Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Fallnummer: | SK.2017.9 |
Datum: | 16.06.2017 |
Leitsatz/Stichwort: | Fahrlässige Widerhandlung gegen das Güterkontrollgesetz. |
Schlagwörter | Beschuldigte; Güter; Bundes; Verwaltungsrat; Geschäft; Recht; Verwaltungsrats; Beschuldigten; Bewilligung; Bundesanwaltschaft; Recht; Apos;; Verwaltungsratspräsident; VStrR; Urteil; Dual-Use-Güter; Person; Bewilligungspflicht; Export; Widerhandlung; Schweiz; Befehl; Güterkontrollgesetz; Busse; Verfahrens; Gesellschaft |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 10 StGB ;Art. 100 BGG ;Art. 12 StGB ;Art. 2 StGB ;Art. 23 StPO ;Art. 33 StGB ;Art. 33 StPO ;Art. 333 StGB ;Art. 34 StGB ;Art. 353 StPO ;Art. 354 StPO ;Art. 356 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 42 StPO ;Art. 422 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 44 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 717 OR ;Art. 82 StPO ;Art. 9 BGG ;Art. 95 BGG ;Art. 97 BGG ; |
Referenz BGE: | 113 II 52; 113 IV 68; 122 III 195; 122 IV 103; 124 IV 286; 130 IV 7; 134 IV 60; 135 IV 188; 136 IV 1; 136 IV 55; 142 IV 315; ; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: SK.2017.9 |
Urteil vom 16. Juni 2017 | |||||
Besetzung | Bundesstrafrichter Martin Stupf, Einzelrichter Gerichtsschreiberin Anne Kathrin Herzog | ||||
Parteien |
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Gegenstand |
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Anträge der Bundesanwaltschaft:
Gestützt auf Art. 337 StPO wird dem Gericht beantragt, der Beschuldigte A. sei gemäss Strafbefehl der Bundesanwaltschaft vom 3. November 2016 (Verfahrensnummer: SV.16.0932) zu verurteilen und zu bestrafen. Dem Dispositiv des genannten Strafbefehls können folgende Anträge entnommen werden:
1. A. sei wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen das Güterkontrollgesetz (Art. 14 Abs. 1 Bst. a und Abs. 3, 16 GKG ; Art. 3 Abs. 1 GKV ; Art. 6 Abs. 2 und 3 VStrR ) schuldig zu sprechen.
2. A. sei mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen à CHF 200.00, entsprechend CHF 2000.00, zu bestrafen. Der Vollzug sei aufzuschieben, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
3. A. sei zusätzlich mit einer Busse von CHF 200.00 zu bestrafen; bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 2 Tagen.
4. Die Kosten des Verfahrens von CHF 1'000.00 (CHF 920.00 Gebühren und 80.00 Auslagen) seien A. anteilsmässig, ausmachend CHF 500.00, aufzuerlegen (Art. 426 Abs. 1 StPO ).
5. Nachdem der Strafbefehl rechtskräftig geworden sei, sei der Kanton Zürich für den Strafvollzug zuständig (Art. 74 StBOG ).
Anträge der Verteidigung:
1. Der Beschuldigte sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
2. Die hiermit eingereichte Kostennote des erbetenen Verteidigers sei in vollem Umfang zu genehmigen.
3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse.
Prozessgeschichte
A. Am 19. Februar 2016 importierte die (damals) in Z./SZ domizilierte B. AG 17 integrierte Schaltungen aus den Vereinigten Staaten von Amerika in die Schweiz. A. war zum damaligen Zeitpunkt Verwaltungsratspräsident der Gesellschaft. Die für die B. AG tätige C. exportierte diese Güter am 24. Februar 2016 nach Litauen ohne vorgängig eine Ausfuhrbewilligung beim Staatssekretariat für Wirtschaft (nachfolgend: SECO) eingeholt zu haben. Am 21. Juni 2016 erstattete das SECO Anzeige bei der Bundesanwaltschaft gegen die Firma B. AG wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter, besonderer militärischer Güter sowie strategischer Güter vom 13. Dezember 1996 (Güterkontrollgesetz, GKG; SR 946.202).
B. Am 3. November 2016 erliess die Bundesanwaltschaft gegen C. einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen das Güterkontrollgesetz gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 GKG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung über die Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter vom 25. Juni 1997 (Güterkontrollverordnung, GKV; SR 946.202.1 [Stand 1. Januar 2015; aufgehoben seit 1. Juli 2016]) und verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen à CHF 30.00, bedingt erlassen auf eine Probezeit von 2 Jahren, und zu einer Busse von CHF 200.00 (BA pag. 03-00-7 f.). Der Strafbefehl ist in Rechtskraft erwachsen (BA pag. 03-00-8).
C. Am 3. November 2016 verurteilte die Bundesanwaltschaft auch A. mit Strafbefehl wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen das Güterkontrollgesetz gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 GKG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GKV sowie Art. 6 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 ( VStrR ; SR 313.0) und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen à CHF 200.00, bedingt erlassen auf eine Probezeit von 2 Jahren, und zu einer Busse von CHF 200.00 (BA pag. 03-00-1 ff.). Dagegen erhob der Beschuldigte am 9. Dezember 2016 Einsprache (BA pag. 03-00-12).
D. Hierauf befragte die Bundesanwaltschaft am 20. Februar 2017 A. als beschuldigte Person (BA pag. 13-01-11 ff.). In der Folge hielt sie am Strafbefehl fest (Art. 355 Abs. 3 lit. a der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 [Strafprozessordnung, StPO ; SR 312.0]) und überwies diesen am 20. März 2017 dem hiesigen Gericht als Anklageschrift zwecks Durchführung eines Hauptverfahrens (Art. 356 Abs. 1 StPO ), unter Verzicht auf eine Teilnahme an der Hauptverhandlung (TPF pag. 2-100-1 f.).
E. Im Rahmen der Prozessvorbereitung holte der Einzelrichter des Bundesstrafgerichts die erforderlichen Beweismittel zu den persönlichen Verhältnissen von A. (Auszug aus dem schweizerischen Strafregister [TPF pag. 2-221-2], Betreibungsregisterauszug [TPF pag. 2-261-3], Steuerunterlagen bzw. die Veranlagungsverfügung 2014 und 2015 [TPF pag. 2-261-5;...-19]) ein. Zudem erfolgte ein Aktenbeizug beim SECO (TPF pag. 2-291-1 ff.).
F. Mit Schreiben vom 24. März 2017 wurden die Parteien eingeladen, Beweisanträge zu stellen und zu begründen (TPF pag. 2-300-1). Die Bundesanwaltschaft stellte keine Beweisanträge. Jene vom Beschuldigten A. wurden mit Verfügung vom 3. Mai 2017 teilweise gutgeheissen (TPF pag. 2-280-1). Auf Ersuchen des Gerichts reichte A. Mandats- und Arbeitsverträge im Zusammenhang mit den Firmen B. AG, D. Ltd., E. AG sowie F. ein (TPF pag, 2-521-7 ff.). Der Antrag der Verteidigung um Einvernahme von C. als Zeugin wurde mit Verfügung vom 8. Juni 2017 abgewiesen (TPF pag. 2-280-3 f.).
G. Am 16. Juni 2017 fand die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit der Bundesanwaltschaft am Sitz des Bundesstrafgerichts statt (TPF pag. 2-920-1 ff.). Der Einzelrichter eröffnete gleichentags das Urteil in öffentlicher Sitzung und begründete es mündlich. Rechtsanwalt Olaf Kiener wurde das Urteilsdispositiv ausgehändigt; der nicht anwesenden Bundesanwaltschaft wurde es zugestellt.
H. Mit Schreiben vom 21. Juni 2017 verlangte die Bundesanwaltschaft gestützt auf Art. 82 Abs. 2 lit. a StPO fristgerecht eine schriftliche Begründung des Urteils (TPF pag. 2-510-2 f.).
Der Einzelrichter erwägt:
1. Prozessuales
1.1 Zuständigkeit
Das Gericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen. Die Anklage lautet auf fahrlässige Widerhandlung gegen Art. 14 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 GKG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GKV und Art. 6 Abs. 2 und 3 VStrR . Gemäss Art. 18 Abs. 1 GKG unterstehen unter anderem die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen nach Art. 14 GKG der Bundesstrafgerichtsbarkeit. Die sachliche Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts ist somit gegeben (Art. 18 Abs. 1 GKG i.V.m. Art. 23 Abs. 2 StPO ).
1.2 Anwendbares Recht
Der Beschuldigte soll die ihm zur Last gelegte Tat am 24. Februar 2016 begangen haben. Am 3. Juni 2016 trat die revidierte Güterkontrollverordnung in Kraft, welche die Verordnung vom 25. Juni 1997 ablöste. Der hier anwendbare Art. 3 Abs. 1 GKV ist hinsichtlich der Bewilligungspflicht für Güter des vorliegend interessierenden Anhangs 2 (Liste der Güter mit doppeltem Verwendungszweck) inhaltlich gleich geblieben. Unter Berücksichtigung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots gilt das zum Tatzeitpunkt in Kraft gewesene Recht (Art. 2 Abs. 1 StGB ), es sei denn, das neue Recht ist für den Täter das mildere (Art. 2 Abs. 2 StGB). Letzteres trifft in concreto nicht zu. Es ist somit die GKV sowie der entsprechende Anhang 2 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden.
1.3 Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache
Das Gericht entscheidet gemäss Art. 356 Abs. 2 StPO vorfrageweise über die Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache. Der Strafbefehl vom 3. November 2017 beinhaltet die in Art. 353 Abs. 1 StPO aufgelisteten Kriterien. Die geforderte Geldstrafe sowie Busse liegen innerhalb des zulässigen Sanktionsrahmens (Art. 352 Abs. 1 lit. a und b StPO ). Der überwiesene Strafbefehl ist somit gültig und gilt nach Art. 356 Abs. 1 StPO als Anklageschrift.
Der Strafbefehl wurde am 22. November 2016 versandt, jedoch zunächst fehlgeleitet. Am 25. November 2016 wurde er erneut verschickt und am 30. November 2016 zugestellt (BA pag. 03-00-5). Die 10-tägige Einsprachefrist endete damit grundsätzlich am 10. Dezember 2016 bzw. am darauffolgenden Montag, den 12. Dezember 2016. Die am 9. Dezember 2016 erhobene Einsprache - eingegangen am 12. Dezember 2016 - erfolgte somit form- und fristgerecht (Art. 354 Abs. 1 und 2 StPO ).
1.4 Legalitätsprinzip
1.4.1 Die Verteidigung rügte anlässlich ihres Plädoyers eine Verletzung des Legalitätsprinzips. Sinngemäss führte sie aus, das SECO würde die Güter von Anhang 2 Teil 2 der GKV auflisten, wobei dafür gar keine gesetzliche Kompetenz bestehe. Diese Befugnis stehe nur dem Gesetzgeber zu. Damit werde das Delegationsverbot verletzt. Bei schweren Grundrechtseingriffen müssten die Grundzüge im Gesetz geregelt sein, was in Bezug auf den vorliegend interessierenden Anhang 2 der GKV mit seinen 234 eng beschriebenen Seiten nicht mehr zutreffe. Nichts mache die mangelnde Beständigkeit so deutlich wie die Tatsache, dass der vorliegend einschlägige Anhang 2" in der GKV nicht einmal enthalten sei (TPF pag. 2-925-3 ff.).
1.4.2 Gemäss Art. 1 StGB darf eine Strafe oder Massnahme nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt". Strafbares Verhalten muss wegen seiner Grundrechtsrelevanz von Strafen grundsätzlich in einem formellen Gesetz definiert sein ( Popp Peter/Berkemeier Anne , in: Niggli/ Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 1 StGB N. 28). Ohne Delegationsnorm zulässig sind jedoch auch im Strafrecht blosse Ausführungsbestimmungen in Verordnungen, welche die Voraussetzungen einer bestimmten Rechtsfolge detaillierter ausführen, als es der abstraktere Gesetzestext tut (vgl. Popp/Berkemeier , a.a.O., Art. 1 StGB N. 29; BGE 124 IV 286 E. 1 f. S. 292). Beim GKG handelt es sich um ein Gesetz im formellen Sinn. Im Ingress der GKV sowie Art. 22 Abs. 1 GKG ist zu entnehmen, dass der Bundesrat unter anderem gestützt auf das GKG die GKV erlassen hat. Dementsprechend handelt es sich beim GKG um ein Ermächtigungsgesetz ( Weber Karl in: Cottier/ Oesch [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XI, Allgemeines Aussenwirtschafts- und Binnenmarktrecht, 2. Aufl., Basel 2007, § 3 N 15). Die GKV basiert somit auf einem Gesetz im formellen Sinn. Die GKV enthält seit dem 1. März 2002 fünf Anhänge und bestimmt in den Verordnungsanhängen mit hinreichender Klarheit die Güter, welche den Kontrollmassnahmen unterstellt sind ( Weber , a.a.O., § 14 N. 79). Dass die Güterlisten in den Anhängen (zum Teil) detailliert ausgefallen und nicht nur für Gewerbetreibende sowie Gesellschaftsorgane, sondern auch für juristisch Geschulte bisweilen nicht leicht verständlich sind, liegt in der Natur der Sache: Es können nicht sämtliche güterkontrollrechtlich relevanten Gegenstände des Wirtschaftslebens in einer Verordnung - geschweige denn in einem Gesetz im formellen Sinn - aufgeführt werden. Von Bedeutung ist, dass in den Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 und 2 GKV explizit auf die Anhänge verwiesen wird und am Schluss der Verordnung zu den Anhängen 1-3 zur GKV folgender Hinweis steht: Der Text der Anhänge 1-3 wird nicht in der AS publiziert ( AS 2017 2629 ). Er kann unter www.seco.admin.ch Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit Exportkontrollen und Sanktionen Industrieprodukte und besondere militärische Güter Rechtliche Grundlagen und Güterlisten eingesehen werden."
1.4.3 Im Ergebnis handelt es sich bei Art. 14 Abs. 1 lit. a GKG um eine Strafnorm, welche durch Art. 3 Abs. 1 GKV i.V.m. Anhang 2 der GKV genügend konkretisiert wird. Eine Verletzung des Legalitätsprinzips ist nicht zu erkennen, weshalb der Einwand der Verteidigung unbegründet ist.
2. Anklagevorwurf
Am 19. Februar 2016 importierte die B. AG 17 integrierte Schaltungen - bewilligungspflichtige Güter gemäss Exportkontrollnummer (EKN) 3A001a.5.a.3 - aus den USA in die Schweiz. C., Mitarbeiterin der B. AG, versandte diese Güter am 24. Februar 2016 an die Transportfirma G. in Vilnius (Litauen), ohne die für den Export notwendigen Ausfuhrbewilligungen beim SECO eingeholt zu haben. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Beschuldigten A. in diesem Zusammenhang vor, er habe es als damaliger Verwaltungsratspräsident der B. AG in Verletzung einer Rechtspflicht fahrlässig unterlassen, die Widerhandlung der Mitarbeiterin C. gegen das Güterkontrollgesetz durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen (Schulungen, Instruktionen, Kontrollmechanismen, Prozessabläufe etc.) abzuwenden (TPF pag. 2-100-3 ff.).
3. Feststellungen zum äusseren Sachverhalt