Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Fallnummer: | SK.2017.24 |
Datum: | 14.09.2017 |
Leitsatz/Stichwort: | Fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs. Fahrlässige Gefährdung durch die Luftfahrt. |
Schlagwörter | Beschuldigte; Bundes; Pilot; Luftfahrzeug; Beschuldigten; Verkehr; Helikopter; Piloten; HB-ZLG; Luftfahrzeuge; HB-ZMU; Bundesanwaltschaft; Verkehrs; Kollision; Verfahren; Gefährdung; Verfahrens; Ausweichmanöver; Erfolg; Sicht; Entschädigung; Urteil; Gericht; Schlussbericht; Verhalten; ührte |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 1 StGB ;Art. 1 VRV ;Art. 100 BGG ;Art. 12 StGB ;Art. 19 StPO ;Art. 23 StGB ;Art. 23 StPO ;Art. 33 StPO ;Art. 356 StPO ;Art. 42 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 82 StPO ;Art. 9 BGG ;Art. 95 BGG ;Art. 97 BGG ; |
Referenz BGE: | 105 IV 41; 106 IV 370; 130 IV 7; 134 IV 255; 135 IV 56; ; |
Kommentar: | Fingerhuth, Trechsel, Praxis, 2. Aufl., Zürich, Art. 237 StGB, 2013 |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: SK.2017.24 |
Urteil vom 14. September 2017 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Martin Stupf, Einzelrichter Gerichtsschreiberin Anne Kathrin Herzog | |
Parteien | Bundesanwaltschaft , vertreten durch Staatsanwalt des Bundes Hansjörg Stadler, | |
gegen | ||
A., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Philipp Perren, | ||
Gegenstand | Fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs, fahrlässige Gefährdung durch die Luftfahrt |
Anträge der Bundesanwaltschaft:
Gestützt auf Art. 337 StPO wird dem Gericht beantragt, der Beschuldigte A. sei gemäss Strafbefehl der Bundesanwaltschaft vom 13. März 2017 zu verurteilen und zu bestrafen. Dem Dispositiv des genannten Strafbefehls können folgende Anträge entnommen werden:
1. A. sei wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2 i.V.m. Ziff. 1 Abs. 1 StGB) und fahrlässiger Gefährdung durch die Luftfahrt (Art. 90 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 LFG) schuldig zu sprechen.
2. A. sei mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 130. , ausmachend Fr. 2'600. , zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
3. A. sei zudem mit einer Busse von Fr. 600. zu bestrafen, bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 5 Tagen.
4. Die Kosten des Verfahrens von insgesamt Fr. 1'000. (Fr. 990. Gebühren und Fr. 20. Auslagen) seien zur Hälfte A.(...), ausmachend Fr. 500. , aufzuerlegen.
5. Nach Rechtskraft des Strafbefehls sei der Kanton Graubünden für den Strafvollzug zuständig zu erklären (Art. 74 StBOG ).
Anträge der Verteidigung:
Das Verfahren gegen A. sei einzustellen,
unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Gunsten des Angeschuldigten.
Prozessgeschichte:
A. Am 1. JuIi 2015, um 14:11 Uhr, kam es am südlichen Talhang des Engadins zu einer Fastkollision (Airprox) zwischen dem vom Piloten B. gesteuerten Helikopter (Funkrufzeichen HB-ZLG; betrieben durch Swiss Helicopter AG) und dem vom Piloten A. (nachfolgend Beschuldigter/ beschuldigter Pilot) geführten Helikopter (Funkrufzeichen HB-ZMU; betrieben durch Heli Bernina AG). Durch ein brüskes Ausweichmanöver der HB-ZMU konnte eine Kollision der Luftfahrzeuge verhindert werden. Nach dem Vorfall führten beide Piloten ihren jeweiligen Flugauftrag fort (vgl. BA pag. 3-01-1 f.; 11-01-8).
B. Der Vorfall wurde durch die Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle (nachfolgend SUST) untersucht. Der entsprechende Schlussbericht wurde am 8. September 2016 erstattet (nachfolgend SUST-Schlussbericht; BA pag. 11-01-10 ff.).
C. Mit Verfügung vom 21. September 2016 eröffnete die Bundesanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt wegen Verdacht der Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 StGB), welche am 8. November 2016 auf den Beschuldigten ausgedehnt wurde (pag. BA 1-01-1 f.).
D. Mit Strafbefehl vom 13. März 2017 verurteilte die Bundesanwaltschaft den Beschuldigten wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs und wegen fahrlässiger Gefährdung durch die Luftfahrt zu einer bedingten Geldstrafe und zu einer Busse (BA pag. 3-01-1 ff.). Der Beschuldigte erhob hierauf am 31. März 2017 fristgerecht Einsprache und beantragte die Einstellung des Verfahrens, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu seinen Gunsten (BA pag. 3-01-8 f.).
E. Die Bundesanwaltschaft hielt am Strafbefehl fest (Art. 355 Abs. 3 lit. a der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 [StPO; SR 312.0]) und überwies diesen am 24. April 2017 dem hiesigen Gericht als Anklageschrift zwecks Durchführung eines ordentlichen Verfahrens (Art. 356 Abs. 1 StPO ). Gleichzeitig gab sie bekannt, auf eine Teilnahme an der Hauptverhandlung zu verzichten (Art. 337 StPO ; TPF pag. 2-100-1 f.).
F. Im Rahmen der Prozessvorbereitung holte das Gericht von Amtes wegen den Straf- und Betreibungsregisterauszug sowie die Steuerunterlagen des Beschuldigten ein. Darüber hinaus erkannte es vom BAZL nebst einem Amtsbericht auch zwei gegen den Beschuldigten ergangene Strafbescheide sowie von der SUST die Untersuchungsakten zu den Akten (TPF pag. 2-222; 2-260-3 ff.; 2-291-1;
2-292-8...15 ff.).
Mit Verfügung vom 8. Juni 2017 hiess das Gericht den Beweisantrag der Verteidigung auf Einvernahme des B. als Zeugen gut; die übrigen Anträge wies es ab (TPF pag. 2-280-1 f.).
G. Am 14. September 2017 fand die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Bundesanwaltschaft und in Anwesenheit des Beschuldigten und seines Verteidigers am Sitz des Bundesstrafgerichts statt. Gleichentags eröffnete der Einzelrichter das Urteil und begründete es mündlich (TPF pag. 2-970-2).
H. Am 18. September 2017 verlangte die Bundesanwaltschaft fristgerecht eine schriftliche Begründung des Urteils (Art. 82 Abs. 2 lit. a StPO ; TPF pag. 2-970-5).
Der Einzelrichter erwägt:
1. Prozessuales
1.1 Zuständigkeit
Gemäss Art. 98 Abs. 1 LFG des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 (Luftfahrtgesetz; LFG, SR 748.0) unterstehen die an Bord eines Luftfahrzeugs begangenen strafbaren Handlungen - unter Vorbehalt des hier nicht anwendbaren Absatzes 2 dieser Bestimmung - der Bundesgerichtsbarkeit. Die zur Beurteilung stehenden Taten sollen an Bord eines Helikopters begangen worden sein, welcher im schweizerischen Luftfahrzeugregister eingetragen ist (pag. 11-01-12) und gemäss Art. 55 LFG als Luftfahrzeug gilt. Die Bundesge-richtsbarkeit ist damit gegeben (Art. 98 Abs. 1 LFG i.V.m. Art. 23 Abs. 2 StPO).