Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Fallnummer: | SK.2016.42 |
Datum: | 12.01.2017 |
Leitsatz/Stichwort: | Fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs. |
Schlagwörter | Beschuldigte; Beschuldigten; Segel; Bundes; Kollision; Motor; Motorflugzeug; Segelflug; Apos;; Segelflugzeug; Sicht; Luftraum; Recht; Gericht; Flugzeug; Verkehr; Anklage; Bericht; Luftfahrzeug; Bundesanwaltschaft; Verfahren; Befehl; Verfahren; Untersuchung; Barkeit; Verteidigung; Pilot; Urteil; Hauptverhandlung |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 10 SVG ;Art. 10 StPO ;Art. 100 BGG ;Art. 106 StGB ;Art. 12 StGB ;Art. 13 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 157 StPO ;Art. 178 StPO ;Art. 19 StPO ;Art. 192 StPO ;Art. 2 StGB ;Art. 2 VRV ;Art. 23 StGB ;Art. 23 StPO ;Art. 237 StGB ;Art. 29 StGB ;Art. 29 StPO ;Art. 299 StPO ;Art. 3 StPO ;Art. 30 StGB ;Art. 30 StPO ;Art. 308 StPO ;Art. 31 SVG ;Art. 318 StPO ;Art. 325 StPO ;Art. 33 StPO ;Art. 34 StGB ;Art. 34 StPO ;Art. 350 StPO ;Art. 353 StPO ;Art. 354 StPO ;Art. 356 StPO ;Art. 389 StGB ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 42 StPO ;Art. 422 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 43 StPO ;Art. 44 StGB |
Referenz BGE: | 105 IV 41; 106 IV 370; 116 Ia 455; 120 IV 348; 126 I 19; 130 IV 7; 132 IV 102; 133 IV 235; 134 IV 17; 134 IV 255; 134 IV 60; 135 IV 56; 136 IV 1; 85 IV 136; ; |
Kommentar: | Ackermann, Basler Kommentar Strafrecht II, Art. 49, 2013 |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: SK.2016.42 |
Urteil vom 12. Januar 2017 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Martin Stupf, Einzelrichter Gerichtsschreiberin Anne Berkemeier | |
Parteien | Bundesanwaltschaft , vertreten durch Staatsanwalt des Bundes Hansjörg Stadler, | |
gegen | ||
1. A., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Thomas Spahni, 2. B., amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Patrick Götze, | ||
Gegenstand | Fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs |
Anträge der Bundesanwaltschaft:
Gestützt auf Art. 337 StPO wird dem Gericht beantragt, die Beschuldigten A. und B. seien gemäss Strafbefehlen der Bundesanwaltschaft vom 23. August 2016 zu verurteilen und zu bestrafen. Den Dispositiven der genannten Strafbefehle können folgende Anträge entnommen werden:
A.
1. A. sei wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2 i.V.m. Ziff. 1 al. 1 StGB ), begangen am xx.xx.2013 um ca. 12:18:52 Uhr in der Nähe von Z., Gemeinde Y., schuldig zu sprechen.
2. A. sei mit einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu CHF 90.00, ausmachend CHF 2'250.00, zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
3. A. sei mit einer Busse von CHF 1'500.00 zu bestrafen; bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 15 Tagen.
4. Die Kosten des Verfahrens von insgesamt CHF 3'753.50 (CHF 1'500.00 Gebühren und CHF 2'253.50 Auslagen) seien A. aufzuerlegen.
5. Nach Rechtskraft des Urteils sei der Kanton Aargau für den Strafvollzug zuständig zu erklären (Art. 74 StBOG ).
B.
1. B. sei wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2 i.V.m. Ziff. 1 al. 1 StGB ), begangen am xx.xx.2013 um ca. 12:18:52 Uhr in der Nähe von Z., Gemeinde Y., schuldig zu sprechen.
2. B. sei mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu CHF 30.00, ausmachend CHF 600.00, zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
3. B. sei mit einer Busse von CHF 1'000.00 zu bestrafen; bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 10 Tagen.
4. Die Kosten des Verfahrens von insgesamt CHF 4'176.00 (CHF 1'500.00 Gebühren und CHF 2'676.00 Auslagen) seien B. aufzuerlegen. Unter Berücksichtigung seiner angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse seien die Verfahrenskosten auf CHF 2'000.00 festzusetzen.
5. Rechtsanwalt Patrick Götze sei für die amtliche Verteidigung von B. (mit Wirkung ab 25.5.2016) mit CHF 1'772.80 (Honorar und Auslagen) zu entschädigen. B. habe für die Entschädigung des amtlichen Verteidigers der Eidgenossenschaft Ersatz zu leisten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO ).
6. Nach Rechtskraft des Urteils sei der Kanton Aargau für den Strafvollzug zuständig zu erklären (Art. 74 StBOG).
Anträge der Verteidigung von A.:
1. Es sei A. vom Vorwurf der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs freizusprechen; eventuell: es sei die Geldstrafe auf 10 Tagessätze zu reduzieren und von einer Busse abzusehen.
2. Es seien die Verfahrenskosten auf die Staatskasse zu nehmen.
3. Es sei A. eine angemessene Entschädigung für seine Auslagen im Verfahren zuzusprechen.
Anträge der Verteidigung von B.:
1. Der Beschuldigte sei von Schuld- und Strafe vollumfänglich freizusprechen.
2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Staatskasse.
Prozessgeschichte
A. Am xx.xx.2013 um 11:55 Uhr startete auf dem Flugfeld X. das Motorflugzeug mit den beiden Piloten A. (nachfolgend: Beschuldigter 1) und C.. Etwa zeitgleich startete der Segelflugpilot B. (nachfolgend: Beschuldigter 2) mit dem Segelflugzeug auf dem Regionalflugplatz W. zu einem Erkundungsflug entlang des Juras bis zum westlichen Ende des Neuenburgersees. Um ca. 12:18 Uhr kam es zu einer Kollision der beiden Luftfahrzeuge, wobei das Segelflugzeug abstürzte und sich der Segelflugpilot mit einem Fallschirm retten konnte.
B. Der Vorfall wurde durch die Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle (nachfolgend: SUST) untersucht. Der entsprechende Schlussbericht wurde am 2. März 2016 erstattet (nachfolgend SUST-Bericht; pag. BA 11-01-0010 ff.).
C. Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach eröffnete am 2. Juli 2013 rückwirkend auf den 6. Juni 2013 eine Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten 1, C. und den Beschuldigten 2 wegen Übertretungen gemäss Luftfahrtgesetz (pag. BA 01-01-0001). Am 3. Juli 2013 leitete die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach die Akten an die Bundesanwaltschaft weiter (pag. BA 02-01-0005), welche die Strafuntersuchung am 4. Juli 2013 auf den Tatbestand der Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 StGB) ausdehnte (pag. BA 01-01-0004).
D. Mit Strafbefehlen vom 23. August 2016 verurteilte die Bundesanwaltschaft den Beschuldigten 1 und den Beschuldigten 2 wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu bedingten Geldstrafen und Bussen (pag. BA 03-01-0001 ff. und 03-02-0001 ff.). Die Strafuntersuchung gegen C. stellte sie am 25. August 2016 ein (pag. BA 03-03-0001 ff.). Die Einstellungsverfügung erwuchs in Rechtskraft; gegen die Strafbefehle erhoben der Beschuldigte 1 und der Beschuldigte 2 innert gesetzlicher Frist Einsprache (pag. BA 03-01-0009 und 03-02-0009).
E. Die Bundesanwaltschaft hielt an den Strafbefehlen fest (Art. 355 Abs. 3 lit. a der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 [StPO; SR 312.0]) und überwies diese am 9. September 2016 dem hiesigen Gericht als Anklageschrift zwecks Durchführung eines ordentlichen Verfahrens (Art. 356 Abs. 1 StPO ). Gleichzeitig gab sie bekannt, auf eine Teilnahme an der Hauptverhandlung zu verzichten (Art. 337 StPO; TPF pag. 3-100-001 f.).
F. Im Rahmen der Vorbereitung der Hauptverhandlung holte das Gericht von Amtes wegen Straf- und Betreibungsregisterauszüge, Steuerunterlagen sowie eine Auskunft des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (nachfolgend BAZL) über die aktuelle Gültigkeit der Fluglizenz und den fliegerischen Leumund der Beschuldigten ein.
Die Beweisanträge der Verteidigung des Beschuldigten 1 auf Einholen eines Fotos des Cockpits sowie die Befragung von C. hiess das Gericht gut. Den Antrag auf Einholen eines Parteigutachtens zur Frage der Luftraumüberwachung und des Prinzips see and avoid" sowie auf Einvernahme des Experten D. hiess das Gericht insoweit gut, als dass es den Parteien frei steht, eigene Gutachten einzureichen. Im Übrigen wies das Gericht den Antrag ab (TPF pag. 3-221-001 ff., 3-280-002 f.). Das Parteigutachten vom 30. November 2016 wurde zu den Akten erkannt (TPF pag. 3-290-036 ff.).
G. Am 11. und 12. Januar 2017 fand die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Bundesanwaltschaft und in Anwesenheit der Beschuldigten sowie ihrer Verteidiger am Sitz des Bundesstrafgerichts in Bellinzona statt.
H. Das Urteil wurde am 12. Januar 2017 in Anwesenheit der Beschuldigten und ihrer Verteidiger verkündet.
I. Die Verteidiger haben am 23. Januar 2017 und damit innert gesetzlicher Frist die schriftliche Urteilsbegründung verlangt (Art. 82 Abs. 2 lit. a StPO; TPF pag. 3-521-006; 3-522-023).
Der Einzelrichter erwägt :
1. Prozessuales und Vorfragen
1.1 Zuständigkeit
Gemäss Art. 98 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt ( LFG , SR 748.0) unterstehen die an Bord eines Luftfahrzeugs begangenen strafbaren Handlungen - unter Vorbehalt des hier nicht anwendbaren Absatzes 2 dieser Bestimmung - der Bundesgerichtsbarkeit. Die zur Beurteilung stehenden Taten sollen an Bord eines Motorflugzeuges und eines Segelfliegers begangen worden sein. Sowohl das Motorflugzeug als auch das Segelflugzeug sind bzw. waren im schweizerischen Luftfahrzeugregister eingetragen (pag. BA B18-01-01-0108 ff., ...0130 ff.) und gelten gemäss Art. 55 LFG als Luftfahrzeuge. Die Bundesgerichtsbarkeit ist damit gegeben (Art. 98 Abs. 1 LFG i.V.m. Art. 23 Abs. 2 StPO ).
Die Kompetenz des Einzelrichters der Strafkammer des Bundesstrafgerichts ergibt sich aus Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 36 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes vom 19. März 2010 (StBOG, SR 173.71).
1.2 Gültigkeit der Strafbefehle und der Einsprachen
Das Gericht entscheidet gemäss Art. 356 Abs. 2 StPO vorfrageweise über die Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache. Die Strafbefehle vom 23. August 2016 beinhalten die in Art. 353 Abs. 1 StPO aufgelisteten Kriterien. Die geforderten Geldstrafen sowie Bussen liegen innerhalb des zulässigen Sanktionsrahmens (Art. 352 Abs. 1 lit. a und b StPO). Die überwiesenen Strafbefehle sind somit gültig. Die Einsprachen von A. vom 2. September 2016 (pag. BA 03-01-0009) und von B. vom 5. September 2016 (pag. BA 03-02-0009) erfolgten form- und fristgerecht (Art. 354 Abs. 1 und 2 StPO ). Die Strafbefehle gelten nach Art. 356 Abs. 1 StPO als Anklageschriften.
1.3 Anwendbares Recht
Der Flugunfall ereignete sich am 6. Juni 2013. Es ist vorab das für den vorliegenden Fall anwendbare Recht zu bestimmen.
Was die staatsvertragliche Ebene anbelangt, so wurde im Jahre 1944 die International Civil Aviation Organisation (ICAO) gegründet, um weltweit verbindliche Standards für die internationale Zivilluftfahrt zu erarbeiten und festzulegen. Die ICAO legt einerseits Grundsätze und technische Methoden für die internationale Luftfahrt fest und fördert andererseits die Planung und Entwicklung des internationalen Luftverkehrs mit dem Ziel der Sicherheit, Wirtschaftlichkeit sowie Umweltverträglichkeit. Aus diesen Gründen wurde in Chicago am 7. Dezember 1944 das Übereinkommen über die internationale Zivilluftfahrt abgeschlossen, welches von der Schweiz am 6. Februar 1944 ratifiziert und am 4. April 1947 in Kraft getreten ist (ICAO-Übereinkommen, SR 0.748.0). Das ICAO-Übereinkommen besteht aus Bestimmungen und Regelungen zur Luftfahrt und aus (derzeit) 19 Anhängen. Im vorliegenden Fall ist dessen 10. Ausgabe (gültig ab 18. November 2010) anwendbar.
Auf nationaler Ebene gelten das Luftfahrtgesetz vom 21. Dezember 1948 (LFG, SR 748.0), die Verordnung über die Luftfahrt vom 14. November 1973 (LFV, SR 748.01) sowie die Verordnung über die Rechte und Pflichten des Kommandanten eines Luftfahrzeuges vom 22. Januar 1960 (KdtV, SR 748.225.1); jeweils in den am Unfalltag gültigen Fassungen. Des Weiteren sind die Bestimmungen der alten Verordnung über die Verkehrsregeln für Luftfahrzeuge (aVVR, SR 748.121.11) anwendbar, welche durch die Bestimmungen der Verordnung des UVEK über die Verkehrsregeln für Luftfahrzeuge (VRV-L, SR 748.121.11; in Kraft getreten am 15. Juni 2015) abgelöst wurden. Die für den vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen im aVVR (Art. 1, 5, 14 ff.) entsprechen im Wesentlichen den nun geltenden Art. 1 lit. a i.V.m. Art. 2 VRV-L (in Ausführung der EU-Durchführungsverordnung Nr. 923/2012). Was die SUST im Besonderen anbelangt, so ist vorliegend einerseits die Verordnung über die Meldung und die Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel vom 28. Juni 2000 (Unfalluntersuchungsverordnung [VUU], SR 742.161) und andererseits die Verordnung über die Untersuchung von Flugunfällen und schweren Vorfällen vom 23. November 1994 (VFU, SR 748.126.3) anwendbar. Organisatorisches zur SUST ist zudem in der Verordnung über die Organisation der SUST vom 23. November 2011 (OV-SUST, SR 172.217.3) geregelt. Die drei letztgenannten Verordnungen wurden durch die Verordnung über die Sicherheitsuntersuchung von Zwischenfällen im Verkehrswesen vom 17. Dezember 2014 (VSZV, SR 742.161) abgelöst, welche am 1. Februar 2015 in Kraft getreten ist.
Unter Berücksichtigung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots gilt das zum Tatzeitpunkt in Kraft gewesene Recht (Art. 2 Abs. 1 StGB ), es sei denn, das neue Recht ist für den Täter das mildere (Art. 2 Abs. 2 , Art. 389 Abs. 1 StGB). Letzteres trifft in concreto lediglich in Bezug auf Art. 24 VSZV zu.
2.1 Die Verteidigung rügt, die Strafbefehle der Bundesanwaltschaft genüge den Anforderungen an eine Anklageschrift nicht, da die Sachverhaltsdarstellung ausschliesslich aus (wörtlichen oder sinngemässen) Zitaten aus dem SUST-Bericht bestehe bzw. der von der SUST festgestellte Sachverhalt tel quel" als Anklageschrift übernommen worden sei und damit vorliegend die einzige Grundlage der Anklage bilde.
2.2 Die Verteidigung rügt damit eine Verletzung des Anklagegrundsatzes.
2.2.1 Nach dem in Art. 9 Abs. 1 StPO festgeschriebenen Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). In der Anklageschrift sind (unter anderem) die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung möglichst kurz, aber genau zu bezeichnen (Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO ). Gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. g StPO bezeichnet die Anklageschrift die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft erfüllten Straftatbestände unter Angabe der anwendbaren Gesetzesbestimmungen. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 133 IV 235 E. 6.2 f.; BGE 126 I 19 E. 2a; je m.H.). Durch klare Umgrenzung des Prozessgegenstands und Vermittlung der für die Verteidigung notwendigen Informationen soll dem Betroffenen ein faires Verfahren garantiert werden. Entscheidend ist, dass der Beschuldigte genau weiss, was ihm konkret vorgeworfen wird (Urteile des Bundesgerichts 6B_209/2010 vom 2. Dezember 2010, E. 2.4; 6B_794/2007 vom 14. April 2008, E. 2.1, je m.w.H.).
2.2.2 Das Anklageprinzip verlangt bei Delikten, die sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden können, dass der Anklageschrift zu entnehmen ist, welche Schuldform sich verwirklicht hat. Es muss klar sein, ob dem Beschuldigten Fahrlässigkeit oder vorsätzliche Begehung vorgeworfen wird, denn die beiden Varianten verlangen ein unterschiedliches Vorgehen der Verteidigung. Bei Fahrlässigkeitsdelikten sind sämtliche tatsächlichen Umstände aufzuführen, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens sowie die Vorhersehbarkeit und die Vermeidbarkeit des eingetretenen Erfolges ergeben sollen. Es ist dazu insbesondere möglichst genau darzulegen, inwiefern es der Beschuldigte an der Beachtung der gebotenen Sorgfalt oder Vorsicht habe fehlen lassen (BGE 120 IV 348 E. 3c; BGE 116 Ia 455 E. 3a,cc; Josi , "Kurz und klar, träf und wahr" - die Ausgestaltung des Anklageprinzips in der Schweizerischen Strafprozessordnung, ZStrR 2009, S. 73 ff., S. 88 ff.). Gemäss Art. 350 Abs. 1 StPO ist das Gericht an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde gebunden.
2.2.3 In den beiden Strafbefehlen vom 23. August 2016, welche von der Bundesanwaltschaft als Anklageschriften an die Strafkammer des Bundesstrafgerichts überwiesen wurden, ist hinreichend klar umschrieben, was den beiden Beschuldigten vorgeworfen wird. Dass sich die Bundesanwaltschaft bei der Sachverhaltsdarstellung hauptsächlich auf den SUST-Bericht abstützt, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist, dass die strafrechtlich relevanten Tathandlungen und Sorgfaltspflichtverletzungen im Sachverhalt in rechtsgenügender Art und Weise umschrieben sind. Dabei ist anzugeben, inwiefern ein allfällig festgestellter Sorgfaltsverstoss eine entsprechende Relevanz für den Erfolgseintritt barg und ob Letzterer für den Beschuldigten vorherseh- und vermeidbar gewesen wäre. Vorliegend genügen sowohl die Umschreibung des Sachverhalts und der massgeblichen Sorgfaltspflichten, als auch die angegebenen Gesetzesbestimmungen den Erfordernissen des Akkusationsprinzips. Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes gemäss Art. 9 i.V.m. Art. 325 f . StPO ist nicht ersichtlich. Die Rüge der Verletzung des Anklagegrundsatzes ist daher unbegründet.
2.3 Die Verteidigung erhob sodann den Vorwurf, es sei vorliegend keine Strafuntersuchung durchgeführt worden, da sich die Bundesanwaltschaft ausschliesslich auf die Untersuchung der SUST abgestützt habe. Die SUST habe jedoch die Aufgabe, gestützt auf Art. 24 LFG Untersuchungen zur Unfallverhütung durchzuführen, wobei Schuldfragen nicht Gegenstand solcher Untersuchungen seien. In diesem Kontext machte die Verteidigung auch geltend, beim SUST-Bericht handle es sich nicht um ein Beweismittel.
2.3.1 Bei der SUST handelt es sich um eine ausserparlamentarische Kommission nach den Art. 57a -57g des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG, SR 172.010; Art. 6 VSZV bzw. [vor 1. Februar 2015] Art. 3 Abs. 2 OV-SUST ). Sie untersucht u.a. Ereignisse in der Luftfahrt nach den Vorgaben der VSZV (bzw. bis 1. Februar 2015 nach den Vorgaben der [im Zeitpunkt des Unfalls geltenden, nunmehr aufgehobenen] VFU und VUU). Die Untersuchungen der SUST bestehen aus einer unabhängigen Abklärung der technischen, betrieblichen und menschlichen Umstände und Ursachen, die zu einem Ereignis bzw. Unfall oder Zwischenfall geführt haben. Sie haben zum Ziel, die Sicherheit im Verkehrswesen zu verbessern, das heisst, ähnliche Vorfälle in der Zukunft zu vermeiden.
2.3.2 Die Klärung einer allfälligen Straftat ist nicht Aufgabe der SUST: Bereits eingangs des SUST-Berichts (pag. BA 11-01-0006) wurde darauf hingewiesen, dass der alleinige Zweck der Untersuchung eines Flugunfalls oder eines schweren Vorfalls durch die SUST auf die (künftige) Verhütung von Unfällen oder schweren Vorfällen ziele. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Flugunfällen und schweren Vorfällen ist ausdrücklich nicht Gegenstand der Flugunfalluntersuchung. Schuld und Haftung sind nicht Gegenstand der Untersuchung der SUST (vgl. Art. 24 Abs. 2 LFG), weshalb auch der Bericht der SUST nicht bezweckt, ein (strafrechtliches) Verschulden festzustellen oder (zivilrechtliche) Haftungsfragen zu klären.
2.3.3 Die Klärung eines strafrechtlich relevanten Verhaltens erfolgt ausschliesslich in der Strafuntersuchung. Diese ist Teil des Vorverfahrens, welches aus dem Ermittlungsverfahren der Polizei und der Untersuchung der Staatsanwaltschaft besteht (Art. 299 Abs. 1 StPO). Die Untersuchung ist somit Aufgabe der Staatsanwaltschaft. In der Untersuchung klärt sie den Sachverhalt tatsächlich und rechtlich so ab, dass sie das Vorverfahren (mit Strafbefehl, Anklage oder Einstellungsverfügung) abschliessen kann (Art. 308 Abs. 1 , Art. 318 Abs. 1 StPO). Zur Feststellung, ob gegen eine beschuldigte Person ein Strafbefehl zu erlassen, Anklage zu erheben, oder das Verfahren einzustellen ist, sind im Vorverfahren Erhebungen zu tätigen und Beweise zu sammeln (Art. 299 Abs. 2 StPO). Die Untersuchung umfasst sämtliche strafprozessualen Erhebungen, vorwiegend Beweiserhebungen, welche nach Einleitung des Untersuchungsverfahrens bis zur Anklageerhebung, Strafbefehlsausfällung oder Verfahrenseinstellung vorgenommen werden ( Omlin , Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 308 StPO N 10). Bei Erhebung einer Anklage hat die Untersuchung dem Gericht die für die Beurteilung von Schuld und Strafe wesentlichen Grundlagen zu liefern (Art. 308 Abs. 3 StPO). Das ist auch dann zu beachten, wenn ein Strafbefehl als Anklage überwiesen wird. Täterschaft und Schuld müssen durch die (Vor-) Verfahrensakten ausreichend geklärt und belegt sein. Der Sachverhalt wird im Strafbefehlsverfahren grundsätzlich gleich abgeklärt wie im ordentlichen Verfahren und er hat mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit dem wirklichen Sachverhalt zu entsprechen, wie der Sachverhalt, der einem gerichtlichen Urteil zugrunde liegt. Folglich muss neben der Täterschaft auch die Schuld der beschuldigten Person klar belegt sein, damit die Voraussetzung des anderweitig geklärten Sachverhalts erfüllt ist und ein Strafbefehl erlassen werden darf ( Daphinoff , Das Strafbefehlsverfahren in der Schweizerischen Strafprozessordnung, Diss. Freiburg 2012, S. 254 ff., m.w.H.). Ob ausreichende Beweise für eine Anklage vorliegen, ist vor deren Erhebung und somit im Vorfeld der Gerichtsverhandlung durch die Strafverfolgungsbehörden abzuklären ( Omlin , a.a.O., Art. 308 StPO N 9). Auch wenn es dem Gericht unbenommen ist, Beweise zu ergänzen bzw. zu vervollständigen, ist es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, ein korrektes und vollständiges Vorverfahren durchzuführen und die entsprechenden Erhebungen bzw. Beweissammlungen zu tätigen.
2.3.4 Entgegen der Behauptung der Verteidigung erhob die Bundesanwaltschaft vorliegend nicht ausschliesslich aufgrund der Erkenntnisse der Untersuchung der SUST Anklage: Die Bundesanwaltschaft hat das von der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach eröffnete Strafverfahren zuständigkeitshalber übernommen und am 4. Juli 2013 auf den hier interessierenden Straftatbestand (Art. 237 StGB) ausgedehnt. Sie hat die Ermittlungsakten und Vollzugsberichte der Kantonspolizeien Thurgau und Aargau (darin enthaltend unter anderem polizeiliche Befragungen der Beschuldigten und die Abschlussberichte zu den forensisch-toxikologischen Untersuchungsergebnissen des Instituts für Rechtsmedizin) sowie die gesamten Untersuchungsakten der SUST, darunter den Untersuchungsbericht des Forensischen Instituts Zürich (inkl. Bildbeilagen), beigezogen. Weiter hat sie beim Bundesamt für Zivilluftfahrt Abklärungen, namentlich zur Sichtflugregel see and avoid", getätigt und bei der Bundeskriminalpolizei die Handydaten der Beteiligten auswerten lassen. Sodann hat sie die Strafuntersuchung seinerzeit gegen drei Beschuldigte geführt und diese zweimal befragt, wobei sämtliche Beteiligten zur Sache jeweils von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben.
2.3.5 In Bezug auf die Akten und den SUST-Bericht bleibt Folgendes zu ergänzen: Vorliegend hat die Bundesanwaltschaft gestützt auf Art. 43 ff . StPO sämtliche Akten bei der SUST auf dem Wege der nationalen Rechtshilfe (Amtshilfe) beigezogen (pag. BA 18-01-0004 und 0006). Grundsätzlich steht die Standardregel 5.12 im Anhang 13 des ICAO-Übereinkommens, wonach (sinngemäss) aus Unfalluntersuchungen erlangte Informationen nur zum Zwecke der Unfallprävention beigezogen werden dürfen, einem Aktenbeizug durch eine Strafuntersuchungsbehörde entgegen. Allerdings hat die Schweiz zum Anhang 13 folgenden Vorbehalt angebracht: La législation suisse exige que tous les documents soient mis à disposition des autorités juridiques et des autorités aéronautiques." Durch diesen Vorbehalt können die schweizerischen Strafverfolgungsbehörden - namentlich die Bundesanwaltschaft - und Gerichte die Akten und Schlussberichte der SUST im Strafverfahren verwenden.
In den (altrechtlichen) Verordnungen VFU und VUU wird diese Vorgehensweise gestützt: Art. 17 Abs. 1 VUU hält in allgemeiner Weise fest, dass die Strafverfolgungsbehörden und die SUST ihre Tätigkeiten koordinieren. In den Art. 18 bis 21 VUU werden diese Aufgaben zwischen den Behörden konkretisiert. Gemäss Art. 32 Abs. 1 und 5 VUU kann die Bundesanwaltschaft bei der SUST Akteneinsicht verlangen und die SUST stellt ihre Akten auf Verlangen der Bundesanwaltschaft für das mit dem Ereignis in Zusammenhang stehende (Straf-)Verfahren zur Verfügung. Ebenso besteht nach Art. 28 Abs. 1 VFU ein Akteneinsichtsrecht und gemäss Art. 28 Abs. 4 VFU stellt die SUST die Akten auf Verlangen den Gerichts- und Verwaltungsbehörden für ihre Verfahren zur Verfügung, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist. Auch nach heutigem Recht bestimmt Art. 23 VSZV, dass die Untersuchung bei der SUST unabhängig von einem Straf- oder Administrativverfahren erfolgt, wobei die Strafverfolgungs- und Administrativbehörden und die SUST ihre Tätigkeiten koordinieren und einander Untersuchungsunterlagen wie Auswertungen und Aufzeichnungen unentgeltlich zur Verfügung stellen.
2.3.6 Nach dem Gesagten dürfen die (sicherheitstechnischen) Untersuchungen der SUST und deren Ergebnisse (darunter der Schlussbericht) im Rahmen eines parallel geführten (strafrechtlichen) Vorverfahrens berücksichtigt bzw. verwendet werden. Sie stellen mithin sachliche Beweismittel im Sinne von Art. 139 i.V.m. Art. 192 ff . StPO dar und unterliegen im Gerichtsverfahren der freien richterlichen Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO ).
Insgesamt vermögen die von der Bundesanwaltschaft eigens vorgekehrten Ermittlungen den Anforderungen an eine Strafuntersuchung nach Art. 299 StPO zu genügen. Sie durfte sich im Rahmen ihrer Ermittlungen insbesondere auch auf die Sachverhaltsdarstellung und die Untersuchungsergebnisse der SUST abstützen, weshalb vorliegend die Rüge einer unvollständigen, mangelhaften oder gar inexistenten Strafuntersuchung unbegründet ist.
2.4 Die Verteidigung bringt schliesslich vor, es seien im Untersuchungsverfahren der SUST die Parteirechte der Beschuldigten nicht bzw. nicht vollständig gewahrt worden. Insbesondere fehle eine Einverständniserklärung der Beschuldigten zur Verwendung ihrer Auskünfte bei der Untersuchung der SUST im Strafverfahren.
2.4.1 Die Befragungen der SUST erfolgen - einer sicherheitstechnischen Untersuchung entsprechend - nicht nach den Grundsätzen und Gepflogenheiten der Strafprozessordnung. Zwar werden die Befragten über ihre Rechte als Auskunftspersonen" belehrt und auf die Möglichkeit des Aussageverweigerungsrechts hingewiesen. Es handelt sich dabei jedoch um eine auf verwaltungsrechtlichen Grundsätzen basierende Befragung und nicht um strafprozessuale Rechtsbelehrungen als beschuldigte Person nach Art. 157 ff . StPO oder Auskunftsperson nach Art. 178 ff . StPO . Weiter fehlen die strafbewehrten Hinweise wegen falscher Anschuldigung (Art. 303 StGB ), Irreführung der Rechtspflege (Art. 304 StGB ) und Begünstigung (Art. 305 StGB ). Es stellt sich vorliegend damit die Frage der Verwertbarkeit der Befragungsprotokolle der SUST vom 7. Juni 2013 des Beschuldigten 1 (pag. BA B18-01-01-0017 ff.), von C. (pag. BA B18-01-01-0013 ff.) und des Beschuldigten 2 (pag. BA B18-01-01-0021 ff.).
2.4.2 Gemäss (des seit dem 1. Februar 2015 in Kraft stehenden) Art. 24 VSZV dürfen die von einer Person im Rahmen einer Sicherheitsuntersuchung erteilten Auskünfte in einem Strafverfahren nur mit deren Einverständnis verwendet werden. Die im Zeitpunkt des Flugunfalls anwendbaren altrechtlichen Verordnungen VFU und VUU sehen keine derartige Ausnahmeregelung vor. Art. 24 VSZV wurde jedoch bereits in der Strafuntersuchung, als auch in der Hauptverhandlung zu Gunsten der Beschuldigten Rechnung getragen: Die Befragungen der Beschuldigten wurden ausschliesslich unter Einhaltung der strafprozessualen Rechtsbelehrungen durchgeführt. Die fraglichen Protokolle der SUST wurden weder bei den Einvernahmen der Bundesanwaltschaft, noch anlässlich der Befragung vor Gericht berücksichtigt bzw. deren Inhalt wurde den Beschuldigten nicht zur Bestätigung vorgehalten. Insofern wurde dem Grundsatz von Art. 24 VSZV als dem milderen Recht (Art. 2 Abs. 2 StGB) nachgelebt. Im Übrigen wurden diese Protokolle der SUST selbstredend auch nicht für die vorliegende Urteilsfindung oder -begründung berücksichtigt.
Andere konkrete Verletzungen von Parteirechten wurden seitens der Verteidigung nicht geltend gemacht, weshalb sich weitere Bemerkungen erübrigen.
2.5 Würdigungsvorbehalt
Will das Gericht den Sachverhalt rechtlich anders würdigen als die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift, so eröffnet es dies den anwesenden Parteien und gibt ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme (Art. 344 StPO). Ein solcher Würdigungsvorbehalt will sicherstellen, dass das Gericht nicht eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts vornimmt, zu der der Beschuldigte nicht hat Stellung nehmen können. Die in Aussicht gestellte abweichende rechtliche Würdigung bezweckt mithin die Verwirklichung des Anklagegrundsatzes und ermöglicht grundsätzlich die Prüfung eines Delikts, dessen gesetzliche Merkmale in der Anklageschrift als Fakten umschrieben, aber von der Staatsanwaltschaft rechtlich anders subsumiert sind.
Der Einzelrichter gab den Parteien an der Hauptverhandlung den folgenden Würdigungsvorbehalt bekannt: In der Anklageschrift wurde ein Vorgang beschrieben, wonach der Beschuldigte 1 nach der Kollision entgegen der Empfehlung des Flugverkehrsleiters statt auf dem Regionalflugplatz W. zu landen zum Flugplatz X. zurückgeflogen ist. Infolgedessen stellte sich für den Beschuldigten 1 die Frage einer mehrfachen Begehung einer fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs gemäss Art. 237 Ziff. 2 StGB (TPF pag. 3-920-004).
Aufgrund der in der Hauptverhandlung durch die Aussagen des Beschuldigten 1 und des Zeugen C. gewonnenen Erkenntnisse (TPF pag. 3-930-010 ff.; 3-930-035 Z. 12 ff.) sowie der überzeugenden Ausführungen der Verteidigung des Beschuldigten 1, dass Letzterer alles Notwendige für den Entscheid zum Rückflug in Erwägung gezogen und die Gefahren und Risiken dabei genügend eingeschätzt hat, ist keine zusätzliche Pflichtverletzung festzustellen. Für die weiteren Erwägungen fällt dieser Anklagesachverhalt daher gänzlich ausser Betracht. Im Übrigen hatte der Würdigungsvorbehalt keine Neuausrichtung der Verteidigung zur Folge, so dass die Verteidigungsrechte umfassend gewahrt wurden.
3.1 Nach Art. 237 Ziff. 2 i.V.m. Ziff. 1 al. 1 StGB macht sich strafbar, wer fahrlässig den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr in der Luft hindert, stört oder gefährdet und dadurch Leib und Leben von Menschen in Gefahr bringt.
3.1.1 Der Tatbestand von Art. 237 StGB schützt das Leben und die körperliche Unversehrtheit der am öffentlichen Verkehr teilnehmenden Personen (BGE 106 IV 370 E. 2a; 100 IV 55 E. 5). Öffentlich ist der Verkehr, wenn er an einem jedermann bzw. einem unbestimmten Personenkreis zugänglichem Ort stattfindet, welcher nicht nur dem privaten Gebrauch dient (BGE 134 IV 255 E. 4.1, m.w.H.). Tatbestandsmässig ist jedes Verhalten, welches eine Erhöhung der dem Verkehr immanenten Gefahr zur Folge hat ( Trechsel/Fingerhuth , Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, Art. 237 StGB N. 10; Fiolka , Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 237 StGB N. 18).
3.1.2 Der Erfolg besteht in der konkreten Gefährdung von Leib und Leben mindestens eines Menschen. Konkrete Gefährdung bedeutet eine nahe und ernsthafte Wahrscheinlichkeit, dass es zur Tötung oder Verletzung von Personen kommt (BGE 134 IV 255 E. 4.1; Stratenwerth/Bommer , Strafrecht BT II, 7. Aufl., Bern 2013, § 32 N. 8 f.). Was die tatbestandsmässige Wahrscheinlichkeit von Tötung oder Verletzung angeht, verlangt das Bundesgericht kein Höchstmass an Gefährdung, also das Ausbleiben des Erfolgs wegen eines ausserordentlichen Glücksfalls", sondern lässt es genügen, dass das durch die Störung entstandene Risiko gemeistert werden konnte und hinterher nicht eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit der Katastrophe festgestellt werden kann". Ob eine konkrete Gefährdung zu bejahen ist, beurteilt sich nicht allein nach dem, was schliesslich eingetreten ist, sondern es kommt darauf an, ob das fragliche Vorkommnis nach dem normalen Gang der Dinge die Verletzung eines Menschen ernstlich wahrscheinlich gemacht hat. Art. 237 StGB ist deshalb auch anwendbar, wenn der Eintritt eines schädigenden Erfolgs durch Zufall oder das Verhalten der Beteiligten verhütet wird ( BGE 134 IV 255 E. 4.1; 106 IV 121 E. 3c; Urteile des Bundesgerichts 6B_779/2009 vom 12. April 2010 E. 2.2.1; 6S.312/2003 vom 1. Oktober 2003 E. 2.2).
3.1.3 Fahrlässig handelt, wer die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat (Art. 12 Abs. 3 Satz 1 StGB ). Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 Satz 2 StGB ). Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften; das Gleiche gilt für entsprechende allgemein anerkannte Verhaltensregeln, auch wenn diese von einem privaten oder halböffentlichen Verband erlassen wurden und keine Rechtsnormen darstellen (BGE 130 IV 7 E. 3.3). Das schliesst jedoch nicht aus, dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann (BGE 135 IV 56 E. 2.1; 134 IV 193 E. 7.2).
3.1.4 Eine Sorgfaltspflichtverletzung liegt nur vor, wenn die zum Erfolg führenden Geschehensabläufe für den Täter mindestens in ihren wesentlichen Zügen voraussehbar waren und der Täter eine Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte voraussehen beziehungsweise erkennen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt der Massstab der Adäquanz, wonach das Verhalten geeignet sein muss, um nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Die Vorhersehbarkeit der zu beurteilenden Ursache für den Erfolg ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines Dritten oder Material- oder Konstruktionsfehler als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des Angeschuldigten - in den Hintergrund drängen (BGE 135 IV 56 E. 2.1; 134 IV 193 E. 7.3, jeweils mit Hinweisen).
3.1.5 Damit der Eintritt des Erfolgs auf das pflichtwidrige Verhalten des Täters zurückzuführen ist, genügt seine blosse Vorhersehbarkeit nicht, sondern der Erfolg muss auch vermeidbar gewesen sein. Anhand eines hypothetischen Kausalverlaufs ist zu prüfen, ob der Erfolg bei pflichtgemässem Verhalten des Täters ausgeblieben wäre. Der tatbestandliche Erfolg ist dem Täter zuzurechnen, wenn sein Verhalten mindestens mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolges bildete (BGE 135 IV 56 E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_779/2009 vom 12. April 2010, E. 3.3.1, jeweils mit Hinweisen).
Die Bundesanwaltschaft wirft den beiden Beschuldigten zusammengefasst vor, am 6. Juni 2013 bei einem Sichtflug über Z. mit dem Motorflugzeug respektive dem Segelflugzeug pflichtwidrig geltende Flugvorschriften/-regeln, namentlich das für Sichtflüge geltende Prinzip see and avoid", verletzt zu haben. Dadurch sei der öffentliche Verkehr derart gestört worden, dass es zu einer Kollision zwischen den beiden Flugzeugen gekommen sei und eine konkrete Gefährdung für Leib und Leben der jeweiligen Besatzungen bestanden habe.
Dem SUST-Bericht zufolge haben sich sowohl der Segelflugpilot (Beschuldigter 2) als auch die Besatzungsmitglieder des Motorflugzeuges (darunter der Beschuldigte 1) am Vorabend des Unfalls auf ihre Flüge vorbereitet. Am Tag des Unfalls, am xx.xx.2013, startete der Beschuldigte 1 um 11:55 Uhr mit dem Motorflugzeug auf der Piste 06 des Flugfeldes X.. An Bord befand sich auch Flugschüler C.. Aufgrund der Schliessung des Flugfelds X. über die Mittagszeit war ein Durchstart nicht mehr möglich, so dass das Motorflugzeug in einer Höhe von 2900 ft AMSL (above mean sea level = über mittlerem Meeresspiegel) zunächst in Richtung UKW-Drehfunkfeuer (VOR) Zurich East und dann weiter in gleicher Höhe Richtung VOR Trasadingen flog. Gleichentags zur selben Zeit startete der Beschuldigte 2 im Segelflugzeug im Flugzeugschlepp auf der Piste 08 des Regionalflugplatzes W.. Rund drei Minuten später klinkte er bei V. auf einer Höhe von 3906 ft AMSL aus und kreiste ohne merklichen Höhengewinn über V.. Der Beschuldigte 2 flog weiter westwärts Richtung Jura, wo er bessere thermische Aufwinde erwartete. Bei Z. fand er jedoch keine Aufwinde, weshalb er wieder zurück zu V. flog und dort zwei doppelsitzige Segelflugzeuge wahrnahm, die rund 200 Meter über ihm kreisten. Als die beiden Segelflugzeuge in Richtung Westen weiterflogen, war der Beschuldigte 2 auf einer Höhe von 4593 ft AMSL angelangt. Der Beschuldigte 2 folgte den beiden Segelflugzeugen wieder in Richtung Z., wobei er etwa 150 bis 200 Meter tiefer hinter ihnen herflog (pag. BA 11-01-0010). Unterdessen schaltete der Beschuldigte 1 den Autopiloten ein, um diesen dem Flugschüler C. zu erklären. Dabei wurden die Flughöhe von 2900 ft AMSL und der Kurs Richtung VOR Trasadingen gehalten. Nach dem Überfliegen des VOR flog das Motorflugzeug mit eingeschaltetem Autopiloten einen neuen Kurs von 220 Grad mit der Absicht, den Regionalflugplatz W. zu umfliegen. Als sich das Motorflugzeug um 12:16 Uhr im Raum Villigen befand, leitete der Beschuldigte 1 mit dem Autopiloten einen Steigflug ein. Die Steigrate betrug ungefähr 400 ft/min. In der Region Linn drehte das Flugzeug eine Minute später Richtung Süden. Nachdem das Segelflugzeug die Aare in Richtung Westen im Geradeausflug überflogen hatte, blickte der Beschuldigte 2 nach Norden, um das Wetter im Schwarzwald zu beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Geschwindigkeit des Segelflugzeuges rund 160 km/h gegenüber dem Boden und jene des Motorflugzeuges rund 220 km/h. Der Beschuldigte 2 bemerkte rund eine Minute später etwas im rechten Bereich seines Augenwinkels. Er nahm ein Flugzeug in der Grösse wahr, als sei dieses in einer Distanz von 50 Meter zu ihm und identifizierte es als eine Mooney, die mit eingezogenem Fahrwerk von rechts auf ihn zuflog. Auf einer Höhe von 1285 m/M (4216 ft AMSL) kam es über dem Raum Y. um 12:18:52 Uhr zwischen dem Motorflugzeug und dem Segelflugzeug zur Kollision. Dabei befand sich das Segelflugzeug leicht unterhalb des linken Flügels des Motorflugzeuges. Da die Eingaben am Seiten- und Höhensteuer keine Wirkungen mehr erzeugten, entschied sich der Beschuldigte 2, das Segelflugzeug, das sich in diesem Moment auf einer Höhe von 1200 m/M (3937 ft AMSL) befand, mit dem Rettungsfallschirm zu verlassen. Der Beschuldigte 1 übernahm gleich nach der Kollision die Kontrolle des Motorflugzeuges, ging in den Horizontalflug über und leitete eine Rechtskurve ein. Er nahm mit Zürich Information Funkkontakt auf und meldete die Kollision. Das Motorflugzeug landete schliesslich um 12:55 Uhr auf der Piste 06 in X.. Durch die Kollision mit dem Segelflugzeug wurde der linke Flügeltank aufgerissen und war (nach der Landung) leer. Im rechten Flügeltank befanden sich noch 48 Liter Treibstoff.
5.1 Gemäss SUST-Bericht ist der Unfall bzw. die Kollision zwischen dem Segel- und Motorflugzeug darauf zurückzuführen, dass beide Besatzungen den Luftraum zu wenig aktiv überwacht hätten. Das Segelflugzeug wurde nach der Kollision unkontrollierbar und stürzte ab (pag. BA 11-01-0028; TPF pag. 3-290-016). Diese von der SUST ermittelte Ursache wird von beiden Beschuldigten bestritten. Sie wenden insbesondere ein, aus dem nicht rechtzeitigen Erkennen (eines Flugzeuges) dürfe nicht automatisch auf mangelhafte Aufmerksamkeit (der Besatzung) geschlossen werden, sondern es müsse die Erkennbarkeit des anderen Verkehrsteilnehmers im konkreten Fall nachgewiesen werden (pag. BA 16-01-0008).
An der Hauptverhandlung verneinte der Beschuldigte 1, dass der äussere Sachverhalt im Strafbefehl korrekt wiedergegeben worden sei und sagte aus, mit dem im SUST-Bericht dargestellten Sachverhalt und den Schlussfolgerungen nicht einverstanden zu sein (TPF pag. 3-930-003 Z. 3 und 21). Der Beschuldigte 2 gab an, dass der Sachverhalt im Strafbefehl korrekt erfasst und im SUST-Bericht mit der Einschränkung, dass er die Luftraumüberwachung korrekt durchgeführt habe, richtig wiedergegeben worden sei (TPF pag. 3-930-003 Z. 31 und 45 ff.).
Das Privatgutachten, welches vom Verteidiger des Beschuldigten 2 für beide Beschuldigten zu den Akten gereicht wurde (TPF pag. 3-290-036 ff.), befasst sich nur marginal mit der hier interessierenden Problematik und ist im Übrigen für den vorliegend zu beurteilenden Fall nicht einschlägig: Im Wesentlichen hält das Gutachten fest, dass bei Sichtflügen neben der Luftraumüberwachung auch andere Faktoren von Bedeutung seien, so etwa die Beobachtung der Aussenwelt, der Flugkarte, des Höhenmessers und die Überwachung der technischen Parameter des Flugmotors. Beim Segelflug habe sich der Pilot ständig mit der Windsituation auseinanderzusetzen, um bei Aufwind, Thermik oder Abwind die jeweils geeignete Geschwindigkeit zu wählen. Die in diesem Zusammenhang vom Privatgutachter erwähnten Resultate seiner drei fliegerischen Selbstversuche betreffen meist andere Lebenssachverhalte, andere Umgebungen, andere Witterungsverhältnisse und insbesondere auch andere Flugzeugtypen. Das Gericht hat seinem Urteil jedoch ausschliesslich den Sachverhalt und die besonderen Umstände des Flugunfalles vom xx.xx.2013 zu Grunde zu legen.
7.1 Die beiden Flugkörper befanden sich im Zeitpunkt der Kollision im öffentlichen Verkehr zugänglichen Luftraum (vgl. Art. 1 Abs. 1 LFG ; BGE 105 IV 41 E. 2a). Sowohl beim Segelfliegerpilot als auch bei den beiden Insassen des Motorflugzeuges handelt es sich um Verkehrsteilnehmer. Die beschuldigten, verantwortlichen Luftfahrzeugführer waren im Besitz der für die Flugdurchführung erforderlichen Lizenzen und Berechtigungen (TPF pag. 3-290-002 ff.).
7.2 Das mit FLARM (Verkehrsinformations- und Kollisionsvermeidungssystem für die allgemeine Luftfahrt, namentlich für Leichtflugzeuge) ausgerüstete Segelflugzeug konnte das Signal des Mode-S-Transponders des Motorflugzeugs nicht empfangen. Ebenso konnte das Motorflugzeug die FLARM-Signale des Segelflugzeugs sowie alle anderen FLARM- und Transpondersignale nicht empfangen, da das Motorflugzeug über kein Kollisionswarnsystem verfügte (pag. BA 11-01-0022 f.).
7.3 Art. 3 Abs. 2 KdtV bestimmt, dass bei mehreren, sich an Bord befindlichen Luftfahrzeugführern, der Halter des Flugzeugs verpflichtet ist, vor dem Abflug ein Besatzungsmitglied als Kommandanten und ein anderes als dessen Stellvertreter zu bezeichnen. Kommandant ist der während der Flugzeit verantwortliche Pilot eines Luftfahrzeugs, ob er die Steuer führt oder nicht (Art. 1 und Art. 5 aVVR ). Wurde kein Kommandant bezeichnet, so stehen die Rechte und Pflichten des Kommandanten gemäss Art. 3 Abs. 3 KdtV dem ranghöchsten und rangältesten Mitglied der Besatzung an Bord zu.
In seiner Eigenschaft als Fluglehrer und Class Raiting Instructor (CRI, d.h. er besitzt eine Lizenz als Instruktor für Klassenberechtigungen; pag. BA 11-01-0009) war der Beschuldigte 1 als Kommandant des Motorflugzeuges für den Flug verantwortlich. Der Beschuldigte 1 bestreitet nicht, dass er bei besagtem Flug Fluglehrer und damit Kommandant war (pag. BA 13-01-0002 ff.; TPF pag. 3-930-003 Z. 39 f.). Vom Zeugen C. wurde dies bestätigt (pag. BA 13-02-0002, TPF pag. 3-930-028 Z. 46).
Für den Beschuldigten 2 stellt sich diese Frage nicht: Er flog alleine im Segelflugzeug und war damit Kommandant dieses Flugzeugs (pag. BA 11-01-0009).
7.4 Beide Luftfahrzeuge waren ordnungsgemäss zum Verkehr zugelassen und im Zeitpunkt des Unfalls in technisch einwandfreiem Zustand (pag. BA 11-01-0027).
7.5 Zu den Wetterverhältnissen am Unfalltag: Der Beschuldigte 1 sprach bereits bei seiner ersten Einvernahme von sehr guter Sicht, schätzungsweise gute 20 Kilometer (pag. BA 13-01-0005). Auf diese Aussage hin anlässlich der Hauptverhandlung befragt, gab der Beschuldigte 1 an, dass die Sicht, allerdings lediglich in Flugrichtung, sehr gut gewesen sei (TPF pag. 3-930-005 Z. 7 und 19). Anschliessend gab er zu bedenken, es habe dort Thermik geherrscht und in einer Thermik sei auch Dunst zu finden (TPF pag. 3-930-005 Z. 7 ff.). Der Beschuldigte 2 gab anlässlich seiner Einvernahme in der Hauptverhandlung zu Protokoll, dass verschiedene Umstände vorgelegen hätten, die die Sichtbarkeit für beide eingeschränkt hätten, namentlich das Wetter, sei es durch Reflektionen, sei es durch die Dunstsituation (TPF pag. 3-930-020 Z. 12 f.). Die Sicht sei zwar - mit einer Erkennbarkeit von 20-25 km in der Distanz - eigentlich recht gut gewesen, aber durch den Dunst im Kontrast irgendwie eingeschränkt (TPF pag. 3-930-020 Z. 17 f.). Der Dunst habe sich in der Ferne" befunden und man habe ihn gut erkennen können (TPF pag. 3-939-020 Z. 26 f.). Der Zeuge C. sagte bei seiner Einvernahme während der Hauptverhandlung aus, dass die Sicht auf 4000 ft AMSL, wo der Unfall passiert sei, nach oben gut und nach unten dunstig gewesen sei, d.h. von 4000 ft elevationsmässig nach oben blau, nach unten und auf gleicher Höhe sehr weiss. Der Dunst sei sehr hell gewesen (TPF pag. 3-930-030 Z. 22 ff.). Die Sicht sei allerdings über dem Dunst sehr gut gewesen (TPF pag. 3-930-030 Z. 35). Auf Frage bestätigte der Zeuge, dass es seiner Meinung nach bei solchen Bedingungen nichts gegen einen Sichtflug einzuwenden gäbe (TPF pag. 3-930-030 Z. 29 f.). Die Verteidigung des Beschuldigten 1 argumentierte ausserdem, dass die sog. Mie-Streuung (d.h. die elastische Streuung elektromagnetischer Wellen an sphärischen Objekten) für eine schlechtere Sichtbarkeit hellerer Objekte gesorgt habe (TPF pag. 3-925-237).
Das erstmals sowohl von beiden Beschuldigten als auch vom Zeugen anlässlich der Hauptverhandlung vorgebrachte Argument, das Wetter sei, insbesondere wegen einer Dunstschicht, mitunter ursächlich für den Unfall (TPF pag. 3-930-005 Z. 7 ff. und 45 f.; ...020 Z.12 ff. und 023 Z. 6 ff.; ...030 Z. 22 ff.), findet in den Akten keine Stütze. Gemäss SUST-Bericht wehte am Unfalltag eine schwache bis mässige Bise. Das Wetter sei sonnig mit einzelnen Schönwetter-Quellwolken entlang der Jurakreten gewesen. Die Sicht habe 30 km betragen. Der SUST-Bericht schloss darauf, dass keine Gefahren für einen Sichtflug vorlagen (pag. BA 11-01-0014) und das Wetter keinen Einfluss auf den Unfall gehabt habe (pag. BA 11-01-0028). Wenn tatsächlich von einer so eingeschränkten Sichtbarkeit aufgrund des Wetterphänomens Dunst auszugehen gewesen wäre, ist es nicht nachvollziehbar, dass die beiden Piloten, die Wetterbedingungen für ihren Flug doch als so gut ansahen, dass sie ihre Flüge weiterführten und nicht - aus Sicherheitsgründen - abbrachen. Sowohl die Beschuldigten als auch der Zeuge C. bestätigten, dass die Sicht für einen Sichtflug am besagten Tag gut bzw. optimal gewesen sei (TPF pag. 3-930-009 Z. 18, ...-020 Z. 23 und ...-030 Z. 29 f.).
Das Gericht kommt basierend auf den Akten und unter Würdigung der obigen Aussagen zum Schluss, dass das Wetter, insbesondere eine allfällige Dunstschicht, die gegenseitige Erkennbarkeit der Flugzeuge nicht insoweit eingeschränkt hat, als dass dies ursächlich für die Kollision gewesen sein könnte.
7.6 Was die menschlichen Sehfähigkeiten anbelangt, so machten beide beschuldigten Piloten zu keinem Zeitpunkt des Strafverfahrens geltend, wegen einer allfälligen Sehschwäche, eines bestehenden Augenleidens, mangelnder Sehschärfe, aus anderen gesundheitlichen Gründen oder weil sie durch die Sonne geblendet worden wären, das andere Flugzeug nicht gesehen zu haben. Anlässlich der Einvernahmen während der Hauptverhandlung gab der Beschuldigte 1 zu Protokoll, dass seine Sehfähigkeit gemäss Fliegerarzt gut eingeschätzt wurde und er lediglich eine Lesebrille benötige (TPF pag. 3-930-012 Z. 25 f.). Sowohl der Beschuldigte 1 als auch der Beschuldigte 2 verneinten, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen vor dem Flugunfall vorgelegen hätten (TPF pag. 3-930-012 Z. 23; ...022 Z. 24). Es ist daher von zwei absolut gesunden Verkehrsteilnehmern in der Luft auszugehen.
8.1 Der Flugunfall ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die beschuldigten Piloten beider Luftfahrzeuge gemäss eigener Darstellung einander nicht bzw. zu spät erkannten. Die Bundesanwaltschaft wirft den Beschuldigten in diesem Zusammenhang pflichtwidrig unsorgfältiges Handeln vor, weil sie als verantwortliche Piloten den Luftraum (in der Klasse G und E) nicht aktiv und dauernd überwacht hätten. Beide Luftfahrzeuge flogen zum Zeitpunkt der Kollision nach Sichtflugregeln (VFR) im unkontrollierten Luftraum. Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob die Beschuldigten pflichtwidrig unvorsichtig gehandelt haben.
8.2 Gemäss Art. 6 aVVR darf ein Luftfahrzeug nicht in unvorsichtiger oder nachlässiger Weise geführt werden, welche das Leben oder die Sachen Dritter gefährden könnte. Der Kommandant hat im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, der Weisungen des Halters eines Luftfahrzeuges und der anerkannten Regeln der Luftfahrt alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Interessen der Fluggäste, der Besatzung, der an der Landung Berechtigten und des Luftfahrzeughalters zu wahren (Art. 6 Abs. 1 KdtV). Der Kommandant ist unter anderem dafür verantwortlich, dass die Vorbereitung der Besatzung für den Flug den bestehenden Vorschriften entspricht (Art. 4 KdtV). Art. 7 KdtV überbindet ihm die Verantwortung für die Führung des Luftfahrzeugs nach den gesetzlichen Bestimmungen, den Vorschriften der Luftfahrthandbücher (AIP), den anerkannten Regeln der Luftfahrt und den Weisungen des Halters (vgl. auch Art. 5 aVVR ). Bei VFR-Flügen hat der Kommandant über die Umgebung eines Flugplatzes hinaus insbesondere die neusten verfügbaren Wetterinformationen sorgfältig zu prüfen sowie einen Ausweichplan und eine genügende Treibstoffreserve vorzusehen, für den Fall, dass der Flug nicht wie erwartet beendet werden kann (Art. 8 Abs. 2 aVVR ). Sodann darf ein Luftfahrzeug nicht so nahe an ein anderes herangeführt werden, dass die Gefahr eines Zusammenstosses entsteht (Art. 14 Abs. 1 aVVR ). Dies gilt namentlich beim Vortritt: Steht einem Luftfahrzeug das Vortrittsrecht zu, so hat der Pilot Steuerkurs und Geschwindigkeit unverändert beizubehalten. Er wird jedoch nicht von der Verantwortung befreit, alle Vorkehren zu treffen, die einen Zusammenstoss vermeiden helfen (Art. 15 Abs. 1 aVVR ). Was die Mindestwerte bei Sichtflügen anbelangt, so sind VFR-Flüge bei Tag so durchzuführen, dass die Flugsicht auf und über 3'050m/10'000 ft AMSL 8 km sowie unter 3'050m/10'000 ft AMSL 5 km beträgt (vgl. Art. 38 aVVR ).
8.3 Als wesentliche Methode zur Vermeidung von Kollisionen gilt die im Luftverkehr allgemeingültige Regel see and avoid". Sie ist sinngemäss in Annex 2 (Kapitel 3.2) des ICAO-Übereinkommens für Sichtflüge verankert: "Avoidance of collisions. - It is important that vigilance for the purpose of detecting potential collisions be not relaxed on board an aircraft in flight, regardless of the type of flight or the class of airspace in which the aircraft is operating, and while operating on the movement area of an aerodrome." (siehe auch pag. BA 11-01-0024). Das European General Aviation Safety Team (nachfolgend EGAST) beschreibt das Prinzip wie folgt: See and avoid is recognised as the main method that a pilot uses to minimise the risk of collision when flying in visual meteorological conditions. It is an integral part of a pilot's 'situational awareness', in other words the skill involved in looking outside the cockpit or flight desk and becoming aware of what is happening around the aircraft." (EGAST, Collision Avoidance, Safety Promotion Leaflet, S. 3, Jan. 2010).
Wie der Name des Prinzips besagt, ist es lebenswichtig, anderen Luftverkehr zu sehen und von anderem Luftverkehr gesehen zu werden, um Kollisionen zu vermeiden. Kernelement ist demzufolge die Fähigkeit des Piloten, andere Flugzeuge zu erfassen bzw. zu erkennen, Kurs und Geschwindigkeit abzuschätzen und daraus die richtige Handlung zur Kollisionsvermeidung einzuleiten bzw. für die Situation richtige Aktion abzuleiten (siehe dazu Bericht BAZL Die Grenzen des Wahrnehmungsvermögens - Effektivität von see and avoid" zur Verhinderung von Zusammenstössen, unter https://www.bazl.ad-min.ch).
Bei Sichtflugbedingungen ist der Pilot verantwortlich für das Vermeiden von Kollisionen. Das unerlässliche "Sehen und Gesehen werden" kann durch eine effektive Luftraumüberwachung und Good Airmanship" erreicht werden (vgl. Bericht BAZL Vermeidung von Annäherungen [Airprox] unter Sichtflugregeln in den Lufträumen G und E", unter https://www.bazl.admin.ch ). Das Wichtigste zur Förderung der Erkennbarkeit und Wahrnehmung anderer Luftfahrzeuge ist eine gezielte Erwartungshaltung der Piloten.