Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Fallnummer: | SN.2016.13 |
Datum: | 14.06.2016 |
Leitsatz/Stichwort: | Haftverlängerung |
Schlagwörter | Bundes; Sicherheitshaft; Schweiz; Gericht; Kammer; Flucht; Bundesstrafgericht; Verurteilte; Bundesstrafgerichts; Freiheit; Vollzug; Urteil; Freiheitsstrafe; Sicherung; Vollzugs; Fluchtgefahr; Beschuldigte; Tribunal; Beschluss; Aufenthalts; Rechtsmittel; Verhaftung; énal; Vorsitz; Gerichtsschreiberin; Bundesanwaltschaft; Staatsanwältin; Juliette |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 2 StGB ;Art. 212 StPO ;Art. 22 StPO ;Art. 225 StPO ;Art. 227 StPO ;Art. 229 StPO ;Art. 23 StPO ;Art. 231 StPO ;Art. 237 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ; |
Referenz BGE: | 107 Ia 3; 117 Ia 69; 123 I 268; 137 IV 180; 139 IV 94; ; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: SN.2016.13 (Hauptgeschäftsnummer: SK.2015.45 ) |
Beschluss vom 14. Juni 2016 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Walter Wüthrich, Vorsitz, | |
Parteien | Bundesanwaltschaft , vertreten durch | |
gegen | ||
A., c/o Gefängnis Z., amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Remo Gilomen, | ||
Gegenstand | Verlängerung Sicherheitshaft (Art. 231 StPO ) |
Sachverhalt:
A. A. (Verurteilter) wurde mit Urteil des Bundesstrafgerichts SK.2015.45 vom 18. März 2016 wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation (Art. 60 ter Ziff. 1 Abs. 1 StGB), versuchter Förderung der rechtswidrigen Einreise in die Schweiz (Art. 116 Abs. 1 lit. a AuG und Art. 22 StGB ) und Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts in der Schweiz (Art. 116 Abs. 1 lit. a AuG ) zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 8 Monaten verurteilt.
B. Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts verfügte mit Beschluss SN.2016.5 vom 18. März 2016, dass der Verurteilte zur Sicherung des Strafvollzugs vorerst befristet bis zum 17. Juni 2016 in Sicherheitshaft zu behalten sei.
C. Das Urteil SK.2015.45 ist bis zum heutigen Datum noch nicht begründet. Bis zu dessen Rechtskraft kann es unter Umständen in Berücksichtigung möglicher Rechtsmittel wie auch der Gerichtsferien der Rechtsmittelinstanz noch einige Zeit dauern.
Die Strafkammer erwägt:
1.
1.1 Gemäss Art. 231 Abs. 1 lit. a StPO entscheidet das erstinstanzliche Gericht mit dem Urteil, ob eine verurteilte Person zur Sicherung des Straf- oder Massnahmevollzugs in Sicherheitshaft zu setzen oder zu behalten ist ( Forster, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2014, Art. 231 StPO N. 3). Die Sicherheitshaft zielt darauf ab, den effektiven Strafvollzug des Verurteilten sicherzustellen, wenn konkrete Indizien vorliegen, dass er die Absicht hat, ins Ausland zu fliehen oder sich in der Schweiz zu verstecken ( Logos, Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, Bâle 2011, Art. 231 StPO N. 7). Das Bundesgericht hat hervorgehoben, dass die in jedem Verfahren vorhandene abstrakte Möglichkeit der Flucht für die Verhaftung nicht genügt, sondern dass Gründe vorliegen müssen, die eine Flucht nicht nur als objektiv möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen (BGE 107 Ia 3 E. 5). Für die Annahme der Fluchtgefahr bedarf es einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte, wenn er in Freiheit wäre, dem Strafverfahren und dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde (BGE 117 Ia 69 E. 4a). Die Schwere der drohenden Strafe darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden (BGE 117 Ia 69 E. 4a). Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Verhältnisse des Beschuldigten, in Betracht gezogen werden (BGE 117 Ia 69 E. 4a). Es sind auch der Charakter des Beschuldigten, seine finanziellen Ressourcen, sein Bezug zum Land, welches ihn strafrechtlich verfolgt, und seine Kontakte zum Ausland zu analysieren.
1.2 Das Gericht hat bei einer Anordnung von Sicherheitshaft immer das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu wahren. Im Speziellen hat es gemäss Art. 212 Abs. 3 StPO stets zu berücksichtigen, dass die Sicherheitshaft nicht länger dauert als die zu erwartende Freiheitsstrafe. Eine übermässige Haft stellt nämlich eine unverhältnismässige Beschränkung des Grundrechts der persönlichen Freiheit dar (BGE 123 I 268 E. 3a; Forster, a.a.O., Art. 227 StPO N. 8). Eine Haftentlassung unter Anordnung von Ersatzmassnahmen (Art. 237 -240 StPO ) ist von Amtes wegen zu prüfen.
1.3 Die Regel, wonach die Dauer der Sicherheitshaft zu begrenzen ist, gilt auch dann, wenn sie vom erstinstanzlichen Gericht in Anwendung von Art. 231 StPO verhängt wird (BGE 139 IV 94 E. 2.3.1). Die Auslegung von Art. 229 Abs. 3 StPO verweist auf die analoge Anwendung der Art. 225 -227 StPO (BGE 137 IV 180 E. 3.5). Gemäss Art. 227 Abs. 7 StPO ist Untersuchungshaft - bzw. analog die Sicherheitshaft - auf längstens drei Monate, in Ausnahmefällen auf sechs Monate zu befristen. Nach Ablauf der Frist von 227 Abs. 7 StPO hat das Gericht die Haftvoraussetzungen von Amtes wegen neu zu prüfen und die Haft gegebenenfalls für eine bestimmte Dauer zu verlängern (BGE 139 IV 94 E. 2.3.2).
2. Der Verurteilte ist gemäss eigener Angabe irakischer Staatsangehöriger. Gemäss seiner Aussage an der Hauptverhandlung hat er den Irak im Jahre 2010 wegen eines politischen Grundes verlassen, um nach Syrien zu gehen. Dort blieb er ungefähr ein Jahr und einen Monat. Anschliessend reiste er 2012 via Türkei und Italien in die Schweiz. Hier ersuchte er um Asyl, was er vorher erfolglos bereits bei der UNO in Syrien und in der Türkei getan hatte. Er ist aufgrund einer Verletzung invalid und an den Rollstuhl gebunden. Von der Migrationsbehörde wurde er dem Kanton Schaffhausen zugeteilt. Dort war er bis zum Jahre 2013 in einem Altersheim. Im Paraplegikerzentrum in Nottwil wurde er dann medizinisch untersucht und mehrfach operiert. Vor seiner Verhaftung am 21. März 2014 lebte er in Y.. Er hat eine Aufenthaltsbewilligung B. Er bezeichnet einige wenige Personen in der Schweiz namentlich als seine Freunde bzw. Bekannten. Einen vertieften Sozialbezug zur Schweiz hat er nicht. Als erlernten Beruf gibt er Erdölingenieur an. Seine Identität ist nicht gesichert.
3. Auf die Frage des Tatverdachts ist nicht näher einzugehen, da ein erstinstanzliches Urteil vorliegt. Darauf kann verwiesen werden.
4. Für die Annahme einer Fluchtgefahr spricht, dass der Verurteilte in der Schweiz eine befristete Aufenthaltsbewilligung B hat, mit welcher er ohne behördliche Bewilligung nicht arbeiten darf. Mit einer Arbeitsbewilligung kann er in Anbetracht des konkreten hängigen Strafverfahrens nicht rechnen. Dazu kommt, dass er als Invalider aus einem Drittstaat Schwierigkeiten hätte, eine Arbeit zu finden und auch vor seiner Verhaftung keine solche hatte. Seine Identität ist unklar. Er hat eine längere Freiheitsstrafe zu erwarten. Trotz Invalidität bewegte er sich vor seiner Einreise in die Schweiz in diversen Staaten im Raum zwischen Irak und der Schweiz, sodass er als durchaus agil zu bezeichnen ist. Er hat in der Schweiz keine sozialen Bezugspunkte, welche ein integriertes Leben indizieren. Er unterhielt vor seiner Haft Kontakte zu seinem irakischen und syrischen Schleusern und kennt die Möglichkeiten, sich jenseits behördlicher Blicke in diversen Ländern zu bewegen. Dass er in den letzten Monaten keine Anstalten zur Flucht traf, ist die Folge der seit über 2 Jahren bestehenden Haft. Fluchtgefahr ist zu bejahen.
5. Wirksame Ersatzmassnahmen fallen nicht in Betracht.
6. Zusammenfassend steht fest, dass der Verurteilte zur Sicherung des Strafvollzugs weiterhin in Sicherheitshaft zu behalten ist (Art. 231 Abs. 1 lit. a StPO).
7. In Analogie zu Art. 227 Abs. 7 StPO ist die Sicherheitshaft des Verurteilten auf drei Monate zu befristen. Damit bleibt in Anbetracht der vom erstinstanzlichen Gericht ausgesprochenen Freiheitsstrafe auch die Verhältnismässigkeit gewahrt (vorne E. 1.2). Die Sicherheitshaft kann bei Fristablauf verlängert werden.
8. Es werden keine Kosten erhoben.
Die Strafkammer beschliesst:
1. A. wird zur Sicherung des Strafvollzugs vom 17. Juni 2016 bis 16. September 2016 in Sicherheitshaft behalten (Art. 231 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 227 Abs. 7 StPO).
2. Es werden keine Kosten erhoben.
Im Namen der Strafkammer
des Bundesstrafgerichts
Der Vorsitzende Die Gerichtsschreiberin
Dieser Beschluss wird zugestellt an
- Bundesanwaltschaft, Frau Juliette Noto, Staatsanwältin des Bundes
- Rechtsanwalt Remo Gilomen, Verteidiger von A. (Beschuldigter)
- Gefängnis Z. (zur Kenntnis)
Rechtsmittelbelehrung
Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der Strafkammer des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliches Gericht, ausgenommen verfahrensleitende Entscheide, kann innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts geführt werden (Art. 393 Abs. 1 lit. b und Art. 396 Abs. 1 StPO ; Art. 37 Abs. 1 StBOG).
Mit der Beschwerde können gerügt werden: a. Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung; b. die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts; c. Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 StPO).