis vom 6. August 2018; Akten bezüglich der Einbrüche in Y./VS fehlen). B. wird weiter verdächtigt, am 9./10. und 11. Juli 2018 zusammen mit G. in ein Einfamilienhaus in U./BE sowie in das Schwimmbad und den Bahnhof ZZ./BE eingebrochen zu sein. In derselben Nacht, in der ein Einbruch in die Tankstelle L. in YY./VS geschah, besuchten Einbrecher auch nochmals das Hallenbad Y./VS. Der Einbruch in die Tankstelle vom 13. Juli 2018 wird G. und zwei unbekannten Mittätern zur Last gelegt. Anders als beim Einbruch in die Bäckerei I. in V./LU ist hier eine mittäterschaftliche Begehung klar und unbestritten.

Die Walliser Deliktsserie (beginnend mit den Einbrüchen in Y./VS vom 8./9. Juli 2018) war auch Gegenstand der Gerichtsstandskorrespondenz zwischen den Kantonen Bern und Wallis vom 11. und 28. Dezember 2018. Der Kanton Wallis bejahte dabei einen ähnlichen modus operandi sowie aufgrund der an den Tatorten gefundenen Spuren «eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass G. auch bei der ersten Einbruchserie (8./9. Juli 2018) tatbeteiligt sein könnte». Aufgrund der Videoaufzeichnungen werde gegen mindestens zwei bis drei Personen ermittelt, weshalb es durchaus möglich sei, dass G. nicht beteiligt gewesen sei. Es bestünden dafür zu jenem Zeitpunkt keine konkreten Hinweise. Der Verwaltungsbericht der Kantonspolizei Wallis vom 6. August 2018 erwähnt freilich, zum einen, orange Farbspuren am 13. Juli 2018 an den Tatorten in YY./VS (Tankstelle) wie in Y./VS (Hallenbad). Die Kantonspolizei Wallis geht davon aus, dass dieselbe Täterschaft die beiden Delikte in YY./VS und Y./VS vom 13. Juli 2018 verübte. Sodann versuchten die Einbrecher am 8./9. wie am 13. Juli 2018 den Tresor des Hallenbades Y./VS mit einem Winkelschleifer zu öffnen.

4.5 Die vorliegenden Akten, wenngleich unvollständig, erlauben einen sofortigen Entscheid und das Beschleunigungsgebot in Haftsachen erfordert ihn.

Für das Gericht war B. in dubio pro duriore mit G. unterwegs und es liegt nahe, dass er bei sämtlichen Delikten in den Kantonen Bern und Wallis (vom 8. bis 13. Juli 2018) mitbeteiligt war. Wie die Kantonspolizei Bern in ihrem Nachtragsrapport vom 10. März 2020 (S. 3) auch darstellt, ergeben diese Delikte aneinandergereiht anschaulich eine mögliche gemeinsame Rundreise. B. war gemäss Deliktsverzeichnis in die meisten Taten involviert - nach der Überzeugung des Gerichts im Gerichtsstandsverfahren in sämtliche Taten ab dem 8. Juli 2018. Er verübte demnach auch keines der Delikte alleine, sondern stets mit Mittätern. Das Gericht sieht bei B. ab dem 8./9. Juli 2018 den Verdacht bandenmässigen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 3 1. Abs. StGB ). C. erscheint ab 5. November 2019 als zweiter Pfeiler der Bande. B. kenne C. aus Rumänien, sie wohnten in der gleichen Ortschaft und seien miteinander befreundet. Er bestätigt, B. vom Sehen her zu kennen und zumindest aus der gleichen Gegend in Rumänien zu stammen. Für das Gericht besteht demnach bei B. der Verdacht, er sei in drei Wellen als Teil einer Bande tätig gewesen, vom 8. bis 13. Juli 2020 mit G. und vom 5. bis 12. November 2019 sowie vom 22. bis 29. Januar 2020 mit C.

Das Kollektivdelikt des bandenmässigen Diebstahls ist vorliegend das Delikt mit der schwersten Mindeststrafe (sechs Monate) und damit das schwerste Delikt. Die Zuständigkeit liegt somit nach Art. 34 Abs. 1 StPO am Ort, wo sich der erste bandenmässige Diebstahl ereignete - aufgrund der vorliegenden Akten am 8./9. Juli 2018 in Y. im Kanton Wallis. Diese Delikte wurden auch zuerst angezeigt: Das Vorbringen des Kantons Bern, dass die Taten vom 8./9. Juli 2018 zuerst zur Anzeige gelangten, blieb unbestritten. A. wird - neben dem ihm zur Last gelegten Einbruch in die Bäckerei I. in V./LU - vom 22. bis 29. Januar 2020 auch eine Teilnahme am bandenmässigen Diebstahl von B. vorgeworfen. Nach Art. 34 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 1 StPO ist daher der Kanton Wallis aufgrund seiner Zuständigkeit für das schwerste Delikt auch zuständig für die von A. an verschiedenen Orten, namentlich auch im Kanton Luzern, begangenen möglichen Straftaten.

Ein Abweichen von diesem Gerichtsstand nach Art. 40 Abs. 3 StPO ist nicht angezeigt: Dafür fehlen triftige prozessökonomische Gründe wie auch im Sinne der Rechtsprechung eine genügende Anzahl von Straftaten ( Baumgartner , a.a.O., S. 355 ff., 362 ff.).

4.6 Damit sind die Behörden des Kantons Wallis berechtigt und verpflichtet, die Vorwürfe gegen A., B. und C. zu verfolgen und zu beurteilen.

5. Es ist keine Gerichtsgebühr zu erheben.


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Behörden des Kantons Wallis sind berechtigt und verpflichtet, die Vorwürfe gegen A., B. und C. zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 20. August 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an (vorab per Cryptomail/Fax ohne Beilagen)

- Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden, mit Zustellung der Gesuchsantworten

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, mit Zustellung der jeweils anderen Gesuchsantworten

- Zentrale Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, mit Zustellung der jeweils anderen Gesuchsantworten

- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, mit Zustellung der jeweils anderen Gesuchsantworten

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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