Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Fallnummer: | SK.2015.4 |
Datum: | 18.03.2015 |
Leitsatz/Stichwort: | Versuchter Mord, eventuell versuchte vorsätzliche Tötung, subeventuell versuchte vorsätzliche schwere Körperverletzung und vollendete vorsätzliche schwere Körperverletzung, Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht, Sachbeschädigung. |
Schlagwörter | Beschuldigte; Apos;; Handgranate; Beschuldigten; Opfer; Bundes; Recht; Verletzung; Strasse; Protokoll; Täter; Splitter; Polizei; Urteil; Klage; Bosnien; EV-Protokoll; Ehefrau; Genugtuung; Explosion; Person; Gericht; Opfers; ätzlich |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 1 StPO ;Art. 10 StPO ;Art. 100 BGG ;Art. 11 StGB ;Art. 116 StPO ;Art. 12 StGB ;Art. 120 ZGB ;Art. 122 StGB ;Art. 122 StPO ;Art. 123 StPO ;Art. 124 StPO ;Art. 126 StPO ;Art. 13 StPO ;Art. 132 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 138 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 14 StGB ;Art. 144 StGB ;Art. 176 ZGB ;Art. 2 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 224 StGB ;Art. 23 AHVG ;Art. 23 StGB ;Art. 23 StPO ;Art. 24 AHVG ;Art. 25 StPO ;Art. 255 StPO ;Art. 26 StPO ;Art. 3 StGB ;Art. 3 StPO ;Art. 309 StPO ;Art. 325 StPO ;Art. 326 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 4 OR ;Art. 4 StGB ;Art. 41 OR ;Art. 42 OR ;Art. 42 StGB ;Art. |
Referenz BGE: | 101 IV 279; 103 IV 241; 104 IV 232; 106 IV 342; 115 IV 111; 115 IV 113; 115 IV 187; 115 IV 26; 116 IV 300; 118 IV 122; 118 IV 167; 118 IV 366; 120 IV 10; 121 IV 49; 125 IV 242; 127 IV 1; 133 IV 1; 136 IV 55; ; |
Kommentar: | Schmid, Schweizer, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxis, 2. Aufl., Zürich, Art. 251 StPO, 2013 |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: SK.2015.4 |
Urteil vom 18. März 2015 | |||
Besetzung | Bundesstrafrichter Peter Popp, Vorsitz, Walter Wüthrich und Emanuel Hochstrasser, Gerichtsschreiber Hanspeter Lukács | ||
Parteien | Bundesanwaltschaft , vertreten durch Staatsanwalt des Bundes Peter Lehmann, und als Privatklägerschaft: 1. B., vertreten durch Rechtsanwältin Pia Gössi, 2. Pensionskasse C., | ||
gegen | |||
A., z. Zt. im Regionalgefängnis Bern, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Stefan Meichssner | |||
Gegenstand | Versuchter Mord, eventuell versuchte vorsätzliche |
Anträge der Bundesanwaltschaft: (cl. 9 pag. 9.925.1-2)
1. A. sei
- des versuchten Mordes im Sinne von Art. 112 StGB in Verbindung mit Art. 22 StGB ,
- der Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht im Sinne von Art. 224 StGB und
- der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 StGB
schuldig zu sprechen.
2. A. sei zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft, zu verurteilen.
3. Für den Vollzug des vorliegenden Urteils sei der Kanton Aargau als zuständig zu erklären.
4. Die sichergestellten Gegenstände gemäss Ziff. 4 der Anklageschrift seien A. auszuhändigen.
5. Rechtsanwalt Stefan Meichssner sei für die amtliche Verteidigung von A. in gerichtlich zu bestimmender Höhe aus der Kasse der Eidgenossenschaft zu entschädigen.
Rechtsanwältin Pia Gössi sei für die amtliche Vertretung des Opfers in gerichtlich zu bestimmender Höhe aus der Kasse der Eidgenossenschaft zu entschädigen.
A. hat die Entschädigung für die amtliche Verteidigung sowie der Vertreterin der Privatklägerschaft an die Eidgenossenschaft zurückzuzahlen, sobald er dazu in der Lage ist.
6. Die Kosten des Verfahrens in der Höhe von insgesamt Fr. 21'555.40 zuzüglich Fr. 8'000.-- Gebühren sowie zusätzlich der durch das Gericht festzulegenden Kosten für das Hauptverfahren seien A. vollständig aufzuerlegen.
7. A. sei zu verpflichten, dem Opfer eine Genugtuung in gerichtlich zu bestimmender Höhe zu entrichten.
8. Die Zivilforderung der Pensionskasse C. sei gutzuheissen und A. sei zu verpflichten, den Schaden in der Höhe von Fr. 3'488.50 zu ersetzen.
Anträge des Opfers (Privatklägerin 1): (cl. 9 pag. 9.925.26)
1. Es sei der Beschuldigte im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen.
2. Es sei der Beschuldigte zu verpflichten, der Privatklägerin einen Schadenersatz von Fr. 75.-- zuzüglich Zins von 5% seit dem 3. April 2014 zu bezahlen.
3. Es sei der Beschuldigte für inskünftig aus und im Zusammenhang mit den verurteilten Strafen anfallenden Kosten dem Grundsatz nach bei einer Haftungsquote von 100% für haftpflichtig zu erklären.
4. Es sei der Beschuldigte zur Zahlung einer Genugtuung an die Privatklägerin in der Höhe von Fr. 40'000.-- zuzüglich Zins von 5% seit dem 3. April 2014 zu verpflichten.
5. Es seien dem Beschuldigten die gesamten Verfahrenskosten inklusive den Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertreterin gemäss der richterlich genehmigten Honorarnote (inkl. MWST) aufzuerlegen.
6. Eventualiter seien die gesamten Verfahrenskosten inklusive den Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertreterin gemäss der richterlich genehmigten Honorarnote (inkl. MWST) auf die Staatskasse zu nehmen ohne Festsetzung einer Rückerstattungspflicht für die Privatklägerin.
Anträge der Privatklägerin 2: (sinngemäss; cl. 5 pag. 15.2.3)
A. sei zu verpflichten, der Pensionskasse C. Schadenersatz in der Höhe von Fr. 3'488.50 zu bezahlen.
Anträge der Verteidigung: (cl. 9 pag. 9.925.84-85)
Hauptanträge:
1. Der Beschuldigte sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
2. Der Beschuldigte sei umgehend aus der Sicherheitshaft zu entlassen.
3. Die beschlagnahmten Gegenstände seien dem Beschuldigten nach Rechtskraft des Urteils herauszugeben.
4. Dem Beschuldigten sei eine Entschädigung von mindestens Fr. 50'626.-- für die erlittene wirtschaftliche Einbusse zuzusprechen.
5. Dem Beschuldigten seien mindestens Fr. 51'900.-- als Genugtuung für die ausgestandene Untersuchungshaft zuzusprechen.
6. Die Privatklagen seien abzuweisen.
7. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
Eventualanträge:
1. Der Beschuldigte sei der versuchten schweren Körperverletzung, der Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht und der Sachbeschädigung schuldig zu sprechen.
2. Der Beschuldigte sei zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, bedingt vollziehbar während einer Probezeit von drei Jahren, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft, zu verurteilen.
3. Die beschlagnahmten Gegenstände seien dem Beschuldigten nach Rechtskraft des Urteils herauszugeben.
4. Die Privatklage der Pensionskasse C. sei im Umfang von Fr. 3'230.05 gutzuheissen.
5. Die Privatklage von B. sei abzuweisen, eventualiter auf den Zivilweg zu verweisen.
6. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
Sachverhalt:
A. Am 3. April 2014 um ca. 06.30 Uhr kam mitten auf der Z.-Strasse in Y. eine Handgranate des Typs M75 zur Explosion. B., welche um diese Zeit etwa auf der Höhe des Explosionsorts auf dem Gehsteig ging, wurde mutmasslich von Stahlkugeln der Granate an der linken Hand und am Unterleib verletzt. Als Tatverdächtiger wurde ihr Ehemann, A., ermittelt. Er wurde am 6. April 2014 beim Grenzübergang Chiasso, von Italien herkommend, festgenommen und befindet sich seither in Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft.
B. Die Bundesanwaltschaft eröffnete am 10. April 2014 ein Strafverfahren gegen A. wegen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 StGB ); hinsichtlich des Tatbestands der versuchten vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB ) vereinigte sie es in der Hand der Bundesbehörden. Am 9. September 2014 dehnte sie das Verfahren auf den Tatbestand des versuchten Mords (Art. 112 StGB ) aus (cl. 1 pag. 1.0.1 ff.) und am 10. Dezember 2014, nach Eingang einer Privatklage, auf den Tatbestand der Sachbeschädigung (Art. 144 StGB ) und vereinigte dieses in der Hand der Bundesbehörden (cl. 1 pag. 1.0.5 f.).
C. B. stellte am 4. April 2014 Strafantrag für alle in Betracht kommenden Antragsdelikte (cl. 5 pag. 15.1.4 f.). Mit Eingabe vom 24. April 2014 liess sie sich durch Pia Gössi anwaltlich vertreten und erklären, sich als Privatklägerin am Strafverfahren zu beteiligen und sich die Geltendmachung von Zivilansprüchen vorzubehalten (cl. 5 pag. 15.1.14 f.). Auf Gesuch vom 14. Mai 2014 (cl. 5 pag. 15.1.20 f.) gewährte ihr die Bundesanwaltschaft die unentgeltliche Rechtspflege mit Wirkung ab 16. April 2014 und setzte Rechtsanwältin Pia Gössi als amtliche Vertreterin ein (cl. 5 pag. 15.1.37 f.). In der Hauptverhandlung bezifferte die Rechtsvertreterin die Zivilklage und begründete sie (cl. 9 pag. 9.920.5, 9.925.26 ff.).
D. Die Pensionskasse C. konstituierte sich mit Eingabe vom 8. Mai 2014 als Straf- und Zivilklägerin und bezifferte ihre Zivilansprüche gegen A. mit Fr. 3'488.50 (cl. 5 pag. 15.2.1 ff.). Zur Begründung führte sie eine Beschädigung von drei Fenstern an der ihr gehörenden Liegenschaft X.-Strasse 1 in Y. durch die Explosion einer Handgranate am 3. April 2014 gemäss Polizeibericht an. Auf eine Teilnahme an der Hauptverhandlung verzichtete sie (cl. 9 pag. 9.562.1).
E. Die Bundesanwaltschaft erhob am 15. Januar 2015 beim Bundesstrafgericht gegen A. Anklage wegen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 StGB ), versuchten Mordes (Art. 112 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB ), eventuell versuchter vorsätzlicher Tötung (Art. 111 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB ), sowie Sachbeschädigung (Art. 144 StGB ; cl. 9 pag. 9.100.1). Auf Einladung des Vorsitzenden, eine Ausdehnung der Eventualanklage auf andere Delikte gegen Leib und Leben zu prüfen (cl. 9 pag. 9.300.3), reichte die Bundesanwaltschaft am 24. Februar 2015 eine ergänzte Anklageschrift ein, mit welcher sie ihre Anklage zusätzlich auf "eventuell versuchte vorsätzliche schwere Körperverletzung (Art. 122 StGB i.V.m. Art. 22 StGB ) sowie vollendete vorsätzliche schwere Körperverletzung (Art. 122 Abs. 2 StGB )" ausdehnte (cl. 9 pag. 9.110.1).
F. Der Vorsitzende der Strafkammer nahm in Vorbereitung der Hauptverhandlung diverse Beweisergänzungen vor (cl. 9 pag. 9.220.1-9.295.2). Die Hauptverhandlung vor Bundesstrafgericht fand am 16. und 17. März 2015 in Anwesenheit der Parteien (ausgenommen die Pensionskasse C.) am Sitz des Gerichts statt. Das Urteil der Strafkammer wurde am 20. März 2015 mündlich eröffnet und begründet.
Die Strafkammer erwägt:
1. Prozessuales
Der Tatbestand der Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 StGB ) unterliegt der Bundesgerichtsbarkeit (Art. 23 Abs. 1 lit. d StPO ), nicht aber die Tatbestände von Mord (Art. 112 StGB ), vorsätzlicher Tötung (Art. 111 StGB ), schwerer Körperverletzung (Art. 122 StGB ) und Sachbeschädigung (Art. 144 StGB ). Bei derartiger gemischter Zuständigkeit kann die Bundesanwaltschaft die Verfahren in der Hand der Bundesbehörden vereinigen (Art. 26 Abs. 2 StPO ), wie es tatsächlich geschehen ist (Sachverhalt Bst. B).
2. Versuchter Mord, eventuell versuchte vorsätzliche Tötung
2.1 Rechtliches
2.1.1 Gemäss Art. 112 StGB macht sich des Mordes schuldig, wer einen Menschen vorsätzlich tötet (Art. 111 StGB ) und dabei besonders skrupellos handelt, indem namentlich sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich ist. Mord liegt damit vor, wenn der Täter unter Umständen oder mit einer Überlegung tötet, die seine besonders verwerfliche Gesinnung oder seine Gefährlichkeit offenbaren (BGE 101 IV 279 E. 1). "Das Gesetz will den skrupellosen, gemütskalten, krass und primitiv egoistischen Täter erfassen, der ohne soziale Regungen ist und sich daher zur Verfolgung seiner eigenen Interessen rücksichtslos über das Leben anderer Menschen hinwegsetzt" (Urteil des Bundesgerichts 6S.163/1998 vom 23. November 1999, Pra 2000 Nr. 73 E. 2c). Zu den für die Beurteilung der Verwerflichkeit oder Gefährlichkeit erheblichen Umständen zählen nach der Rechtsprechung nicht bloss die Tatumstände im eigentlichen Sinne, sondern ebenso Gegebenheiten und Verhaltensweisen vor und nach der Tat, soweit sie Aufschluss geben können über die Persönlichkeit des Täters, dessen Einstellung sowie über die in ihm zur Zeit der Tat ablaufenden psychischen Vorgänge ( BGE 127 IV 1 0 E. I 1a). Ob eine besondere Skrupellosigkeit vorliegt, ist also im Sinne einer Gesamtwürdigung aller äusseren und inneren Umstände des konkreten Falles zu werten (BGE 118 IV 122 E. 2b; Urteil des Bundesgerichts 6B_21/2010 vom 4. März 2011 E.6.3). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kann auch die Kaltblütigkeit bzw. die Gefühlskälte ein Indiz für fehlende Skrupel darstellen ( Schwarzenegger , Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 112 StGB N. 17). Unter den Beweggründen sprechen Habgier oder eine Tötung aus einer nicht nachvollziehbaren Rache für Mord. Das verwerfliche wirtschaftliche Motiv ist nicht nur bei Raub in Betracht zu nehmen (BGE 115 IV 187 E. 2), sondern auch dann, wenn es dem Täter darum geht, sich wirtschaftlich zu entlasten, gerade etwa von Unterhaltsbeiträgen an die getrennt lebende Gattin (Urteil des Bundesgerichts 6B_535/2008 vom 11. September 2008, E. 4.4). Weiter wurde vom Bundesgericht als Mord qualifiziert die Tötung eines Dritten, um seinen Ehegatten dadurch zu "bestrafen" (BGE 106 IV 342 E. 4c). Auf Mord kann auch geschlossen werden, wenn zur Tötung ein besonders gefährliches Mittel verwendet wird, wie gerade Sprengstoff (implizit in BGE 120 IV 10 ).
Für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands genügt Eventualvorsatz. Der Vorsatz muss neben der Tötungshandlung auch die objektive Seite der die besondere Skrupellosigkeit bzw. Verwerflichkeit ausmachenden Umstände umfassen, insbesondere hinsichtlich der Art der Ausführung, beispielsweise das Wissen um die Unkontrollierbarkeit des gewählten Tötungsmittels (Gefährdung anderer Menschen). Dabei ist aber nicht notwendig, dass der Täter sie selber ebenfalls als besonders verwerflich einschätzt. Massgebend ist das Bewusstsein im Moment der Tatausführung ( Schwarzenegger , a.a.O., Art. 112 StGB N. 27).
2.1.2 a) Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern (Art. 22 Abs. 1 StGB). Diese Bestimmung erfasst den altrechtlichen unvollendeten Versuch (Art. 21 Abs. 1 aStGB ), den vollendeten Versuch (Art. 22 Abs. 1 aStGB ) und den untauglichen Versuch (Art. 23 Abs. 1 aStGB ). Im Interesse der klaren Erfassung des Rücktritts bzw. der tätigen Reue und des Unrechtsgehalts der Tat sind diese Unterscheidungen weiterhin zu beachten. Die Erwähnung der Versuchsart im Urteilsdispositiv erübrigt sich ( Trechsel/Geth , Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013 [nachfolgend: Praxiskommentar Strafgesetzbuch], Art. 22 StGB N. 1).
Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos (Art. 22 Abs. 2 StGB ). Diese Art. 23 Abs. 2 aStGB entsprechende, neurechtlich nicht mehr strafbare Versuchsform liegt vor, wenn die Untauglichkeit des Vorgehens des Täters von jedem normal denkenden Menschen ohne weiteres erkannt werden kann, der Täter seine Verhaltensweise nur aus besonders exquisiter Dummheit für tauglich hielt oder der Versuch lächerlich erscheint ( Trechsel/Geth , a.a.O., Art. 22 StGB N. 22 m.w.H.).
Massgebliches Kriterium für die Tauglichkeit des Versuchs ist die Gefährlichkeit; die Abgrenzung zum untauglichen (ungefährlichen) Versuch ist oft schwer ( Trechsel/Geth , a.a.O., Art. 22 StGB N. 16 f., 21). Beim Urteil über die Gefährlichkeit des vom Täter verwendeten Mittels muss ex post entschieden werden, ob die Art des Vorgehens überhaupt geeignet war, den Tatbestand zu verwirklichen, den es gerade nicht verwirklicht hat. Das bedeutet, dass von den Besonderheiten des Einzelfalles abstrahiert werden muss ( Stratenwerth , Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl., Bern 2011, S. 348). Da der Täter nur bei grobem Unverstand straflos bleibt, ist die praktische Bedeutung der Abgrenzung gering ( Stratenwerth , a.a.O., S. 350; Trechsel/Geth , a.a.O., Art. 22 StGB N. 16 f., 21).
b) Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen (Art. 23 Abs. 1 StGB ). Ein solcher Rücktritt setzt voraus, dass der Täter seinen Entschluss zur Begehung des Delikts und damit dessen weitere Ausführung endgültig aufgibt. Dies wiederum erfordert, dass er von Handlungen Abstand nimmt, die gemäss seinem Tatplan zur Erreichung des Erfolgs noch erforderlich sind. Deshalb muss er die Tat für noch vollendbar halten (vgl. Niggli/Maeder , Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 23 StGB N. 7; Trechsel/Geth , a.a.O., Art. 23 StGB N. 3). Aus eigenem Antrieb" tritt nur derjenige zurück, der aus inneren Motiven, unabhängig von äusseren Gegebenheiten seinen Plan nicht mehr weiter verfolgt. Dabei kommt es auf die sittliche Qualität der Beweggründe, aus denen der Täter zurücktritt, prinzipiell nicht an (BGE 118 IV 366 E. 3a).
2.1.3 Das Gericht würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung (Art. 10 Abs. 2 StPO ). Das Gebot will sicherstellen, dass der Richter nicht verpflichtet ist, etwas als erwiesen zu erachten, wenn es dies nach seiner Überzeugung nicht ist, oder umgekehrt etwas als nicht erwiesen anzusehen, worüber für ihn kein Zweifel besteht ( Hofer , Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 10 StPO N. 58). Überzeugt zeigen darf sich das Gericht nur, wenn es jeden vernünftigen Zweifel ausschliessen kann. Die Überzeugung muss durch gewissenhaft festgestellte Tatsachen und logische Schlussfolgerungen begründet werden; dadurch wird die Herleitung des Beweisergebnisses objektiv nachvollziehbar ( Hofer , a.a.O., Art. 10 StPO N. 61). Täterschaft als wichtigstes Sachverhaltselement wird bei der Beweiswürdigung nicht mit quasi naturwissenschaftlichen Mitteln festgestellt, sondern durch Bewertung der erhobenen Beweise normativ zugeschrieben ( Hofer , a.a.O., Art. 10 StPO N. 62). Bestehen unüberwindliche Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat, so geht das Gericht von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus (Art. 10 Abs. 3 StPO ). Nach dem allgemein anerkannten, sinngemäss in Art. 10 Abs. 3 StPO festgehaltenen Grundsatz in dubio pro reo werden erhebliche und unüberwindliche Zweifel zugunsten des Beschuldigten gewertet. Freilich kann dabei nicht verlangt werden, dass die Tatschuld gleichsam mathematisch sicher und unter allen Aspekten unwiderlegbar feststeht. Bloss abstrakte und theoretische Zweifel dürfen nicht massgebend sein, weil solche immer möglich sind. Eine theoretische, entfernte Möglichkeit, dass der Sachverhalt anders sein könnte, rechtfertigt keinen Freispruch ( Hauser/Schweri/Hartmann , Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Zürich 2005, S. 247; Schmid , Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, N. 227, 233). Der richterlichen Beweiswürdigung sind namentlich dort Grenzen gesetzt, wo dem Urteil - zumeist durch entsprechende Gutachten ins Verfahren eingebrachte - wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde zu legen sind. Für ein Abweichen vom Gutachten müssen stichhaltige Gründe vorliegen ( Schmid , a.a.O., N. 232, 951; Hauser/Schweri/Hartmann , a.a.O., S. 246).
2.2 Die Anklageschrift vom 15. Januar 2015 und die geänderte Fassung vom 24. Februar 2015 erheben im Anklagepunkt 1.1 den Vorwurf, A. (nachfolgend: Beschuldigter) habe am 3. April 2014 um ca. 06.30 Uhr in Y. durch den Einsatz einer Handgranate einen versuchten Mord, eventuell eine versuchte vorsätzliche Tötung, an seiner (damaligen) Ehefrau, B., verübt. Gemäss Anklage wurde B. von zwei durch die Handgranate freigesetzten Kugeln getroffen worden und am Mittelfinger der linken Hand sowie am Unterleib verletzt.
Der Beschuldigte bestreitet seit Anbeginn die ihm vorgeworfene Täterschaft.
2.3 Täterschaft
2.3.1 Dass am 3. April 2014, etwa um 06.30 Uhr, auf der Z.-Strasse in Y. ein Sprengkörper - eine Handgranate des Typs M75, welche von der früheren jugoslawischen Armee verwendet wurde - detonierte, ist durch die polizeiliche Spurensicherung nachgewiesen: Zwar fand diese erst am folgenden Tag statt, aber es liessen sich der Sicherungsbügel der Handgranate, Kunststofffragmente und Metallkugeln sicherstellen, und der Fahrbahnbelag wies in der Mitte, 20 Meter westlich der Einmündung der W.-Strasse, eine Beschädigung auf, die auf die Explosion zurückzuführen ist. An Fenstern des Hauses X.-Strasse 1 fanden sich Beschädigungen der Scheibe, die auf den Einschlag eines kleinen Objektes hinwiesen (cl. 3 pag. 10.1.40 ff.). Der Wissenschaftliche Forschungsdienst von Bund und Stadtpolizei Zürich (nachfolgend: WFD) identifizierte den Sprengkörper als Handgranate M75 mit ca. 350 g Gewicht, bestehend aus einem Kunststoffmantel, worin Stahlkugeln von 2,5-3 mm Durchmesser um ca. 35-40 g plastischen Sprengstoff auf der Basis von Nitropenta (PETN) angeordnet sind und beim Einsatz der Handgranate als Splitter wirken. Die Zündverzögerung wird mit 3-4 Sekunden angegeben. Der WFD vermochte in der Fahrbahnprobe und den sichergestellten Metallkugeln Nitropenta nachzuweisen (cl. 3 pag 10.1.72 ff.). Aus diesen Feststellungen ergibt sich zweifelsfrei, dass eine Handgranate M75 an der in der Anklageschrift genannten Örtlichkeit zur Detonation gebracht wurde und dabei die in ihr enthaltenen Metallkugeln wie auch Teile des Kunststoffmantels in die Umgebung geschleudert wurden.
2.3.2 a) A. wurde am 6. April 2014 um 01.10 Uhr festgenommen, als er mit seinem Personenwagen bei der Grenzstelle Chiasso in die Schweiz einreiste (cl. 1 pag. 6.1.6 ff.). Er behauptete gegenüber der Tessiner Polizei anlässlich der Festnahme, er sei am 2. April 2014 um etwa 18 Uhr von seinem Domizil zu einwöchigen Ferien nach Bosnien aufgebrochen. Er sei mit seinem Wagen gegen 21.30 Uhr bei Chiasso ausgereist und am 3. April 2014 gegen 7 Uhr in Bosnien angekommen; dort habe er sich in seinem Haus in V. aufgehalten. Am 5. April 2014 gegen 14 Uhr habe ihn seine in U. wohnhafte Schwester, D., angerufen und davon benachrichtigt, dass ihn die Polizei zu Hause gesucht habe. Er habe sich daraufhin telefonisch bei der aargauischen Polizei gemeldet und sei von ihr auf den Folgetag auf 10 Uhr einbestellt worden. Er habe sich gegen 15 Uhr in Bosnien mit seinem Auto auf den Weg in die Schweiz gemacht (cl. 4 pag. 13.1.3). Er bestätigte diese Aussagen am 7. April 2014 in der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft (cl. 4 pag. 13.1.7-8 [mit kleinen Differenzen zu den Zeitangaben]). Nachdem die aargauische Staatsanwaltschaft im Haftprüfungsverfahren den fotografischen Beweis dafür erbracht hatte, dass der Wagen des Beschuldigten am 3. April 2014 um 12.07 Uhr die Schweiz bei Chiasso verlassen hatte (cl. 1 pag. 6.1.24, cl. 4 pag. 13.1.28), nahm der Beschuldigte von seinem früheren Alibi Abstand und erklärte in der Einvernahme durch die Bundesanwaltschaft vom 22. April 2014, er habe am 3. April 2014 um 06.30 Uhr in seiner Wohnung in T. geschlafen und sei zwischen 09.00 und 09.30 Uhr in Richtung Bosnien abgefahren. Von dort sei er am Samstag wieder abgereist und um 00.30 Uhr in Chiasso festgenommen worden (cl. 4 pag. 13.1.21-22). Am 15. Mai 2014 erklärte der Beschuldigte in der delegierten Einvernahme durch die Bundeskriminalpolizei zuerst, er habe sich am 3. April 2014 zur Zeit des Vorfalls "zuhause, in Bosnien" befunden. Danach habe ihn seine Schwester angerufen und gesagt, er solle die (Aargauer) Polizei anrufen, was er gemacht habe; die Telefonnummer der Polizei habe er von der Schwester erhalten. Die Polizei habe ihm gesagt, er müsse sich am Sonntag um 10 Uhr beim Polizeiposten in Y. melden. In der Folge sagte der Beschuldigte: "Ich war am 3. April in Bosnien, morgens um ca. 09:00 Uhr. Man braucht ca. drei Stunden nach Chiasso. Wann ich in Bosnien angekommen bin, weiss ich nicht mehr genau, ca. abends um 10:00 Uhr." Auf Nachfrage, wann er wirklich in der Schweiz nach Bosnien abgefahren sei, erklärte er, dass er in T. am 3. April 2014 um 09.00 oder 09.30 Uhr abgefahren und in Bosnien um ca. 22.00 Uhr angekommen sei. Der Beschuldigte fügte bei, er sei am 2. April 2014 in einem Club in S. gewesen, und nannte zwei Personen, die ihn dort gesehen hätten - der Chef des Clubs und ein anderer Gast. Letzteren habe er nach Hause, nach ZZ., gefahren. Danach sei er am 3. April 2014 ca. um 00.30 Uhr bei sich zu Hause in T. angekommen. Dann habe er bis 07.00 Uhr geschlafen. Vor der Abfahrt in Richtung Bosnien habe er Kaffee getrunken und Hausarbeiten erledigt (cl. 4 pag. 13.1.36-37).
In der Hauptverhandlung erklärte der Beschuldigte, er habe am 3. April 2014 - zur Zeit der Explosion der Handgranate - geschlafen, sei ca. um 7 Uhr aufgestanden, habe seine Sachen gepackt und sei zwischen 9.00 und 9.30 Uhr nach Bosnien abgefahren. Da er vom Arzt beim letzten Besuch für weitere sieben Tage krankgeschrieben worden sei, habe er sich entschlossen, nach Bosnien zu fahren. Das sei am Donnerstag oder Freitag gewesen. Er habe niemandem von seiner Absicht Bescheid gesagt. Nach drei Tagen habe ihn seine Schwester angerufen und gesagt, dass die Polizei ihn suche; sie habe ihm die Nummer der Polizei per SMS mitgeteilt. Er habe deshalb die Polizei angerufen; diese habe ihm gesagt, er müsse dringend in die Schweiz kommen. Er habe geantwortet, dass er in Bosnien in den Ferien sei. Am Sonntag hätte er um 10 Uhr bei der Polizei in Aarau sein müssen. Diesen Anruf habe er am Freitag gemacht, etwa um 20 Uhr. Es sei zu spät gewesen, um loszufahren. Am Samstag habe er seine Sachen gepackt und sei zwischen 14.30 und 14.45 Uhr in die Schweiz zurückgefahren. In Chiasso sei er festgenommen worden (EV-Protokoll Fragen 53, 55, 56, 58). Wie im Vorverfahren (cl. 4 pag. 13.1.21 Z. 44) erklärte er, dass er nicht wisse, warum er zuerst gelogen und gesagt habe, dass er schon am 2. April am Abend nach Bosnien abgefahren sei (EV-Protokoll Frage 57).
b) Die Aargauer Polizei stellte ab dem nahe dem Explosionsort aufgefundenen Sicherungsbügel der Handgranate Spuren zwecks Erstellung eines DNA-Profils sicher (cl. 3 pag. 10.1.51). Dieses Spurenmaterial hat das aargauische Institut für Rechtsmedizin am 14. April 2014 analysiert und mit dem in der Datenbank vorhandenen DNA-Profil des Beschuldigten - abgenommen am 7. April 2014 (cl. 9 pag. 9.291.6, 9.291.44) - verglichen; es hat dabei Übereinstimmung für die zwei ab der einen Bügelkante und der Bügelfläche gewonnenen Spuren festgestellt (cl. 3 pag. 10.1.53-54). Dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRM Zürich) wurde zwecks Erstellung eines DNA-Gutachtens der Sicherungsbügel am 17. September 2014 zur Verfügung gestellt, ausserdem das besagte DNA-Profil des Beschuldigten aus der Datenbank (cl. 4 pag. 11.0.34 f., 11.0.60 f.). Die Gutachterin entnahm dem Sicherungsbügel drei Stichproben und wertete sie DNA-analytisch aus. Für zwei Proben - gewonnen ab gesamter Grifffläche Vorderseite bzw. ab Bereich oberhalb Grifffläche inklusive Seitenflächen - bestätigte sie in ihrem Gutachten vom 9. Oktober 2014 eine vollständige Übereinstimmung in den 16 vergleichbaren Systemen mit dem DNA-Profil des Beschuldigten. Es wurden schwache zusätzliche Merkmale festgestellt, was nach Ansicht der Gutachterin damit erklärt werden kann, dass vor der Expertise der WFD das sichergestellte Material untersucht habe - nämlich in technischer Hinsicht (vgl. E. 2.3.1). Da sich keine Blut- oder Speichelrückstände nachweisen liessen und Sekrete anderer Art umständehalber ausgeschlossen werden könnten, schliesst das Gutachten, dass die untersuchten Spuren bei der Bedienung der Handgranate auf den Bügel gelangt seien und dass sie von der Haut des Beschuldigten stammten, also nicht von einem Kleidungsstück auf den Bügel übertragen worden seien. Die dritte Stichprobe - gewonnen ab der Rückseite der Grifffläche - enthielt nicht genügend DNA, um ein auswertbares DNA-Profil zu erstellen (cl. 4 pag. 11.0.60-67). Die Gutachterin gab auf Nachfrage hin an, dass das auf dem Sicherungsbügel vorhandene DNA-Profil nur einmal unter rund 10 22 mit dem Beschuldigten nicht verwandten Personen existiere (cl. 9 pag. 9.292.3 f.).
c) B. - wohnhaft an der Z.-Strasse 2 in Y. - sagte im Vorverfahren aus, sie begebe sich fast jeden Morgen zur Familie ihres Sohnes, welche neben dem Bahnhof Y. wohne. Sie betreue dort während der Abwesenheit der Eltern ihre drei Grosskinder. An diesem Tage hätte ihr die Schwiegertochter noch beim Ausfüllen eines Formulars für eine Rentenleistung helfen sollen; sie sei deshalb früher von Zuhause aufgebrochen. Um ca. 06.45 Uhr habe sie, auf dem linksseitigen Trottoir der Z.-Strasse gehend, in der Strassenmitte, genau auf ihrer Höhe, eine Explosion wahrgenommen, als Blitz und Knall. Etwas habe sie an ihrem Finger getroffen. Ein Fahrradfahrer sei vorbeigekommen und habe sie gefragt, ob sie Hilfe brauche, was sie verneint habe. Sie sei weiter gegangen und in das Auto ihrer Schwiegertochter, E., gestiegen, die ihr entgegen gefahren sei, um sie abzuholen. Nachdem ihre Grosskinder in die Schule gegangen seien, habe sie den Polizeiposten aufgesucht, der jedoch geschlossen gewesen sei. Sie habe sich dann über die Notfallnummer bei der Polizei gemeldet, die sie zu ihrer Wohnung beordert hätte; dieses Gespräch erfolgte um 07.27 Uhr und wurde aufgezeichnet (cl. 3 pag. 10.1.7 f.; cl. 9 pag. 9.270.2). Als sie dort angekommen sei, habe ein Polizist gewartet. Sie habe ihm geschildert, was vorgefallen sei. Der Knall sei seitlich gewesen, genau wisse sie es nicht; sie glaube, seitlich von vorne. Später am Tag habe sie ihren Bruder, F., aufgesucht, und sie hätten eine Verletzung an ihrem Bauch entdeckt. Begleitet von ihrem Bruder und dessen Sohn G. sei sie etwa um 18 Uhr ins Kantonsspital Aarau gefahren (cl. 4 pag. 12.1.3 ff. [Einvernahme durch die Kantonspolizei Aargau vom 7. April 2014], pag. 12.1.18 ff. [delegierte Einvernahme durch die Bundeskriminalpolizei vom 16. Mai 2014]).
B. sagte gegenüber der Aargauer Polizei ausserdem aus, der Beschuldigte habe in Bosnien eine Handgranate und eine Pistole besessen. Sie habe nach dem Knall ihren Blick zur Strasse hin gerichtet und gerufen: "A., was machst du mit mir?"; denn sie habe damit gerechnet, dass ihr Mann aus dem Gebüsch treten und auf sie schiessen werde. Gesehen habe sie allerdings niemanden. Jedoch habe sie ihn einige Tage zuvor beim Gebüsch und beim Elektrokasten gesehen, von wo her der Knallkörper geworfen worden sei. Sie erklärte sich überzeugt, dass er es gewesen sei; denn er habe sie los haben wollen, um ihr nach der Scheidung nichts mehr bezahlen zu müssen. "Wer sonst sollte es gewesen sein. Ich habe mit niemandem anderen ein Problem", resümierte sie (cl. 4 pag. 12.1.3 ff.). Am 16. Mai 2014 bestätigte sie gegenüber der Bundeskriminalpolizei diese Aussagen und fügte bei, ihr Mann habe gewusst, dass sie morgens zu den Kindern ihres Sohnes gehe. Er habe genau gewusst, wann sie dort entlang gehe (cl. 4 pag. 12.1.17 ff., insbesondere 12.1.21). Auch anlässlich der Tatrekonstruktion gab sie an, sie wisse ganz genau, dass ihr Mann es gewesen sei. Er sei an vier aufeinander folgenden Tagen auf der Strasse dort hin- und hergefahren; er habe sie fast täglich observiert (cl. 4 pag. 12.1.34 [Einvernahme durch die Bundesanwaltschaft vom 21. August 2014]).
In der Hauptverhandlung bestätigte B. als Auskunftsperson im Wesentlichen ihre im Vorverfahren gemachten Aussagen (EV-Protokoll Fragen 28-31). Sie gab an, der Knall sei seitlich von ihr gewesen, so von der Seite her (EV-Protokoll Frage 35). In einer Skizze zeichnete sie den Ort des Knalls in der Strassenmitte ein, leicht nach vorn versetzt im Vergleich zu ihrem Standort (cl. 9 pag. 9.930.29). Sie erklärte, ihr Mann habe sich neben der Strasse versteckt, bei einem Wald und einem Schulhaus; sie habe ihn daher nicht sehen können. Es sei nicht mehr dunkel gewesen (EV-Protokoll Fragen 28, 30, 31). Zum Polizeibericht vom 8. April 2014, in welchem der Polizeibeamte festhielt, B. habe angegeben, ihren Ehemann auf der Höhe des Schulhauses auf der gegenüberliegenden (Strassen-)Seite gesehen zu haben (cl. 3 pag. 10.1.9), erklärte sie, dass es stimme, was der Polizist geschrieben habe. Sie ergänzte, sie habe der Polizei gesagt, es sei zu 100% ihr Mann gewesen. Sie habe ihn an den zwei Tagen zuvor vom Fenster ihrer Wohnung aus jeweils am Morgen um die gleiche Zeit an dieser Stelle gesehen; am dritten Tag sei der Vorfall mit der Bombe gewesen. Er habe sich dann versteckt. Er habe ganz genau gewusst, wo sie durchgehe und um welche Zeit (EV-Protokoll Frage 32).
d) Die in Y. wohnhafte E. erklärte als Zeugin, sie sei am 3. April 2014 wie üblich ihrer Schwiegermutter B. mit dem Auto entgegen gefahren, um sie auf dem Weg zu ihr abzuholen und zur Wohnung der Familie von E. zu fahren. Sie sei immer recht knapp bei Zeit; weil sie um 07.30 Uhr ihre Arbeit in YY. beginnen müsse, treffe sie ihre Schwiegermutter jeweils zwischen 06.50 und 07.00 Uhr. So sei es auch an jenem Tag gewesen; sie habe sie bei der Bushaltestelle beim ersten Kreisel an der Z.-Strasse einsteigen lassen. Bei der Annäherung habe sie beobachtet, dass die Schwiegermutter sich ständig umgedreht und an einer Hand gerieben hätte. Als sie zusammen auf der Z.-Strasse weiter gefahren seien, um auf der Höhe der XX.-Strasse zu wenden, habe die Schwiegermutter sie auf ein "grosses Loch im Beton" hingewiesen (cl. 4 pag. 12.3.5-6).
e) F. sagte als Zeuge aus, er habe am 3. April 2014 am Morgen seinen Sohn G. zur Arbeit gefahren. Nach Hause zurückgekommen - er wohnt an der Z.-Strasse 3 in Y. - habe er bei der Garage seine Schwester B. und drei Polizisten angetroffen. Auf seine Frage habe sie gesagt, A. habe "ein Explosiv" in ihre Richtung geworfen, und sie habe ihm seinen (recte: ihren) "verletzten Finger" gezeigt. Um ca. 17 bis 18 Uhr sei B. in seine Wohnung gekommen und habe ihm über die polizeiliche Befragung berichtet. Auf Drängen von ihm, seiner Frau und seinem Sohn habe sie ihren Unterleib angeschaut und eine Wunde entdeckt, deren Blutspur er bereits am Morgen an ihren Kleidern bemerkt habe. Er und sein Sohn hätten sie dann in das Spital gefahren. Dort sei ihr in der Nacht in einer Notfalloperation ein Splitter entfernt worden. Um 01.00 Uhr sei die Polizei wieder gekommen, um in Erfahrung zu bringen, "wo das passiert" sei; er hätte sie dann zu der Stelle geführt und ihr Gebüsch und Stromkasten gezeigt, von welchem nach Schilderungen der Schwester das "Explosionsmaterial" gekommen sei. Auf ihrem Telefon habe er mit seinem Sohn die SMS, auf welchen A. gedroht habe, entdeckt gehabt und sie der Polizei gezeigt (cl. 4 pag. 12.6.6-7).
f) Die Aussagen des als Zeuge einvernommenen G. decken sich im Wesentlichen mit denjenigen seines Vaters F. (cl. 4 pag. 12.5.7 ff.).
g) H. gab als Zeuge zu Protokoll, dass er auf seiner Velofahrt am frühen Morgen des 3. April 2014 durch die Z.-Strasse weder einen Knall gehört noch jemanden gesehen, ausser die ihm nicht bekannte B. Da diese gestresst gewirkt habe, habe er angehalten. Sie habe ihm gesagt, ihr Mann habe einen Sprengsatz gezündet, ob er davon wisse, was er verneinte (cl. 4 pag. 12.4.7).
h) Die an der Z.-Strasse wohnhaften Eheleute I. und J. - Letzterer soll laut Angabe von B. gegenüber der Polizei den ganzen Vorfall beobachtet haben (cl. 4 pag. 10.1.10) - gaben dem ermittelnden Polizeibeamten am 4. April 2014 übereinstimmend an, sie hätten am 3. April 2014 um 06.30 Uhr in ihrem Haus einen sehr lauten Knall gehört. Sie hätten danach aus dem Schlafzimmerfenster geschaut und auf der Strasse eine Frau und einen Fahrradfahrer gesehen, welche beide mit den Händen in Richtung des Gebüsches in der Nähe des Stromverteilerkastens gezeigt hätten; etwas Verdächtiges sei ihnen nicht aufgefallen, weshalb sie im Haus geblieben seien. Den Vorfall hätten sie nicht beobachtet (cl. 4 pag. 10.1.22 f.). J. gab weiter an, dass er später am Tag, um ca. 09.30 Uhr, von der Frau, die er vom Fenster aus gesehen habe, vor seinem Haus auf der Strasse angesprochen worden sei, worauf er die Polizei benachrichtigt habe (cl. 3 pag. 10.2.4, 10.2.84). Eine förmliche Einvernahme der Eheleute I. und J. unterblieb.
i) Die Bundeskriminalpolizei hielt im Schlussbericht fest, der Vorfall sei entgegen vorgängigen Aussagen durch niemanden direkt beobachtet worden (cl. 3 pag. 10.2.72).
j) Die polizeiliche Auswertung der Randdaten des Mobiltelefons des Beschuldigten mit der Nr. 4 ergab, dass dieser Anschluss am 3. April 2014 dreimal zwischen 00.13 und 00.19 Uhr und viermal zwischen 07.42 und 08.41 Uhr über eine Antenne an der WW.-Strasse in VV. eingeloggt war. Für die Zwischenzeit steht der Standort des Telefons nicht fest; möglicherweise war es ausgeschaltet. Die technische Untersuchung erlaubt die Feststellung, dass jedenfalls der Wohnort des Beschuldigten im Bereich des Signalsektors liegt; hingegen war vom Tatort aus die besagte Antenne nicht erreichbar (cl. 3 pag. 10.2.21-23). Diese Auswertung erbringt Beweis weder für die Anwesenheit noch die Abwesenheit des Beschuldigten im Tatzeitpunkt - in Bezug sowohl auf den Tatort wie seine Wohnung.
k) Die Auswertung des im beschlagnahmten Fahrzeug des Beschuldigten sichergestellten Navigationsgeräts ergab mehrere Standorte in der näheren Umgebung des Tatorts, insbesondere auch auf der Z.-Strasse in Y. (cl. 3 pag. 10.2.51-53); mangels Zeitregistrierung (Zeitstempel) konnte indes nicht festgestellt werden, wann sich das Gerät an diesen Standpunkten befunden hatte (cl. 3 pag. 10.2.25, 10.2.50). Die Daten erbringen somit keinen Beweis für die Anwesenheit des Beschuldigten in der Umgebung des Tatorts zur bekannten Tatzeit.
2.3.3 Dass die fragliche Handgranate auf der Z.-Strasse in Y. am Morgen des 3. April 2014 durch den Beschuldigten gezündet worden ist, ist durch den DNA-Nachweis anhand des am Tatort vorgefundenen Sicherungsbügels mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen. Die Vorbringen des Beschuldigten vermögen diesen wissenschaftlich fundierten Nachweis seiner Täterschaft nicht in einen erheblichen, unüberwindlichen Zweifel zu ziehen, wie im Folgenden aufzuzeigen ist.
a) Die Verteidigung bringt vor, dass zwischen dem Vorfall und dem Auffinden des Sicherungsbügels der Handgranate M75 mehr als 26 Stunden verstrichen seien, obwohl dieser gut sichtbar bei der Einmündung der W.-Strasse gelegen habe. Die Z.-Strasse sei eine stark frequentierte Hauptstrasse mit Fahr- und Fussgängerverkehr; in unmittelbarer Nähe zum Tatort befinde sich ein Schulhaus. Irgendeine Drittperson hätte den Tatort vor der Spurensicherung bearbeitet haben können; dieser sei nicht gesichert gewesen. Nicht nur das Opfer, sondern auch dessen Bruder F. und der Neffe G. seien vor der polizeilichen Spurensicherung am Tatort gewesen. Es stehe nicht fest, dass der Sicherungsbügel zur detonierten Handgranate gehöre. Gemäss Anklage würden Granaten des Typs M75, wie sie in der jugoslawischen Armee und noch heute in sämtlichen nachfolgenden Armeen auf dem Balkan eingesetzt würden, in sehr grosser Zahl für weniger als 10 Euro auf Schwarzmärkten angeboten. Somit könnte irgendjemand nachträglich einen manipulierten Sicherungsbügel am Tatort hingelegt haben. Der Beschuldigte sei laut den eingeholten Gutachten zwar Spurgeber; dass er am 3. April 2014 tatsächlich die Tatwaffe in der Hand gehalten und geworfen habe, sei damit nicht erwiesen. Auf den Sicherungsbügel könnten DNA-Spuren des Beschuldigten - etwa durch das Opfer selbst oder dessen Bruder F. - mittels persönlicher Gegenstände des Beschuldigten übertragen worden sein (Plädoyer S. 5-6, 13-15).
aa) Es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, die dafür sprechen, dass der Sicherungsbügel der Handgranate vor der polizeilichen Sicherstellung ausgetauscht worden sein könnte und der vorgefundene nicht von der explodierten Handgranate stammt. Dass ein Austauschen aufgrund des Zeitablaufs und der relativ leichten Beschaffungsmöglichkeit von Handgranaten des verwendeten Typs rein theoretisch möglich war, genügt nicht, um Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten zu erwecken.
bb) Auch beim Argument der Spurenmanipulation handelt es sich um ein rein theoretisches Verdachtsmoment. Der Beschuldigte und B. besitzen in Bosnien-Herzegowina gemeinsam ein Haus, in welchem jede Partei über eine eigene Wohnung verfügt, wobei B. auch zu den Räumlichkeiten des Beschuldigten Zugang hat; der Beschuldigte pflegte dort dauernd persönliche Gegenstände, wie Kleider, aufzubewahren, wie er in der Hauptverhandlung zu Protokoll gab (EV-Protokoll Beschuldigter, Fragen 35, 83; EV-Protokoll Sicherheitshaft, Frage 5). Dass das Opfer, dessen Bruder oder ein Einbrecher persönliche Gegenstände des Beschuldigten, namentlich Kleidungsstücke, behändigt und damit eine Spurenübertragung auf den polizeilich sichergestellten Sicherungsbügel vorgenommen haben könnten, ist eine blosse Mutmassung, welche sich nicht auf konkrete Indizien stützt. Die vom Verteidiger diesbezüglich angeführten Indizien, dass B. Zugang zum gemeinsamen Haus hatte und sich dort sowohl im Dezember 2013 als auch bei der gerichtlichen Anhörung vom 27. Februar 2014 gleichzeitig mit dem Beschuldigten aufgehalten habe, wobei sie Zugang zu dessen persönlichen Gegenständen gehabt habe (vgl. EV-Protokoll Beschuldigter, Fragen 35, 69), dass ihr Bruder F. sich häufig in V. aufhalte (vgl. EV-Protokoll Beschuldigter, Frage 77), eine Handgranate M75 hätte beschaffen, ins Haus seiner Schwester gehen und dort eine DNA-Spur des Beschuldigten fabrizieren können und dass gemäss Rapport und Anzeige der Polizei in V. an die Staatsanwaltschaft V. im Haus des Beschuldigten eine unbekannte Täterschaft im Dezember 2013 eingebrochen und dabei mehrere Gegenstände gestohlen habe (cl. 5 pag. 18.3.91 f., 18.3.97 f.), bilden blosse Basis für einen theoretisch möglichen anderen Handlungsablauf. Sie vermögen keine vernünftigen Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten hervorzurufen.
b) Die Verteidigung zieht den Beweiswert der DNA-Gutachten in Zweifel.
aa) Sie bringt vor, im US-amerikanischen Strafprozess gegen O.J. Simpson habe der Gutachter eine Fehlerquote von 0,5% zugegeben. Die Fehlerquote besage, dass eine DNA-Spur fälschlicherweise positiv gewertet werde. Es gehe bei der Fehlerquote nicht um die Wahrscheinlichkeit des Vergleichs, sondern um die möglichen Fehler bei der Erfassung oder Analyse. Eine Fehlerquote von 0,5% führe, auf die Gesamtbevölkerung des Kantons Aargau bezogen, zu 3'180 möglichen Tätern, obwohl nur ein Mensch die DNA-Spur gegeben haben könne (Plädoyer S. 11-12).
Wie vorne erwogen (E. 2.3.2b), wurde der DNA-Nachweis durch zwei voneinander unabhängige Untersuchungen erbracht. Dabei wurde nicht zweimal das gleiche Spurenmaterial ausgewertet, sondern jeweils separat - aber vom gleichen Objekt - entnommene Spuren. Die angewandte Analysemethode wird von der Verteidigung nicht in Frage gestellt (Plädoyer S. 11). Fehler bei der DNA-Analyse selbst können somit mit praktischer Sicherheit ausgeschlossen werden. Es bestehen keine Anzeichen dafür, dass es bei der Entnahme und Aufbewahrung des DNA-Profils des Beschuldigten, welches Basis für den DNA-Vergleich mit den ab dem Sicherungsbügel gewonnenen Spuren bildete, zu Fehlern gekommen sein könnte. Auch bestehen keine Anzeichen dafür, dass die untersuchten DNA-Spuren nicht vom Sicherungsbügel, sondern von irgendeinem anderen Objekt stammen könnten. Rein theoretisch mögliche Fehler bei der Erfassung oder Analyse der DNA-Spuren reichen indes nicht aus, um unüberwindliche Zweifel am Beweisergebnis zu erwecken.
bb) Die Verteidigung bringt vor, das Gutachten des IRM Zürich äussere sich hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass zwei Personen einer bestimmten Menschenmenge das gleiche DNA-Profil aufwiesen, nur zu nichtverwandten Personen. Wie es sich bei verwandten Personen verhalte, sage es nicht. Laut Aussage von B. soll auch der Bruder des Beschuldigten, K., Morddrohungen gegen sie ausgesprochen haben. Die DNA-Wahrscheinlichkeit sei im Vergleich mit dem Bruder des Beschuldigten jedoch nicht bekannt (Plädoyer S. 11).
B. gab in der Einvernahme durch die Bundesanwaltschaft vom 21. August 2014 - nachdem sie bis anhin ihren Ehemann als einzig möglichen Tatverdächtigen bezeichnet hatte - an, K., der Bruder des Beschuldigten, habe L., dem Ehemann ihrer Schwester, gesagt, er solle sie (B.) liquidieren lassen und auch gefragt, wie viel Geld bezahlt werden müsse. Dies habe ihr L. erzählt, nachdem sie sich (letztmals) vom Beschuldigten getrennt habe. Wann das Gespräch zwischen L. und K. stattgefunden habe, wisse sie nicht mehr. Sie sei jedoch nicht direkt von K. bedroht worden, sondern habe dies von L. erfahren (cl. 4 pag. 12.1.35 f.).
Eine solche Behauptung begründet keinen für die Eröffnung eines Strafverfahrens hinreichenden Tatverdacht (Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO ). Somit bestand keine Veranlassung, beim Bruder des Beschuldigten ein DNA-Profil zu erstellen, um es mit dem sichergestellten Spurenmaterial vergleichen zu können (Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO ). Dass die Voraussetzungen für eine Massenuntersuchung gemäss Art. 256 StPO vorgelegen hätten, behauptet auch die Verteidigung nicht. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass zwar DNA-Tests auch verwendet werden, um die Verwandtschaft zweier Menschen zu belegen; gesucht wird also eine positive Wahrscheinlichkeit der Verwandtschaft. Vorliegend geht es um die Frage, ob die Spur auf dem Sicherungsbügel dem Beschuldigten zuzuordnen ist. Begründete Zweifel könnten also erst entstehen, wenn ein Vergleich des DNA-Profils auf dem Sicherungsbügel mit dem DNA-Profil eines Verwandten zu einer signifikanten Wahrscheinlichkeit einer Zurechnung führte. Dies ist nicht möglich, solange keine Verdachtsmomente gegen Verwandte vorliegen oder Verwandte sich als Nichtbeschuldigte nicht freiwillig einer körperlichen Untersuchung unterziehen (vgl. Schmid , Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, Art. 251 StPO N. 10).
c) Der Umstand, dass anlässlich der Hausdurchsuchungen in der Mietwohnung des Beschuldigten in T. (cl. 2 pag. 8.1.1 ff., 8.1.14 ff.) und in seiner Liegenschaft in V., Bosnien (cl. 5 pag. 18.3.1 ff., 18.3.12, 18.3.22 ff.), keine auf die angeklagte Tat hinweisende Gegenstände, namentlich keine Waffen, gefunden wurden, entlastet den Beschuldigten nicht (vgl. Plädoyer S. 9 f.). Für die Verübung der Tat war eine einzige Waffe - die tatsächlich explodierte Handgranate - erforderlich.
d) Der Umstand, dass die Auswertung der Telekommunikationsdaten ergab, dass der Anschluss des Beschuldigten mit der Nr. 4 am 3. April 2014 dreimal zwischen 00.13 und 00.19 Uhr und viermal zwischen 07.42 und 08.41 Uhr über eine Antenne an der WW.-Strasse in VV. eingeloggt war (E. 2.3.2j), vermag den Beschuldigten nicht zu entlasten (Plädoyer S. 8). Aufgrund der örtlichen Nähe seines Wohnorts zum Tatort war es dem Beschuldigten ohne weiteres möglich, sich in der fraglichen Zeit an den Tatort und wieder nach Hause zu begeben.
e) Der Umstand, dass die Auswertung des Navigationsgeräts des Beschuldigten keinen Hinweis auf dessen Aufenthalt am Tatort zur Tatzeit ergab (Plädoyer S. 8 f.), vermag ihn nicht zu entlasten. Der Beschuldigte räumte im Übrigen ein, dass er - ausser am 3. April 2014 - die Z.-Strasse in Y. während seiner Arbeitsunfähigkeit im ersten Quartal 2014 oft befahren hatte (EV-Protokoll Frage 65).
f) Die Verteidigung bringt vor, die Aussagen des Opfers seien unter verschiedenen Aspekten, namentlich auch aufgrund des Verhaltens nach der Tat, unglaubwürdig. Für B. habe die Täterschaft des Beschuldigten von Anfang an festgestanden, obwohl sie diesen beim Vorfall vom 3. April 2014 nicht - jedoch mehrmals in den Tagen zuvor an gleicher Stelle - gesehen haben will. Es erstaune, dass sie den Beschuldigten wiederholt zu "1000%" bzw. zu 100% als den Täter bezeichne, ihn aber ausgerechnet zur Tatzeit nicht gesehen habe (Plädoyer S. 18). Total unglaubwürdig sei, dass sie die laut ballistischem Gutachten mit bis zu 650m/s Geschwindigkeit weggeschleuderten Teilchen der Handgranate habe durch die Luft fliegen sehen (Plädoyer S. 21). Erstaunlich sei, dass sie zwar einen Knall gehört und Licht gesehen, aber keine Druckwelle gespürt und trotz des hohen Knalldruckpegels keine zumindest vorübergehenden Gehörsschäden erlitten habe (Plädoyer S. 7 f.). Sie habe zwar eine kleine Verletzung am Finger wahrgenommen, die Verletzung an ihrem Bauch mit Blut aber erst ca. um 18.00 Uhr entdeckt (Plädoyer S. 4, 19 f.). Fraglich seien ihre Mutmassungen zum Standort des Handgranatenwerfers, weil dieser beim Wäldchen keine genügende Deckung gehabt hätte (Plädoyer S. 20 f.).
Wohl hat B. zu einer Täterschaft des Beschuldigten widersprüchliche Angaben gemacht und Wahrnehmung mit innerer Überzeugung vermischt (vgl. E. 2.3.2c). Sie vermag zudem Ereignisse auf der Zeitachse nicht richtig einzuordnen. Es ist indes notorisch, dass eine Person, welche von einem heftigen Ereignis mehr oder weniger direkt betroffen ist, den mentalen Fokus darauf richtet, was die Erinnerung an die Begleitumstände schmälert. Als Auskunftsperson erscheint B. deswegen nicht als generell unglaubwürdig. Die Verlässlichkeit des DNA-Gutachtens wird durch die teilweise widersprüchlichen Aussagen des Opfers zudem in keiner Weise erschüttert. Die Tatsache, dass am 3. April 2014 auf der Z.-Strasse in Y. eine Handgranate explodierte (vorne E. 2.3.1), wird im Übrigen auch von der Verteidigung nicht in Frage gestellt.
g) Die Verteidigung macht eine Inszenierung der Explosion der Handgranate durch das Opfer selbst, allenfalls unter Mitwirkung seines Bruders F., geltend. Nach der Explosion habe sich B. zuerst zur Schwiegertochter begeben, die Grosskinder zur Schule geschickt und sei erst danach zur Polizei gegangen. Sie habe gemäss ihrem Notruf der Polizei den Tatort zeigen wollen und sich freiwillig kurze Zeit später zum Tatort zurückbegeben, was bei einer Person, die Angst habe, eher selten sei (Plädoyer S. 18 f.). B. wolle die Bauchverletzung erst um ca. 18 Uhr bemerkt haben; danach sei weitere Zeit verstrichen, bis sie sich um 20.15 Uhr in die Notaufnahme des Kantonsspitals Aarau begeben habe - 13,5 Stunden nach der mutmasslichen Tat. Die Verletzung hätte ihr früher, etwa bei einem Toilettenbesuch, auffallen müssen, zumal ihre Kleider ein durchgehendes Loch aufgewiesen hätten. B. habe vor dem Gang ins Spital - welcher erst die polizeiliche Spurensuche ausgelöst habe (Plädoyer S. 5) - zuerst mit ihrem Bruder noch "Kriegsrat" abhalten müssen, um sicher zu sein, dass ihr Ehemann als Hauptverdächtiger erscheine (Plädoyer S. 19 f.). Die Handtasche, die sie am 3. April 2014 dabei gehabt habe, habe sie in der Waschmaschine gewaschen, möglicherweise um Spuren zu verwischen - sie könne die Handgranate darin selber zum Tatort getragen haben (Plädoyer S. 20). B. könne sich mit einer selbst verursachten Explosion am Ehemann - dem sie die Schuld für den Widerruf ihrer IV-Rente zutrage - gerächt haben wollen, da dieser zwangsläufig als Tatverdächtiger erscheine, und gleichzeitig - durch die erlittenen Verletzungen - einen neuen Grund für die erneute Zusprechung einer IV-Rente geschaffen haben (Plädoyer S. 21-25). Das Verhalten ihres Bruders sei nicht minder suspekt. F. wolle seinen Sohn um 07.10 Uhr zur Arbeit in UU. gefahren haben; er könne also schon zur Tatzeit um ca. 06.30 Uhr in der Nähe des Tatorts gewesen sein. Er sei zusammen mit dem Opfer um ca. 11.10 Uhr am Tatort erschienen, also lange, bevor der Sicherungsbügel mit der DNA sichergestellt worden sei. Er habe schon am Morgen eine Verletzung am Bauch des Opfers festgestellt, obwohl dieses selber nichts bemerkt haben will, und kenne die Einzelheiten der Tat so gut wie das Opfer selbst, ohne angeblich dabei gewesen zu sein. Wenige Tage zuvor sei er in Bosnien gewesen, hätte eine oder gar mehrere Handgranaten erwerben und mit Kleidern des Beschuldigten aus dessen Haus eine DNA-Spur fabrizieren können (Plädoyer S. 27 f.).
Diese Vorbringen, welche eine Inszenierung der Tat als möglich erscheinen lassen sollen, begründen keine stichhaltigen Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten. Sie bilden bloss eine theoretische Konstruktion, die auf einer beliebigen Interpretation von Indizien beruht. Hinsichtlich einer DNA-Spurenmanipulation sowie des möglichen Erwerbs einer Handgranate kann auf das Gesagte verwiesen werden (E. 2.3.3a/bb). Zu ergänzen ist, dass B. - hätte sie mit dem Waschen ihrer Handtasche Spuren verwischen wollen - den Waschvorgang anlässlich der Einvernahme vom 21. August 2014, zu der sie die fragliche Handtasche mitbrachte, kaum von sich aus erwähnt oder aber die Tasche bereits früher entsorgt hätte (cl. 4 pag. 12.1.33). Die an Kleidungsstücken - Hose und Unterwäsche - im Bereich des Unterleibs fotografisch dokumentierten Blutspuren sind minim (cl. 3 pag. 10.1.76 f.). Es ist daher naheliegend, dass B. gegenüber der Polizei diese Blutspuren der Verletzung am Finger zuschrieb (cl. 3 pag. 10.1.2; cl. 4 pag. 12.1.5). Auch dass ihr das kleine Loch an den Kleidungsstücken im Bereich der Blutspuren (cl. 3 pag. 10.1.74) nicht auffiel, ist nachvollziehbar, zumal sie nur wahrnahm, dass ein Gegenstand an den Mittelfinger der linken Hand geprallt sei (cl. 3 pag. 10.1.2). Der auf das Eindringen einer Stahlkugel in den Unterleib zurückzuführende Substanzdefekt der Haut ist 0,3 bis 0,5 cm gross (cl. 4 pag. 11.0.2). Der Umstand, dass B. diese äusserlich kleine Bauchverletzung erst am Abend bemerkt hatte, als sie von ihrem Bruder aufgefordert worden war, wegen dem Blut auf der Hose nachzusehen, ist wohl darauf zurückzuführen, dass sie keine Schmerzen verspürte (vgl. cl. 4 pag. 12.1.5, 12.6.7). Die Bauchverletzung selbst wurde von F. nicht früher festgestellt, sondern "an der Jeanshose eine Verletzung [...] und eine Blutspur" (cl. 4 pag. 12.6.6). Dass B. mit ihrem Bruder - welcher im Nachbarhaus wohnt - den Tatort aufgesucht haben soll, steht nicht fest. Gemäss Rapport rückte die Polizei am 3. April 2014 um ca. 11.10 Uhr an die Z.-Strasse 2, den Wohnort des Opfers, aus, wo dieses mit dem Bruder erschien und ergänzend befragt wurde (cl. 3 pag. 10.1.10). Aus dem Umstand, dass B. der Polizei nach dem Notruf den Tatort zeigen wollte (cl. 9 pag. 9.270.3, cl. 4 pag. 12.1.20 Z. 5 f.), kann nichts zu Gunsten des Beschuldigten abgeleitet werden. Die von der Verteidigung angeführten Indizien stützen deren These einer kontrollierten Selbstverletzung des Opfers mit einer Handgranate auf offener Strasse nicht. Es kommt hinzu, dass - anders als etwa beim Gebrauch einer Schusswaffe zwecks Selbstverletzung - für eine Person, welche eine Handgranate zur Detonation bringt, nicht steuerbar ist, welche Teile des Körpers getroffen werden (cl. 4 pag. 11.0.3).
h) Die Verteidigung bringt vor, das Opfer habe gemäss medizinischer Untersuchung im Kantonsspital am Abend des 3. April 2014 weitere Hautunterblutungen aufgewiesen, die nicht von der Handgranatenexplosion stammten, sondern ihm einige Tage vor der Tat mit einem stumpfen Gegenstand zugefügt worden sein müssten. Deren Urheberschaft sei unbekannt; der Beschuldigte könne es nicht gewesen sein, da er in dieser Zeit keinen direkten Kontakt mit dem Opfer gehabt habe (Plädoyer S. 25).
Die angeführten Hautunterblutungen sind durch einen medizinischen Bericht erstellt und können nicht auf die Explosion der Handgranate zurückgeführt werden (cl. 3 pag. 11.0.3). Eine allfällige Fremdurheberschaft dieser Verletzungen mit der Explosion der Handgranate in Verbindung zu bringen, entspringt indes blosser Theorie.
2.4 Objektiver Tatbestand
2.4.1 a) B. wurde am 3. April 2014 eine Metallkugel mit einem Durchmesser von 2-3 mm (cl. 3 pag. 10.1.63, 10.1.73) operativ aus dem Unterleib entfernt. Das Objekt drang 72 mm tief in die Weichteile ihres Körpers ein, jedoch ohne das Bauchfell zu durchstossen (cl. 4 pag. 11.0.43). Ausserdem wurde ein kleiner, oberflächlicher Defekt am Nagel des linken Mittelfingers festgestellt. Die Körperschäden wurden fotografisch dokumentiert. Gemäss Untersuchungsbericht des Kantonsspitals Aarau vom 14. April 2014 waren die Verletzungen frisch und konnten naheliegenderweise mit der Explosion einer Handgranate erklärt werden (cl. 4 pag. 11.0.1 ff.).
b) Die Aussagen des Opfers (E. 2.3.2c) und der ärztliche Bericht beweisen, dass B. von zwei Kugeln der Handgranate, die am Morgen des 3. April 2014 auf der Z.-Strasse in Y. ungefähr auf der Höhe der Einmündung der W.-Strasse detonierte, getroffen und verletzt wurde. Dieses Ergebnis wird durch eine im Vorverfahren bei DDr. Beat Kneubuehl eingeholte Expertise bestätigt, welche das Gefährlichkeitspotential einer explodierenden Handgranate M75 analysiert. Bauartbedingt ist der Streubereich nicht in allen Sektoren um den Detonationspunkt herum identisch und werden die Kugeln nicht alle gleichermassen beschleunigt. Das Gesamtbild - schematisch dargestellt als Halbkreis um die Handgranate (Abbildung 8) - zeigt jedoch, dass mit Ausnahme eines kleinen Sektors - in welchem das Opfer nicht mehr als 2 m vom Detonationspunkt hätte entfernt sein können - auf eine Entfernung von fünf bis zehn Metern Kugeln mit einer Energie geschleudert werden, welche eine Verletzung, wie sie B. erlitten hat, hervorrufen können (cl. 4 pag. 11.0.36 ff., besonders 11.0.47-48). Aufgrund der Splitterdichte und der tatsächlichen Trefferquote von zwei Splittern schloss der Gutachter praktisch aus, dass das Opfer näher als 2 m oder mehr als 8 m vom Detonationspunkt entfernt war (cl. 4 pag. 11.0.52). Die Z.-Strasse ist an der fraglichen Stelle 7,45 m breit, das angrenzende südliche Trottoir, auf dem B. in westlicher Richtung ging, 2 m (cl. 3 pag. 10.1.47; cl. 9 pag.9.291.42). Die Detonationsstelle konnte im Teerbelag in Form einer Malmzone ermittelt werden und liegt unmittelbar neben (südlich) der Mittelleitlinie (cl. 3 pag. 10.1.37, 10.1.43 f.). Befand sich das Opfer, wie es anfänglich zu Protokoll gab (cl. 4 pag. 12.1.4 i.V.m. 12.1.12, ebenso pag. 12.1.19 i.V.m. 12.1.25), auf gleicher Höhe, so betrug seine Distanz ab Trottoirmitte rund 4,7 m; ging es mittig auf der rechten (strassenseitigen) Trottoirhälfte, betrug die Distanz rund 4,2 m, ging es mittig auf der linken Trottoirhälfte, rund 5,2 m. B. gab später auch zu Protokoll, der Knall sei "seitlich von vorne" gekommen (cl. 4 pag. 12.1.20) bzw. "so von der Seite her" bzw. gemäss einer Skizze leicht von vorne (EV-Protokoll Frage 35). Nimmt man an, der Detonationspunkt sei (höchstens) gleich weit nach vorne versetzt gewesen wie das Opfer von der Mittellinie der Strasse entfernt war - er also in einem 45°-Winkel statt in einem 90°-Winkel zur Gehrichtung gelegen hätte -, so betrug nach dem Satz des Pythagoras bei einer mittleren Entfernung des Opfers zur Mittelleitlinie von 4,7 m die Distanz zum Detonationspunkt maximal rund 6,7 m; bei seitlichen Entfernungen von 4,2 m bzw. 5,2 m ergeben sich Distanzen von rund 6 m bzw. 7,4 m. Auch wenn mithin die Handgranate nicht seitlich, sondern leicht nach vorne versetzt explodiert wäre, befand sich B. jedenfalls im Risikobereich einer Verletzung. Die Feststellungen des Experten bestätigen ausserdem die Aussage des Opfers, dass die Explosion wenige Meter von ihm entfernt gewesen sei (vgl. cl. 4 pag. 12.1.20).
2.4.2 Die konkrete Frage, ob der effektive Einsatz der Handgranate zum Tod des Opfers hätte führen können, wurde dem Experten nicht unterbreitet (cl. 4 pag. 11.0.27-28). Sein Gutachten spricht sich nur allgemein über die Wirkungen der Explosion einer Handgranate des Typs M75 aus. Der Experte benutzte als Grundlage die Resultate aus einer vom deutschen Militär im Jahre 1993 durchgeführten Versuchsreihe (cl. 9 pag. 9.293.3 ff.). Am 30. September 2014 beantwortete er schriftlich die ihm zur Wirkung gestellten Fragen (cl. 4 pag. 11.0.27-28) im Wesentlichen wie folgt:
a) Die Detonationswelle, also der durch die Explosion erzeugte steile Druckanstieg, bleibt für Menschen ab einer Entfernung von 7,5 m vom Detonationspunkt unschädlich. Bei kleineren Distanzen ist (ohne Gehörsschutz) mit Gehörsschäden zu rechnen, die zunächst noch reversibel sind, mit zunehmendem Knalldruckpegel jedoch bleibend (Ohrgeräusche, Frequenzeinbrüche). Die Schadensgrenze für das Trommelfell wird nicht erreicht (cl. 4 pag. 11.0.46-47, 11.0.50-51, 11.0.59).
b) Der Explosivstoff der Handgranate M75 ist durch einen Mantel mit knapp 2'900 Kugeln mit einem Durchmesser von 2 bis 3 mm umgeben (cl. 9 pag. 9.293.13). Wie viele Kugeln auf eine Fläche von 1 m 2 respektive auf das Profil eines stehenden Menschen auftreffen, hängt von der Entfernung und der Abgangsrichtung - ab einer liegend explodierenden Granate - ab. Die entsprechenden Splitterdichten sind im Gutachten tabellarisch für diese beiden Variablen aufgelistet, in Tabelle A4 pro m 2, in Tabelle A5 pro Profil (Frontfläche 0,7 m 2) (cl. 4 pag. 11.0.46, 11.0.51, 11.0.57 f.).
c) Die Aufprallenergie der Kugeln lässt sich aus der Anfangsgeschwindigkeit mithilfe eines "Aussenballistik-Programms" errechnen. Sie ist im Gutachten in Abhängigkeit von Entfernung und Abgangsrichtung tabellarisch aufgelistet (Tabelle A2). Anhand der Splitterenergiedichte (Energie pro Aufprallfläche), deren Werte mit den gleichen Parametern (Entfernung/Richtung) in Tabelle A3 aufgelistet sind, wird die Penetrationsfähigkeit des Projektils beurteilt (cl. 4 pag. 11.0.44-45, 11.0.51, 11.0.55-56).
d) Ausgehend von der auf Basis der Eindringtiefe ermittelten Querschnittsbelastung (Verhältnis von Masse zu Querschnittsfläche in Bewegungsrichtung) beim Auftreffen der Kugel auf den Körper des Opfers errechnete der Gutachter die Aufprallenergie, unter Berücksichtigung des Energieverlusts beim Durchschlagen der Kleidung. In Relation zur Abgangsgeschwindigkeit ermittelte er die mögliche Position des Opfers, d.h. segmentabhängige Distanzbereiche, in denen die für die Erzeugung der Verletzung möglichen Energien erreicht werden. Der mögliche Bereich ist in Abhängigkeit von Entfernung und Abgangsrichtung schematisch dargestellt (Abbildung 8). Daraus erhellt, dass die Distanz des Opfers zum Detonationspunkt bei mittlerer Abgangsgeschwindigkeit bis 5 m, bei höherer bis maximaler Abgangsgeschwindigkeit bis 10 m betragen konnte (cl. 4 pag. 11.0.47-48; E. 2.4.1b). Die Frage, ob die Verletzungen des Opfers mit der (konkreten) Detonation der Handgranate in Zusammenhang gebracht werden könnten, wird vom Gutachter bejaht (cl. 4 pag. 11.0.52).
Der Experte hat am 21. Oktober 2014 sein Gutachten schriftlich korrigiert, wegen falscher Programmierung der Berechnung der Splitterdichte. Diesen Fehler umschreibt er wie folgt: "Die Splitterzahl der einzelnen Sektoren [des Abgangswinkels] wurde zur Bestimmung der Dichte nicht auf die betreffende Sektorfläche bezogen, sondern auf die ganze die HG umgebende Fläche. Dadurch entstanden in den einzelnen Sektoren zu geringe Splitterdichten". Der Experte reichte zur Splitterdichte neue Tabellen A4 und A5 ein (cl. 4 pag. 11.0.72-73) und erweiterte seine Antwort durch Folgerungen aus dem aktualisierten Datenmaterial dahingehend, dass die sektorielle Splitterdichte ausschliessen lasse, dass der Zünder oder der Granatenboden im Moment der Detonation gegen das Opfer gerichtet gewesen seien, weil dieses sonst von Splittern in grösserer Zahl hätte getroffen werden müssen. Das Auftreffen von einem bis zwei Splittern sei über alle übrigen Winkelbereiche in Frage gekommen. Die aus der Verletzung des Opfers berechneten Distanzen und die beobachtete Splitterdichte stünden somit in keinem Widerspruch (cl. 4 pag. 11.0.70).
2.4.3 Der Experte wurde, wie erwähnt, nicht angefragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Explosion der Handgranate M75 das Leben eines Menschen dort, wo sich B. in jenem Moment befand, zu beenden vermochte. Namentlich bezieht sich Frage 5 nur auf die Aufprallenergie eines Kugelsplitters in verschiedenen Distanzen.
In dem vom Experten publizierten Beitrag "Wundballistik der Geschosse und Splitter" ( Kneubuehl [Hrsg.], Wundballistik, 3. Aufl., Heidelberg 2008) äussert dieser sich zu verschiedenen Grenzwerten militärischer Wirksamkeit. Danach ist der Effekt, einen Soldaten ausser Gefecht zu setzen, je nach Land und Zeit bei Energien zwischen 40 und 240 J bejaht worden; diese Werte haben die Splitter der Tatwaffe in keinem Winkelbereich und in keiner Distanz erreicht (Tabelle A2; cl. 4 pag. 10.0.55) - allerdings kann eine Zivilperson auf der Strasse kaum mit einem Soldaten in Gefechtsmontur verglichen werden. Gegen diese Werte wendet der Autor nicht nur die grosse Spannweite, sondern zusätzlich ein, dass der Effekt auch von der psychischen und physischen Verfassung sowie vom Bereich abhängt, wo der Splitter auftrifft (a.a.O., S. 188-190). Der Autor empfiehlt deshalb als Kriterium der Wirksamkeit die Wahrscheinlichkeit der Aussergefechtsetzung, welche nur für eine grosse Anzahl von Soldaten bestimmt werden könne und die durch drei Faktoren bestimmt werde: die Energie, die Trefferwahrscheinlichkeit eines einzelnen Körperteils und die Ausfallswahrscheinlichkeit bei Einschlag in diesen. In diesem Zusammenhang müsse anhand praktischer Versuche die Länge und Ausdehnung des Schusskanals ermittelt und vom Mediziner festgestellt werden, welche (physiologischen) Folgen sich daraus ergäben (a.a.O., S. 190-192). In diesem Kontext stellt der Autor ein in Deutschland entwickeltes Programm "VeMo-S" vor, das aufgrund realer Fälle aus der Kriegschirurgie und der Rechtsmedizin entwickelt worden sei (a.a.O., S. 168 f.). Dieses Programm scheint sich jedoch nur für die Beurteilung eines konkreten Einzeltreffers zu eignen, nicht für die Wirksamkeit einer Waffe mit grossem Streubereich. Damit ist fraglich, ob der Experte sein Gutachten erweitern, d.h. die Todeswahrscheinlichkeit auf mathematisch-physikalischer Grundlage errechnen könnte. D a Versuche an Menschen nicht durchführbar sind, könnten die möglichen Verletzungs- und Todesfolgen auch nicht mittels konkreter Feldversuche eruiert werden.
2.4.4 Bei der Würdigung der Verlässlichkeit des Gutachtens ist zu berücksichtigen, dass bei den militärischen Sprengversuchen zur Ermittlung der Splittercharakteristik von Handgranaten des Typs M75, deren Daten der Experte für seine Berechnungen benutzte, die Splitterverteilung in einem sog. Sprenggarten untersucht wurde. Dieser ist aus 1,5 mm dicken Stahlblechwänden von 2 Metern Höhe gebaut, welche in vier Sektoren zu 90° in den Entfernungen 3, 5, 7 und 9 Metern (viertel-)kreisförmig aufgestellt wurden (cl. 9 pag. 9.293.15 f., 9.293.21 f.). Zwischen dem Sprengpunkt und den Wänden sind Splitterfänge angeordnet, die verhindern, dass Bodenpraller die Wände treffen und durchschlagen. Die Sprengkörperauflage ist so konstruiert, dass sie die Splitterbildung und -verteilung nicht beeinflusst (cl. 9 pag. 9.293.41). Im Zentrum des Sprenggartens wurde die Granate in 1 m Höhe platziert und künstlich gezündet, wobei in der Längsrichtung stets der Boden auf 0° und der Zünder auf 180° ausgerichtet waren. Für eine statistisch gesicherte Aussage waren 5 x 2 Sprengungen nötig. Nach jeder Serie von fünf Detonationen - die erste den Sektor 0°-90°, die zweite den Sektor 90°-180° abdeckend - wurden in senkrechten Sektoren der Stahlblechwände von jeweils 10° im Bereich 0°-180° die Durchschläge sowie die Stecksplitter gezählt, je bezogen auf die vier Distanzen. Zur Errechnung der Splitterdichten wurden nur die Splitterdurchschläge verwendet (cl. 9 pag. 9.293.26-27).
Die militärische Versuchsanordnung unterscheidet sich von der konkreten Situation im Wesentlichen dadurch, dass die Handgranate beim Versuch ruhend auf neutraler Auflage in 1 Meter Höhe, also in der vertikalen Mitte der Stahlblechwände, explodierte (ermittelt wird die wirksame statische Splitterverteilung), in der konkreten Situation aber auf dem Strassenbelag, möglicherweise noch in Bewegung befindlich. Der Experte wies diesbezüglich darauf hin, dass genauere Angaben zur Splitterdichte und -verteilung umfangreichere Versuche erfordern würden, da die Ergebnisse der militärischen Versuche unter dem Gesichtspunkt der (militärischen) Wirksamkeit ermittelt worden sind, die vorliegenden Fragen jedoch die Gefährlichkeit betreffen würden. Die Versuchskonzepte dieser zwei Sichtweisen seien in mehreren Punkten recht unterschiedlich (cl. 4 pag. 11.0.43). Er hielt fest, dass zur Beantwortung der ihm unterbreiteten Fragen die Daten der militärischen Versuchsreihe WTD 91 noch hätten bearbeitet werden müssen. Sodann könnten nebst den "wirksamen" Splittern auch die ausgezählten Einschläge bei der Geschwindigkeitsmessung (wo die Splitter auf Messplatten aufprallten) verwendet werden, und die Splitterdichte könne auch geometrisch geschätzt werden (cl. 4 pag. 11.0.41, 11.0.43). Die im militärischen Versuch bei der Ermittlung der Splitterdichte nicht mitgezählten "nicht-wirksamen" Splitter - also jene Splitter, die die 1,5 mm starke Stahlblechwand nicht durchschlagen hätten - könnten durchaus sehr gefährlich sein. In Berücksichtigung dieser Treffer ergebe sich ein durchaus zuverlässiges Bild der räumlichen Dichte aller Splitter in Relation zur Abgangsrichtung. Dies sei in Abbildung 7 dargestellt; die entsprechenden Werte seien in Tabelle A4 aufgeführt bzw. auf die Frontfläche eines Menschen bezogen in Tabelle A5 (cl. 4 pag. 11.0.46 - die berichtigten Werte sind im Korrigendum zum Gutachten vom 21. Oktober 2014 wiedergegeben [ cl. 4 pag. 11.0.71-73 ] ). Der Umstand, dass im Gutachten nur die Werte für die Frontfläche eines stehenden Menschen, angegeben mit 0,7 m 2, berechnet sind, schmälert seine Aussagekraft nicht. Diese Werte ergeben sich rechnerisch aus der Multiplikation der Werte pro m 2 (Tabelle A4) mit dem Faktor 0,7 (cl. 4 pag. 11.0.46). Bei einer angenommenen Fläche von 0,35 m 2 für das seitliche Profil eines stehenden Menschen sind mithin die Werte von Tabelle A5 einfach zu halbieren. Weiter bemerkte der Experte, dass bei einer Explosion der Handgranate auf einer festen Unterlage ein geringer Teil der nach unten beschleunigten Splitter an der Unterlage abpralle (im Grenzwinkel um 10°). Dadurch werde die Splitterdichte geringfügig vergrössert, allerdings mit Splittern geringerer Energie (cl. 4 pag. 11.0.46). In der Versuchsanordnung wurden die Bodenpraller demgegenüber absorbiert. Damit steht fest, dass der Experte den konkreten Verhältnissen bei der Erstellung des Gutachtens Rechnung getragen hat und seine Berechnungen entsprechend vornahm.
2.4.5 Ausgehend von der Eindringtiefe der Granatenkugel von 72 mm in den Unterleib des Opfers und den Aussagen des Gutachtens zur Splitterverteilung und -dichte ist festzustellen, dass in der konkreten Situation eine zum Tod führende Verletzung des Opfers ohne weiteres möglich gewesen wäre, beispielsweise durch ein Auftreffen der Kugel auf die Aorta im Hals- oder Unterleibsbereich und Verbluten des Opfers. Wie aus dem typischen Einschusskanal eines Kugelsplitters in ballistischer Seife ersichtlich ist, reisst die Kugel ab dem Eindringen zunächst einen breiten, mehrfachen Kugeldurchmesser messenden Kanal auf, der sich bis zum Endpunkt der Kugel hin verengt (Gutachten Abbildung 2; cl. 4 pag. 11.0.42). Ein Aufreissen der an den erwähnten Körperstellen nicht besonders tief liegenden Aorta kann zu einem raschen und grossen Blutverlust mit Todesfolge führen - dies ist als allgemein bekannte Tatsache nicht beweisbedürftig (Art. 139 Abs. 2 StPO ). Auch eine Verletzung innerer Organe im Unterleib mit Blutungen in der Bauchhöhle ist ebenso als mögliche Folge anzusehen; dass die Granatenkugel das Bauchfell nicht durchdrang, mag darauf zurückzuführen sein, dass der Einschuss aufgrund des Standorts des Opfers eher seitlich und nicht vertikal erfolgte. Da das Opfer keine Schmerzen verspürte und die Verletzung erst mehr als zehn Stunden nach der Granatenexplosion entdeckte, kann in einer solchen Situation der Tod durch inneres Verbluten eintreten.
Diese Schlussfolgerung wird durch weitere Feststellungen im Gutachten gestützt:
Der Experte berechnete die Auftreffenergie des Splitters auf die Haut mit 6,7-9,2 J. Aufgrund des bekannten Energieverlusts von Projektilen beim Durchschuss von festem Stoff habe die Auftreffenergie vor dem Durchdringen der Jeanshose 8,4-11,0 J betragen; der Energieverlust in Strumpf- und Unterhose könne vernachlässigt werden (cl. 4 pag. 11.0.47). Ein Energieverlust von 1,7-1,8 J entspricht in einer Entfernung von 4-8 m einer Veränderung der Distanz um etwa 1-2 m (Tabelle A2, cl. 4 pag. 11.0.55). Mit anderen Worten hatte vor dem Durchdringen der Hose die Auftreffenergie einen Wert, welcher - je nach konkreter Entfernung - einem 1-2 m näheren Standort des Opfers entsprechen würde. Ein Auftreffen auf nicht oder nur leicht bedeckte Haut hätte zu einem umso tieferen Eindringen der Granatenkugel geführt, da die Eindringtiefe in Relation zur Auftreffenergie steht (cl. 4 pag. 11.0.47). Demnach hätten umso schwerwiegendere Verletzungsfolgen eintreten können.
Auf die Lage der Handgranate im Zeitpunkt der Detonation hat der Werfende kaum Einfluss. Daher ist es ohne weiteres möglich, dass der Boden oder der Zünder gegen das Opfer gerichtet gewesen wäre und dieses von einer höheren Anzahl Splitter getroffen worden wäre, mit entsprechend höherer Verletzungswahrscheinlichkeit. Der Experte gab diese Werte im möglichen Distanzbereich (Abbildung 8) für den Einflussbereich des Handgranatenbodens mit mindestens 4 Splittern pro Personenfläche, im Bereich des Zünders mit mindestens 11 Splittern an (cl. 4 pag. 11.0.70). Diese Angaben beziehen sich gemäss Tabelle A5 auf eine Entfernung von 9 m (Boden) bzw. 10 m (Zünder), also jene Distanzen, in denen die für die Erzeugung der tatsächlichen Verletzung möglichen Energien noch erreicht werden (Abbildung 8). Geht man von einer Distanz zum Detonationspunkt von 4-8 m aus (E. 2.4.1b), so ergeben sich für die Frontfläche eines Menschen im Einflussbereich des Handgranatenbodens rund 5 bis 20 und im Einflussbereich des Zünders 18 bis 73 Treffer. Das seitliche Profil des Opfers wiese immerhin noch etwa halb so viele Treffer auf; bei seitlich leicht nach vorne versetzter Explosion lägen die Werte dazwischen. Die Verletzungs- bzw. Tötungswahrscheinlichkeit ist für diese Bereiche also weit höher.
Berücksichtigt man zudem, dass der Beschuldigte auf den genauen Detonationspunkt keinen Einfluss hatte, da die Handgranate - auch aufgrund ihrer elliptischen Form und gerippten Oberfläche (cl. 3 pag. 10.1.75) - nach dem Aufprallen auf den Strassenboden bis zur Explosion ohne weiteres näher zum Opfer hin hätte rollen können, ergibt sich ein entsprechend höheres Gefährdungspotenzial - und zwar nicht nur auf den Einflussbereich des Bodens und des Zünders bezogen. Die Feststellungen des Experten zur Gefährlichkeitsgrenze von schweren Splittern der Handgranate M75 in Bezug auf das Eindringen in unbedeckte Haut, was bei maximaler Geschwindigkeit bis rund 85 m, bei hoher mittlerer Geschwindigkeit bis 80 m Entfernung möglich ist, und die irreversible Schädigung von Augen, wo der Grenzwert bei maximaler bzw. hoher mittlerer Geschwindigkeit 135 m bzw. 130 m beträgt (cl. 4 pag. 11.0.49), veranschaulichen die vorstehenden Ausführungen zusätzlich.
Nach dem Gesagten steht fest, dass der Tötungserfolg objektiv eintreten konnte. Dass dessen Wahrscheinlichkeit aufgrund der Tatumstände und der Tatwaffe nicht mit mathematischer Genauigkeit bestimmt oder annähernd geschätzt werden kann, ändert an diesem Ergebnis nichts. Im Übrigen ist allgemein bekannt, dass eine defensive Splitterhandgranate auch zum Töten des Feindes eingesetzt werden kann.
2.5 Subjektiver Tatbestand
2.5.1 Die Todesfolge ist nicht eingetreten, weshalb zu prüfen ist, ob der Beschuldigte den Vorsatz der Tötung hatte und deshalb wegen eines Versuchs strafbar ist; bejahendenfalls stellt sich die Frage der besonderen Merkmale des Mordtatbestandes. Die Anklageschrift führt nicht näher aus, worauf sich der Vorwurf eines Tötungsvorsatzes stützt, sondern beschränkt sich auf die Feststellung, der Beschuldigte habe mit Wissen und Willen gehandelt, insbesondere um die "potentiell tödliche Wirkung der Handgranate" gewusst. Für eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Tötung muss aber auch das voluntative Element erwiesen sein, unterscheidet sich doch gerade darin der Eventualvorsatz von der bewussten Fahrlässigkeit (Art. 12 Abs. 2 und 3 StGB ). Da der Beschuldigte seine Täterschaft insgesamt bestreitet, kann sich ein Vorsatz nur aus dem äusseren Handlungsablauf, aus seinem Handlungsantrieb oder aus allfälligen Äusserungen ergeben, die er vor dem Tatgeschehen formuliert hat. Das Gericht muss auf diese Art ergründen, welche subjektiven Einschätzungen bei dem in der Tatsituation befindlichen Beschuldigten höchstwahrscheinlich wirksam waren.
2.5.2 a) Eine Handgranate des verwendeten Typs kann nur zur Explosion gebracht werden (vgl. cl. 4 pag. 11.0.49-50), indem der Splint, welcher den Bügel auf Position hält, an seinem Ring erfasst und herausgezogen wird; damit ist der Bügel beweglich und wird nur noch durch die Hand in Position gehalten. Sobald die Granate von der Hand losgelassen wird, wird der Bügel weggedrückt. Dadurch wird der Schlagstift freigegeben, welcher den Brandsatz entzündet. Dieser löst nach einer kleinen Verzögerung - welche für einen erfolgreichen Wurf benötigt wird - die Detonation aus. Der Splint wird am einen Ende durch einen Ring und am andern Ende durch umgebogene zwei Flügel in Ruheposition gehalten und kann nur durch kräftigen Zug am Ring entfernt werden (cl. 3 pag. 10.1.75; cl. 4 11.0.49-50). Eine versehentliche Manipulation ist also ausgeschlossen. Somit wurde die Explosion absichtlich ausgelöst.
b) Nach Aussage von B. hat ihr Mann, solange sie zusammen lebten, ersichtlich nie "Waffen oder Bomben" besessen; so etwas hätten "sie" nicht gehabt. Wohl aber soll ihr Mann in Bosnien über eine Handgranate und eine Pistole verfügt haben; solches dort zu bekommen, sei kein Problem. Sie habe selber in Bosnien auch eine Bewilligung für eine Pistole gehabt (cl. 4 pag. 12.1.6 f.). Der Beschuldigte erklärte, er habe am Krieg (in Bosnien) nicht teilgenommen; er sei damals in Slowenien gewesen und habe nie ein militärisches Aufgebot während des Kriegs erhalten. Er habe keine Freunde oder Angehörige, die im Krieg gewesen seien. Eine Waffe oder Handgranate habe er nie verwendet; er wisse nicht, wie man mit einer solchen umgehe. Er habe eine Handgranate auch nicht in seinen Händen gehalten (cl. 4 pag. 13.1.9, 13.1.21, 13.1.37, 13.1.51; EV-Protokoll Fragen 6, 7). Der Beschuldigte räumte ein, dass er 1977 in Jugoslawien in der Armee Dienst geleistet habe, und zwar in der Infanterie. Eine Ausbildung mit Sprengstoffen habe er nicht gehabt (cl. 4 pag. 13.1.20-21). In Bezug auf die erwähnte Pistole gab er an, dass sich seit dem Tod des Schwiegervaters dessen Pistole im Haus in V. befunden habe. Er selber besitze keine Waffen (EV-Protokoll Frage 75). Bei der Trennung im Sommer 2012 habe seine Frau die Pistole zu sich in die Wohnung im ersten Stock genommen (cl. 4 pag. 13.1.23 f.). Diese Darstellung wird durch die Polizeiakten des Distrikts V. bestätigt; die Pistole wurde mitsamt Magazin und Patronen im Juli 2013 beschlagnahmt und gegen B. ein Verfahren wegen vorschriftswidriger Aufbewahrung der Waffe beantragt (cl. 5 pag. 18.3.103, ...108 f., ...111, ...113 f.).
c) Ausgehend davon kann als erwiesen gelten, dass der Beschuldigte als ehemaliger Infanterist zumindest ein Alltagswissen von der Wirksamkeit einer Handgranate hat. Zu diesem Wissen gehört die Kenntnis der Wirkungscharakteristik: Luft-/Schalldruck und Splitterbildung, beides nicht gerichtet, sondern im gesamten Umfeld wirksam. Dazu gehört auch die Kenntnis, dass mit einer Handgranate nicht nur der Gegner ausser Gefecht gesetzt, sondern ihm - je nach konkretem Einsatz der Waffe - schwerste bzw. zum Tod führende Verletzungen zugefügt werden können; über die genaue Wirkungsweise der Handgranate muss sich der Täter nicht im Klaren sein.
d) Wo sich der Beschuldigte befand, als er die Granate entsicherte und warf, steht nicht mit Sicherheit fest: Bei der Spurensicherung wurde der Sicherungsbügel, aber nicht der Sicherungsstift gefunden. Das ist gut erklärbar, weil dieser, nachdem er abgezogen wurde, an einem Finger hängt, während der Sicherungsbügel, sobald die Granate geworfen wird, abfällt. Dadurch wird der Zündmechanismus ausgelöst und dem Werfenden bleiben noch 3-4 Sekunden Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen (cl. 4 pag. 11.0.49 f.). Der Beschuldigte kann sich beim Wurf indes nicht genau dort befunden haben, wo die Polizei den Sicherungsbügel fand, denn der Bügel löst sich - bei korrekter Handhabung, mit dem Sicherungsbügel in der Handinnenfläche der Wurfhand (cl. 4 pag. 11.0.50) - erst von der Granate, nachdem diese die Wurfhand verlassen hat, und fliegt somit selbst ein Stück weit in die gleiche Richtung, bevor er am Boden ankommt. Die nachträgliche polizeiliche Aufzeichnung der räumlichen Beziehungen (cl. 9 pag. 9.291.42) macht es hoch wahrscheinlich, dass der Beschuldigte am Anfang des Abgangs zur Fussgängerunterführung stand, als er die Granate in südwestliche Richtung warf, weil in dieser auf 5 Meter Distanz der Bügel zu liegen kam und auf 20 Meter die Granate explodierte. Dies erklärt auch, weshalb das Opfer ihn nicht sah, als es sich auf dem Trottoir der Z.-Strasse dem Detonationspunkt näherte (cl. 4 pag. 12.1.3). Das Risiko, durch die Handgranate selbst verletzt oder gar getötet zu werden, ist angesichts der räumlichen Verhältnisse deshalb klein und beschränkt sich im Wesentlichen auf Handhabungsfehler. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere der zugleich Schutz und Fluchtweg gewährenden Unterführung, und des Umstands, dass der Beschuldigte vom Opfer nicht gesehen worden war, muss von einem solchen Handlungsablauf indessen auch ausgegangen werden, falls die Lage des Sicherungsbügels bis zum Auffinden durch die Polizei noch von Strassenbenützern verändert worden sein sollte.
Zieht man vom hoch wahrscheinlichen Standort des Beschuldigten im Zeitpunkt des Wurfs der Handgranate - mithin vom Referenzpunkt der Vermessung gemäss Situationsplan (cl. 9 pag. 9.291.42) - eine gerade Linie zum Detonationspunkt, so zeigt sich, dass die Abweichung vom Opfer - befand sich dieses auf gleicher Höhe zum Detonationspunkt - in einem sehr spitzen Winkel liegt, die Wurfrichtung als solche also sehr zielgenau erscheint. Dieser Winkel weitet sich ein wenig, wenn die Position des Opfers im Vergleich zum Detonationspunkt leicht zurückversetzt war. Angesichts der Distanz von 20 m zwischen Referenzpunkt (Wurfstandort) und Detonationspunkt kann festgehalten werden, dass die Handgranate mit einer geringen Abweichung zum Opfer geworfen worden ist. Da aufgrund der Zeitverzögerung der Zündung der genaue Detonationspunkt vom Werfenden nicht bestimmbar ist, dieser auf gleicher Höhe oder leicht nach vorne versetzt zum Opfer lag und sich das Opfer vom Beschuldigten fort bewegte, muss umso mehr von einer entsprechend grossen Zielgenauigkeit gesprochen werden - auch dann, wenn die Handgranate nach dem Aufprallen auf dem Boden in ihrer Richtung noch leicht abgelenkt worden sein sollte.
e) Aus diesem Handlungsablauf sowie der Unerfahrenheit des Beschuldigten im Umgang mit Handgranaten ist zu schliessen, dass der Wille des Beschuldigten darauf gerichtet war, die Handgranate möglichst nahe beim Opfer zum Explodieren zu bringen und dadurch einen möglichst grossen Personenschaden zu verursachen. Angesichts des dem Beschuldigten anzurechnenden Allgemeinwissens um die Einsatzmöglichkeit und die Wirkungscharakteristik einer Handgranate ist Eventualvorsatz zu bejahen - der Beschuldigte kann mit seinem Handeln nichts anderes als den Tod des Opfers zumindest in Kauf genommen haben. Hätte er es bloss verletzen wollen, hätte er die Handgranate nicht auf offener Strasse zur Explosion gebracht. Es kann ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte die Handgranate allenfalls weiter entfernt zur Explosion hätte bringen und das Opfer höchstens verletzen wollen - aufgrund der ihm im Detail nicht bekannten Wirkungsweise und des Umstands, dass er den genauen Detonationspunkt beim Werfen nicht bestimmen konnte, musste er selbst bei einer grösseren gewollten Distanz in Kauf genommen haben, eine tödliche Verletzung zu verursachen. Gar lebensfremd wäre es, anzunehmen, der Beschuldigte hätte das Opfer bloss erschrecken wollen; zu diesem Zweck hätte er auch eine gewöhnliche Knallpetarde einsetzen können. Wer eine Handgranate verwendet, will nicht bloss erschrecken. Indizien, welche am derart ermittelten Willen des Beschuldigten begründete Zweifel aufkommen liessen, sind nicht ersichtlich.
f) Nach dem Gesagten ist Eventualvorsatz hinsichtlich der Tötung zu bejahen.
2.5.3 Aufgrund der Tatausführung ist zu schliessen, dass der Beschuldigte mit dem Werfen der Handgranate in Richtung seiner Ehefrau alles getan hat, damit nach seiner Vorstellung deren Tod eintreten konnte. Das zeigt sich auch darin, dass er nur Stunden nach der Tat nach Bosnien abreiste. Somit liegt ein vollendeter Versuch vor.
2.6 Qualifikation als Mord
2.6.1 Die Bundesanwaltschaft sieht das qualifizierende Element der besonderen Skrupellosigkeit darin begründet, dass der Beschuldigte sich der richterlich angeordneten Unterhaltszahlungen an seine Ehefrau habe entledigen wollen, er bei der angestrebten Scheidung keine Unterhaltszahlungen an sie leisten müsse, nicht die Hälfte seines stattlichen Eigenheims in Bosnien mit ihr teilen müsse, eine Witwerrente beanspruchen und sich so materiell besser stellen könne, und er ohne störenden Einfluss seiner Ehefrau seine Liebesbeziehung zu einer Frau namens M. leben könne.
2.6.2 a) Auf Gesuch der Ehefrau wurden die Parteien mit Urteil des Gerichtspräsidiums Aarau vom 21. November 2008 zum Getrenntleben berechtigt und der Beschuldigte zu monatlichen Unterhaltszahlungen von Fr. 1'000.-- an seine Ehefrau verpflichtet (cl. 7 pag. B18.1.1.2 f.). Das Zusammenleben wurde gemäss Angabe von B. nach acht Monaten wieder aufgenommen, weil sie nicht allein leben wollte (cl. 4 pag. 12.1.6; cl. 7 pag. B18.1.1.23). Der Beschuldigte bezahlte ihr damals keine Unterhaltsbeiträge (cl. 7 pag. B.18.1.1.10, B18.1.1.23, B18.1.1.200). Seit Sommer 2012 leben die Eheleute A. und B. wiederum getrennt (cl. 4 pag. 12.1.6, 13.1.23), wobei die Ehefrau zunächst bei ihrem Sohn wohnte und der Beschuldigte in der Wohnung blieb (cl 7 pag. B18.1.1.14 f.). Mit Entscheid des Bezirksgerichtspräsidiums Aarau vom 18. Februar 2013 wurde der Beschuldigte verpflichtet, die eheliche Wohnung bis 1. April 2013 zu verlassen und seiner Ehefrau ab 1. März 2013 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'870.--, ab 1. April 2013 von Fr. 2'400.-- und ab 1. September 2013 von Fr. 1'620.-- zu bezahlen (cl. 7 pag. B18.1.1.24). Dieser Entscheid wurde am 22. Januar 2014 insoweit abgeändert, als der monatliche Unterhaltsbeitrag vom 11. November 2013 bis 31. Dezember 2013 auf Fr. 2'400.-- und ab Januar 2014, solange die Arbeitsunfähigkeit des Beschuldigten andauere, auf Fr. 1'500.-- festgesetzt wurde; der Unterhaltsbeitrag erhöht sich wieder auf Fr. 2'400.--, sobald der Beschuldigte wieder zu 100% arbeitsfähig ist. Die Arbeitgeberin des Beschuldigten wurde angewiesen, diese Unterhaltsbeiträge direkt an die Ehefrau zu überweisen. Der Beschuldigte wurde zudem zu einer Zahlung an seine Ehefrau von Fr. 1'050.-- für die Miete April 2013 verpflichtet (cl. 7 pag. B18.1.1.5). Der Beschuldigte sagte aus, er habe monatlich Fr. 1'000.-- - das, was pfändbar gewesen sei - an das Betreibungsamt bezahlt; er habe nicht mehr leisten können und nie Fr. 2'400.-- bezahlt. Seit dem Gerichtsurteil überweise sein Arbeitgeber Fr. 1'500.-- an seine Ehefrau (cl. 4 pag. 13.1.12 f.). Da die Arbeitsunfähigkeit gemäss seiner Aussage bis 4. oder 5. April 2014 dauerte (cl. 4 pag. 13.1.26; EV-Protokoll Frage 23), war seither wieder der volle Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'400.-- geschuldet.
Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB hat nicht die Regelung des nachehelichen Unterhalts zum Gegenstand. Vielmehr geht es darum, dass die Folgen des einverständlichen oder richterlich bewilligten Getrenntlebens während der andauernden Ehe gerichtlich geregelt werden sollen. Diese Rechtsbelehrung konnte der Beschuldigte dem Eheschutzentscheid vom 18. Februar 2013 entnehmen (cl. 7 pag. B18.1.1.16). In Bosnien-Herzegowina reichte der Beschuldigte am 30. Juli 2013 eine Scheidungsklage ein. In der Folge wurde seine Ehe mit Urteil des Grundgerichts des Distrikts V. vom 27. November 2014 geschieden; prozessuale Einreden der Beklagten waren zuvor rechtskräftig verworfen worden (cl. 5 pag. 16.1.58). Nach Aussage der Parteien wurde gegen dieses Urteil von keiner Seite ein Rechtsmittel ergriffen (EV-Protokoll Beschuldigter, Fragen 16, 32, 34; EV-Protokoll B., Frage 60). Die Nebenfolgen der Scheidung sind noch nicht geregelt; laut Aussage von B. hat noch die Teilung des Vermögens zu erfolgen (EV-Protokoll Frage 60). Der Beschuldigte gab an, dass es bei einer gemeinsamen Anhörung vor Gericht im Februar 2014 darum gegangen sei, das eheliche Gut zu trennen (cl. 4 pag. 13.1.21).
Damit steht fest, dass im Zeitpunkt der Tat der Beschuldigte seit vierzehn Monaten ehelichen Unterhaltsbeitrag leisten musste und diese Pflicht, nachdem der Beschuldigte Ende Juli 2013 die Scheidungsklage eingereicht hatte (cl. 5 pag. 16.1.58), mit der zu erwartenden Scheidung enden wird. Ob der Beschuldigte nach bosnisch-herzegowinischem Eherecht nachehelichen Unterhalt bezahlen muss, wurde nicht ermittelt. Dieser Nachweis ist indes entbehrlich, weil B. ausgesagt hat, dass noch die Teilung des Vermögens zu erfolgen habe. Dass sie im Scheidungsverfahren nachehelichen Unterhalt verlangt hätte und über dieses Begehren bisher nicht entschieden worden sei, machte sie nicht namhaft. Mithin ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte keinen nachehelichen Unterhalt wird bezahlen müssen. Bei dieser Sachlage kann die bloss vorübergehende, nicht sehr einschneidende Unterhaltspflicht gemäss Eheschutzentscheid objektiv nicht als Tatmotiv erscheinen. Dass allfälliger nachehelicher Unterhalt Tatmotiv war, kann ebenso verneint werden, da ein solcher Unterhaltsanspruch weder nachgewiesen noch beansprucht worden ist. Zudem bestehen keine anderen Indizien, welche diesen Standpunkt stützen.
b) In der Nähe von V. (Bosnien-Herzegowina) sind der Beschuldigte und B. je hälftig Eigentümer einer Liegenschaft, welche unbelastet ist. Jede Partei bewohnt im zweigeschossigen Familienhaus eine eigene Wohnung. Im Weitern besitzt das Ehepaar auf der gleichen Parzelle je hälftig eine Garage mit einer Wohnung im ersten Stock. Diese Eigentumsverhältnisse sind in Registern eingetragen (cl. 4 pag. 13.1.48, 13.1.54; EV-Protokoll B., Fragen 11, 14, 15). Der Verkehrswert der Liegenschaft ist nicht bekannt; der Beschuldigte gab an, 2001 oder 2002 für DEM 48'000.-- die Bauparzelle, auf der ein baufälliges Haus gestanden habe, erworben und ein neues Wohnhaus und dann eine Garage errichtet zu haben (cl. 4 pag. 13.1.50). Die Liegenschaft wurde im Rahmen der rechtshilfeweise durchgeführten Hausdurchsuchung fotografisch dokumentiert (cl. 5 pag. 18.3.31-76).
Die Auflösung der Ehe - erfolge dies durch Scheidung oder Tod eines Ehegatten - zieht nach schweizerischem Recht die güterrechtliche Auseinandersetzung nach sich, es sei denn, es sei zuvor der Güterstand der Gütertrennung eingetreten oder vereinbart worden. Im Falle der Scheidung wird beim ordentlichen Güterstand und bei jenem der Gütergemeinschaft die Auflösung des Güterstandes auf den Tag der Einreichung des Begehrens zurückbezogen (Art. 204 Abs. 2 , 236 Abs. 2 ZGB ). Vorliegend haben die Parteien in Bosnien-Herzegowina geheiratet; dort wurde auch die Scheidung ausgesprochen und wollen die Parteien deren Nebenfolgen regeln. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass dies nach dem Heimatrecht erfolgt. Ausländische Entscheidungen über güterrechtliche Verhältnisse werden in der Schweiz u.a. anerkannt, wenn sie Grundstücke betreffen und am Ort der gelegenen Sache ergangen sind oder dort anerkannt werden (Art. 58 Abs. 1 lit. d IPRG ). Das Ehegüterrecht von Bosnien-Herzegowina wurde nicht nachgewiesen; ebenso wenig ist bekannt, ob die Parteien einen Ehevertrag abgeschlossen haben. Indessen kann aufgrund der Aussagen des Beschuldigten und von B. davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte der Liegenschaft in V. bzw. auf deren Wert hat; andere Vermögenswerte der Ehegatten existieren offensichtlich nicht. Demnach ist auszuschliessen, dass der Beschuldigte beim Tod der Ehefrau Alleineigentümer der Liegenschaft werden würde; deren Güterrechtsanspruch fiele in ihren Nachlass.
Bei letztem Wohnsitz eines Erblassers in der Schweiz sind die schweizerischen Gerichte und Behörden für das Verfahren über den Nachlass zuständig, es sei denn, für im Ausland gelegene Grundstücke sehe der betreffende Staat die ausschliessliche Zuständigkeit vor (Art. 86 IPRG ). Ob Bosnien-Herzegowina dies vorsieht, ist nicht bekannt. Läge schweizerische Zuständigkeit auch in Bezug auf das ausländische Grundstück vor, wäre schweizerisches Recht anwendbar, ausser der Erblasser hätte durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag den Nachlass einem seiner Heimatrechte - vorliegend mithin jenem von Bosnien-Herzegowina - unterstellt (Art. 90 IPRG). Das auf den Nachlass anwendbare Recht bestimmt u.a., was zum Nachlass gehört und wer in welchem Umfang daran berechtigt ist (Art. 92 Abs. 1 IPRG ). Ob B. über ihren Nachlass von Todes wegen verfügt und eine Rechtswahl getroffen hat, ist nicht bekannt. Da der Beschuldigte die Scheidung verlangte, musste er damit rechnen, dass seine Ehefrau für den Fall ihres Ablebens vor der Scheidung vorgesorgt und ihn auf den Pflichtteil gesetzt oder gar enterbt hat (vgl. Art. 477 ZGB ). Nach der Scheidung besteht kein gesetzlicher Erbanspruch (Art. 120 Abs. 2 ZGB ). Nach schweizerischem Recht sind die nächsten Erben eines Erblassers seine Nachkommen (Art. 457 Abs. 1 ZGB ). Der überlebende Ehegatte erhält, wenn er mit Nachkommen zu teilen hat, die Hälfte der Erbschaft (Art. 462 Ziff. 1 ZGB ). Sein Pflichtteil beträgt die Hälfte (Art. 471 Ziff. 3 ZGB ). Da B. einen Sohn hat, würde der Beschuldigte nach schweizerischem Recht nicht Alleinerbe. Bei Reduktion auf den Pflichtteil hätte er einen Viertel des Nachlasses seiner Ehefrau geerbt. Da diese zur Hälfte Miteigentümerin ist, hätte er durch Erbfolge bloss einen Achtel des Werts des ganzen Grundstücks zusätzlich erhalten. Diese Sachlage macht bei objektiver Betrachtung Erbfolge als Tatmotiv unwahrscheinlich. Zudem hat auch B. nicht dies als Tatmotiv vermutet, sondern dass ihr Gatte ihr keinen Unterhalt bezahlen wolle (cl. 4 pag. 12.1.4, 12.1.6).
c) Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben Witwen oder Witwer, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben (Art. 23 Abs. 1 AHVG ). Kindern von Witwen oder Witwern sind gleichgestellt: a. Kinder des verstorbenen Ehegatten, die im Zeitpunkt der Verwitwung mit der Witwe oder dem Witwer im gemeinsamen Haushalt leben und von ihr oder ihm als Pflegekinder im Sinne von Art. 25 Abs. 3 aufgenommen werden; b. Pflegekinder im Sinne von Art. 25 Abs. 3, die im Zeitpunkt der Verwitwung mit der Witwe oder dem Witwer im gemeinsamen Haushalt leben und von ihr oder ihm adoptiert werden (Art. 23 Abs. 2 AHVG ). Der Anspruch auf die Witwerrente erlischt spätestens, wenn das letzte Kind des Witwers das 18. Altersjahr vollendet hat (Art. 24 Abs. 2 AHVG ). Der Beschuldigte hat ein 23jähriges Kind (EV-Protokoll Frage 13), seine Ehefrau einen 39jährigen Sohn (vgl. cl. 4 pag. 12.1.8); gemeinsame Kinder gibt es nicht. Der Beschuldigte hätte also beim Tod seiner Ehefrau keinen Anspruch auf Witwerrente. Damit entfällt ein diesbezügliches Tatmotiv.
d) Der Beschuldigte und B., welche schon länger in der Schweiz lebte, heirateten 1998 in V.; im gleichen Jahr zog der Beschuldigte zu seiner Ehefrau in die Schweiz und lebte bis 2012 mit ihr zusammen. Er sagte aus, dass es immer Probleme gegeben habe. Vor der Heirat sei abgemacht gewesen, dass beide Ehegatten in der Schweiz arbeiten würden; seine Ehefrau habe aber mit Arbeiten aufgehört, als er in die Schweiz gekommen sei, und versucht, eine Rente zu erhalten. Seine Frau habe ihn provoziert und dauernd Streit gesucht. Sie habe ihm wiederholt vorgeworfen, dass er in Bosnien, wäre er dort geblieben, wenig zum Leben gehabt hätte (EV-Protokoll Fragen 9, 11, 12, 14). Der Beschuldigte erklärte im Vorverfahren, dass er seit zwei Jahren getrennt von seiner Ehefrau lebe und nicht im Streit mit ihr liege (cl. 4 pag. 13.1.21). Er erklärte, dass er seine Ehefrau weder hasse noch liebe; er habe keine Gefühle für sie (cl. 5 pag. 17.1.2). Vor Gericht gab er zu Protokoll, dass er seine Ehefrau letztmals beim gerichtlichen Augenschein im Haus in V. am 27. Februar 2014 gesehen habe. Es habe bei dieser Begegnung keinen Streit gegeben und er sei von seiner Frau nicht geärgert worden (EV-Protokoll Fragen 35, 37, 69). Seitdem habe er sie nicht mehr getroffen und keinen telefonischen Kontakt mit ihr gehabt. Er habe sie in Y. auf der Z.-Strasse und beim Einkaufen gesehen, da er selber diese Durchgangsstrasse benütze, um zum Einkaufen, zur Arbeit oder zum Arzt zu fahren (EV-Protokoll Fragen 65, 67, 68). Er habe nie mit seiner Frau gestritten, sie verbal angegriffen oder in einem Zimmer eingesperrt (EV-Protokoll Fragen 40-42). B. gab vor Gericht zu Protokoll, dass es nicht nur im Haus in V. (siehe unten), sondern auch in der Schweiz Probleme gegeben habe. Der Beschuldigte habe sie während der Ehe geschlagen; er habe ihr beim 18. Geburtstag ihres Neffen (G., geb. ... 1994; cl. 4 pag. 12.5.3 i.V.m. 12.5.9) einen Schlag auf das Auge verpasst, worauf sie sich in einem Zimmer versteckt hätte. Weil ihr Mann sie so behandelt habe, sei sie zur ihrem Sohn (recte: Bruder) gegangen. Ihr Mann sei am frühen Morgen gekommen, habe diesen geweckt und ihm gesagt, dass er bald ihr Todesbild sehen werde. Sie wisse nicht mehr, wann das gewesen sei. Einmal habe er die Türe kaputt gemacht. Ihr Mann habe beobachtet, wie sie sich gewaschen und angekleidet habe; auch beim Einkaufen habe er sie beobachtet. Das habe er der IV-Stelle melden wollen (EV-Protokoll Frage 17). Er sei mit dem Auto hinter ihr hergefahren und habe Fotos von ihr gemacht. Das sei 2008 gewesen; damals hätten sie nicht zusammengelebt (EV-Protokoll Frage 66). Im Vorverfahren führte B. ausserdem aus, ihr Mann sei nicht einverstanden gewesen, dass sie mit ihrem Bruder F. und ihren Familienangehörigen Kontakt habe. Ihr Mann sei sehr eifersüchtig gewesen, deswegen hätten sie auch gestritten. Er habe ihr Telefon kontrolliert und ihre Anrufe angeschaut. Er habe sie mehrmals in der Wohnung eingesperrt, damit sie nicht hinausgehen könne; das sei jeweils so für eine Stunde gewesen. Als er eingeschlafen sei, habe sie dann trotzdem gehen können. Das sei im September 2012 gewesen. Sie habe die Trennung verlangt, weil sie so nicht mehr habe weiterleben wollen (cl. 4 pag. 12.1.7-8). B. machte nicht geltend, dass es seit der Trennung im Jahr 2012 zu Konflikten gekommen sei; sie erklärte vielmehr, sie habe seither weder persönlichen noch telefonischen Kontakt mit ihrem Mann gehabt (cl. 4 pag. 12.1.8).
Der Beschuldigte pflegte gemäss eigenen Angaben seit Anfang 2013 eine Beziehung mit einer in Serbien wohnhaften Frau namens M., die zweimal für drei Monate bei ihm in der Schweiz weilte und mit der er im Januar 2014 Ferien in seinem Haus in Bosnien verbrachte. Er erklärte, sie verstünden sich gut, müssten sich aber noch besser kennenlernen (cl. 4 pag. 13.1.46 f., ...50). Mit dieser Frau stand er auch noch in der Haft in (Brief-) Kontakt (cl. 4 pag. 13.1.46). Dieser Kontakt brach zwar ab, doch würde sich der Beschuldigte nach einer Haftentlassung "mit Sicherheit" um eine Fortsetzung des Kontakts bemühen (EV-Protokoll Sicherheitshaft, Frage 4). B. sagte aus, der Beschuldigte habe in Bosnien "eine andere Frau mit nach Hause gebracht" und mit ihr im unteren Stock gelebt. Er habe ihr (B.) das Licht abgestellt und sie nicht ins Haus hineinlassen wollen. Sie habe dann die Polizei avisiert und A. habe das Licht wieder einschalten müssen. Das sei im Dezember 2013 gewesen. Sie habe zu der Frau gesagt, sie solle weggehen, dieses Haus gehöre ihr. Ihr Mann habe sie (B.) dann am Arm gepackt und hinausgeworfen. Es habe auch schon vorher Probleme gegeben, weshalb in Bosnien ihr Mann im Erdgeschoss und sie im ersten Stock gewohnt hätten (EV-Protokoll Fragen 15, 16).
Ob im Zeitpunkt der Tat die neue Beziehung des Beschuldigten gefestigt war, kann offen bleiben. Fest steht nämlich, dass die Eheleute A. und B. seit dem Getrenntleben bei gemeinsamen Anwesenheiten im Juli und Dezember 2013 in ihrem Haus in V. wegen des gemeinsamen Hauseingangs, des freien Zugangs zu beiden Wohnungen und des Stromanschlusses Schwierigkeiten hatten, welche mehrmals unter Beizug der Polizei gelöst werden mussten; beide Ehegatten wurden von der Polizei wiederholt ermahnt (cl. 5 pag. 18.3.103, ...105, ...113, ...116, ...118, ...120, ...128, ...132 [Polizeiakten Distrikt V.]). Der Beschuldigte erklärte, das Gericht in V. habe im Januar 2014 vier Varianten zur Aufteilung des gemeinsamen Hauses vorgeschlagen: Verkauf und Aufteilung des Erlöses; Übernahme durch eine Partei, unter Auszahlung der anderen; jede Partei erhält eine Hälfte, wobei mittels baulicher Massnahmen separate Wohnungseingänge errichtet und getrennte Strom- und Wasserrechnungen ermöglicht würden; der Beschuldigte übernimmt das ganze (zweistöckige) Wohnhaus, seine Frau das andere Gebäude (die Garage mit der Wohnung im ersten Stock), womit bauliche Kosten vermieden werden könnten (cl. 4 pag. 13.1.48). Bei einer Anhörung am 27. Februar 2014 habe eine Kommission Messungen im Haus vorgenommen (EV-Protokoll Beschuldigter, Frage 35). Daraus erhellt, dass die Parteien offenbar ernsthaft bestrebt waren, eine Lösung zu suchen, welche die bisherigen Probleme eliminieren sollte und eine konfliktfreie weitere Benützung der Liegenschaft durch beide Parteien ermöglichen würde, sollte nicht ein Verkauf oder eine Übernahme durch eine Partei ins Auge gefasst werden. Sodann steht fest, dass der Beschuldigte das Haus lediglich während der Ferien benützte.
Seit Beginn des Getrenntlebens sind mithin keine persönlichen Kontakte der Parteien in der Schweiz aktenkundig, ausser jene vor Gericht, zuletzt im Januar 2014 (EV-Protokoll Beschuldigter, Frage 18). In Bosnien gab es ausser der gerichtlichen Anhörung vom 27. Februar 2014 im eigenen Haus keine direkten Kontakte, ausser wenn beide Parteien gleichzeitig in diesem Haus anwesend waren. Häusliche Gewalt konnte von der herbeigerufenen Polizei verneint werden (cl. 5 pag. 18.3.94). Eine laut Aussage der Ehefrau (cl. 4 pag. 12.1.6) im September 2012 im Rahmen des Eheschutzverfahrens durch den Beschuldigten ausgesprochene Todesdrohung ist nicht verifiziert. In der Hauptverhandlung wurde der Beschuldigte zu zwei SMS befragt, welche er am 3. November 2013 an die Mobiltelefonnummer seiner Ehefrau gesandt hatte. Die erste Botschaft lautete: "jebacu ti mater sto puta..." (Zeit: 01:31:21 UTC+01:00; cl. 4 pag. 10.2.44), die zweite: "Jebem li jebem ti materina puta pozdrav A." (Zeit: 01:47:48 UTC+01:00; cl. 4 pag. 10.2.45). Der Dolmetscher übersetzte die erste Botschaft so: "Ich werde deine Mutter 100 Mal ficken". Er erklärte, die inhaltliche Bedeutung sei: Ich werde es dir zeigen, du wirst schon sehen. Die Bedeutung sei kontextabhängig, es komme sehr auf die Umstände an. Es könne bedeuten: Du musst sehr aufpassen. Es könne aber auch harmloser verstanden werden, je nach den konkreten Umständen. Der Dolmetscher erklärte, wenn man eine solche SMS von jemand Unbekanntem erhalte, würde man das als Drohung interpretieren (EV-Protokoll Frage 49). Die zweite Botschaft übersetzte er so: "Ich ficke deine Mutter ... Mal. Gruss A.". Er erklärte, Puta heisse Mal und bedeute eine Zahl, die nicht genannt sei. Inhaltlich sei die Botschaft eine Beschimpfung (EV-Protokoll Fragen 48, 51). Der Beschuldigte gab zu Protokoll, er sei in jener Nacht von Anrufen dieser Nummer belästigt worden; er habe nicht mehr gewusst, dass es die Telefonnummer seiner Frau sei. Er habe mit den beiden SMS erreichen wollen, dass die anrufende Person ihn in Ruhe lasse. Er habe sein Telefon wegen der Arbeit nicht abschalten können (EV-Protokoll Fragen 46-48, 50-52). Der Beschuldigte erklärte, dass er praktisch ausschliesslich nachts arbeitete (EV-Protokoll Frage 24). B. erklärte vor Gericht, dass sie sich an die beiden SMS erinnere. Sie habe nicht gewusst, wie sie diese verstehen müsse. Sie habe deshalb versucht, den Beschuldigten anzurufen, doch sei dessen Mobiltelefon ausgeschaltet gewesen. Sie habe noch nie solche Äusserungen von jemandem gehört. Beide Texte seien eine Drohung; sie habe aber deswegen keine Angst gehabt (EV-Protokoll Fragen 20, 21). Mangels genauer Kenntnis des Kontextes ist nicht erstellt, dass der Beschuldigte mit diesen SMS-Botschaften seiner Ehefrau ernstliche Nachteile androhen wollte.
Nach dem Gesagten sind im gesamten Verhalten des Beschuldigten vor und nach der Tat keine Anhaltspunkte ersichtlich, die auf eine rücksichtslose, primitiv egoistische Gesinnung schliessen liessen. Die ehelichen Probleme, wie sie sich, soweit vorliegend erkennbar, im 14 Jahre dauernden Zusammenleben manifestierten, weisen zwar auf ein zunehmend zerrüttetes Eheverhältnis hin, lassen den Beschuldigten aber nicht als gemütskalten Menschen erscheinen. Nach der Auflösung des gemeinsamen Haushalts reduzierten sich die Probleme im Wesentlichen darauf, ob der Beschuldigte seinen Unterhaltszahlungen nachkomme, und auf die Benützung des Hauses in Bosnien bei gleichzeitigen Aufenthalten der Parteien. Es liegen keine Indizien vor, welche für einen sogenannten Eliminationsmord sprechen würden. Damit ist das von der Anklage angerufene Tatmotiv eine nicht fundierte Mutmassung.