Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Strafverfahren |
Fallnummer: | BE.2020.3 |
Datum: | 27.07.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR). |
Schlagwörter : | Daten; Gesuch; Gesuchsgegner; Durchsuchung; Entsiegelung; VStrR; Schweiz; Verfahren; Mobiltelefon; Fahrzeug; Beschwerdekammer; Bundesstrafgericht; Untersuchung; Recht; Entsiegelungsgesuch; Zollamt; Einfuhr; Ferrari; Bundesstrafgerichts; Datenträger; Papiere; Interesse; Sachverhalt; Bundesgericht; Mobiltelefons; Verwaltungsstrafverfahren; önne |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsnorm: | Art. 10 BGG ; Art. 10 StPO ; Art. 103 MWSTG ; Art. 118 ZG ; Art. 12 ZG ; Art. 124 ZG ; Art. 16 StPO ; Art. 29 BV ; Art. 36 BV ; Art. 66 BGG ; Art. 96 MWSTG ; |
Referenz BGE: | 108 IV 76; 138 IV 225; 139 IV 246; ; |
Kommentar: | - |
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: BE.2020.3 |
Beschluss vom 27. Juli 2020 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Roy Garré, Vorsitz, Andreas J. Keller und Stephan Blättler , Gerichtsschreiber Stephan Ebneter | |
Parteien | Eidgenössische Zollverwaltung, Gesuchstellerin | |
gegen | ||
A. , vertreten durch Rechtsanwälte Jörg Habetha und Anne Ulrich, Gesuchsgegner | ||
Gegenstand | Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR ) |
Sachverhalt:
A. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2019 (act. 1.5) eröffnete die Eidgenössische Zollverwaltung (nachfolgend «EZV») eine Zollstrafuntersuchung gegen A., gegen die B. AG sowie gegen unbekannte Täterschaft wegen Verdachts der Widerhandlung gegen das Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG; SR 631.0), gegen das Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20) sowie gegen das Automobilsteuergesetz vom 21. Juni 1996 (AStG; SR 641.51).
B. Im Rahmen dieser Untersuchung, anlässlich der amtlichen Veranlagung und Beschlagnahme des Fahrzeugs Ferrari F 142 488 Pista, wurde A. vor Ort eröffnet, dass die EZV beabsichtige, die Daten seines Mobiltelefons zwecks Beweisführung forensisch zu sichern und auszuwerten. A. erhob Einsprache gegen die Durchsuchung seines Mobiltelefons, das in der Folge sichergestellt und versiegelt wurde (act. 1.1, 1.19, 1.21).
C. Mit Gesuch vom 25. Februar 2020 gelangt die EZV an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt (act. 1):
1. Das Entsiegelungsgesuch sei gutzuheissen.
2. Die Gesuchstellerin sei zu ermächtigen, die mit Sicherstellungsbeschluss vom 22. Januar 2020 sichergestellten und versiegelten Daten des Mobiltelefons des Gesuchsgegners zu entsiegeln und zu durchsuchen.
3. Unter Kostenfolge zu Lasten des Gesuchsgegners.
Weiter beantragt die EZV in prozessualer Hinsicht:
1. Das Bundesamt für Polizei, Abteilung IT Forensik und Cybercrime IFC, sei zu ermächtigen, das bestehende Siegel zu brechen und zu beauftragen, die Daten des Mobiltelefons auf einen separaten Datenträger zu spiegeln und diesen Datenträger einstweilen sicherzustellen und zu siegeln.
2. Eventualiter sei die Gesuchstellerin anzuweisen, wie betreffend Erstellung der forensischen Kopie (Image) der sich auf dem sichergestellten und versiegelten Mobiltelefon befindlichen Daten vorzugehen sei.
D. Mit Gesuchsantwort vom 26. März 2020 lässt A. beantragen, die Anträge der Gesuchstellerin seien abzulehnen, unter Kostenfolge zu Lasten der Gesuchstellerin (act. 10). Mit Gesuchsreplik vom 17. April 2020 hält die EZV an ihren Anträgen fest (act. 12). Mit Gesuchsduplik vom 6. Mai 2020 lässt A. an seinen Anträgen festhalten (act. 14). Dies wurde der EZV mit Schreiben vom 11. Mai 2020 zur Kenntnis gebracht (act. 15).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen Bezug genommen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Widerhandlungen gegen das Zollgesetz werden nach diesem und nach dem VStrR verfolgt und beurteilt, wobei die Gesuchstellerin die verfolgende und urteilende Behörde ist (Art. 128 ZG). Widerhandlungen gegen das Mehrwertsteuergesetz werden grundsätzlich nach dem VStrR verfolgt (Art. 103 Abs. 1 MWSTG ). Bei der Einfuhrsteuer obliegt die Strafverfolgung der Gesuchstellerin (Art. 103 Abs. 2 MWSTG). Widerhandlungen gegen das Automobilsteuergesetz werden nach dessen Art. 40 Abs. 1 ebenfalls nach dem VStrR verfolgt und beurteilt, wobei der Gesuchstellerin die Rolle der verfolgenden und beurteilenden Behörde zukommt (Art. 40 Abs. 2 AStG ).
1.2 Werden im Verwaltungsstrafverfahren Papiere und Datenträger (vgl. hierzu BGE 108 IV 76 E. 1) durchsucht, so ist dem Inhaber derselben wenn immer möglich vor der Durchsuchung Gelegenheit zu geben, sich über deren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere vorläufig versiegelt und verwahrt (Art. 50 Abs. 3 VStrR ). Zur Einsprache gegen die Durchsuchung ist grundsätzlich nur der Inhaber der Papiere legitimiert. Nach der Praxis des Bundesgerichts kann indessen die Befugnis, sich gegen eine Durchsuchung von Aufzeichnungen zu wehren, über den Kreis der Gewahrsamsinhaber hinausgehen. Sie erfasst auch Personen, die unabhängig der Besitzverhältnisse ein rechtlich geschütztes Interesse an der Geheimhaltung des Inhalts der Unterlagen haben können (vgl. hierzu die Urteile des Bundesgerichts 1B_91/2019 vom 11. Juni 2019 E. 2.2; 1B_487/2018 vom 6. Februar 2019 E. 2.3). Über die Zulässigkeit der Durchsuchung entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 50 Abs. 3 VStrR i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. b StBOG). Die betroffene Verwaltungsbehörde hat bei der Stellung von Entsiegelungsgesuchen dem Beschleunigungsgebot ausreichend Rechnung zu tragen (Art. 29 Abs. 1 BV ; BGE 139 IV 246 E. 3.2).
1.3 Der Gesuchsgegner ist Inhaber des durch die Gesuchstellerin sichergestellten Mobiltelefons und damit zur Einsprache gegen dessen Durchsuchung berechtigt. Dem Beschleunigungsgebot wurde mit dem vorliegenden Gesuch ausreichend Rechnung getragen.
1.4
1.4.1 Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer als Entsiegelungsinstanz im Verwaltungsstrafverfahren ist es in jedem Fall notwendig, eine Datenspiegelung vorzunehmen, wenn die Siegelung von Datenträgern verlangt wurde. Der Grund hierfür ist, dass sich die Verwaltungsbehörde bei diesem Vorgehen gegen allfällige Vorwürfe der Datenmanipulation absichern kann (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BE.2017.4 vom 19. Oktober 2017 E. 2.1; BB.2017.19 vom 13. März 2018 E. 2). Dieser Praxis zufolge ist es gestützt auf Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 37 Abs. 1 VStrR auch Sache der Verwaltungsbehörde als Untersuchungsbehörde, die Daten zwecks Beweissicherung zu spiegeln. Das Bundesstrafgericht betont, dass eine Datenspiegelung an sich die Kenntnisnahme der Daten nicht erlaubt, weshalb dieses Vorgehen nicht dem Zweck des Siegelungsverfahrens widerspricht. Auf Entsiegelungsgesuche, welche nicht gespiegelte Datenträger betreffen, trat die Beschwerdekammer in ihrer bisherigen Praxis nicht ein, mit dem Hinweis, dass ein neues Entsiegelungsgesuch mit der Übermittlung der Datenkopie eingereicht werden kann (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2017.4 vom 19. Oktober 2017 E. 2.2).
1.4.2 Vorliegend verzichtete die Gesuchstellerin indessen angesichts eines Urteils des Bundesgerichts 1B_376/2019 vom 12. September 2019 darauf, die Daten des sichergestellten Mobiltelefons zu spiegeln und stellt diesbezüglich prozessuale Anträge. Es stellt sich mithin die Frage, ob vorliegend überhaupt auf das Entsiegelungsgesuch eingetreten werden kann.
1.4.3 Die Beschwerdekammer hat sich unlängst - im Rahmen eines Entsiegelungsverfahrens im internationalen Amtshilfeverfahren - mit der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung vertieft und technisch im Detail auseinandergesetzt, mit dem Ergebnis, dass an der bundesstrafgerichtlichen Praxis grundsätzlich festzuhalten ist (TPF RR.2019.219 vom 25. Mai 2020 E. 5; TPF RR.2019.220 vom 25. Mai 2020 E. 5, beide zur Publikation vorgeschlagen). Demnach ist es an sich zuerst einmal Sache der Untersuchungsbehörde, das sichergestellte Mobiltelefon zu entsperren und die Daten zu spiegeln.
Indes muss die Einreichung eines Entsiegelungsgesuchs, welches nicht gespiegelte Datenträger betrifft, nicht zwingend in jedem Fall ein Nichteintreten der Beschwerdekammer zur Folge haben. Erweist sich eine Triage nämlich als überhaupt nicht erforderlich, zum Beispiel, weil überwiegende oder absolute Schutzrecht nicht glaubhaft gemacht werden und entsprechend nicht richterlich zu prüfen sind, kann die Entsiegelung gutgeheissen und der betreffende (nicht gespiegelte) Datenträger zur Durchsuchung (die eine Datenspiegelung voraussetzt) an die Untersuchungsbehörde zurückgegeben werden. Erweist sich hingegen eine richterliche Triage als notwendig, ist auf das Entsiegelungsgesuch entweder nicht einzutreten oder über die Entsiegelung im Grundsatz zu entscheiden, der betreffende Datenträger zur Erteilung des Datenspiegelungsauftrags an die Untersuchungsbehörde zurückzugeben, um nach der Datenspiegelung richterlich zu triagieren.
2. Gemäss konstanter Praxis der Beschwerdekammer entscheidet diese bei Entsiegelungsgesuchen in einem ersten Schritt, ob die Durchsuchung im Grundsatz überhaupt zulässig ist und, sofern dies bejaht wird, in einem zweiten Schritt, ob die Voraussetzungen für eine Entsiegelung erfüllt sind. Von einer Durchsuchung von Papieren, bei der es sich um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme handelt, wird gesprochen, wenn Schriftstücke oder Datenträger im Hinblick auf ihren Inhalt oder ihre Beschaffenheit durchgelesen bzw. besichtigt werden, um ihre Beweiseignung festzustellen und sie allenfalls mittels später erfolgender Beschlagnahme zu den Akten zu nehmen. Eine derartige Durchsuchung ist nur zulässig, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht, anzunehmen ist, dass sich unter den sichergestellten Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Art. 50 Abs. 1 VStrR ) und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit respektiert wird. Die Durchsuchung von Papieren ist dabei mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse und unter Wahrung der Berufs- und Amtsgeheimnisse durchzuführen (Art. 50 Abs. 1 und 2 VStrR; vgl. zum Ganzen TPF 2007 96 E. 2; Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BE.2019.5 vom 20. August 2019 E. 3.1; BE.2018.19 vom 16. April 2019 E. 3).
3.
3.1 Im Entsiegelungsentscheid ist damit zuerst einmal zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine die Durchsuchung rechtfertigende Straftat besteht. Dazu bedarf es zweier Elemente: Erstens muss ein Sachverhalt ausreichend detailliert umschrieben werden, damit eine Subsumtion unter einen oder allenfalls auch alternativ unter mehrere Tatbestände des Strafrechts überhaupt nachvollziehbar vorgenommen werden kann; zweitens müssen ausreichende Beweismittel oder Indizien angegeben und vorgelegt werden, die diesen Sachverhalt stützen. In Abgrenzung zum dringenden setzt dabei der hinreichende Tatverdacht gerade nicht voraus, dass Beweise oder Indizien bereits für eine erhebliche oder hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sprechen (vgl. zum Ganzen bereits ausführlich den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2006.7 vom 20. Februar 2007 E. 3.1 m.w.H.; die dort angeführten Überlegungen in Bezug auf das ordentliche Strafverfahren gelten gleichermassen auch für das Verwaltungsstrafverfahren, gibt es doch diesbezüglich keinen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Rechtsanwendung; vgl. zuletzt u.a. auch den Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2019.5 vom 20. August 2019 E. 3.1).
3.2 Zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts führt die Gesuchstellerin aus, mit Amtshilfeersuchen und Spontanmeldung vom 10. Dezember 2019 habe das Zollamt Feldkirch Wolfurt der EZV mitgeteilt, dass im Rahmen einer Zollkontrolle in der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 2019 festgestellt worden sei, dass das Fahrzeug Ferrari F 142 488 Pista in Verletzung der Einfuhrvorschriften der Europäischen Union und mutmasslich auch in Verletzung der Schweizerischen Einfuhrvorschriften von der Schweiz nach Österreich eingeführt worden sei. Im Rahmen der Untersuchungen des österreichischen Zollamts habe sich der Gesuchsgegner beim Zollamt gemeldet und mitgeteilt, dass er als Geschäftsführer der B. AG für die Verbringung des Fahrzeugs von Deutschland in die Schweiz und dann nach Österreich verantwortlich sei. Mit Ergänzung zur Spontanmitteilung und zum Amtshilfeersuchen vom 17. Dezember 2019 setzt das Zollamt Feldkirch Wolfurt die EZV darüber in Kenntnis, dass das besagte Fahrzeug am 8. Dezember 2019 widerrechtlich aus dem Gewahrsam des Zollamts entfernt und gemäss Kameraaufzeichnungen über den Grenzübergang Hohenems-Diepoldsau in die Schweiz verbracht worden sei. Die Einfuhr in die Schweiz sei dabei mutmasslich ohne Zuführung des Fahrzeugs zum ordnungsgemässen Zollverfahren erfolgt. Der besagte Ferrari sei während des Grenzübertritts in die Schweiz zudem von einem Audi Q7, amtliches Kennzeichen [...], Zulassungsinhaberin B. AG, begleitet worden. Aufgrund der Erkenntnisse gehe das Zollamt Feldkirch Wolfurt davon aus, dass der besagte Ferrari durch den Gesuchsgegner im Zusammenwirken mit einer weiteren unbekannten Person in Österreich aus einer versperrten Garage entwendet und in die Schweiz verbracht worden sei (vgl. act. 1.3, 1.4).
Anlässlich der Einvernahme des Gesuchsgegners vom 20. Januar 2020 habe dieser zu Protokoll gegeben, dass C. das Fahrzeug am 8. Dezember 2019 in Österreich geholt habe. Er habe jedoch weder einen entgeltlichen noch einen unentgeltlichen Auftrag erteilt, besagten Ferrari in die Schweiz zu verbringen (vgl. act. 1.15).
Am 22. Januar 2020 wurde C. einvernommen. Anlässlich der Einvernahme habe er zu Protokoll gegeben, dass er am 8. Dezember 2019 besagten Ferrari aus einer Garagebox beim österreichischen Zollamt entwendet und in die Schweiz verbracht habe. Er habe ebenfalls angegeben, sich zum möglichen Auftraggeber nicht äussern zu können, da er niemanden belasten wolle (vgl. act. 1.16). Anlässlich der Einvernahme seien Daten des Mobiltelefons von C. beschlagnahmt worden. Während der ersten Sichtung der Daten habe der Verdacht erhärtet werden können, dass der Gesuchsgegner wesentlich an den Vorbereitungshandlungen beteiligt gewesen sei und bezüglich der Entwendung des Fahrzeugs als Auftraggeber fungiert habe (vgl. act. 1.19).
Nach dem hiervor Ausgeführten bestehe der Verdacht, dass das Fahrzeug Ferrari F 142 488 Pista bei der Einfuhr am 8. Dezember 2019 nicht zur zollrechtlichen Veranlagung angemeldet worden sei und dadurch sowohl Mehrwert- wie auch Automobilsteuern sowie Zollabgaben im Umfang von Fr. 27'208.65 (Mehrwertsteuer) bzw. Fr. 13'590.75 (Automobilsteuer) bzw. Fr. 214.20 (Zollabgaben) hinterzogen worden seien. Die ersten Abklärungen deuteten darauf hin, dass der Gesuchsteller den ebenfalls beschuldigten C. beauftragt habe, den Ferrari F 142 488 Pista am 8. Dezember 2019 aus dem Gewahrsam des österreichischen Zollamts zu entwenden und ohne Einfuhranmeldung in die Schweiz zu verbringen.
3.3 Der Gesuchsgegner gibt an, sich zwischenzeitlich gegenüber dem Zollamt Wolfurt und der Landespolizeidirektion Vorarlberg in einer Beschuldigtenvernehmung umfassend eingelassen zu haben und in den Einvernahmen den Sachverhalt so wie ihn die EZV ihrem Entsiegelungsgesuch zugrunde lege, einzuräumen (act. 10 S. 2 ff.).
3.4 Gemäss Art. 118 Abs. 1 lit. a ZG begeht eine Zollhinterziehung, wer vorsätzlich oder fahrlässig die Zollabgaben durch Nichtanmelden, Verheimlichen oder unrichtige Zollanmeldung der Waren oder in irgendeiner anderen Weise ganz oder teilweise hinterzieht. Wer Waren bei der Einfuhr vorsätzlich oder fahrlässig nicht oder unrichtig anmeldet oder verheimlicht, begeht zudem eine Hinterziehung der Einfuhrsteuer nach Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG . Gemäss Art. 36 Abs. 1 AStG begeht eine Hinterziehung oder Gefährdung der Automobilsteuer, wer diese vorsätzlich oder fahrlässig bei der Herstellung im Inland oder bei der Einfuhr durch Nichtanmeldung, Verheimlichung, unrichtige Deklaration der Automobile oder in irgendeiner andern Weise ganz oder teilweise hinterzieht oder gefährdet oder sich oder einer anderen Person sonst wie einen unrechtmässigen Steuervorteil verschafft oder die gesetzmässige Veranlagung gefährdet. Bei Vorliegen erschwerender Umstände im Sinne von Art. 124 lit. a und b ZG bzw. von Art. 97 Abs. 2 lit. a und b MWSTG bzw. von Art. 36 Abs. 2 lit. a und b AStG liegen qualifizierte Hinterziehungen vor.
3.5 Die von der Gesuchstellerin vorgelegten Beweismittel und deren Ausführungen begründen den hinreichenden Verdacht, wonach das Fahrzeug Ferrari F 142 488 Pista bei der Einfuhr am 8. Dezember 2019 nicht zur zollrechtlichen Veranlagung angemeldet worden ist und dadurch sowohl Mehrwert- wie auch Automobilsteuern sowie Zollabgaben hinterzogen worden sind. Dies unter mutmasslicher Beteiligung des Gesuchsgegners.
4.
4.1 Weiter ist zu prüfen, ob anzunehmen ist, dass sich unter den zu durchsuchenden Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Art. 50 Abs. 1 VStrR ). Die Untersuchungsbehörden müssen hierbei jedoch im Rahmen des Entsiegelungsgesuchs noch nicht darlegen, inwiefern ein konkreter Sachzusammenhang zwischen den Ermittlungen und einzelnen noch versiegelten Dokumenten besteht. Es genügt, wenn sie aufzeigen, inwiefern die versiegelten Unterlagen grundsätzlich verfahrenserheblich sind (Urteil des Bundesgerichts 1B_637/2012 vom 8. Mai 2013 E. 3.8.1 m.w.H.; TPF 2004 12 E. 2.1). Dies gilt gleichermassen für elektronisch gespeicherte Daten. Betroffene Inhaber von Aufzeichnungen und Gegenständen, welche die Versiegelung beantragen bzw. Durchsuchungshindernisse geltend machen, haben ihrerseits die prozessuale Obliegenheit, jene Gegenstände zu benennen, die ihrer Ansicht nach offensichtlich keinen Sachzusammenhang mit der Strafuntersuchung aufweisen. Dies gilt besonders, wenn sie die Versiegelung von sehr umfangreichen bzw. komplexen Dokumenten oder Dateien verlangt haben (Urteil des Bundesgerichts 1B_637/2012 vom 8. Mai 2013 E. 3.8.1 in fine; gleiches gilt in Bezug auf die StPO, siehe hierzu BGE 138 IV 225 E. 7.1).
4.2 Die Gesuchstellerin führt diesbezüglich aus (vgl. act. 1 S. 9), während der Durchsuchung des Firmensitzes sowie der Lagerräume der B. AG hätten keine untersuchungsrelevanten Dokumente festgestellt werden können. Es bestehe die Vermutung, dass der Gesuchsgegner seine Geschäftskorrespondenz hauptsächlich elektronisch erledige und sich unter den gesiegelten Daten auf dem Mobiltelefon Informationen befinden, welche für das Strafverfahren relevant seien bzw. für die Aufklärung der vorgeworfenen Delikte nicht offensichtlich untauglich erschienen. Insbesondere erhoffe sich die untersuchende Behörde mittels Durchsuchung der sichergestellten Daten die Vollständigkeit und Richtigkeit der auf dem Mobiltelefon des ebenfalls beschuldigten C. vorgefundenen Textnachrichten sowie der durch den Gesuchsgegner im E-Mail vom 20. Januar 2020 gemachten Angaben überprüfen und Rückschlüsse auf allfällige Tatbeiträge und Vorgehensweissen machen zu können. Es sei davon auszugehen, dass sich unter den versiegelten Daten grundsätzlich verfahrenserhebliche Informationen befinden, die einen Deliktskonnex i.S.v. Art. 50 Abs. 1 VStrR aufweisen.
4.3 Der Gesuchsgegner macht einmal sinngemäss geltend, die sichergestellten Daten seien für die Untersuchung nicht von Bedeutung, da er zwischenzeitlich den Sachverhalt und insbesondere seine eigene Beteiligung eingeräumt habe und der Sachverhalt vollständig aufgeklärt sei (act. 10 S. 2 ff.; act. 14). Diese Einwendung verfängt nicht. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass der Gesuchsgegner im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren ein Geständnis abgelegt hätte, sind allfällige Geständnisse zu prüfen (vgl. Art. 160 StPO ), was sich schon aus dem Untersuchungsgrundsatz (vgl. Art. 6 StPO) und dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. Art. 10 Abs. 2 StPO ) ergibt (vgl. BGE 139 IV 246 E. 1.2 und E. 3.2, wonach die allgemeinen strafprozessualen und verfassungsrechtlichen Grundsätze auch im Verwaltungsstrafverfahren zu berücksichtigen sind; vgl. auch Eicker/Frank/Achermann, Verwaltungsstrafrecht und Verwaltungsstrafverfahrensrecht, 2012, S. 152). Nur so können falsche Geständnisse erkannt und kann die Beweislage auch für den Fall des Widerrufs eines Geständnisses abgesichert werden ( Godenzi, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 160 StPO N. 3; vgl. Ruckstuhl, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 160 StPO N. 5). Zudem weist die Gesuchstellerin mit Recht darauf hin (act. 12 S. 2 ff.), dass das Verwaltungsstrafverfahren nicht nur gegen den Gesuchsgegner, sondern auch gegen die B. AG, gegen unbekannte Täterschaft sowie gegen C. geführt werde und dabei insbesondere zu klären sei, ob und welche weiteren (noch) unbekannten Personen wie in den untersuchten Sachverhalt involviert sind. Die bisher erfolgten Beweiserhebungen reichten zur Klärung des Sachverhalts nicht aus und diese könne auch nicht durch mildere Mittel erreicht werden. Einer Durchsuchung der sichergestellten Daten steht vor diesem Hintergrund nichts im Weg.
5.
5.1 Bei einer Durchsuchung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren (Art. 45 Abs. 1 VStrR ). Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen (Art. 50 Abs. 1 VStrR). Zudem sind bei der Durchsuchung das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren (Art. 50 Abs. 2 VStrR). Diese Bestimmungen konkretisieren im Bereich des Verwaltungsstrafrechts den verfassungsrechtlichen Verhältnismässigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV ), welcher bei der Durchsuchung von Papieren zu beachten ist.
5.2 Der Inhaber der sichergestellten Unterlagen hat im Entsiegelungsverfahren nicht nur die Schriften bzw. Daten zu benennen, die seiner Ansicht nach der Versiegelung und Geheimhaltung im Sinne von Art. 50 Abs. 3 VStrR unterliegen, sondern auch die Berufs-, Privat- oder Geschäftsgeheimnisse glaubhaft zu machen, die seiner Ansicht nach dem öffentlichen Interesse an der Aufklärung und Verfolgung von mutmasslichen Straftaten vorgehen (Urteile des Bundesgerichts 1B_349/2019 vom 13. März 2019 E. 1; 1B_671/2012 vom 8. Mai 2013 E. 3.6.1 m.w.H.).
5.3 Der Gesuchsgegner führt aus, dass auf dem Mobiltelefon zahllose geschäftliche Kontakte und Korrespondenzen gespeichert seien, die mit dem gegenständlichen Verfahren keinen Zusammenhang aufwiesen und an deren Geheimhaltung er ein erhebliches Interesse habe. Exemplarisch sei die Kommunikation mit Banken zur Finanzierung von Fahrzeugkäufen genannt, ebenso wie mit Kunden. Daneben sei private Korrespondenz mit Familie und Freunden auf dem Telefon gespeichert (act. 10 S. 6). Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung überwiege sein Interesse an der Geheimhaltung dieser Informationen in Ansehung des Gewichts der im Raum stehenden Straftat nicht: Hier werde nämlich zu berücksichtigen sein, dass er das Fahrzeug zwar in die Schweiz ausgeführt habe, ohne es zur zollrechtlichen Veranlagung anzumelden, eine Verzollung und Versteuerung in der Schweiz aber stets vorgesehen gewesen sei. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Schriftverkehr der D. GmbH mit der Spedition E., der im Verfahren des Zollamts Wolfurt aktenkundig sei. Dass er das Fahrzeug nicht unverzüglich nach Einreise zur Verzollung angemeldet habe, sei dem Umstand geschuldet, dass er über das Fahrzeug körperlich (noch) nicht verfügt habe, sondern dieses von C. in einer Tiefgarage in Zürich gelagert worden sei. Vor allem aber habe der Gesuchsgegner zwischenzeitlich das Fahrzeug verzollt und die Zollschuld beglichen (act. 10 S. 6 f.).
5.4 Auch in diesem Punkt hat der Gesuchsgegner seiner prozessualen Obliegenheit (siehe E. 4.1, 5.2) nicht Genüge getan. Konkrete Angaben, welche der betroffenen Daten seiner Ansicht nach ohne Relevanz seien, macht der Gesuchsgegner nicht. Seiner prozessualen Obliegenheit ist der Gesuchsgegner damit nicht nachgekommen. So kann seinen Ausführungen nicht entnommen werden, welche Daten welche Privatgeheimnisse welcher Art enthalten sollen und inwiefern diese dem öffentlichen Interesse an der Aufklärung und der Verfolgung der ihm zur Last gelegten Straftaten vorgehen sollen. Der lediglich pauschale Hinweis des Gesuchsgegners auf seine Interessen steht einer Durchsuchung seiner Daten durch die Gesuchstellerin nicht entgegen.
6. Nach dem Gesagten ist das Gesuch gutzuheissen und die Gesuchstellerin ist zu ermächtigen, das sichergestellte Mobiltelefon zu entsiegeln und dessen Daten (nach deren Spiegelung) zu durchsuchen.
7. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die prozessualen Anträge der Gesuchstellerin gegenstandslos.
8. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Gesuchsgegner als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen (vgl. Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 66 Abs. 1 BGG analog; siehe dazu TPF 2011 25 E. 3). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.- festzusetzen (vgl. Art. 5 und 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).
9. Dieser Beschluss kann gestützt auf Art. 28 Ziff. 1 des Abkommens vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen (BBA; SR 0.351.926.81) unmittelbar durch die Post an die in Deutschland tätigen Vertreter des Gesuchsgegners übersendet werden.
Ob die unmittelbare Zustellung auch gestützt auf Art. III A lit. a des Vertrags vom 13. November 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung ( SR 0.351.913.61) und/oder Art. 52 Abs. 1 Satz 1 des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (Schengener Durchführungsübereinkommen [SDÜ]; CELEX-Nr. 42000A0922(02); Abl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19-62; Text nicht publiziert in der SR, jedoch abrufbar auf der Website der Schweizerischen Eidgenossenschaft unter «Rechtssammlung zu den bilateralen Abkommen», 8.1 Anhang A; https://www.admin.ch/opc/de/european-union/international-agreements/ 008.html) erfolgen könnte, kann offenbleiben.
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Das Gesuch um Entsiegelung wird gutgeheissen.
2. Die Gesuchstellerin wird ermächtigt, das sichergestellte Mobiltelefon zu entsiegeln und zu durchsuchen.
3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.- wird dem Gesuchsgegner auferlegt.
Bellinzona, 27. Juli 2020
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :
Zustellung an
- Eidgenössische Zollverwaltung, Hauptabteilung Zollfahndung
- Rechtsanwalt Jörg Habetha und Rechtsanwältin Anne Ulrich
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.
Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG ).
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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