Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Fallnummer: | SK.2015.12 |
Datum: | 15.09.2015 |
Leitsatz/Stichwort: | Ungetreue Amtsführung (Art. 314 StGB); Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB); Bestechen (Art. 322ter StGB); sich bestechen lassen (Art. 322quater StGB); Vorteilsgewährung (Art. 322quinquies StGB); Vorteilsannahme (Art. 322sexies StGB) |
Schlagwörter | Beschuldigte; Projekt; Anklage; Apos;; Beschuldigten; Vorteil; Beschaffung; Leistung; Dienst; Verfahren; Vertrag; Insieme; Bundes; Einladung; Dienstleistung; Ausschreibung; Auftrag; Essen; Verfahren; Person; Informatik; Anklageziffer; Vergabe; Spesen; Vorteile; önnen |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 100 BGG ;Art. 11 StPO ;Art. 110 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 14 StPO ;Art. 143 StPO ;Art. 19 Or;Art. 2 Or;Art. 23 StPO ;Art. 25 StGB ;Art. 251 StGB ;Art. 267 StPO ;Art. 27 Or;Art. 3 Or;Art. 3 StGB ;Art. 30 StGB ;Art. 31 StGB ;Art. 314 StGB ;Art. 317 StGB ;Art. 320 StPO ;Art. 322 StGB ;Art. 329 StPO ;Art. 34 StGB ;Art. 4 StGB ;Art. 42 StGB ;Art. 42 StPO ;Art. 422 StPO ;Art. 423 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 433 StPO ;Art. 44 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 48 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 6 EMRK ;Art. 6 StGB ;Art. 7 Or;Art. 7 StGB ;Art. 70 StGB ;Art. 71 StGB ;Art. 8 Or;Art. 8 StGB ;Art. |
Referenz BGE: | 101 IV 407; 109 IV 168; 111 IV 83; 114 IV 133; 118 IV 316; 119 IV 250; 125 II 86; 126 IV 141; 131 IV 125; 132 IV 1; 134 IV 1; 135 IV 198; 136 IV 55; 137 IV 167; 138 IV 130; 93 IV 49; ; |
Kommentar: | Schmid, Schweizer, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxis, 2. Aufl., Zürich, Art. 145 StPO, 2013 |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: SK.2015.12 |
Urteil vom 15. September 2015 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Daniel Kipfer Fasciati, Einzelrichter, Gerichtsschreiber Hanspeter Lukács | |
Parteien | Bundesanwaltschaft , vertreten durch und als Privatklägerschaft: Schweizerische Eidgenossenschaft , vertreten durch das Generalsekretariat des Eidgenössischen Finanzdepartements, dieses vertreten durch Fürsprecher Daniel Roth, Leiter Rechtsdienst EFD, | |
gegen | ||
1. A., amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Gerhard Schnidrig, 2. B., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Rolf Hartmann, 3. C., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Andreas Hubacher, | ||
Gegenstand | Ungetreue Amtsführung, Urkundenfälschung im Amt, Bestechen, Sich bestechen lassen, Vorteilsgewährung, Vorteilsannahme |
Anträge der Bundesanwaltschaft:
I.
1. Der Beschuldigte A. sei schuldig zu sprechen:
- der mehrfachen ungetreuen Amtsführung im Sinne von Art. 314 StGB;
- der mehrfachen Urkundenfälschung im Amt im Sinne von Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ;
- des mehrfachen sich bestechen lassens im Sinne von Art. 322 quater StGB ;
- der mehrfachen Vorteilsannahme im Sinne von Art. 322 sexies StGB.
2. A. sei zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten zu verurteilen. Der Vollzug der Strafe sei aufzuschieben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
3. A. sei mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 200.-- sowie mit einer Busse von Fr. 3'000.-- zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
4. Z u Lasten von A. sei auf eine Ersatzforderung gemäss Art. 71 Abs. 1 StGB im Betrag von Fr. 5'307.50 zu erkennen.
5. Der Kanton Bern sei als Vollzugskanton zu bestimmen.
6. A. seien an Verfahrenskosten Fr. 10'000.-- Anteil Gebühr (Vorverfahren inklusiv Anklageerhebung), Fr. 12'686.50 Anteil Auslagen im Vorverfahren sowie die Gebühren des Gerichts in von diesem zu bestimmender Höhe aufzuerlegen.
7. Der amtliche Verteidiger, Rechtsanwalt Gerhard Schnidrig, sei aus der Gerichtskasse für seine Aufwendungen zu entschädigen. A. zu verpflichten, diese Kosten dem Bund vollumfänglich zurückzuerstatten.
II.
1. Der Beschuldigte B. sei schuldig zu sprechen:
- des mehrfachen Bestechens im Sinne von Art. 322 ter StGB;
- der mehrfachen Vorteilsgewährung im Sinne von Art. 322 quinquies StGB .
2. B. sei mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 100.-- sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.-- zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
3. Die Bundesanwaltschaft sei als Vollzugsbehörde zu bestimmen.
4. B. seien an Verfahrenskosten Fr. 3'000.-- Anteil Gebühr (Vorverfahren inklusiv Anklageerhebung) sowie die Gebühren des Gerichts in von diesem zu bestimmender Höhe aufzuerlegen.
III.
1. Der Beschuldigte C. sei schuldig zu sprechen:
- des mehrfachen Bestechens im Sinne von Art. 322 ter StGB ;
- der mehrfachen Vorteilsgewährung im Sinne von Art. 322 quinquies StGB .
2. C. sei mit einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je Fr. 300.-- sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.-- zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
3. Der Kanton Bern sei als Vollzugskanton zu bestimmen.
4. C. seien an Verfahrenskosten Fr. 3'000.-- Anteil Gebühr (Vorverfahren inklusiv Anklageerhebung) sowie die Gebühren des Gerichts in von diesem zu bestimmender Höhe aufzuerlegen.
IV.
Die Gegenstände und Dokumente gemäss der "Liste der noch beschlagnahmten Gegenstände und Dokumente" (Beilage zur Anklageschrift) seien den darin erwähnten Personen nach Rechtskraft des Urteils auszuhändigen.
Anträge der Privatklägerin:
1. Die Beschuldigten seien im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen und angemessen im Sinne der Anträge der Bundesanwaltschaft zu bestrafen.
2. Den Beschuldigten seien die Verfahrenskosten im Sinne der Anträge der Bundesanwaltschaft anteilmässig aufzuerlegen.
3. Die Beschuldigten seien zu verpflichten, der Privatklägerin für die im Verfahren entstandenen Auslagen eine angemessene Entschädigung zu bezahlen.
Anträge der Verteidigung des Beschuldigten A. :
1. Der Beschuldigte A. sei freizusprechen von den Vorwürfen:
- der mehrfachen ungetreuen Amtsführung gemäss Art. 314 StGB , angeblich begangen zwischen Juni 2008 und Mitte Februar 2011 in Bern und Biel;
- der mehrfachen Urkundenfälschung im Amt gemäss Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, angeblich begangen zwischen August 2008 und Januar 2009 in Bern und Biel;
- des mehrfachen Sich bestechen lassens gemäss Art. 322 quater StGB, angeblich begangen zwischen Juni 2008 und Januar 2012 in der Schweiz und im Ausland;
- der mehrfachen Vorteilsannahme gemäss Art. 322 sexies StGB, angeblich begangen zwischen September 2008 und Mai 2012.
2. Dem Beschuldigten seien die Gegenstände gemäss der der Anklageschrift beiliegenden "Liste der noch beschlagnahmten Gegenstände und Dokumente" auszuhändigen.
3. Die Verfahrenskosten seien vom Bund zu tragen.
4. Das Honorar des amtlichen Verteidigers, Rechtsanwalt Gerhard Schnidrig, sei gemäss der eingereichten Kostennote von Amtes wegen zu bestimmen.
Anträge der Verteidigung des Beschuldigten B. :
1. Der Beschuldigte B. sei von den Vorwürfen des mehrfachen Bestechens sowie der mehrfachen Vorteilsgewährung vollumfänglich freizusprechen.
2. Die Kosten des Verfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen.
3. Der Beschuldigte sei angemessen zu entschädigen.
Anträge der Verteidigung des Beschuldigten C. :
1. Der Beschuldigte C. sei von den Vorwürfen des mehrfachen Bestechens und der mehrfachen Vorteilsgewährung vollumfänglich freizusprechen.
2. Die Verfahrenskosten seien der Eidgenossenschaft aufzuerlegen.
3. Dem Beschuldigten sei eine Entschädigung nach richterlichem Ermessen zuzusprechen.
Sachverhalt:
A. Das Eidgenössische Finanzdepartement (nachfolgend: EFD) erstattete am 11. Mai 2012 Strafanzeige gegen A., damaliger Mitarbeiter der Eidgenössischen Steuerverwaltung (nachfolgend: ESTV), und unbekannte Täterschaft wegen Verdachts auf ungetreue Amtsführung und Bestechung (pag. BA-05-00-1 ff.). Hintergrund der Strafanzeige bildete das Informatikprojekt Insieme der ESTV, in dessen Rahmen A. als Chef der Sektion Leistungsbezug Informatik (Leistungsbezügerorganisation, LBO) in der ESTV für die Beschaffung von Ressourcen und damit für die Vergabe von Dienstleistungsverträgen mit Dritten verantwortlich gewesen sei. A. wurde vorgeworfen, ab Juli 2008 bei solchen Vergaben an Dritte mutmasslich Vorschriften des öffentlichen Beschaffungsrechts nicht eingehalten, insbesondere keine WTO-Ausschreibungen durchgeführt zu haben. In diesem Zusammenhang wurde gegen A. gleichzeitig der Vorwurf der Bestechung erhoben, wobei bis anhin nicht habe eruiert werden können, ob und durch welche Personen ihm oder Dritten konkrete Vorteile gewährt worden seien.
B. Die Bundesanwaltschaft eröffnete am 22. Mai 2012 gegen A. und Unbekannt eine Strafuntersuchung wegen Verdachts der ungetreuen Amtsführung gemäss Art. 314 StGB (pag. BA-01-01-1). Am 4. September 2013 dehnte sie diese auf den Verdacht der Vorteilsannahme gemäss Art. 322 sexies StGB sowie in Bezug auf B. und C. auf den Verdacht der Vorteilsgewährung gemäss Art. 322 quinquies StGB aus (pag. BA-01-01-3). Letztere waren in Unternehmen tätig, die mit der ESTV im Rahmen des Projekts Insieme Dienstleistungsverträge abgeschlossen hatten. Am 26. Februar 2014 wurde das Verfahren gegen A. auf den Vorwurf der Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ausgedehnt (pag. BA-01-01-5). Bis zum Abschluss der polizeilichen Ermittlungen erfolgte keine Ausdehnung des Verfahrens wegen Bestechung (vgl. BA-16-01-64 f.); diese erfolgte erst in der Schlusseinvernahme mit dem Beschuldigten A. vom 7. November 2014 (pag. BA-13-01-1463 f.; vgl. pag. BA-16-01-121 f.).
C. Die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) erteilte am 22. August 2012 die Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Beschuldigten A. (pag. BA-01-02-6 ff.).
D. Die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch das EFD, konstituierte sich mit der Strafanzeige vom 11. Mai 2012 als Strafklägerin im Sinne von Art. 118 StPO und behielt sich Schadenersatzansprüche vor (pag. BA-05-00-16).
E. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (nachfolgend: EFK) prüfte das Projekt Insieme der ESTV zweimal und verfasste darüber im Dezember 2008 (pag. BA-11-03-307 ff.) und im Januar 2012 (pag. BA-11-03-333 ff.) einen schriftlichen Bericht.
F. Das EFD führte über die Beschaffungsprozesse im Projekt Insieme eine Administrativuntersuchung durch. Diese wurde von der Departementsvorsteherin am 24. Januar 2012 angeordnet und mit Bericht vom 13. Juni 2012 abgeschlossen (pag. BA-15-01-37 ff.). Die in der Untersuchung gemachten Feststellungen bildeten Anlass für die Strafanzeige des EFD (Sachverhalt Bst. A; pag. BA-15-01-58).
G. Die Bundesanwaltschaft erhob am 23. Februar 2015 beim Bundesstrafgericht Anklage gegen A. wegen ungetreuer Amtsführung gemäss Art. 314 StGB , Urkundenfälschung im Amt gemäss Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB , Sich bestechen lassen gemäss Art. 322 quater StGB sowie Vorteilsannahme gemäss Art. 322 sexies StGB und gegen B. und C. wegen Bestechens gemäss Art. 322 ter StGB sowie Vorteilsgewährung gemäss Art. 322 quinquies StGB (TPF pag. 56.100.1 ff.). Mit Eingaben vom 21. Juli 2015 und 18. August 2015 reichte sie je eine inhaltlich ergänzte Anklageschrift ein (TPF pag. 56.110.1 ff., 56.110.53 ff.).
H. Die Hauptverhandlung fand in Anwesenheit der Parteien am 1. und 2. September 2015 am Sitz des Gerichts statt. Mit den Beschuldigten und dem Vertreter der Privatklägerin erfolgten Einvernahmen. Am 16. September 2015 wurde das Urteil der Strafkammer mündlich eröffnet; der Beschuldigte B. und die Privatklägerin wurden auf Gesuch hin vom persönlichen Erscheinen dispensiert.
Der Einzelrichter erwägt: