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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BB.2015.128 vom 28.04.2016

Hier finden Sie das Urteil BB.2015.128 vom 28.04.2016 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BB.2015.128

Der Bundesstrafgericht hat eine Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Bundesstrafgerichts vom 28. April 2016, in dem die Strafuntersuchung wegen Bestechung und Geldwäscherei gegen A abgelehnt wurde. Die Beschwerdekammer hat die Beschwerde gutheissen und anerkannt, dass Medienmitteilungen und Korrespondenz mit den Journalisten betreffend das Strafverfahren SV130943 in die Strafakten aufzunehmen sind. Die Beschwerdegegnerin wird angewiesen, die Medienmitteilungen und die Korrespondenz mit den Journalisten betreffend das Strafverfahren SV130943 in die Strafakten aufzunehmen. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 2'000-- für das vorliegende Beschwerdeverfahren zu bezahlen. Der Bundesstrafgericht hat den Beschluss des Bundesstrafgerichts vom 28. April 2016, in dem die Strafuntersuchung wegen Bestechung und Geldwäscherei gegen A abgelehnt wurde, gutheissen und anerkannt, dass Medienmitteilungen und Korrespondenz mit den Journalisten betreffend das Strafverfahren SV130943 in die Strafakten aufzunehmen sind.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BB.2015.128

Datum:

28.04.2016

Leitsatz/Stichwort:

Aktenführung (Art. 100 StPO).

Schlagwörter

Recht; Medien; Verfahrens; Akten; Akten; Verfahrensakten; Behörde; Öffentlichkeit; Journalisten; Orientierung; Korrespondenz; Verfahren; Presse; Rechtsvertreter; Verfügung; Rubrik; Parteien; Antworten; Anfrage; Anfragen; Bundesstrafgericht; Beschwerdekammer; Bundesanwaltschaft; Pressemitteilungen; Hinweis; Medienanfragen; Mediendienst

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 10 StPO ;Art. 100 StPO ;Art. 101 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 382 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 4 StGB ;Art. 428 StPO ;Art. 436 StPO ;Art. 7 StPO ;Art. 73 StPO ;Art. 74 StPO ;

Referenz BGE:

127 I 196; 128 IV 97; 130 IV 140; 134 I 83; ;

Kommentar:

Schweizer, Markus, Basler Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung, Art. 100 StPO, 2014

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2015.128

Beschluss vom 28. April 2016
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz,

Andreas J. Keller und Cornelia Cova,

Gerichtsschreiberin Santina Pizzonia

Parteien

A. , vertreten durch Rechtsanwalt Reza Vafadar,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Aktenführung (Art. 100 StPO )


Sachverhalt:

A. Die Bundesanwaltschaft (nachfolgend "BA") eröffnete am 15. August 2013 gegen A. eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der Bestechung fremder Amtsträger gemäss Art. 322 septies StGB und der Geldwäscherei gemäss Art. 305 bis StGB (Verfahrensakten Bundesanwaltschaft [nachfolgend "Verfahrensakten"], pag. 01.000-0001).

B. Mit einer ersten Fax-Mitteilung vom 26. Oktober 2015 ersuchte der Rechtsvertreter von A. um Zustellung aller Pressemitteilungen und/oder Korrespondenz mit den Journalisten im Zusammenhang mit der Strafuntersuchung. Diese Dokumente würden sich nicht unter der Rubrik 22 des Aktenverzeichnisses befinden (Verfahrensakten, pag. 16.100-0109 f.).

Zur Begründung führte er aus, dass gemäss seinen Informationen Frau B. von der BA alle Informationen des laufenden Strafverfahrens den ukrainischen Journalisten übermittelt habe unter dem Hinweis, dass ein Rechtshilfeersuchen an die ukrainischen Behörden gestellt worden sei und diese über alle Informationen das Schweizer Strafverfahren betreffend verfügen würden. Damit würde die BA Informationen verbreiten, die weder der beschuldigten Person noch seinem Rechtsvertreter zugänglich seien (Verfahrensakten, pag. 16.100-0109 f.). Dieses Ersuchen wiederholte der Rechtsvertreter mit einer zweiten Fax-Mitteilung vom gleichen Tag (Verfahrensakten, pag. 16.100-0114).

C. Mit Fax-Mitteilung 28. Oktober 2015 ersuchte der Rechtsvertreter von A. die BA um detaillierte Auskunft in dieser Sache (Verfahrensakten, pag. 16.100-0110 f.). Die BA teilte dem Rechtsvertreter mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 mit, im Moment nicht weiter Stellung zu den Inhalten der Schreiben vom 26. und 28. Oktober 2015 zu nehmen (Verfahrensakten, pag. 16.100-0117).

D. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 ersuchte der Rechtsvertreter von A. im Nachgang zum Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2015.11 vom 22. Oktober 2015 um Einsicht in die Gesamtheit der Strafakten SV.13.0943 und ohne Einschränkungen (Verfahrensakten, pag. 16.100-0118). Mit Schreiben vom 2. November 2015 teilte die BA dem Gesuchsteller mit, dass sich die rechtshilfeweise in der Ukraine erhobenen Einvernahmeprotokolle derzeit in der Übersetzung befänden und sie ihm nach Eingang der Übersetzungen zeitnah zugestellt würden (Verfahrensakten, pag. 16.100-0119).

E. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 ersuchte der Rechtsvertreter von A. um zwischenzeitliche Zustellung der CD, welche das Dossier SV.13.0943 ohne Einschränkungen samt Pressemitteilungen und E-Mail-Korrespondenz mit den Journalisten beinhalte (Verfahrensakten, pag. 16.100-0120).

F. Mit Schreiben vom 3. November 2015 nahm der Rechtsvertreter von A. Bezug auf das Antwortschreiben der BA vom 29. Oktober 2015 (s. supra lit. C), welches er als ungenügend taxierte, und ersuchte wiederum um Übermittlung der Pressemitteilungen und der Korrespondenz mit den Journalisten (Verfahrensakten, pag. 16.100-0121).

G. Mit Schreiben vom 19. November 2015 hielt der Rechtsvertreter von A. fest, dass sein Gesuch drei Wochen danach noch unbeantwortet geblieben sei. Er wies daraufhin, dass er eine Rechtsverweigerungsbeschwerde einlegen werde, wenn bis Ende November keine Verfügung eingehe (Verfahrensakten, pag. 16.100-0144).

H. Mit Schreiben vom 25. November 2015 stellte die BA dem Rechtsvertreter von A. einen USB-Stick mit den Akten des Strafverfahrens zu (Verfahrensakten, pag. 16.100-0146).

I. Mit Verfügung vom 26. November 2015 stellte die BA die vollständigen Verfahrensakten mit Ausnahme der Rubrik 8.102 "HD C. in Tschechien" sowie das Aktenverzeichnis per 25. November 2015 in elektronischer Form A. zu.

Bezüglich der gemäss A. unvollständigen Rubrik 22 "Medien" hielt die BA in ihrer Verfügung fest, dass diese keine Anfragen von Journalisten und Antworten des Mediendienstes der BA enthalte. Medienanfragen und die dazu ergangenen Antworten würden vom Mediendienst der BA behandelt und seien nicht Bestandteil der Verfahrensakten. Abschliessend gab die BA die beiden Sprachregelungen (auf Deutsch und Englisch) wieder, welche vom Verfahrensleiter zusammen mit dem Mediendienst erarbeitet worden seien ("Die Bundesanwaltschaft (BA) führt seit 2013 eine Strafuntersuchung gegen den ukrainischen Staatsbürger A. wegen des Verdachts der Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322 septies Abs. 2 StGB) und der Geldwäscherei (Art. 305 bis StGB ). Im Rahmen dieser Untersuchung hat die BA unter anderem auch die Ukraine um Rechtshilfe ersucht. Dabei sind die ukrainischen Behörden umfassend über den relevanten Sachverhalt informiert worden und es sind Kopien von den wichtigsten Beweisen an die ukrainischen Behörden übergeben worden. Weitere Informationen können wir mit Blick auf das Untersuchungsgeheimnis nicht herausgeben."). Der Mediendienst habe gestützt auf dieses Wording auf Anfrage Medienvertreter informiert. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes würden die Namen der Journalisten grundsätzlich nicht preisgegeben (act. 1; pag. 16.100-0148).

J. Mit Eingabe vom 7. Dezember 2015 lässt A. Beschwerde gegen die Verfügung vom 26. November 2015 bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts erheben (act. 1). Er beantragt die Aufhebung der Verfügung, soweit sie die Rubrik 22 (Medien) betreffe, und die Aufnahme der Medienmitteilungen und Korrespondenz mit den Journalisten in dieser Sache, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Beschwerdegegnerin (act. 1 S. 2).

Mit Beschwerdeantwort vom 13. Januar 2016 beantragt die BA die Abweisung der Beschwerde unter Kostenauflage an den Beschwerdeführer (act. 5 S. 2). Mit Replik vom 1. Februar 2016 lässt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen festhalten (act. 8). Diese Eingabe wurde der BA am 2. Februar 2016 zur Kenntnis gebracht (act. 9).

Auf die Ausführung der Parteien wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Bundesanwaltschaft kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde nach den Vorschriften der Art. 393 ff . StPO erhoben werden (Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Mit ihr gerügt werden können gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (lit. a), die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) sowie die Unangemessenheit (lit. c). Zur Beschwerde berechtigt ist jede Partei oder jeder andere Verfahrensbeteiligte, welche oder welcher ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides haben (Art. 382 Abs. 1 StPO; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 S. 1308 ).

1.2 Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die von der Beschwerdegegnerin erlassene Verfügung, mit welcher die Akteneinsichtsgesuche vom (26. Oktober 2015) 29. Oktober 2015, 3. November 2015 und 19. November 2015 des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen wurden, die Medienanfragen und die dazu ergangenen Antworten würden vom Mediendienst der BA behandelt und seien nicht Bestandteil der Verfahrensakten. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beschwerdegegnerin habe mit der angefochtenen Verfügung seinen Anspruch auf Akteneinsicht verletzt. Nach Auffassung des Beschwerdeführers hätten die streitigen Dokumente, deren Einsichtnahme er beantragt, zu den Akten genommen werden müssen. Die Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts durch die Parteien (Art. 101 Abs. 1 StPO) setzt die vollständige Aktenführung (Art. 100 Abs. 1 StPO ) voraus. Der Beschwerdeführer ist als Beschuldigter demnach durch die angefochtene Verfügung in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt und zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde legitimiert. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten.

2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Sie kann sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Es genügt, wenn die Behörde wenigstens kurz die Überlegungen nennt, von denen sie sich leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88 [zu Art. 29 Abs. 2 BV ]; Urteil des Bundesgerichts 1A.59/2004 vom 16. Juli 2004, E. 5.2, mit weiteren Hinweisen).

3.

3.1 Der Beschwerdeführer beruft sich auf sein Recht, den Inhalt der Korrespondenz der BA mit den Journalisten zu kennen und bei allfälligen Fehlern eingreifen zu können (act 1 S. 8). Dadurch könne er sich auch vergewissern, dass die Verfahrensleitung im Umgang mit den Medien die Unschuldsvermutung respektiert habe (act. 8 S. 2). Weshalb diese Korrespondenz vertraulich sein soll, sei nicht ersichtlich (act. 1 S. 8). Es erschliesse sich auch nicht, wie auf der einen Seite in den Strafakten eine Rubrik den "Medien" gewidmet werden könne und auf der anderen Seite diese Rubrik aber dann leer bleibe. Gleichzeitig werde die Korrespondenz der BA mit der Presse dadurch der Kontrolle durch die Parteien und der Aufsichtsbehörde über die BA entzogen (act. 1 S. 7). Es sei unfassbar, dass die Verfahrensleitung ein separates Dossier errichte (act. 8 S. 2). Er stelle sich auch die Frage, ob die Korrespondenz namentlich mit dem ukrainischen Journalisten D. nicht zum Zweck gehabt habe, über die Medien einen Druck auf die ukrainischen Behörden zu erzeugen und diese mit Blick auf deren Entscheid hinsichtlich des Rechtshilfeersuchens der BA vom 6. Oktober 2015 zu beeinflussen (act. 8 S. 3).

3.2 Dem entgegnet die Beschwerdegegnerin, dass sie seit Anfang 2015 unzählige Medienanfragen aus Tschechien, der Schweiz und der Ukraine beantwortet habe, die nach dem Erscheinen von Zeitungsberichten insbesondere im Anschluss an eine rechtshilfeweise durchgeführte Hausdurchsuchung bei C. in Tschechien im Dezember 2014 eingegangen seien (act. 5 S. 5). Die Medienanfragen und die dazugehörigen Antworten seien nicht standardmässig in Rubrik 22 abgelegt. Es handle sich um reaktive Orientierungen, welche nicht als Bestandteil des Aktendossiers zu betrachten seien. Reaktive Orientierungen würden offensichtlich keinen prozessual relevanten Vorgang darstellen. Sie stünden demnach nicht im Zusammenhang mit dem Vorantreiben der Untersuchung und würden deshalb in keiner Weise die Rechtsstellung des Beschuldigten berühren. Dies gelte nicht nur für die Antworten des Mediendienstes der BA an die Anfragenden, sondern im Besonderen auch für die Namen der Anfragenden sowie den genauen Inhalt deren Anfragen. Müssten, so die Beschwerdegegnerin weiter, die Namen der Anfragenden und deren konkreten Anfragen standardmässig Eingang ins Aktendossier finden, würden viele Journalisten in bestimmten Ländern - u.a. in der Ukraine - ihre Arbeit nicht mehr sinnvoll und gefahrlos verrichten können. Hinzu komme, dass viele Anfragen von Medienschaffenden schliesslich zu keinem konkreten Presseerzeugnis führen und die reaktive Orientierung der Beschwerdegegnerin dadurch in der Öffentlichkeit überhaupt keine Wirksamkeit entfalte (act. 5 S. 6).

Was die Rubrik 22 anbelange, so benutze sie diese lediglich für die Ablage allfälliger Presseerzeugnisse aus open sources, die von der Verfahrensleitung oder von den Parteien zu den Akten gegeben werden, da sie einen Bezug zur Untersuchung aufweisen und als Beweismittel möglicherweise von Bedeutung sein können. Es sei demnach logisch, dass die Rubrik 22 im Moment nur den ukrainischen Internet-Artikel enthalte (act. 5 S. 6).

3.3 Vorbedingung des aus dem grundrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör abgeleiteten Akteneinsichtsrechts ist das Bestehen von Akten sowie deren vollständige und korrekte Führung ( Markus Schmutz , Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 100 StPO, N. 1).

Zu prüfen ist nachfolgend, ob die streitigen Medienanfragen betreffend das konkrete Strafverfahren und die dazu ergangenen Antworten der Strafbehörde, Bestandteil der Strafakten zu bilden haben.

3.4 Gemäss Art. 100 Abs. 1 StPO wird für jede Strafsache ein Aktendossier angelegt, welches die Verfahrens- und die Einvernahmeprotokolle (lit. a), die von der Strafbehörde zusammengetragenen Akten (lit. b) und die von den Parteien eingereichten Akten enthält (lit. c). Die Verfahrensleitung sorgt für die systematische Ablage der Akten und für deren fortlaufende Erfassung in einem Verzeichnis; in einfachen Fällen kann sie von einem Verzeichnis absehen (Art. 100 Abs. 2 StPO). Das Aktendossier muss alles enthalten, was im Hinblick auf die verfolgte Tat mit einem möglichen Schuldvorwurf und einer allfälligen Strafzumessung in einem thematischen Zusammenhang gebracht werden kann ( Daniela Brüschweiler , in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2014, N. 1 zu Art. 100 StPO, mit Hinweisen auf Praxis und Lehre). Allgemein formuliert sind alle prozessual relevanten Vorgänge aktenkundig zu machen ( Schmutz , a.a.O., Art. 100 StPO N. 9). Diese Dokumentationspflicht hat einerseits Gedächtnis- oder Perpetuierungsfunktion, d.h. die prozessualen Vorgänge werden für spätere Verfahrensstufen festgehalten ( BBI 2006 S. 1155). Sie hat andererseits aber auch Kontroll- oder Garantiewirkung. Die Akten ermöglichen den Parteien und den Rechtsmittelinstanzen die Kontrolle, ob korrekt ermittelt und beurteilt wurde. Sie dienen der Staatsanwaltschaft und den Gerichten als Beleg für die Objektivität der Ermittlung und Beurteilung ( Schmutz , a.a.O., Art. 100 StPO N. 7).

3.5 Die Mitglieder von Strafbehörden bewahren Stillschweigen hinsichtlich Tatsachen, die ihnen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit zur Kenntnis gelangt sind (Art. 73 Abs. 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft kann die Öffentlichkeit orientieren, wenn dies erforderlich ist: a. damit die Bevölkerung bei der Aufklärung von Straftaten oder bei der Fahndung nach Verdächtigen mitwirkt; b. zur Warnung oder Beruhigung der Bevölkerung; c. zur Richtigstellung unzutreffender Meldungen oder Gerüchte; d. wegen der besonderen Bedeutung eines Straffalles (Art. 74 Abs. 1 StPO ).

3.6 Entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin fallen nicht nur die -nach der Terminologie der Beschwerdegegnerin - "aktive" Orientierung der Öffentlichkeit, sondern auch die ein konkretes Strafverfahren betreffenden Medienanfragen und die dazu ergangenen Antworten der Strafbehörde ("reaktive" Orientierung) unter Art. 74 StPO. Zwar ist der Beschwerdegegnerin durchaus zuzustimmen, dass diese Bestimmung auf die "aktive" Orientierung der Öffentlichkeit ausgerichtet ist. Festzuhalten ist aber, dass die Mitglieder von Strafbehörden grundsätzlich uneingeschränkt der Geheimhaltungspflicht gemäss Art. 73 StPO unterstehen, weshalb auch die "reaktive" Orientierung der Öffentlichkeit eine Durchbrechung der in Art. 73 StPO statuierten Geheimhaltungspflicht darstellt. Dabei regelt Art. 74 StPO die Voraussetzungen, unter welchen die Strafbehörden die Öffentlichkeit entgegen der sonst geltenden Pflicht zum Stillschweigen über pendente Straffälle orientieren können. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Antworten der Strafbehörde in den Medien dann allenfalls doch nicht rezipiert werden.

3.7 Gemäss Art. 74 Abs. 3 StPO sind bei der Orientierung der Öffentlichkeit, gleichwohl ob aktiv oder reaktiv, der Grundsatz der Unschuldsvermutung und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu beachten. Wird bei der Orientierung der Öffentlichkeit der Unschuldsvermutung nicht Rechnung getragen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Vorverurteilung von Tatverdächtigen in der Medienberichterstattung je nach Schwere der Rechtsverletzung als Strafminderungsgrund im Rahmen von Art. 47 StGB zu gewichten (s. BGE 128 IV 97 E. 3b/aa, unter Hinweis auf Urteil des Bundesgerichts 9X.1/1998 vom 29. November 1999, E. 25b; s. auch; Hans Wiprächtiger/Stefan Keller , Basler Kommentar StGB I, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 47 N. 160 mit weiteren Hinweisen). Bei vorverurteilenden Äusserungen eines Mitglieds der Strafbehörde in der Öffentlichkeit besteht Anlass zu Zweifeln an dessen Unbefangenheit (BGE 127 I 196 E. 2c S. 200 f.; Urteil des Bundesgerichts 8G.36/2000 vom 25. September 2000, E. 4; s. auch Rolf Jäger , Strafuntersuchung und Medien im Spannungsfeld der Interessen, Zürich/St. Gallen 2010, S. 46 f. N. 126 f.; Markus Boog , Basler Kommentar StPO, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 56 N. 48 ff. mit weiteren Hinweisen).

3.8 Nach der zur Bundesstrafprozessordnung ergangenen Rechtsprechung sind Pressemitteilungen der Strafbehörde nicht anfechtbar (BGE 130 IV 140 E. 2 S. 141 f.). Zur Begründung führte das Bundesgericht aus, es handle sich bei Pressemitteilungen nicht um Akten, welche die Strafuntersuchung vorantreiben und auf diese Weise die Rechtsstellung des Beschuldigten berühren. Es hielt abschliessend fest, dass hinreichende zivil- und strafrechtliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um sich gegen rechtswidrige, namentlich die Unschuldsvermutung oder die Persönlichkeitsrechte verletzende Orientierungen zur Wehr zu setzen (BGE 130 IV 140 E. 2 S. 142). Ob diese Rechtsprechung auch unter der Herrschaft der StPO gilt, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Selbst wenn dies zutrifft, kann daraus nicht gefolgert werden, dass Pressemitteilungen wie auch andere Formen der Orientierung der Öffentlichkeit nicht in die entsprechenden Verfahrensakten abzulegen sind. Eine Pflicht, Presseinformationen der Strafbehörde in die Akten aufzunehmen, und die Anfechtbarkeit der Presseinformation sind unterschiedliche Gegenstände. Insofern ist die Rechtsprechung von BGE 130 IV 140 für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Wie vorstehend wiedergegeben, kann die Strafbehörde die Öffentlichkeit orientieren, wenn dies erforderlich ist, und hat dabei den Grundsatz der Unschuldsvermutung und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu beachten. Die Verletzung der Unschuldsvermutung bei der Orientierung der Öffentlichkeit stellt unter Umständen einerseits einen Strafminderungs- und andererseits einen Befangenheitsgrund dar, welcher zum Ausstand des betreffenden Mitglieds der Strafbehörde führen kann. Daraus folgt, dass das Vorgehen der Strafbehörde bei der Orientierung der Öffentlichkeit verfahrensrelevant ist. Entsprechend ist die Art und Weise, wie die Strafbehörde die Öffentlichkeit informiert, in den Strafakten zu dokumentieren (vgl. auch Franz Zeller , Zwischen Vorverurteilung und Justizkritik, Bern 1998, S. 331 f.). Dass sich aufgrund der internen Organisation und Aufgabenteilung innerhalb der Strafbehörde nicht die Verfahrensleitung sondern die Medienstelle um die Orientierung der Öffentlichkeit kümmert, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen (zur Verantwortung des verfahrensleitenden Staatsanwalts für die Medieninformation auch bei Delegation der Kommunikation s. auch Jäger , a.a.O., S. 199).

3.9 Nach dem Gesagten steht fest, dass die Medienmitteilungen und die Korrespondenz mit den Journalisten betreffend das Strafverfahren SV.13.0943 in die Strafakten abzulegen sind.

3.10 Damit ist die Frage, in welchem Umfang (gegebenenfalls unter Abdeckung der Namen der betreffenden Journalisten) dem Beschwerdeführer Einsicht zu gewähren ist, nicht beantwortet. Darüber ist vorliegend nicht zu befinden.

4. Die Beschwerde ist im Lichte dieser Ausführungen gutzuheissen und die Beschwerdegegnerin ist anzuweisen, die Medienmitteilungen und die Korrespondenz mit den Journalisten betreffend das Strafverfahren SV.13.0943 in die Strafakten aufzunehmen.

5.

5.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 428 Abs. 4 StPO ).

5.2 Der obsiegende Beschwerdeführer hat zudem einen Anspruch auf angemessene Entschädigung für seine notwendigen Aufwendungen im Beschwerdeverfahren (Art. 433 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 436 Abs. 1 StPO ). Grundlage zur Bemessung der Entschädigung bilden Art. 10 und 12 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren (BStKR; SR 173.713.162). Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die dem Beschwerdeführer zu bezahlende Entschädigung auf insgesamt Fr. 2'000.-- festzusetzen.


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Beschwerdegegnerin wird angewiesen, die Medienmitteilungen und die Korrespondenz mit den Journalisten betreffend das Strafverfahren SV.13.0943 in die Strafakten aufzunehmen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 2'000.-- für das vorliegende Beschwerdeverfahren zu bezahlen.

Bellinzona, 28. April 2016

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Rechtsanwalt Reza Vafadar

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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