Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Rechtshilfe |
Fallnummer: | RR.2016.23 |
Datum: | 30.03.2016 |
Leitsatz/Stichwort: | Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Chile. Herausgabe zur Einziehung (Art. 74a IRSG). Akteneinsicht (Art. 80b IRSG). Rechtsverweigerung (Art. 46a VwVG). |
Schlagwörter | Rechtshilfe; Revision; Entscheid; Chile; Beschwerdegegner; Beschwerdekammer; Rechtshilfeverfahren; Verfahren; Herausgabe; Vermögenswerte; Akten; Bundesamt; Justiz; Sachen; Akteneinsicht; Bundesstrafgericht; Revisionsgesuch; Brief; Aussenministerium; Beschwerdegegenstand; Staat; StBOG; Einziehung; Bundesstrafgerichts; Bundesgericht; Vertreter; Anspruch; Republik; Bezug |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 123 BGG ;Art. 124 BGG ;Art. 46 VwVG ;Art. 84 BGG ; |
Referenz BGE: | 136 IV 16; ; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: RR.2016.23 |
Entscheid vom 30. März 2016 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Andreas J. Keller und Nathalie Zufferey Franciolli , Gerichtsschreiber Martin Eckner | |
Parteien | A. , Chile, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Heinrich, Beschwerdeführer | |
gegen | ||
Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe I , Beschwerdegegner | ||
Gegenstand | Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Chile Herausgabe zur Einziehung (Art. 74 a IRSG ); Akteneinsicht (Art. 80 b IRSG ); Rechtsverweigerung (Art. 46 a VwVG) |
Sachverhalt:
A. Mit Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts RR.2015.3 vom 30. April 2015 wurde in Abweisung einer Beschwerde von A. die Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich bestätigt. Danach sind gestützt auf die Sachverhaltsdarstellung eines chilenischen Herausgabeersuchens und auf eine rechtskräftige gerichtliche chilenische Einziehung, Vermögenswerte von rund USD 7.3 Mio. an Chile herauszugeben. Auf die Beschwerde dagegen trat das Bundesgericht nicht ein (Urteil 1C_260/2015 vom 22. Mai 2015).
B. Auf ein Revisionsgesuch der gleichen Person vom 4. Juni 2015 trat die Beschwerdekammer mit Entscheid vom 12. Juni 2015 nicht ein, da die Voraussetzungen für eine Revision fehlten ( RR.2015.160 ).
C. In der Folge wandte sich der Vertreter von A. am 8. Dezember 2015 ein erstes Mal und in der Folge am 18. Dezember und 31. Dezember 2015 weitere Male an das Bundesamt für Justiz (nachfolgend "BJ") und machte geltend, dass sich aus einem beim BJ abgegebenen undatierten Brief ergebe, dass die Einziehung der Vermögenswerte mit Entscheid des Obersten Gerichts von Chile aufgehoben worden sei. Entsprechend sei das Kontoguthaben dem Inhaber freizugeben. Das rechtliche Gehör sei verletzt, weil der Vertreter des Inhabers von diesen Vorgängen nicht in Kenntnis gesetzt worden sei (act. 1.4-1.6). Das BJ teilte am 12. Januar 2016 dem Vertreter von A. mit, dass das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen sei, weshalb der Genannte keinen Anspruch auf rechtliches Gehör hätte, die Botschaft der Republik Chile mitgeteilt habe, dass kein Revisionsurteil des Obersten Gerichts von Chile vorliege und im Übrigen am Verfahren auf Abschluss einer internationalen Teilungsvereinbarung nur Staaten teilnehmen (act. 6.9).
D. Mit Eingabe vom 15. Februar 2016 erhebt A. Beschwerde mit folgenden Anträgen (act. 1):
1. Das Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe, sei anzuweisen,
1.1 dem Beschwerdeführer Auskunft zu erteilen und Akteneinsicht zu gewähren über die Vorgänge zwischen dem chilenischen Aussenministerium und dem Bundesamt für Justiz seit dem Juli 2015;
1.2 besonders über den Verlauf des Briefwechsels zwischen dem chilenischen Aussenministerium und dem Bundesamt für Justiz betreffend den Brief des Aussenministeriums vom 30. September 2015, mit welchem das Aussenministerium dem Bundesamt für Justiz mitgeteilt hat, dass die Sperre des Kontos und Depots Nr. 1 bei der Bank B. AG aufgehoben worden sei;
1.3 das Rechtshilfeverfahren weiterzuführen bis zur definitiven Abklärung des unter 1.1 und 1.2 genannten Sachverhalts;
1.4 die Werte auf dem Konto und Depot Nr. 1 bei der Bank B. AG bis zur definitiven Abklärung des Sachverhalts nicht an Chile auszuliefern.
2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
E. Mit Beschwerdeantwort vom 7. März 2016 beantragt das BJ, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten sei, unter Kostenfolge (act. 6). Der Vertreter von A. reicht am 21. März 2016 eine weitere Eingabe ein (act.9), wovon das BJ am 22. März 2016 in Kenntnis gesetzt wird (act. 12).
F. Auf die Ausführungen in den Eingaben der Parteien wird, soweit erforderlich, im Rahmen der nachstehenden Erwägungen näher eingegangen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1. Vorab stellt sich die Frage, ob - zwingende Voraussetzung für ein Beschwerdeverfahren - überhaupt ein anfechtbarer Beschwerdegegenstand vorliegt.
1.1 Der Beschwerdeführer macht dies mit Bezug auf verweigerte Auskünfte und Untätigkeit, letzteres unter Hinweis auf Art. 17 a IRSG , geltend, allenfalls mit Bezug auf den Brief des Beschwerdegegners vom 12. Januar 2016. Der Beschwerdegegner bestreitet einen Beschwerdegegenstand mit dem Hinweis, das Rechtshilfeverfahren sei mit Rechtskraft des Entscheids der Beschwerdekammer RR.2015.3 vom 30. April 2015 mit dem Nichteintretensentscheid des Bundesgerichts 1C_260/2015 per 22. Mai 2015 abgeschlossen und damit sei die Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 2. Dezember 2014 rechtskräftig und vollziehbar geworden. Im Übrigen würden die chilenischen Behörden an einer Herausgabe festhalten. Nach abgeschlossenem Rechtshilfeverfahren bestehe auch kein Anspruch auf Akteneinsicht.
1.2 Vorliegend ist das Rechtshilfeverfahren mit Bezug auf die auf Herausgabe von Vermögenswerten in dem Sinne abgeschlossen, als die Verfügung der Herausgabe dieser Vermögenswerte an die Republik Chile der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 2. Dezember 2014 durch Abweisung der dagegen gerichteten Beschwerden rechtskräftig und vollziehbar geworden ist. Auf ein Revisionsgesuch gegen den abweisenden Beschwerdeentscheid der Beschwerdekammer wurde nicht eingetreten. Ein hängiges, offenes Rechtshilfeverfahren bezüglich der Herausgabe der genannten Vermögenswerte existiert somit nicht. Ein sonstiger Beschwerdegegenstand, so wie ihn der Beschwerdeführer sehen möchte, existiert ebenfalls nicht. Weder können die Weigerung des Beschwerdegegners, sich auf neue Behauptungen des Beschwerdeführers einzulassen, noch der Brief vom 12. Januar 2016, welcher diese Haltung einfach schriftlich bestätigt und erläutert, als Beschwerdegegenstände angesehen werden. Auch eine Neueröffnung des abgeschlossenen Rechtshilfeverfahrens, soweit dies nach erfolgtem gerichtlichen Entscheid ohne Revisionsentscheid überhaupt möglich ist, ist nicht gegeben.
1.3 Der Beschwerdeführer hat gegenüber dem Beschwerdegegner und im Beschwerdeverfahren neue Umstände behauptet: Er macht geltend, es liege ein Revisionsentscheid des Obersten Gerichts vor, mit welchem die Einziehung der fraglichen Vermögenswerte aufgehoben worden sei. Materiell macht er damit Noven geltend (ob echte oder, eine Revision überhaupt ermöglichende, unechte Noven [vgl. Escher , BSK BGG, 2. Aufl. 2011, Art. 123 N 7], kann offen bleiben). Dafür wäre allerdings das Revisionsverfahren vorgesehen. Für Revision, Erläuterung und Berichtigung von Entscheiden der Beschwerdekammer in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gelten die Artikel 121-129 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 ( SR 173.110, BGG) sinngemäss. Dabei hätte der Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2015.3 vom 30. April 2015 als Entscheid der letzten mit voller Kognition befindlichen Instanz Gegenstand eines Revisionsbegehrens bilden müssen. Betroffen wäre der Revisionsgrund des Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG (nachträgliche erhebliche Tatsachen, die in früheren Verfahren nicht beigebracht werden konnten, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind [echte Noven]). Ein solches Gesuch ist innert gesetzlicher Frist von 90 Tagen nach Entdeckung einzureichen (Art. 124 lit. d BGG ).
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, der bereits einmal in dessen Namen bei der Beschwerdekammer erfolglos ein Revisionsgesuch eingereicht hatte, musste dies bekannt sein. Die vom fall- und rechtskundigen Rechtsvertreter im Dezember 2015 an den Beschwerdegegner gerichteten Schreiben und seine Beschwerde vom 15. Februar 2016 können nicht in ein Revisionsgesuch umgedeutet werden. In Anbetracht der Abklärungen des Beschwerdegegners wäre einem Revisionsbegehren ohnehin kein Erfolg beschieden gewesen: Das angeblich neue Urteil des Obersten Gerichts der Republik Chile vom 23. März 2015, welches auf im diplomatischen Geschäftsverkehr völlig unüblichem und dubiosem Weg dem Beschwerdegegner zugeleitet worden ist, erweist sich aufgrund der auf dem autorisierten Weg dem Beschwerdegegner gegenüber abgegebenen Bestätigung der dazu berufenen chilenischen Behörden als offenkundig unglaubwürdig. Tatsachen müssen jedoch erheblich und geeignet sein, um die Entscheidgrundlage und damit den Ausgang des vorangehenden Verfahrens zu beeinflussen ( Escher , BSK-BGG, a.a.O., Art. 123 N 7), damit auf ein Revisionsgesuch überhaupt einzutreten ist. Das wäre hier in Anbetracht der offiziellen Bestätigung der Rechtslage in Chile offensichtlich nicht der Fall.
1.4 Zufolge fehlenden Beschwerdegegenstandes ist damit auf die Beschwerdeanträge 1.3 und 1.4 nicht einzutreten.
2. Der Beschwerdeführer beschwert sich sodann (Rechtsbegehren Ziff. 1.1 und 1.2), dass ihm keine Akteneinsicht in den Schriftverkehr mit dem chilenischen Aussenministerium gewährt worden sei. Der Beschwerdegegner macht unter Bezugnahme auf BGE 136 IV 16 E. 2.4 geltend, dass nach abgeschlossenem Rechtshilfeverfahren auch kein Anspruch auf Akteneinsicht mehr bestehe.
2.1 Unter der Marginale "Teilnahme am Verfahren und Akteneinsicht" hält Art. 80 b IRSG fest, dass die Berechtigten am Verfahren teilnehmen und Einsicht in die Akten nehmen können, soweit dies für die Wahrung ihrer Interessen notwendig ist. Unter Verfahren im Sinne von Art. 80 b IRSG ist ein Rechtshilfeverfahren zu verstehen. Nachdem, wie oben dargelegt, ein solches im vorliegenden Fall rechtskräftig abgeschlossen und auch kein neues Rechtshilfeverfahren eröffnet worden ist, bestand ganz offensichtlich auch kein Anspruch auf Einsicht in Akten des Beschwerdegegners aus dem Verkehr mit dem ersuchenden Staat im Zusammenhang mit der Abwicklung der rechtskräftig verfügten Herausgabe von Vermögenswerten.
2.2 Die Ablehnung des Ersuchens des Beschwerdeführers auf Einsicht in die Korrespondenz mit der Republik Chile stellt damit ebenfalls keinen anfechtbaren Beschwerdegegenstand dar, weshalb auch auf die Beschwerdeanträge 1.1 und 1.2 nicht einzutreten ist.
3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen. Für die Berechnung der Gerichtsgebühren gelangt das Reglement des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren (BStKR; SR 173.713.162) zur Anwendung (Art. 73 Abs. 1 lit. a und b StBOG, Art. 53 Abs. 2 lit. a StBOG ). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'000.-- festzusetzen (Art. 73 Abs. 2 StBOG; Art. 5 sowie Art. 8 Abs. 3 BStKR ; Art. 63 Abs. 1 und 4 bis VwVG ; Art. 39 Abs. 2 lit. d StBOG und Art. 37 Abs. 2 lit. a StBOG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 IRSG ) und mit dem Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen.
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt; unter Anrechnung des geleisteten Kostenvorschusses in gleicher Höhe.
Bellinzona, 31. März 2016
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :
Zustellung an
- Rechtsanwalt Peter Heinrich
- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe I
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG ).
Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG ). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG).
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