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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BE.2019.2 vom 17.09.2019

Hier finden Sie das Urteil BE.2019.2 vom 17.09.2019 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BE.2019.2

Der Bundesstrafgericht hat das Verfahren gegen die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) wegen Verdachts schwerer Steuerwiderhandlungen gegenüber der Gesellschaft A Group Holding AG und der Gesellschaft A Immobilien AG. Die ESTV eröffnete eine Strafuntersuchung gegen die beiden Gesellschaften, die von der Gesuchsgegnerin, der Gesuchstellerin, vertreten werden. Die Gesuchsgegnerin behauptet, dass die Gesellschaften Geldwäsche und Steuerhinterziehung betrieben haben. Die Beschwerdekammer entschied, dass es sich bei den sichergestellten Dokumenten und Datenträgern um Geschäfts- und Buchhaltungsunterlagen handelt, die grundsätzlich verfahrenserheblich sind. Die Gesuchsgegnerin wurde aufgefordert, die Dokumente zu benennen, die keinen Zusammenhang mit der Strafuntersuchung aufweisen. Die Gesuchsgegnerin behauptet, dass die Dokumente keine Belege für Steuerhinterziehung oder Geldwäsche sind und daher nicht relevant für das Verfahren sind. Die Beschwerdekammer hat jedoch entschieden, dass die Dokumente tatsächlich relevant sind und dass es sich um Beweise für Steuerhinterziehung handelt. Die Gesuchsgegnerin wurde aufgefordert, die Dokumente zu entsiegeln und zu durchsuchen. Die Beschwerdekammer hat jedoch entschieden, dass dies nicht möglich ist, da die Dokumente grundsätzlich verfahrenserheblich sind. Der Bundesstrafgericht hat das Verfahren gutgeschlagen und entschied, dass es sich um ein Strafverfahren gegen die Gesellschaften handelt. Der Bundesstrafgericht hat auch festgestellt, dass die Gesuchsgegnerin nicht berechtigt ist, den Vollzug des angefochtenen Entscheids zu hemmen. Die Gerichtsgebühr für das Verfahren beträgt 2'000 CHF.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BE.2019.2

Datum:

17.09.2019

Leitsatz/Stichwort:

Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR).

Schlagwörter

Gesuch; Durchsuchung; Gesuchsgegnerin; Group; Holding; Entsiegelung; VStrR; Akten; Gericht; Beschwerdekammer; Dokumente; Immobilien; Verfahren; Untersuchung; Verdacht; Apos;; Daten; Gesellschaften; Bundesstrafgericht; Unterlagen; Geschäfts; Bundesstrafgerichts; Dossier; Verfahren; Untersuchung; Entsiegelungsgesuch; Tatverdacht; Verwaltung

Rechtskraft:

Kein Weiterzug, rechtskräftig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 10 BGG ;Art. 17 StGB ;Art. 18 DBG ;Art. 181 DBG ;Art. 191 DBG ;Art. 66 BGG ;

Referenz BGE:

139 IV 246; 140 IV 28; ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BE.2019.2

Beschluss vom 17. September 2019
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Andreas J. Keller und Cornelia Cova ,

Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien

Eidgenössische Steuerverwaltung,

Gesuchstellerin

gegen

A. Group Holding AG, vertreten durch Advokaten Hubertus Ludwig und Pascal Straub,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR )


Sachverhalt:

A. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend «ESTV») eröffnete eine Strafuntersuchung gegen die B. AG, die A. Immobilien AG, C. und D. und E. wegen Verdachts der Widerhandlung gegen Art. 175 und 176 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer ( DBG ; SR 642.11) und Steuerbetrugs (Art. 186 DBG ) sowie gegen C. und F. wegen Verdachts auf Abgabebetrug (Art. 14 Abs. 2 VStrR ) und eventuell Hinterziehung von Verrechnungssteuern (Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer [ VStG ; SR 642.21]).

B. In diesem Zusammenhang führte die ESTV am 5. März 2019 gestützt auf einen Durchsuchungsbefehl des Direktors der ESTV vom 28. Februar 2019 Hausdurchsuchungen durch, unter anderem bei der G. AG in Z., der H. AG in Y., der A. Group Holding AG in X., am «mutmasslichen Domizil» des Ehepaars C. und D. in X. und am Wohnsitz von F. in W. (act. 1.1 und 1.3; BV.2019.8 -12 act. 2.4-6 und act. 2.11-12). Anlässlich der Hausdurchsuchungen wurden zahlreiche Akten und Daten sichergestellt. Gegen die Durchsuchung erhob unter anderem die A. Group Holding AG Einsprache (act. 1.2).

Ebenfalls am 5. März 2019 ordnete die ESTV Konto- und Safesperren bei verschiedenen Finanzinstituten betreffend C. und D., der B. AG und der A. Immobilien AG an ( BV.2019.8 -12 act. 2 S. 2).

C. Eine weitere Hausdurchsuchung durch die ESTV am Sitz der A. Group Holding AG fand am 15. März 2019 gestützt auf einen Durchsuchungsbefehl des Direktors der ESTV vom 11. März 2019 statt. Anlässlich dieser wurden weitere (sich in einem Tresor befindliche) Akten sichergestellt, gegen deren Durchsuchung die A. Group Holding AG wiederum Einsprache erhob (act. 1.4).

D. Mit Eingaben vom 8. und 18. März 2019 erhoben die B. AG, die A. Immobilien AG, C. und D. sowie F. gegen die unter supra lit. B und C erwähnten «Sicherstellungen/Beschlagnahmungen» bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts jeweils Beschwerde (vgl. Verfahren BV.2019.8 -12 und BV.2019.13 -17, je act. 1).

E. Mit Gesuch vom 8. April 2019 gelangte die ESTV an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragte, sie sei zu ermächtigen, die am 5. und 15. März 2019 bei der A. Group Holding AG in X. sichergestellten Akten und elektronischen Datenträger zu entsiegeln und zu durchsuchen (act. 1). Zwecks Wahrung des Steuergeheimnisses reichte die ESTV dem Gericht nebst den Verfahrensakten, die auch die A. Group Holding AG einsehen dürfe, ein vertrauliches Dossier ein, das der A. Group Holding AG nicht zugestellt werden dürfe.

F. Die A. Group Holding AG beantragt in ihrer Gesuchsantwort vom 23. April 2019 die Abweisung des Entsiegelungsgesuchs. Eventualiter sei die Entsiegelung auf all jene Akten und Daten zu begrenzen, welche für das vorliegende Verfahren untersuchungsrelevant seien. Zudem beantragt sie Akteneinsicht in sämtliche Verfahrensakten, mithin auch in das vertrauliche Dossier (act. 3 S. 2).

G. Die ESTV hält in ihrer Replik vom 6. Mai 2019 an den im Entsiegelungsgesuch gestellten Anträgen fest und weist erneut darauf hin, dass der A. Group Holding AG das vertrauliche Dossier nicht zugestellt werden dürfe (act. 5). Die A. Group Holding AG dupliziert mit Eingabe vom 20. Mai 2019 und hält insbesondere an ihrem Antrag um Einsicht in die gesamten Verfahrensakten, inklusive vertrauliches Dossier, fest. Gleichzeitig reichte sie dem Gericht Erklärungen der beschuldigten Personen ein, wonach diese im vorliegenden Entsiegelungsverfahren auf die Einhaltung der jeweiligen Steuergeheimnisse verzichten (act. 7 und 7.1).

H. Mit Schreiben vom 22. Mai 2019 stellte das Gericht der ESTV die Gesuchsduplik vom 20. Mai 2019 und die Verzichtserklärungen zu. Der ESTV wurde mitgeteilt, dass das Gericht das vertrauliche Dossier der A. Group Holding AG im Rahmen deren Akteneinsichtsrechts zustellen werde, nachdem die beschuldigten Personen den Verzicht auf das Steuergeheimnis ausdrücklich erklärt hätten. Zudem handle es sich bei diesem Dossier exakt um jene Akten, die den beschuldigten Personen bereits im Rahmen des Beschwerdeverfahrens BV.2019.8 -12 zugestellt worden seien. Das Gericht hielt ferner fest, dass gestützt auf den Handelsregisterauszug und die dem Gericht vorliegenden Akten F. als einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat der A. Group Holding AG und C. als deren Alleinaktionär fungierten, sodass einer Akteneinsicht der A. Group Holding in das besagte Dossier nichts entgegenstehe (act. 8).

I. Mit Schreiben vom 27. Mai 2019 stellte das Gericht der A. Group Holding AG sodann eine Kopie der von der ESTV bezeichneten vertraulichen Akten zu (act. 10 und act. 11.1-11.19).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen eingegangen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Das Verfahren wegen des Verdachts schwerer Steuerwiderhandlungen gegenüber dem Täter, dem Gehilfen und dem Anstifter richtet sich gemäss Art. 191 Abs. 1 DBG nach den Artikeln 19-50 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0). Bei der Verfolgung von Widerhandlungen gegen das Verrechnungssteuergesetz findet ebenfalls das VStrR Anwendung und die ESTV ist die verfolgende und urteilende Verwaltungsbehörde (Art. 67 Abs. 1 VStG ).

1.2 Soweit das VStrR einzelne Fragen nicht abschliessend regelt, sind die Bestimmungen der StPO grundsätzlich analog anwendbar. Die allgemeinen strafprozessualen und verfassungsrechtlichen Grundsätze sind jedenfalls auch im Verwaltungsstrafverfahren zu berücksichtigen (BGE 139 IV 246 E. 1.2 und E. 3.2; vgl. hierzu auch TPF 2016 55 E. 2.3; Beschluss des Bundesstrafgerichts BV.2017.26 vom 6. September 2017 E. 1.2 und E. 1.3).

2.

2.1 Die Durchsuchung von Papieren" (bzw. von Aufzeichnungen und Gegenständen) hat mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu erfolgen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Art. 50 Abs. 1 VStrR ). Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren (Art. 50 Abs. 2 VStrR ). Gemäss Art. 50 Abs. 3 VStrR ist dem Inhaber der Papiere wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 50 Abs. 3 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 VStrR und Art. 37 Abs. 2 lit. b StBOG ).

2.2 Die Gesuchsgegnerin ist Inhaberin der anlässlich der Hausdursuchungen vom 5. und 15. März 2019 sichergestellten Akten und elektronischen Datenträger und somit zur Einsprache legitimiert. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf das Entsiegelungsgesuch einzutreten ist.

3. Gemäss konstanter Praxis der Beschwerdekammer entscheidet diese bei Entsiegelungsgesuchen, ob die Durchsuchung im Grundsatz zulässig ist, mithin ob die Voraussetzungen für eine Entsiegelung grundsätzlich erfüllt sind. Sofern dies bejaht wird, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob schützenswerte Geheimhaltungsinteressen einer Entsiegelung entgegenstehen ( TPF 2007 96 E. 2).

Daraus folgt, dass auch allgemeine Einwände gegen die Durchsuchung einen Grund zur Siegelung darstellen, mithin die Siegelung auch aus Gründen mangelnden Tatverdachts sowie wegen fehlender Beweisrelevanz verlangt werden kann, sofern es dem Berechtigten im Ergebnis darum geht, die Einsichtnahme der Untersuchungsbehörde in die sichergestellten Unterlagen und deren Verwertung zu verhindern (BGE 140 IV 28 E. 4.3.6; Urteil des Bundesgerichts 1B_117/2012 vom 26. März 2012 E. 3.2 f.).

4.

4.1 Im Entsiegelungsentscheid ist vorab zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine die Durchsuchung rechtfertigende Straftat besteht. Dazu bedarf es zweier Elemente: Erstens muss ein Sachverhalt ausreichend detailliert umschrieben werden, damit eine Subsumtion unter einen oder allenfalls auch alternativ unter mehrere Tatbestände des Strafrechts überhaupt nachvollziehbar vorgenommen werden kann. Zweitens müssen ausreichende Beweismittel oder Indizien angegeben und vorgelegt werden, die diesen Sachverhalt stützen. In Abgrenzung zum dringenden setzt dabei der hinreichende Tatverdacht gerade nicht voraus, dass Beweise oder Indizien bereits für eine erhebliche oder hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sprechen (vgl. zum Ganzen bereits ausführlich den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2006.7 vom 20. Februar 2007 E. 3.1 m.w.H.; die dort angeführten Überlegungen in Bezug auf das ordentliche Strafverfahren gelten gleichermassen auch für das Verwaltungsstrafverfahren, gibt es doch diesbezüglich keinen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Rechtsanwendung; vgl. u.a. den Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2018.7 vom 22. November 2018 E. 4.1).

4.2 Mit Bezug auf den Tatverdacht, der den Hausdurchsuchungen vom 5. und 15. März 2019 bei der Gesuchsgegnerin zugrunde liegt, kann vollumfänglich auf die Erwägungen der Beschwerdekammer im Beschluss BV.2019.8 -12 vom 13. August 2019 verwiesen werden (E. 4.3), zumal die Gesuchsgegnerin im vorliegenden Entsiegelungsverfahren die identischen Einwendungen gegen das Vorliegen des hinreichenden Tatverdachts vorbringt, wie die Beschwerdeführer im Verfahren BV.2019.8 -12.

Die Beschwerdekammer erwog zusammengefasst in ihrem Beschluss BV.2019.8 -12 vom 13. August 2019, es bestehe der hinreichende Verdacht, dass sich die B. AG und A. Immobilien AG betreffend die Steuerperioden 2012 und 2013 der vollendeten Steuerhinterziehung im Sinne von Art. 175 Abs. 1 i.V.m. Art. 181 Abs. 1 DBG im Umfang von CHF 1 Mio. bzw. CHF 800'000.-- schuldigt gemacht hätten. Dies, indem sie zunächst unentgeltlich Vorkaufsrechte an ihnen gehörenden Liegenschaften an die I. GmbH eingeräumt und überhöhte Verkaufshonorare an nahestehende Dritte ausbezahlt hätten bzw. die B. AG zusätzlich eine geschäftsmässig nicht begründete Abschreibung auf einer fingierten Darlehensforderung vorgenommen und fiktive Honorare für Sanierungsarbeiten in Rechnung gestellt habe. Dadurch hätten die Gesellschaften ihre Gewinne in hohem Ausmass zu Unrecht verkürzt und so eine Unterbesteuerung vorgenommen. Es sei ferner der hinreichende Verdacht zu bejahen, C. habe sich des Steuerbetrugs im Sinne von Art. 186 DBG betreffend die Steuerperioden 2012 und 2013 schuldig gemacht. C. habe als Geschäftsführer der B. AG und der A. Immobilien AG für das Jahr 2013 den zuständigen Steuerbehörden unvollständige bzw. unwahre Jahresrechnungen eingereicht, mit der Absicht, damit Steuerhinterziehung zu begehen. Zudem bestehe der Verdacht, C. habe sich der Anstiftung oder Gehilfenschaft zur vollendeten Steuerhinterziehung der B. AG und der A. Immobilien AG im Sinne von Art. 177 i.V.m. Art. 181 Abs. 2 DBG schuldig gemacht, indem er als Geschäftsführer der betreffenden Gesellschaften unvollständige Jahresrechnungen sowie Steuererklärungen erstellt habe oder habe erstellen lassen und so den Steuerbehörden gegenüber zu tiefe Gewinne der Gesellschaften deklariert habe, was zur Unterbesteuerung geführt habe. Auch sei der Verdacht auf Abgabebetrug im Sinne von Art. 14 Abs. 2 VStrR und eventuell auf Hinterziehung der Verrechnungssteuer (Art. 61 lit. 1 VStG ) im Umfang von CHF 2.326 Mio. betreffend die Geschäftsjahre 2012 und 2013 zu bejahen, indem C. veranlasst habe, dass die B. AG und die A. Immobilien AG verdeckt Gewinne ausgeschüttet hätten und die darauf geschuldete Verrechnungssteuer nicht gesetzeskonform deklariert und abgerechnet worden sei. Schliesslich bestehe der Verdacht, C. habe sich zusammen mit seiner Ehefrau D. der vollendeten Steuerhinterziehung (Art. 175 StGB ) im Umfang von CHF 900'000.-- schuldig gemacht, indem die Eheleute C. und D. im Jahre 2013 die Streichung aus dem Steuerregister erwirkt hätten, obschon sie in der Schweiz verblieben seien und die Steuerpflicht weiterhin bestanden habe. Dadurch sei eine Besteuerung des Einkommens und des Vermögens zu Unrecht unterblieben.

Der hinreichende Tatverdacht ist damit im vorliegenden Entsiegelungsverfahren zu bejahen.

5.

5.1 Es ist weiter zu prüfen, ob anzunehmen ist, dass sich unter den zu durchsuchenden Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Deliktskonnex; Art. 50 Abs. 1 VStrR ). Die Untersuchungsbehörden müssen hierbei jedoch im Rahmen des Entsiegelungsgesuchs noch nicht darlegen, inwiefern ein konkreter Sachzusammenhang zwischen den Ermittlungen und einzelnen noch versiegelten Dokumenten besteht. Es genügt, wenn sie aufzeigen, inwiefern die versiegelten Unterlagen grundsätzlich verfahrenserheblich sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1B_322/2013 vom 20. Dezember 2013 E. 3.1 m.w.H.). Betroffene Inhaber von Aufzeichnungen und Gegenständen, welche die Versiegelung beantragen bzw. Durchsuchungshindernisse geltend machen, haben ihrerseits die prozessuale Obliegenheit, jene Gegenstände zu benennen, die ihrer Ansicht nach offensichtlich keinen Sachzusammenhang mit der Strafuntersuchung aufweisen. Dies gilt besonders, wenn sie die Versiegelung von sehr umfangreichen bzw. komplexen Dokumenten oder Dateien verlangt haben (Urteil des Bundesgerichts 1B_637/2012 vom 8. Mai 2013 E. 3.8.1 in fine, nicht publiziert in BGE 139 IV 246).

5.2 Die Gesuchsgegnerin bestreitet den sachlichen Konnex zwischen der Strafuntersuchung mit den folgenden sichergestellten Asservaten:

Dokumente A002-005, A022 und A044 (Archiv)

Gemäss Durchsuchungsprotokoll der Gesuchstellerin vom 5. März 2019 handelt es sich hierbei um vier Ordner «J. AG, Kreditoren [...]» für die Jahre 2012 und 2013 (A002-005), um einen Ordner «Diverse Steuerverwaltung Solothurn, Revisionen J. AG, K. AG, B. AG 2012-2015» (A022) und einen Ordner «J. AG, Kreditoren 2013» (A044) (act. 1.3).

Bei diesen Dokumenten handelt es sich um Buchhaltungsunterlagen der J. AG, der K. AG und der B. AG. Letztere steht im Verdacht, durch Nichtversteuerung von geldwerten Leistungen bzw. durch Verbuchung von fiktivem Aufwand ihre Gewinne verkürzt und so in erheblichem Umfang Gewinnsteuern hinterzogen zu haben. Vor diesem Hintergrund sind die geschäftlichen Unterlagen der B. AG von zentraler Bedeutung. Gleiches gilt für die Buchhaltungsunterlagen der J. AG und der K. AG, da diese gemäss Durchsuchungsprotokoll genau die Liegenschaften betreffen, an denen die B. AG und die A. Immobilien AG der I. GmbH je ein unentgeltliches Vorkaufsrecht eingeräumt und so mutmasslich geldwerte Leistungen nicht versteuert haben. Diese Dokumente sind somit für die Untersuchung offensichtlich von Bedeutung. Dass die J. AG und die K. AG selber nicht Beschuldigte im Verfahren sind, spielt entgegen der Ansicht der Gesuchsgegnerin für die Beurteilung der Relevanz der sichergestellten Unterlagen keine Rolle.

Dokumente A063-64, A071 und A074 (Büro C.)

Dem Durchsuchungsprotokoll vom 5. März 2019 ist zu entnehmen, dass es sich hierbei um Geschäfts- und Buchhaltungsunterlagen, die im Büro von C. sichergestellt worden sind, handelt. C., der Alleinaktionär der Gesuchsgegnerin ist, wird unter anderem verdächtigt, als Geschäftsführer der B. AG und der A. Immobilien AG für das Jahr 2013 den zuständigen Steuerbehörden unvollständige bzw. unwahre Jahresrechnungen eingereicht bzw. erstellt und so den Steuerbehörden gegenüber zu tiefe Gewinne der Gesellschaften deklariert zu haben. Zudem besteht der Verdacht, C. und D. hätten zu Unrecht die Streichung aus dem Steuerregister erwirkt und so Steuern hinterzogen. Die Dokumente, die nach Ansicht der Gesuchsgegnerin keinen sachlichen Zusammenhang zur Untersuchung aufweisen sollen, werden im Durchsuchungsprotokoll wie folgt bezeichnet: «L. - M. SA, Korrespondenz im Streitfall M. SA (C.) vs. L. über CHF 7'970'780.30» (A063), «Originale Verträge, Darlehensverträge zwischen M. SA und L.» (A064), «Steuern Privatanteile '2011-2019': N. AG, Kontodetails Reise- und Repräsentationsspesen aus Finanzierungsunterlagen C. zu Sacheinlagen und Quasifusion» (A071) und «O. AG: Vertrag über den Verkauf von 1'500'000 Optionen zwischen C. und O. AG vom 14.11.2016» (A074). Diese Unterlagen dürften den Untersuchungsbehörden einerseits Aufschluss zu den Verflechtungen der Gesellschaften von C. und andererseits zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen und gegebenenfalls auch zum steuerrechtlichen Wohnsitz der Eheleute C. und D. geben, weshalb sie für die Untersuchung als relevant einzustufen sind.

Dokumente A075-76, A078-80, A082, A086, A091-98, A101 und A105 (Büro Verwaltung), A124, A133-140 und A146 (Büro P.) sowie A144

Bei den Dokumenten, deren sachlicher Konnex zur Untersuchung von der Gesuchsgegnerin pauschal und ohne nähere Begründung bestritten wird, handelt es sich gemäss Protokollen vom 5. und 15. März 2019 (act. 1.3 und 1.4) um Gesellschaftsunterlagen (Protokolle von Generalversammlungen, Aktienzeichnungen, Statuten, Finanzierungsverträge und Handels- und Betreibungsregisterauszüge), Darlehensverträge sowie um Buchhaltungs- und Steuerunterlagen von verschiedenen Gesellschaften, wie der Gesuchsgegnerin, der M. SA, N. AG, Q. AG, A. Immobilien AG, B. AG, R. und K. AG. Zudem sind die Aktionärsverzeichnisse der K. AG, der B. AG und der Gesuchsgegnerin sichergestellt worden. Die Gesuchstellerin geht davon aus, dass die genannten Gesellschaften mutmasslich zum Vermögensbereich von C. gehören. Die sichergestellten Unterlagen dürften nicht zuletzt zur Ermittlung der gesellschaftlichen Verflechtungen rund um C. und daher für die Strafuntersuchung von Relevanz sein.

Elektronische Daten (A200-201)

Hierbei handelt es sich gemäss Ausführungen der Parteien zunächst um die gespiegelte Festplatte des allgemeinen Laufwerks der Gesuchstellerin und des persönlichen Laufwerks des bei der Gesuchstellerin angestellten verantwortlichen Buchhalters P. sowie um eine forensische Kopie einer externen Festplatte von P. Die Gesuchstellerin führt aus, dass auf den Datenträgern unter anderem die Buchhaltungen der A.-Group-Gesellschaften für die Jahre 2012-2017, die E-Mails von P. sowie eine Backup-Datei von P. mit Geschäftsdaten der Gesuchsgegnerin gesichert worden seien. Dass die Buchhaltungs- und Geschäftsunterlagen der Gesuchsgegnerin und der A.-Group-Gesellschaften mit Blick auf den oben geschilderten Untersuchungsgegenstand grundsätzlich verfahrenserheblich sein könnten, ist offensichtlich. Soweit die Gesuchsgegnerin einwendet, dass zahlreiche Daten sichergestellt worden seien, die nichts mit der Strafuntersuchung zu tun hätten, ist sie darauf hinzuweisen, dass n ach erfolgter Durchsuchung die Gesuchstellerin mittels anfechtbarer Verfügung zu entscheiden haben wird, welche Unterlagen sie als beweisrelevant erachtet und zu den Akten nehmen will. Unterlagen, die keinen Zusammenhang mit der Strafuntersuchung aufweisen, hat sie nach erfolgter Durchsuchung umgehend der Gesuchsgegnerin auszuhändigen (vgl. TPF 2006 307 E. 1.2/2.1).

5.3 Zusammengefasst erweist sich die Rüge der Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips als unbegründet.

6. Gemäss Art. 50 Abs. 2 VStrR sind schliesslich bei der Durchsuchung das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren. Das Vorliegen derartiger Geheimnisse können bei den sichergestellten Dokumenten und Datenträgern nicht ausgemacht werden und wurde von der Gesuchsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

7. Nach dem Gesagten ist das Entsiegelungsgesuch gutzuheissen, und es ist die Gesuchstellerin zu ermächtigen, die versiegelten Dokumente und Datenträger zu entsiegeln und zu durchsuchen.

8. Die Gerichtskosten sind bei diesem Ausgang des Verfahrens der Gesuchsgegnerin aufzuerlegen (vgl. Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 66 Abs. 1 BGG analog; TPF 2011 25 E. 3). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.-- festzusetzen (Art. 5 und 8 Abs. 1 BStKR ).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Gesuch um Entsiegelung wird gutgeheissen.

2. Die Gesuchstellerin wird ermächtigt, die sichergestellten Gegenstände zu entsiegeln und zu durchsuchen.

3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Gesuchsgegnerin auferlegt.

Bellinzona, 17. September 2019

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Vizepräsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Eidgenössische Steuerverwaltung

- Advokaten Hubertus Ludwig und Pascal Straub

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG ).

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