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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BG.2017.10 vom 05.10.2017

Hier finden Sie das Urteil BG.2017.10 vom 05.10.2017 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BG.2017.10


Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BG.2017.10

Datum:

05.10.2017

Leitsatz/Stichwort:

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO).

Schlagwörter

Rechnung; Rechnungen; Kanton; Urkunde; Urkunden; Gericht; Patient; Versicherung; Kantons; Patienten; Therapeut; Basel; Recht; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Therapeuten; Gerichtsstand; Basel-Landschaft; Leistung; Betrug; Versicherungen; Urkundenfälschung; Gesuch; Verfolgung; Täuschung; Generalstaatsanwaltschaft; Leistungen

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 110 StGB ;Art. 14 StGB ;Art. 14 StPO ;Art. 146 StGB ;Art. 25 StGB ;Art. 251 StGB ;Art. 31 StPO ;Art. 310 StPO ;Art. 33 StPO ;Art. 34 StPO ;Art. 39 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 4 VVG ;Art. 40 StPO ;Art. 423 StPO ;Art. 7 StPO ;

Referenz BGE:

103 IV 176; 103 IV 178; 108 IV 92; 111 IV 53; 113 IV 68; 113 IV 77; 118 IV 254; 118 IV 397; 125 II 250; 128 IV 18; 129 IV 130; 131 IV 125; 133 IV 256; 138 IV 130; 138 IV 186; 138 IV 209; 141 IV 249; 141 IV 369; 83 IV 75; 96 IV 150; ;

Kommentar:

Schweizer, Trechsel, Praxis, 2. Aufl., Zürich, Art. 251 StGB, 2013

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2017.10

Beschluss vom 5. Oktober 2017
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz,

Emanuel Hochstrasser und Roy Garré ,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft,

Gesuchsteller

gegen

Kanton Basel-Landschaft, Staatsanwaltschaft ,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO )


Sachverhalt:

A. Am 8. November 2016 erstattete die A. Versicherungen AG Strafanzeige gegen den Therapeuten B. sowie 17 Versicherte wegen Betruges (Art. 146 StGB ) und Urkundenfälschung (Art. 251 StGB ) bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Abteilung Wirtschaftsdelikte. Sie konstituierte sich zugleich als Privatklägerin im Zivil- und Strafpunkt.

B. und den Versicherten wird zusammengefasst vorgeworfen, über nicht erbrachte Leistungen ausgestellte oder verfälschte Rechnungen bei der A. Versicherungen AG eingereicht zu haben, was diese zumeist zu einer Auszahlung veranlasste. So ausgezahlt wurden insgesamt Fr. 55'944.--.

Die Praxis von B. und der Wohnort von fünf Versicherten liegt im Kanton Basel-Landschaft. Von den weiteren Versicherten wohnen zwei im Kanton Bern, sieben im Kanton Basel-Stadt und vier im Kanton Aargau.

B. Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland übernahm am 22. November den Fall von der Abteilung Wirtschaftsdelikte und gelangte am 29. November 2016 an die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern. Diese stellte daraufhin am 30. November 2016 eine Gerichtsstandsanfrage an den Kanton Basel-Landschaft. Der Kanton Bern erachte es danach als sinnvoll, wenn die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft die Verfahrensleitung übernehme, da es um Rechnungen von B. gehe und die Ermittlungen, namentlich die Zwangsmassnahmen, bei ihm zu beginnen hätten. Eine rechtshilfeweise Durchführung erscheine nicht als zweckmässig.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft (nachfolgend "Staatsanwaltschaft BL") lehnte ihre Zuständigkeit am 5. Dezember 2016 mit Verweis auf Art. 33 Abs. 2 StPO ab (Gerichtsstand im Falle mehrerer Beteiligter, Ort der ersten Verfolgungshandlungen). Wo die strafbaren Handlungen von den insgesamt 18 Beschuldigten begangen worden seien, sei noch nicht geklärt, die Anzeige sei jedoch im Kanton Bern eingereicht worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern wies daraufhin am 19. Dezember 2016 die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland an, in Absprache mit dem Kanton Basel-Landschaft weitere Ermittlungen zu tätigen.

C. Am 16. Januar 2017 eröffnete die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland ein Strafverfahren gegen B. sowie mit separater Verfügung gegen die 17 Versicherten (BM 16 50203) wegen Betruges (Art. 146 Abs. 1 StGB ) und Urkundenfälschung (Art. 251 StGB ).

D. B. wurde am 25. Januar 2017 von 8.00 bis 17.00 in Z. (BL) durch die Kantonspolizei Basel-Landschaft vorläufig festgenommen, der Kantonspolizei Bern übergeben und durch diese einvernommen. Dabei erklärte er auf die Frage, wo genau er die Rechnungen erstellt habe (S. 8): "Bei mir in der Klinik, wenn ich in der Nacht arbeite, während der Pause. Oder bei mir zu Hause. Oder sofort bei den Kunden, wo ich gerade bin."

Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland erliess am 25. Januar 2017 einen Durchsuchungsbefehl für die sichergestellten Mobiltelefone von B.

E. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern fragte den Kanton Basel-Landschaft am 9. März 2017 erneut bezüglich einer Übernahme des Gerichtsstandes an. Aufgrund der Ermittlungen sei davon auszugehen, dass die Beschuldigten gemeinsam operiert hätten. Die Abrechnungen seien dabei hauptsächlich bei B. zu Hause erstellt worden, als Haupttatort habe folglich sein Wohnort Z. zu gelten.

Die Staatsanwaltschaft BL lehnte die Übernahme am 21. März 2017 ab. B. habe am 25. Januar 2017 ausgesagt, in der Regel Hausbesuche bei seinen Patienten zu tätigen. Die Rechnungen seien an verschiedenen Orten ausgestellt worden. In Anwendung von Art. 31 Abs. 2 StPO ( forum praeventionis) sei der Kanton Bern zuständig, da dort die ersten Verfolgungshandlungen vorgenommen worden seien. Zum gleichen Schluss käme man bei Annahme von mittäterschaftlichem Handeln, diesfalls aufgrund von Art. 33 Abs. 2 StPO .

F. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern hielt am 27. März 2017 dafür, dass B. die Rechnungen im Kanton Basel-Landschaft vorbereitet und kopiert habe und mithin auch geschrieben und korrigiert habe. Wo die Rechnungen den Patienten abgegeben worden seien, sei unerheblich. Der Kanton Bern hielt am Übernahmeersuchen fest.

Die Staatsanwaltschaft BL lehnte eine Übernahme am 7. April 2017 ab. B. habe explizit angegeben, Rechnungen auch sofort bei den Kunden vor Ort ausgefertigt zu haben. Da er in der Regel Hausbesuche getätigt habe, sei die Wahrscheinlichkeit von Straftaten an verschiedenen Orten gross. Hinzu komme in einem weiteren Punkt, dass die Versicherten möglicherweise gefälschte Rechnungen eingereicht hätten und dass schliesslich die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern sodann von Mittäterschaft ausgehe. All dies begründe jedoch die Zuständigkeit des Kantons Bern aufgrund des forum praeventionis (Art. 34 Abs. 1 Satz 2, Art. 33 Abs. 2 StPO ).

G. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern reichte am 12. April 2017 der Beschwerdekammer das Gesuch um Bestimmung des Gerichtsstandes ein. Sie beantragt, es sei der Kanton Basel-Landschaft zur Verfolgung und Beurteilung der Beschuldigten bezüglich der ihnen vorgeworfenen Taten für berechtigt und verpflichtet zu erklären.

Die Staatsanwaltschaft BL beantwortete das Gesuch am 20. April 2017. Sie beantragt, es sei auf das Gesuch des Kantons Bern nicht einzutreten, evtl. sei es abzuweisen. Die Gesuchsantwort wurde dem Kanton Bern am 4. Mai 2017 zur Kenntnis gebracht.

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten
ei nen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO ). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG ). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, ist im Normalfall die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu u.a. TPF 2011 94 E. 2.2). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO ).

1.2 Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern ist berechtigt, den Gesuchsteller im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zu vertreten (Art. 24 lit. b des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung des Kantons Bern vom 11. Juni 2009 [EG ZSJ/BE; BSG 271.1]) . Auf Seiten des Gesuchsgegners steht diese Befugnis der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft bzw. dessen Erstem Staatsanwalt zu (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. § 7 Abs. 2 lit. b des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft vom 12. März 2009 [EG StPO/BL; SGS 250]).

1.3 Nach dem Dafürhalten des Kantons Basel-Landschaft seien von den Behörden des Kantons Bern noch nicht alle für die Bestimmung des Gerichtsstands notwendigen Abklärungen getätigt worden. Der Entscheid darüber sei daher derzeit noch nicht spruchreif (act. 3 S. 2). Indes sind, wie die folgenden Erwägungen zeigen, die Tatbestandselemente zureichend bekannt, um nach Gesetz und Rechtsprechung den Gerichtsstand bestimmen zu können. Auf das Gesuch ist einzutreten.

2.

2.1 B. und den Versicherten wird zusammengefasst vorgeworfen, über nicht erbrachte Leistungen ausgestellte oder verfälschte Rechnungen bei der A. Versicherungen AG eingereicht zu haben, was diese zumeist zu einer Auszahlung veranlasste. So ausgezahlt wurden insgesamt Fr. 55'944.--. A. Versicherungen AG erstattete aufgrund von Auffälligkeiten bei den Rechnungen Strafanzeige. So waren Rechnungen bei verschiedenen Patienten des Therapeuten identisch (Betrag, Behandlungsdaten etc.), sie unterscheiden sich nur im Namen. Andere Rechnungen sind kopiert resp. überschrieben. Gemeldet wurden auch Rechnungen mit ähnlichen Merkmalen. In seiner Einvernahme vom 25. Januar 2017 (S. 5) sagte B. aus, er kopiere die Rechnungen dort, wo er angestellt sei (Klinik C. in Z.). Wenn danach ein Patient eine einmalige Rechnung von ihm verlange, dann schreibe er seine Leistungen auf eine der erwähnten Kopien und gebe die Rechnung dem Patienten.

Die Praxis von B., seine Arbeitsstelle und der Wohnort von fünf Versicherten liegt im Kanton Basel-Landschaft. Von den weiteren Versicherten wohnen zwei im Kanton Bern, sieben im Kanton Basel-Stadt und vier im Kanton Aargau.

Damit ein Therapeut zuhanden der Zusatzversicherung für die A. Versicherungen AG Leistungen erbringen kann, muss er Antrag stellen, als Leistungserbringer zugelassen zu werden. Darin sind Fragen, wie man sie für Bewerbungen bei Anstellungs- oder Auftragsverhältnisse stellt (inkl. Referenzanfrage). Als Unterlagen werden Diplome, ein Mitgliedschaftsausweis und eine Bestätigung der Ausbildungsdauer verlangt. Mit der Unterschrift wird die wahrheitsgemässe Antwort bestätigt sowie akzeptiert, dass eine Expertengruppe unangemeldete Kontrollen über die Therapietätigkeit durchführen dürfe. B. war seit dem 10. August 2009 auf der internen Therapeutenliste der A. Versicherungen AG anerkannt für Bindegewebemassagen, Fussreflexzonenmassage, Lymphdrainage sowie medizinische/klassische Massage (Strafanzeige vom 8. November 2016, S. 4 Rz. 9). Die Zulassung erfolge, nachdem die Therapeuten für jede Therapieform spezifische Anerkennungskriterien erfüllen würden (Zusatzbedingungen VVG 2014 der A. Versicherungen AG, Krankenzusatzversicherung Basic, S. 7). Näheres ist dazu nicht in den Akten. Die A. Versicherungen AG konnte aussagekräftige Auswertungen bezüglich der jeweiligen Leistungserbringer erst seit Juni 2016 erstellen (Strafanzeige, S. 10 Rz. 29).

2.2 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder sei sicher ausgeschlossen. Der Gerichtsstand bestimmt sich also nicht nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem, was ihm vorgeworfen wird, das heisst, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt. Dabei stützt sich die Beschwerdekammer auf Fakten, nicht auf Hypothesen (vgl. zuletzt u.a. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2016.29 vom 5. Dezember 2016, E. 2.2 m.w.H.).

2.3 Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, welche Tatbestände die aktuelle Verdachtslage erfüllt (Erwägungen 3 und 4), um danach den Gerichtsstand festlegen zu können (Erwägung 5).

3.

3.1 Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB begeht unter anderem, wer in der Absicht, sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht, die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützt oder eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt sowie wer eine Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht. Urkundenfälschung wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
oder Geldstrafe bestraft.

Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (Art. 110 Abs. 4 StGB ).

3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 138 IV 130 E. 2.2.1) ist der Urkundencharakter eines Schriftstücks relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundenqualität haben, hinsichtlich anderer Gesichtspunkte nicht. Nach der Gerichtspraxis kann sich unmittelbar aus dem Gesetz oder aus der Verkehrsübung bzw. dem Sinn oder der Art des Schriftstücks ergeben, ob dieses zum Beweis einer bestimmten Tatsache bestimmt und geeignet ist (BGE 129 IV 130 E. 2.2). Rechnungen sind nach ständiger Rechtsprechung in der Regel keine Urkunden (BGE 131 IV 125 E. 4.2; 121 IV 131 E. 2c; 117 IV 35 ; 88 IV 33 ). Eine erhöhte Glaubwürdigkeit und damit eine Urkundenqualität von Rechnungen kann sich ausnahmsweise aus dem konkreten Verwendungszweck ergeben. Die Rechtsprechung bejaht dies, wenn Rechnungen im Zollverkehr als Beleg für die Richtigkeit der Angaben in der Zollanmeldung verwendet werden (BGE 96 IV 150 E. 2a; Urteil des Bundesgerichts 1A.253/2002 vom 28. Januar 2003, E. 2.2). Eine Urkunde liegt zudem vor, wenn dem Aussteller eine garantenähnliche Stellung zukommt bzw. wenn dieser in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Empfänger steht. Aus diesen Gründen erfüllen unrichtige Lohnausweise den Tatbestand der Falschbeurkundung nicht (Urteil des Bundesgerichtes 6B_390/2012 vom 18. Februar 2013, E. 3.4). Eine Falschbeurkundung wurde jedoch etwa bezüglich eines Arztes gegenüber der Krankenkasse angenommen (BGE 103 IV 178 ; Urteil des Bundesgerichts 6P.6/2007 vom 4. Mai 2007, E. 9).

3.3 Der subjektive Tatbestand der Urkundenfälschung verlangt zunächst Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Merkmale, wobei Eventualvorsatz genügt (BGE 138 IV 130 E. 3.2.1). Darüber hinaus erfordert er ein Handeln in der Absicht, jemanden am Vermögen oder anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Der Täter muss die Urkunde im Rechtsverkehr als wahr verwenden (lassen) wollen. Dies setzt eine Täuschungsabsicht voraus. Dabei muss sich der erstrebte Vorteil bzw. die Schädigung gerade aus dem Gebrauch der unechten bzw. unwahren Urkunde ergeben (BGE 138 IV 130 E. 3.2.4 mit Hinweisen); die Täuschung muss mithin auf die Hervorrufung einer falschen Vorstellung über die Echtheit oder Wahrheit der Urkunde gerichtet sein. Nach der Rechtsprechung liegt der täuschende Gebrauch der Urkunde schon darin, dass sie in den Rechtsverkehr gebracht wird (BGE 113 IV 77 E. 4). Bei der Erstellung einer unwahren Buchhaltung wird eine Täuschung Dritter in der Regel in Kauf genommen (BGE 138 IV 130 E. 3.2.4; 133 IV 303 E. 4.6 und 4.9). Bei der Schädigungsabsicht muss sich die angestrebte Benachteiligung gegen fremdes Vermögen richten, wobei der Begriff des Vermögens gleichbedeutend ist wie bei den Vermögensdelikten (BGE 83 IV 75 E. 3b). Handeln in Vorteilsabsicht ist nach der Rechtsprechung nicht nur gegeben, wenn der Täter nur Vorteile vermögensrechtlicher Natur anstrebt. Als Vorteil gilt jegliche Besserstellung, sei sie vermögensrechtlicher oder sonstiger Natur (BGE 118 IV 254 E. 5 mit Hinweisen; Trechsel/Erni , Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, N. 15 zu Art. 251 StGB ). Der Vorteil muss sich auch nicht zum Nachteil eines anderen auswirken (BGE 103 IV 176 E. 2b; zum Ganzen: BGE 141 IV 369 E. 7.4 ).

3.4 Die Urkundenfälschung ist vollendet, sobald der Täter die unechte oder unwahre Urkunde hergestellt bzw. die falschen Daten gespeichert hat, auch wenn von der unechten bzw. unwahren Urkunde noch kein Gebrauch zum Zweck der Täuschung gemacht wurde. Im Falle des Herstellens oder Verfälschens kommt es auf den Zeitpunkt an, in welchem der Täter nach seiner Vorstellung den Fälschungsakt abgeschlossen hat. Bei Mehrfachanfertigungen oder Serienherstellungen ist der Abschluss des ersten, zum Gebrauch bestimmten Stückes massgebend ( Boog , Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2013, N. 213 zu Art. 251 StGB ).

Mittäter ist, wer bei der Entschlussfassung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht (BGE 108 IV 92 ; 118 IV 227 E. 5d), und der ausserdem über die tatsächliche Begehung der Tat nicht allein zu bestimmen hat, sondern dies zusammen mit anderen tut. Mittäterschaft setzt somit eine (Mit-)Tatherrschaft voraus (vgl. BGE 111 IV 53 E. 1b). Mittatherrschaft ist dabei jede arbeitsteilige, für den Erfolg wesentliche Mitwirkung im Ausführungsstadium (BGE 118 IV 397 E. 2b; 120 IV 17 E. 2d).

3.5 Grundsätzlich könnte der Tatbestand der Urkundenfälschung von Art. 251 Ziff. 1 StGB erfüllt werden durch das Ausstellen von unrichtigen Rechnungen durch den Therapeuten wie auch durch das Verändern von Rechnungen durch die Patienten sowie das Einreichen von Rechnungen im Wissen um deren Unrichtigkeit zur Erlangung einer Auszahlung. Beim Einreichen von unrichtigen Rechnungen des Therapeuten durch die Patienten ist Mittäterschaft anzunehmen (zu anderen Tatvarianten des Art. 251 Ziff. 1 StGB vgl. Trechsel/Erni , a.a.O., Art. 251 N. 11).

Die Strafbarkeit hängt indes davon ab, ob den Rechnungen eines Therapeuten zuhanden einer Krankenkasse erhöhte Glaubwürdigkeit und damit überhaupt Urkundenqualität zukommt.

Für Honorarrechnungen eines Arztes hat die Rechtsprechung dies bejaht. Denn eine Überprüfung namentlich der vom Arzt verzeichneten Anzahl Konsultationen ist im Einzelfall durch die Kasse nicht möglich. Sie ist darüber hinaus wegen der grossen Zahl der zu behandelnden Fälle und der häufig mehrfachen Positionen innerhalb des Einzelfalls den Krankenkassen in der Regel auch nicht zuzumuten. Das Bundesgericht hatte demnach und gestützt auf das Vertrauensverhältnis zwischen Kasse und Arzt die Beweiseignung der ärztlichen Verrechnung bejaht (vgl. BGE 103 IV 178 ). Dies wurde mit Verweis auf die beschränkte Überprüfung und das Vertrauen in den Arzt bestätigt für die ärztliche Verschreibung von Arzneimitteln, welche ebenfalls Urkundencharakter hat (Urteil des Bundesgerichts 6P.6/2007 vom 4. Mai 2007, E. 9). Die erhöhte Beweiskraft und die Beweiseignung für die Richtigkeit der auf der Rechnung enthaltenen Angaben wurde schliesslich bestätigt in einem Fall, der Rechnungen für Operationen einer chirurgischen Tagesklinik betraf (Urteil des Bundesgerichts 6B_589/2009 vom 14. September 2009, E. 2.2.1).

3.6 Es stellt sich die Frage, ob diese Rechtsprechung auch auf Rechnungen von Therapeuten nach dem Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG; SR 221.229.1) anwendbar ist.

Einerseits erscheint eine Überprüfung im Einzelfall durch die Kasse weder möglich noch zumutbar, was für die Beweiskraft und -eignung und damit die Urkundenqualität spricht. Dies trifft gleichermassen für Rechnungen von Therapeuten wie von Ärzten zu. Andererseits besteht bei Therapeuten oder Patienten in Zusatzversicherungen nach VVG und anhand der vorliegenden Vertragsbedingungen der A. Versicherungen AG aus rechtlicher Sicht nicht zwingend ein Vertrauensverhältnis wie zwischen Kasse und Arzt. Anders als bei der obligatorischen Krankenversicherung existiert hier im Bereich der vom VVG erfassten Zusatzversicherungen zudem keine vergleichbare Normierungsdichte zu Art. 56 (Wirtschaftlichkeit der Leistungen) und Art. 59 (Verletzung der Anforderungen bezüglich Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen) des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10; vgl. Botschaft vom 26. Mai 2004 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung [Vertragsfreiheit], BBl 2004 4293 , S. 4314 f.) oder Art. 59 (Rechnungsstellung im Allgemeinen) der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung ( KVV ; SR 832.102). Eine Garantenstellung (für das Vermögen der Versicherung) aus einem besonderen Vertrauensverhältnis benötigt denn auch eine qualifizierte Rechtspflicht (BGE 141 IV 249 E. 1.1; 134 IV 255 E. 4.2.1; 120 IV 98 E. 2c), die z.B. selbst alleine aus einer arbeitsvertraglichen Treuepflicht nicht hergeleitet werden kann (BGE 113 IV 68 E. 6a). Immerhin ergibt sich aus dem Urteil des Bundesgerichts 6S.364/2005 vom 9. März 2006 (betreffend eines Betruges), dass gemäss Art. 40 VVG der Versicherte (hier: Patient) Tatsachen, welche die Leistungspflicht des Versicherers ausschliessen oder mindern, wahrheitsgemäss mitteilen muss und sie nicht verschweigen darf. Gestützt darauf und auf die besonderen Versicherungsbedingungen hatte das höchste Gericht eine besondere Vertrauensstellung bejaht (E. 1). Damit scheint eine Strafbarkeit von Patienten nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB für ein Einreichen von Rechnungen im Wissen um deren Unrichtigkeit zur Erlangung einer Auszahlung im Allgemeinen gegeben. Weniger geklärt ist die Rechtslage, insbesondere bezüglich des Vertrauensverhältnisses, für einen die Rechnung ausstellenden Therapeuten (vgl. zur konkreten Beziehung zur Versicherung Erwägung 2.1). Es kann wohl nicht ganz ohne Bedeutung sein, dass der Therapeut im Wissen darum Rechnungen stellt, dass er bei Zusatzversicherungen zugelassen ist und sie daher von seinen Patienten dort eingereicht werden können.

Wie es sich damit genau verhält, muss hier nicht geklärt werden. Denn es gilt der aus dem Legalitätsprinzip fliessende Grundsatz in dubio pro duriore (BGE 138 IV 186 E. 4.1). Daraus leitet sich für die Bestimmung des Gerichtsstandes ab, dass im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (statt vieler Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2017.19 vom 11. September 2017, E. 2.2). Von einer Strafverfolgung ist aufgrund des Verfolgungszwanges (Art. 7 Abs. 1 StPO ) nur abzusehen, wenn feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt sind (vgl. Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO betreffend den Voraussetzungen einer Nichtanhandnahme). Beim vorliegenden Stand der Untersuchung kann bezüglich des Therapeuten nicht von einem offensichtlichen Fehlen der Urkundenqualität seiner Rechnungen und seiner Strafbarkeit nach Art. 251 Ziff. 1 StGB ausgegangen werden. Damit ist der Tatbestand der Urkundenfälschung nach Art. 251 Ziff. 1 StGB für die Bestimmung des Gerichtsstandes massgeblich.


3.7 Betrug (Art. 146 Ziff. 1 StGB ) begeht, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. Die Strafandrohung für Betrug lautet auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

3.8 Nach der Rechtsprechung ist die Täuschung arglistig, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe bedient. Diesen Sachverhalt erfüllt insbesondere das Vorlegen rechtswidrig erlangter oder gefälschter Urkunden und Belege (BGE 128 IV 18 E. 3a; 122 IV 197 E. 3d; 125 II 250 E. 3). Urkunden wird gerade wegen ihrer Beweisbestimmung ein höheres Vertrauen entgegengebracht (BGE 125 II 250 E. 3). Man muss sich im Rechtsverkehr auf sie verlassen können (BGE 133 IV 256 E. 4.4.3).

3.9 Verwendet der Täter für einen Betrug gefälschte Urkunden, besteht nach der Praxis des Bundesgerichtes zwischen Art. 251 und Art. 146 StGB echte Gesetzeskonkurrenz (in der Form von "Realkonkurrenz", BGE 138 IV 209 E. 5.5; 129 IV 53 E. 3; 122 I 257 E. 6a; 105 IV 242 E. 3b, je mit Hinweisen).

3.10 Beim vorliegenden frühen Stand der Ermittlungen kann Betrug nicht ausgeschlossen werden. Teilweise wurde nur versucht, die A. Versicherung AG zu einer Vermögensdisposition zu veranlassen (versuchter Betrug). Teilweise, im Umfang von Fr. 55'944.--, war dies erfolgreich. Der Betrug geschah durch das Einreichen von entweder verfälschten Rechnungen des Therapeuten
oder von solchen über nicht erbrachte Leistungen des Therapeuten. Die ge- oder verfälschten Rechnungen wurden wohl zumeist von den Patienten eingereicht. Die Versicherung wurde dadurch über ihre Leistungspflicht getäuscht. Eine Verwendung von Urkunden zur Täuschung würde auch das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfüllen.

Auch die sog. Opfermitverantwortung schliesst eine Strafbarkeit nach dem vorliegenden Stand der Akten nicht aus. Zwar wird die Überprüfungsmöglichkeit juristischer Personen wie Banken und Versicherungen eher hoch eingeschätzt, jedoch sind ihnen Überprüfungen nicht stets zuzumuten, gerade bei kleineren Beträgen und hohen Geschäftsvolumen ( Sägesser , Opfermitverantwortung beim Betrug, Diss Bern 2014, in Abhandlungen zum Schweizer Recht, N.F., Nr. 799, N. 237 f., 247, 277 f.). Während sie Ungereimtheiten nachzugehen haben, dürfen sie eingereichten Dokumenten vertrauen ohne ihre Prüfungspflicht leichtfertig zu verletzen ( Sägesser, N. 250 ff., 313 ff.).

3.11 Die Patienten reichten Rechnungen von demselben Therapeuten ein. Die Rechnungen wiesen allesamt ähnliche Merkmale auf. Während sich aus den Akten beim heutigen Stand keine weiteren konkreten Hinweise auf Absprachen zwischen Therapeuten und Patienten ergeben, muss vorderhand in dubio pro duriore gerichtsstandsrechtlich von einem mittäterschaftlichen Zusammenwirken ausgegangen werden. Damit ist auch der Tatbestand des Betruges nach Art. 146 Ziff. 1 StGB für die Bestimmung des Gerichtsstandes massgeblich.

4.

4.1 Vorliegend ist der Gerichtsstand für die mutmasslichen Delikte der Urkundenfälschung sowie des Betruges zu bestimmen. Beide Delikte unterliegen derselben Strafandrohung: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

Der Tatbestand der Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB gilt an dem Ort ausgeführt , wo die Urkunde gefälscht, somit geschrieben und unterzeichnet wird. Eine Urkunde wird dort nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB zur Täuschung gebraucht, wo sie der geschädigten Person zugänglich gemacht wird ( Baumgartner , Die Zuständigkeit im Strafverfahren, Zürich/Basel/Genf 2014, S. 137).

Betrug als Erfolgsdelikt kann gerichtsstandsrechtlich an den Handlungsort und subsidiär an den Ort des Erfolgseintritts angeknüpft werden. In Bezug auf den Handlungsort besteht die Möglichkeit, über sämtliche Ausführungshandlungen eine gerichtsstandsrechtliche Anknüpfung vorzunehmen. Im Vordergrund steht die arglistige Täuschungshandlung ( Baumgartner , a.a.O., S. 119, 106 f.).

4.2 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO ). Ist eine Straftat von mehreren Mittäterinnen oder Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO ).

4.3 B. sagte in seiner Einvernahme vom 25. Januar 2017 auf mehrfaches Nachfragen das Folgende zum Ort der Tatbegehungen aus:

Er arbeite in der Klinik C. in Z. Er mache Hausbesuche und arbeite auch in der Praxis von Frau D. Er sagte aus, früher bei einer Gemeinschaftspraxis in Z. selbständig gearbeitet zu haben und seither Hausbesuche zu machen. Ab und zu behandle er Patienten bei einem Kollegen von ihm in Z. (S. 3).

Er gebe die Rechnungen der Person, welche die Leistung bezogen habe, mit. Zum Beispiel würden sie zu ihm kommen und er gebe ihnen nach der Behandlung die Rechnung mit. Er reiche die Rechnung bei älteren Personen, welche auf seine Hilfe angewiesen seien, auch selbst für sie ein. In der Regel mache er Hausbesuche und nehme den Massagetisch und die weiteren Gegenstände mit dem Auto mit (S. 4). In der Regel übergebe er die Rechnungen den Kunden und diese würden sie der Krankenkasse einreichen. Er wisse nicht mehr, ob er der A. Versicherungen AG bereits persönlich eine Rechnung zugestellt habe. Er schreibe die Rechnungen von Hand. Seine Fotokopiermaschine sei nicht gut. Er kopiere die Rechnungen bei der Arbeit. Wenn danach ein Patient eine einmalige Rechnung von ihm verlange, dann schreibe er seine Leistungen auf einer der erwähnten Kopien und gebe die Rechnung dem Patienten. Er schreibe die Rechnungen vor, da er nicht zu Hause drucken könne und händige sie den Patienten so aus (S. 5). Die Kunden hätten vollständig ausgefüllte Rechnungen erhalten. Ab und zu hätte er Schriftfehler gemacht und (nachträglich) korrigiert, zum Beispiel wenn das Datum nicht stimmte oder er ein Behandlungsdatum vergessen habe. Er habe die alten Rechnungen zerrissen (S. 6). Es sei auch vorgekommen, dass er auf Anruf von Kunden neue Rechnungen geschrieben und den Kunden per Post zugestellt habe. Dies sei aber selten gewesen, vielleicht 3- bis 4-mal pro Jahr (S. 7). Die Rechnungen seien bei ihm in der Klinik erstellt worden, wenn er während der Nacht gearbeitet habe, während der Pause. Oder bei ihm zu Hause. Oder sofort bei den Kunden, wo er gerade gewesen sei (S. 8).

4.4 Gerichtsstand bezüglich Urkundenfälschungen

Aus den Aussagen von B. ergibt sich kein einheitlicher Tatort für sämtliche Rechnungen. Auch liegt keine Serienherstellung von Rechnungen vor
(vgl. obige Erwägung 3.4), die er schon zwingend im Kanton Basel-Landschaft abgeschlossen hätte. Nach seinen Aussagen habe er die vorkopierten Rechnungen an verschiedenen Orten vervollständigt und es ist nicht ausgeschlossen, dass dies erst bei den Patienten geschehen ist: Auch die Rechnungen der Patienten mit Wohnsitz im Kanton Bern scheinen sich (nur) dadurch zu unterscheiden, wie Tag und Monat (nicht aber Jahr) geschrieben sind (vgl. Beilagen zur Strafanzeige, Laschen 14 und 15), was auch vor Ort geschehen sein konnte. Es wurden somit mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt. Dies führt bereits nach Art. 31 Abs. 2 StPO zum Gerichtsstand des Ortes, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind ( forum praeventionis).

Die Patienten reichten die Rechnungen der Versicherung zumeist über das Leistungszentrum Zürich sowie über dasjenige Bern Mittelland, einmal Lausanne und die Geschäftsstellen Baden, Olten ein. Die Patienten verwendeten zur Einreichung mehrerer Rechnungen zumeist das gleiche Leistungszentrum. Insoweit sie damit Rechnungen über nicht erhaltene Leistungen der Versicherung zur Rückerstattung eingereicht hätten, sind sie der Versicherung wiederum an verschiedenen Tatorten zugänglich gemacht worden. Soweit Mittäterschaft anzunehmen wäre, ginge es um mehrere Taten an verschiedenen Orten, womit nach Art. 33 Abs. 2 StPO ebenfalls das forum praeventionis massgebend wäre.

4.5 Gerichtstand bezüglich Betrug

Der Tatort der arglistigen Täuschungshandlung liegt vorliegend am Ort des Einsendens der unrichtigen Rechnungen. Dieser ist nicht genau bekannt, zumal auch der Therapeut teilweise Rechnungen eingereicht haben will. Die Tatorte werden in der Regel an den Wohnorten der Patienten liegen, eventuell an ihren Arbeitsorten oder an Drittorten. Unbestritten ist, dass es sich um verschiedene Orte in verschiedenen Kantonen handelt. Soweit Mittäterschaft des Therapeuten vorliegt, geht es um mehrere Taten an verschiedenen Orten, womit nach Art. 33 Abs. 2 StPO ebenfalls das forum praeventionis massgebend ist.

5. Insgesamt werden B. Straftaten mit gleicher Strafandrohung vorgeworfen, die an verschiedenen Orten verübt worden sind. Zur Strafverfolgung zuständig sind damit die Behörden des Ortes, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (vgl. Art. 34 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 StPO ). Die erste Verfolgungshandlung geschah mit dem Eingang der Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland am 23. November 2016. Demnach sind die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Bern berechtigt und verpflichtet, die B. sowie den folgenden 17 Versicherten der A. Versicherungen AG zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen: E., F.,G., H., I., J., K., L., M., N., O., P., Q., R., S., T., AA.

6. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO ).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Bern sind berechtigt und verpflichtet, die B. sowie den 17 Versicherten der A. Versicherungen AG zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, den 5. Oktober 2017

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft

- Kanton Basel-Landschaft, Staatsanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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