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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Berufungskammer
Fallnummer:CN.2019.5
Datum:27.12.2019
Leitsatz/Stichwort:Revision des Entscheids der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts RR.2019.260 vom 27. November 2019; vorsorgliche Massnahmen
Schlagwörter : Entscheid; Revision; Bundesstrafgericht; Recht; Beschwerdekammer; Bundesstrafgerichts; Massnahmen; Verfahren; Bundesanwaltschaft; Schlussverfügung; Behörden; Gericht; Revisionsgesuch; Berufungskammer; Entscheids; StBOG; Bankunterlagen; Beschwerdeinstanz; Frist; Sinne; Übermittlung; Wiedererwägung; Interesse; Unterlagen; Wiedererwägungsgesuch; Anordnung; Zustand; Dokument; Hauptsache; Tribunal
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 103 BGG ; Art. 12 BGG ; Art. 121 BGG ; Art. 32 BGG ; Art. 5 VwVG ; Art. 55 VwVG ; Art. 66 VwVG ; Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:130 II 155; ;
Kommentar:
-
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: CN.2019.5

(Hauptverfahrensnummer CR.2019.10 )

Zwischenentscheid
vom 27. Dezember 2019
Berufungskammer

Besetzung

Bundesstrafrichterin Andrea Blum, Vorsitz,

Gerichtsschreiberin Lorena Studer

Parteien

A. Ltd ,
vertreten durch Rechtsanwalt Guy Stanislas,

Gesuchstellerin

gegen

BUNDESANWALTSCHAFT,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Revision des Entscheids der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts RR.2019.260 vom 27. November 2019 (Art. 40 Abs. 1 StBOG i.V.m. Art. 121 ff . BGG )

Vorsorgliche Massnahmen
(Art. 40 Abs. 1 StBOG i.V.m. Art. 126 BGG )


Die Berufungskammer hält fest, dass:

- die Bundesanwaltschaft mit Schlussverfügung vom 6. September 2019 dem Rechtshilfeersuchen der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Rio de Janeiro vom 21. Juni 2018 gegen den ehemaligen Gouverneur von Rio de Janeiro, B., entsprach und in diesem Zusammenhang die Herausgabe der Bankunterlagen zum Konto Nr. 1 bei der Bank C., lautend auf die Gesuchstellerin, an die brasilianischen Behörden anordnete;

- die Gesuchstellerin dagegen bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts am 10. Oktober 2019 Beschwerde erheben liess und im Hauptbegehren die Aufhebung der Schlussverfügung vom 6. September 2019 beantragte;

- die Gesuchstellerin von der Beschwerdeinstanz am 11. Oktober 2019 aufgefordert wurde, ihr bis 24. Oktober 2019 diverse Unterlagen einzureichen, die über die Existenz der Gesellschaft sowie die Unterschriftsberechtigung Aufschluss geben; dies mit dem Hinweis des Nichteintretens im Säumnisfall;

- die Gesuchstellerin die Beschwerdeinstanz zur Einreichung der angeforderten Unterlagen am 23. Oktober 2019 um Fristerstreckung bis 25. November 2019 ersuchte; diese Frist von der Beschwerdeinstanz mehrfach und schliesslich im Sinne einer Notfrist bis 25. November 2019 (letztmals) erstreckt, eine weitere Fristerstreckung der Gesuchstellerin bis 6. Dezember 2019, die sie damit begründete, dass es bei der Beschaffung der angeforderten Dokumente bei den Behörden der britischen Jungferninseln zu Verzögerungen gekommen sei, mit Verfügung vom 26. November 2019 jedoch abgewiesen wurde;

- auf die Beschwerde der Gesuchstellerin vom 10. Oktober 2019 von der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit Entscheid RR.2019.260 vom 27. November 2019 nicht eingetreten wurde; dies mit der Begründung, dass die Gesuchstellerin der
Beschwerdeinstanz die angeforderten Unterlagen innert der angesetzten und mehrmals erstrecken Frist nicht eingereicht und damit weder den Nachweis ihrer Existenz noch der Zeichnungsberechtigung der die Vollmacht unterzeichneten Personen erbracht habe (vgl. Entscheid RR.2019.260 );

- die Gesuchstellerin mit Wiedererwägungsgesuch an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 9. Dezember 2019 die Revision des Entscheids RR.2019.260 vom 27. November 2019 im Sinne von Art. 66 Abs. 2 lit. a VwVG verlangte, wobei sie zwei neue Dokumente («Certification of good legal standing, in liquidation» vom 5. Dezember 2019 sowie eine «Power of Attorney» vom 1. Oktober 2019) ins Recht legte und gleichzeitig gemäss Art. 56 VwVG beantragte, es sei der Bundesanwaltschaft vorsorglich jegliche Übermittlung der Bankunterlagen gemäss Schlussverfügung vom 6. September 2019 im Verfahren RH.18.0211-TIE an die brasilianischen Behörden zu verbieten ( CR.2019.10 pag. 1.100.001-007);

- die Bundesanwaltschaft die beabsichtigte Übermittlung der Bankunterlagen gemäss Schlussverfügung vom 6. September 2019 im Verfahren RH.18.0211-TIE an die brasilianischen Behörden noch nicht veranlasst hat ( CR.2019.10 pag. 4.102.001);

- das besagte Wiedererwägungsgesuch vom 9. Dezember 2019 von der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts am 11. Dezember 2019 zuständigkeitshalber der
Berufungskammer des Bundesstrafgerichts übermittelt wurde, wobei die Übermittlung der Verfahrensakten am 12. Dezember 2019 erfolgte ( CR.2019.10 pag. 1.100.009-015);

- der Gesuchstellerin und der Bundesanwaltschaft mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 der Eingang des Revisionsgesuchs sowie die Zusammensetzung des Spruchkörpers mitgeteilt wurden ( CR.2019.10 pag. 1.200.001-002);

- die Gesuchstellerin dem Gericht am 18. Dezember 2019 auf Anfrage telefonisch mitteilte, dass sie gegen den Entscheid der Beschwerdekammer RR.2019.260 vom 27. November 2019 keine Beschwerde erhoben habe ( CR.2019.10 pag. 4.101.001 );

- die Gesuchstellerin das Gericht mit Eingabe vom 19./20. Dezember 2019 über die Mandatierungsverhältnisse orientierte und eine Vollmacht vom 19. Dezember 2019 mit rückwirkendem Effekt per 10. Oktober 2019 («Power of Attorney with retroactive effect as of 10 October 2019») einreichte ( CR.2019.10 pag. 4.101.002-005 );

- das Gericht am 27. Dezember 2019 den Schriftenwechsel anordnete bzw. Vorinstanz und Gesuchsgegnerin zur Vernehmlassung bis 10. Januar 2020 aufforderte ( CR.2019.10 pag 2.100.001 f.);

und zieht in Erwägung, dass:

- das vorliegende Wiedererwägungsgesuch aufgrund der Subsidiarität der Wiedererwägung als Revisionsgesuch behandelt wird ( Scherrer Reber in: Waldmann/Weissenberger, Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl., Art. 66 N 13 m.H.);

- sich die Zuständigkeit der Berufungskammer zum Entscheid über Revisionsgesuche aus Art. 38a StBOG ergibt und Art. 40 Abs. 1 StBOG im Zusammenhang mit der Revision, Erläuterung und Berichtigung von Entscheiden der Beschwerdekammer nach Art. 37 Abs. 2 StBOG auf die sinngemässe Anwendung der Bestimmungen Art. 121 - 129 des Bundesgerichtsgesetzes ( BGG , SR 173.110) verweist;

- ein Revisionsgesuch - im Unterschied zur Beschwerde (Art. 55 Abs. 1 VwVG sowie Art. 103 Abs. 2 lit. c BGG ) - nicht automatisch aufschiebende Wirkung hat ( Escher in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl., Art. 126 N 1);

- die Gesuchstellerin die aufschiebende Wirkung beantragt, indem sie geltend macht, im Falle einer Gutheissung des Revisionsgesuchs und einer Gutheissung der Beschwerde RR.2019.260 (Aufhebung der Schlussverfügung vom 6. September 2019 im Verfahren RH.18.0211-TIE) eine vorgängige Übermittlung der besagten Bankunterlagen an die brasilianischen Behörden für sie einen nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne der Rechtsprechung (BGE 130 II 155 E. 2.2) darstellen würde und die Dringlichkeit situationsbedingt zu bejahen sei;

- gemäss Art. 126 BGG nach Eingang des Revisionsgesuchs der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin (Verfahrensleitung i.S.v. Art. 32 Abs. 1 BGG ) von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei den Vollzug des angefochtenen Entscheids aufschieben oder andere vorsorgliche Massnahmen treffen kann;

- vorsorgliche Massnahmen, die vor Anordnung einer Verfügung ergehen, darauf abzielen, deren Wirksamkeit sicherzustellen und mit sichernden Vorkehren gewährleistet wird, dass der bestehende tatsächliche oder rechtliche Zustand einstweilen unverändert erhalten bleibt; der Entscheid über die Anordnung vorsorglicher Massnahmen Dringlichkeit voraussetzt und der Verzicht auf Massnahmen für den Betroffenen einen nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken muss, wobei ein tatsächliches (insbesondere wirtschaftliches Interesse) genügt, die Anordnung der besagten Massnahmen in Abwägung der verschiedenen Interessen und unter Wahrung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zu erfolgen hat, wobei der durch die Endverfügung zu
regelnde Zustand weder präjudiziert noch verunmöglicht werden soll (vgl. BGE 130 II 155 E. 2.2);

- vorsorgliche Massnahmen auf einer bloss summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage beruhen, wobei die Hauptsachenprognose dabei berücksichtigt werden kann, wenn sie eindeutig ist, wobei sich bei tatsächlichen oder rechtlichen Unklarheiten Zurückhaltung aufdrängt, weil in diesem Fall die erforderlichen Entscheidgrundlagen im Hauptverfahren erst noch erstellt werden müssen (vgl. BGE 130 II 155 E. 2.2);

- der Nichteintretensentscheid RR.2019.260 vom 27. November 2019 einzig mit der Tatsache begründet wurde, dass die Gesuchstellerin die von der Beschwerdeinstanz verlangten Dokumente, welche über die Existenz der Gesellschaft sowie die Unterschriftsberechtigung Aufschluss geben, nicht innert Frist eingereicht hatte (vgl. Entscheid RR.2019.260 vom 27. November 2019);

- die Gesuchstellerin das diesbezüglich eingeforderte, am 5. Dezember 2019 ausgestellte Dokument «Certification of good legal standing, in liquidation» mit Wiedererwägungsgesuch vom 9. Dezember 2019 einreichte; wobei insbesondere die Zulässigkeit der nachträglich eingereichten, rückwirkend ausgestellten Vollmacht in der Hauptsache zu prüfen sein wird;

- sich das Revisionsbegehren gestützt auf die obigen Ausführungen gemäss summarischer Prüfung nicht zum Vornherein als aussichtslos erweist;

- im Rahmen der Interessenabwägung im Sinne von Art. 126 BGG das Interesse der Gesuchstellerin an der Aufrechterhaltung des momentanen Zustands, aufgrund Umfang und Natur der betreffenden Unterlagen, dem Interesse an ihrer sofortigen Übermittlung, mithin vor Abschluss des vorliegenden Verfahrens, überwiegt und der durch die Endverfügung zu regelnde Zustand mit der beantragten einstweiligen Untersagung weder präjudiziert noch verunmöglicht wird;

- dem Gesuch um Anordnung vorsorglicher Massnahmen somit zu entsprechen ist;

- die Kosten dieses Entscheids bei der Hauptsache CR.2019.10 verbleiben;


und verfügt:

1. Der Bundesanwaltschaft wird im Sinne von Art. 126 BGG bis zum Endentscheid in der Sache vorsorglich untersagt, jegliche Bankunterlagen gemäss Schlussverfügung vom 6. September 2019 im Verfahren RH.18.0211-TIE an die brasilianischen Behörden zu übermitteln.

2. Die Kosten des vorliegenden Entscheids verbleiben bei der Hauptsache CR.2019.10 .

Im Namen der Berufungskammer

des Bundesstrafgerichts

Die Vorsitzende Die Gerichtsschreiberin

Zustellung an (Gerichtsurkunde)

- Rechtsanwalt Guy Stanislas

- Bundesanwaltschaft

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe

Kopie an

- Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Rechtsmittelbelehrung

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