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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BB.2019.236 vom 12.11.2019

Hier finden Sie das Urteil BB.2019.236 vom 12.11.2019 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BB.2019.236

Der Bundesstrafgericht hat einen Beschluss vom 12. November 2019 erlassen, in dem er die Beschwerde des Antragstellers gegen den Verfahrensentscheid der Staatsanwaltschaft (BA) abwies. Der Beschluss wurde aufgrund von Rechtsverletzungen und Missbrauchs des Ermessens gerichtet. Der Antragsteller hat vor dem Bundesstrafgericht eine Beschwerde gegen die Entscheidung der BA eingebracht, die ihn zu einer Strafverfolgungsmassnahme verurteilt hat. Die Beschwerdekammer hat jedoch festgestellt, dass der Antragsteller seine Beweisanträge ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht hätte einbringen können und einbringen kann. Der Bundesstrafgericht hat den Antragsteller jedoch abgewiesen, da die BA nicht in der Lage war, eine angemessene Fristverlängerung für die Stellung von Beweisanträgen zu gewähren. Der Beschwerdeführer hatte bereits einen Antrag auf Fristerstreckung gestellt und die BA lehnte ihn ab. Der Bundesstrafgericht hat auch festgestellt, dass der Beschwerde ein rechtlich geschütztes Interesse abwesend ist, da der Antragsteller keine Gelegenheit zur Stellung von Beweisanträgen hatte. Der Beschwerdeführer muss die Gerichtskosten tragen. Der Beschluss des Bundesstrafgerichts ist rechtsmittelbelehrungspflichtig und kann nicht ordentliches Rechtsmittel gegeben werden.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BB.2019.236

Datum:

12.11.2019

Leitsatz/Stichwort:

Verfahrenshandlung der Bundesanwaltschaft (Art. 20 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO). Rechtsverweigerung (Art. 393 Abs. 2 lit. a StPO).

Schlagwörter

Kammer; Beweisanträge; Recht; Frist; Anklage; Verfahren; Gericht; Verfahrens; Bundesstrafgericht; Beschwerdekammer; Beweisanträgen; Stellung; Verfügung; Gericht; Bundesstrafgerichts; Rechtsanwalt; Roger; Bundesanwaltschaft; Verfahren; Apos;; Tribunal; Verfahrenshandlung; Verteidiger; Schlusseinvernahme; Anklageerhebung; Gesuch; Anklageschrift; ührt

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 104 StPO ;Art. 107 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 31 StPO ;Art. 318 StPO ;Art. 328 StPO ;Art. 329 StPO ;Art. 331 StPO ;Art. 356 StPO ;Art. 38 StPO ;Art. 390 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 394 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 7 BGG ;Art. 80 StPO ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2019.236

Beschluss vom 12. November 2019
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Giorgio Bomio-Giovanascini, Vorsitz,

Roy Garré und Cornelia Cova ,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

A , vertreten durch Rechtsanwalt Roger Lerf,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Verfahrenshandlung der Bundesanwaltschaft
(Art. 20 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO );

Rechtsverweigerung (Art. 393 Abs. 2 lit. a StPO )


Sachverhalt:

A. Die Bundesanwaltschaft (nachfolgend "BA") führte gegen A. ein Strafverfahren wegen aktiver Bestechung Schweizer Amtsträger (Art. 322 ter StGB; Verfahren SV.14.0100). Sie erliess am 16. Mai 2019 einen Strafbefehl gegen A. Sein damaliger Verteidiger erhob dagegen am 17. Mai 2019 Einsprache. Daraufhin führte die BA am 27. Juni 2019 die Schlusseinvernahme von A. durch (act. 1.1).

B. Am 14. und 16. August 2019 nahm die BA Schlusseinvernahmen von weiteren Personen vor. Am 15. August 2019 legitimierte sich Rechtsanwalt Roger Lerf als neuer Verteidiger von A. und ersuchte die BA um Einsicht in die Verfahrensakten während dreier Tage. Am 27. August 2019 kündigte die BA die bevorstehende Anklageerhebung an. Sie setzte den Parteien eine nicht erstreckbare Frist bis 13. September 2019, um Beweisanträge zu stellen (act. 1.3, 1.4).

C. A. gelangte am 12. September 2019 an die BA und beantragte, ihm sei die Frist zur Stellung von Beweisanträgen bis 4. Oktober 2019 zu erstrecken. Die BA wies darauf hin, dass seine Schlusseinvernahme bereits am 27. Juni 2019 erfolgt sei. Er sei zu allfälligen Beweisergänzungen befragt worden und habe sich nicht geäussert. Auch sein damaliger Verteidiger habe auf Ergänzungen verzichtet. Die BA erhebe Ende September 2019 Anklage und erstrecke A. daher die Frist zur Stellung von Beweisanträgen letztmals bis 23. September 2019 (act. 1.5 Schreiben der BA vom 13. September 2019).

D. Am 20. September 2019 beantragte A, die Frist sei ihm bis Ende Oktober 2019 zu verlängern. Die BA lehnte dies am 24. September 2019 ab. A. verlangte daraufhin mit Gesuch vom 30. September 2019 einen rechtsmittelfähigen Entscheid (Eingang BA: 1. Oktober 2019). Die BA hatte am 30. September Anklage vor der Strafkammer des Bundesstrafgerichts erhoben. Sie leitete dieses Schreiben der Strafkammer weiter. Die Strafkammer antwortete am 3. Oktober 2019, die BA habe zum Schreiben Stellung zu nehmen. Die BA erliess am 7. Oktober 2019 eine Verfügung, mit welcher sie das Gesuch um Erstreckung der Frist bis Ende Oktober 2019 zur Stellung von Beweisanträgen abwies: A. sei es möglich gewesen, innert der ursprünglich angesetzten Frist Beweisergänzungen zu beantragen. Die Anklage sei seit 30. September 2019 beim Bundesstrafgericht (Strafkammer) rechtshängig. Beweisanträge könnten auch noch im Rahmen der gerichtlichen Hauptverhandlung gestellt werden (act. 1.1).

E. Am 18. Oktober 2019 wandte sich A. gegen die Verfügung der BA vom 7.Oktober 2019 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Er beantragt (act. 1 S. 2):

Die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, die Anklageschrift im Rahmen des Abschlusses der Untersuchung nach Art. 318 StPO vom 30. September 2019 zurückzunehmen und das Gesuch des Beschwerdeführers vom 20. September 2019 um Fristerstreckung zur Stellung allfälliger Beweisanträge gutzuheissen.

Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt (vgl. Art. 390 Abs. 2 StPO im Umkehrschluss).

Auf die Ausführungen der Partei und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Der Beschwerdeführer bringt vor, am 15. August 2019 neu Rechtsanwalt Roger Lerf mandatiert zu haben, was sein Recht sei. Der Umfang der Akten sowie die notwendige Instruktion durch den Klienten geböten diejenige Fristverlängerung zu gewähren, welche eine seriöse und gewissenhafte Verteidigung zur Prüfung benötige. Ihm sei das Stellen von Beweisanträgen verunmöglicht worden. Es sei unverständlich, dass die BA keinen zusätzlichen Monat vor der Anklageerhebung habe warten können. Die BA verschleppe den Fall seit Jahren (act. 1 S. 2 f.).

2.

2.1 Die Beschwerdeinstanz beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft (Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes; Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG, SR 173.71). Nicht zulässig ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Beweisanträgen durch die Staatsanwaltschaft, wenn der Antrag ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden kann (Art. 394 lit. b StPO).

Die Beschwerde ist innert einer Frist von 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdekammer einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Mit ihr können Rechtsverletzungen gerügt werden, einschliesslich Überschreitung und Missbrauchs des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtverzögerung (Art. 393 Abs. 2 lit. a StPO ), sowie die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 393 Abs. 2 lit. b StPO ) und die Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 lit. c StPO).

Zur Beschwerdeführung berechtigt ist die Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat (Art. 382 Abs. 1 i.V.m. Art. 104 und 105 Abs. 2 StPO).

2.2 Vorab kann insoweit nicht auf die Beschwerde eingetreten werden, als sie verlangt, die Vorinstanz habe die Anklageschrift zurückzunehmen. Zum einen ist die Beschwerdekammer funktionell nicht zuständig, über neue Verfahrensthemata erstinstanzlich zu befinden. Eine Rücknahme der Anklageschrift war kein Verfahrensthema der angefochtenen Verfügung. Der Beschwerdeführer bringt auch nicht vor, dies bei der BA verlangt zu haben. Zum anderen, und dies ist hier zentral, obliegt es ohnehin nicht der Beschwerdekammer, sondern der Strafkammer als dem erstinstanzlichen Strafgericht, über die Zulässigkeit der Anklage zu befinden (Art. 329 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 356 Abs. 1 und 2 StPO ).

2.3 Damit verbleibt als Verfahrensgegenstand vorliegend ausschliesslich, ob die BA dem Beschwerdeführer in genügender Weise das Recht gewährt habe, Beweisanträge zu stellen. Dabei ist weder die Mitteilung über den Verfahrensabschluss noch die Ablehnung von Beweisanträgen anfechtbar (Art. 318 Abs. 3 StPO ). Das Gesetz unterscheidet freilich zwischen der Mitteilung über den Verfahrensabschluss und der gleichzeitigen Fristansetzung für Beweisanträge (Art. 318 Abs. 1 StPO). Bei der Fristansetzung geht es um die Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 107 Abs. 1 lit. e StPO ; Art. 29 Abs. 2 BV). Art. 318 Abs. 2 StPO spricht auch davon - was die Beschwerde in der Regel ausschliesst (Art. 394 lit. b StPO ) - dass abgelehnte Beweisanträge im Hauptverfahren erneut gestellt werden können. Die BA lehnte vorliegend im Vorverfahren (vor Einreichung der Anklage) keine Beweisanträge (ausdrücklich) in einer strafprozessualen Form (vgl. Art. 80 Abs. 2 und 3 StPO) ab. Eine Beschwerde gegen Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft ist zulässig, wo das Gesetz sie nicht ausschliesst oder andere Rechtsmittel vorsieht (Art. 393 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 394 lit. a StPO ; Art. 380 StPO). Gäbe es in der vorliegenden Konstellation eine Rechts schutzlücke, so wäre wohl auf die Beschwerde einzutreten.

2.4 Der Beschwerdeführer liess sich innert erstreckter Frist vor der BA nicht in der Sache (Stellen von Beweisanträgen) vernehmen und beantragte eine anfechtbare Verfügung zur verweigerten Fristerstreckung. Die Anklage war zwischenzeitlich beim erstinstanzlichen Strafgericht (Strafkammer des Bundesstrafgerichts) hängig geworden und die BA leitete den Antrag der Strafkammer weiter. Die Strafkammer wies die BA an, dazu Stellung zu nehmen, ungeachtet der inzwischen eingetretenen Rechtshängigkeit des Falles beim Gericht (vgl. Art. 328 Abs. 1 und 2 StPO). Die BA erliess in der Folge eine Verfügung.

Vorliegend kann die Gültigkeit der Verfügung der BA vom 7. Oktober 2019 offenbleiben, da der Beschwerdeführer kein rechtlich geschütztes Interesse an der Beurteilung seiner Beschwerde hat. Der Beschwerdeführer kann nicht ernsthaft geltend machen, er habe vor der BA überhaupt keine oder kaum Gelegenheit zur Stellung von Beweisanträgen gehabt oder er sei von einer abrupten Anklageerhebung überrascht worden, die ihn um sein Recht gebracht hätte. Er hatte durch seinen früheren Anwalt vom 27. Juni bis 14. August 2019 und durch seinen aktuellen Anwalt vom 28. August bis 23. September 2019 Gelegenheit, Beweisanträge zu stellen. Entscheidend ist jedoch, dass der Beschwerdeführer seinen Beweisantrag ohne Rechtsnachteil (vgl. Art. 394 lit. b StPO ) vor dem erstinstanzlichen Strafgericht (Strafkammer des Bundesstrafgerichts) hätte einbringen können und einbringen kann:

Die Strafkammer prüft nach Eingang der Anklage namentlich, ob die Akten ordnungsgemäss erstellt sind (vgl. Art. 329 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 328 Abs. 1 und 2 StPO). Dies umfasst wohl auch, ob der Beschuldigte überhaupt Gelegenheit hatte, Beweisanträge zu stellen (vgl. Griesser, Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 329 N. 6-8; Muschietti , Dell'esame dell'accusa, in Garré/Filippini/Gregori Al-Barafi [Hrsg.], Giurisdizione penale federale, 2016, S. 79 ff., 104 f.). Jedenfalls setzt die Strafkammer dem Beschwerdeführer Frist, um Beweisanträge zu stellen und zu begründen (vgl. Art. 331 Abs. 2 StPO ). Wird sein Antrag von der Strafkammer nicht abgewiesen (vgl. Art. 331 Abs. 3 StPO), könnte sie die BA das Verfahren ergänzen lassen (vgl. Art. 329 Abs. 2 StPO) oder Beweise selbst erheben (vgl. Art. 332 Abs. 3 , 343 , 349 StPO).

Eine Rechtsschutzlücke ist hierbei offensichtlich nicht auszumachen. Damit geht der Beschwerde ein rechtlich geschütztes Interesse ab. Dem Beschwerdeführer fehlt die Beschwerdelegitimation. Auf seine Beschwerde ist folglich nicht einzutreten.

3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (vgl. Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'500.-- festzusetzen (vgl. Art. 73 StBOG i.V.m. Art. 5 und 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 13. November 2019

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- Rechtsanwalt Roger Lerf

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben (vgl. Art. 79 BGG ).

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