Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Rechtshilfe |
Fallnummer: | RR.2015.249 |
Datum: | 17.09.2015 |
Leitsatz/Stichwort: | Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland. Stellvertretende Strafverfolgung (Art. 85 ff. IRSG). |
Schlagwörter | Recht; Kantons; Rechtshilfe; Beschwerdekammer; Schweiz; Verfahren; Recht; Generalstaatsanwaltschaft; Staat; Bundesstrafgericht; Verfügung; Sachen; Tribunal; Entscheid; Nürnberg-Fürth; Rechtsmittelbelehrung; Obergericht; Bestimmungen; Ausland; Basel; Sinne; Annahme; Verfahren; énal; Vorsitz; Gerichtsschreiberin; Rechtsanwalt; Jörg; Werder |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 1 StGB ;Art. 111 StGB ;Art. 21 StGB ;Art. 3 StGB ;Art. 57 VwVG ;Art. 74 OR ;Art. 8 StGB ;Art. 84 BGG ; |
Referenz BGE: | 99 IV 180; ; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: RR.2015.249 |
Entscheid vom 17. September 2015 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Andreas J. Keller, Vorsitz, Cornelia Cova und Patrick Robert-Nicou d, Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja | |
Parteien | A. , vertreten durch Rechtsanwalt Hans Jörg Werder, Beschwerdeführer | |
gegen | ||
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Beschwerdegegnerin | ||
Gegenstand | Stellvertretende Strafverfolgung (Art. 85 ff . IRSG ) |
Die Beschwerdekammer hält fest, dass:
- die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Schweizer A. ein Strafverfahren wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten führt; A. vorgeworfen wird, für seine beiden minderjährigen bei der Mutter in Deutschland lebenden Töchter seit Mai 2014 keine ausreichenden Unterhaltszahlungen zu leisten;
- der Leitende Oberstaatsanwalt von Nürnberg-Fürth am 20. November 2014 die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern um Übernahme der Strafverfolgung im vorgenannten Strafverfahren ersuchte;
- die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern mit Verfügung vom 10. Dezember 2014 diesem Ersuchen stattgab (act. 1.1);
- dagegen A. am 22. Januar 2015 entsprechend der auf der Verfügung vom 10. Dezember 2014 angegebenen Rechtsmittelbelehrung Beschwerde an die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Bern erhob und die Aufhebung der Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern vom 10. Dezember 2014 und die Abweisung des Gesuchs der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 20. November 2014 beantragte (act. 1);
- das Obergericht des Kantons Bern mit Beschluss vom 27. August 2015 auf die Beschwerde nicht eintrat und diese zusammen mit den Akten des Beschwerdeverfahrens an das Bundesstrafgericht weiterleitete (act. 2);
- auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet worden ist (Art. 57 Abs. 1 VwVG).
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:
- d ie Rechtshilfe zwischen der Schweiz und Deutschland sich primär nach den einschlägigen Staatsverträgen, insbesondere nach dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR; SR 0.351.1 und dem Zusatzvertrag vom 13. November 1969 (ZV-D/EUeR; SR 0.351.913.1), richtet; das Rechtshilfegesetz (IRSG; SR 351.1) und die Verordnung über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11) zur Anwendung gelangen, soweit das Staatsvertragsrecht bestimmte Fragen nicht abschliessend regelt (Art. 1 Abs. 1 IRSG); auf Beschwerdeverfahren in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten zudem die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021) anwendbar sind (Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a StBOG), wenn das IRSG nichts anderes bestimmt (siehe Art. 12 Abs. 1 IRSG );
- gemäss Art. 85 Abs. 1 IRSG wegen einer im Ausland begangenen Tat die Schweiz auf Ersuchen des Tatortstaates an seiner Stelle die Strafgewalt ausüben kann, wenn (lit. a) die Auslieferung nicht zulässig ist, (lit. b) der Verfolgte sich in der Schweiz wegen anderer schwerer wiegender Taten zu verantworten hat und (lit. c) gewährleistet ist, dass der ersuchende Staat ihn nach einem Freispruch oder Strafvollzug in der Schweiz wegen der gleichen Tat nicht weiter verfolgt;
- diese Bestimmung jedoch nicht gilt, wenn die Tat aufgrund einer anderen Vorschrift der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterworfen ist (Art. 85 Abs. 3 IRSG );
- gemäss Art. 3 Abs. 1 StGB dem schweizerischen Strafgesetzbuch unterworfen ist, wer in der Schweiz ein Verbrechen oder Vergehen begeht; nach Art. 8 Abs. 1 StGB ein Verbrechen oder Vergehen da als begangen gilt, wo der Täter es ausführt oder pflichtwidrig untätig bleibt, und da, wo der Erfolg eingetreten ist; bei (echten und unechten) Unterlassungsdelikten der Handlungsdort dort liegt, wo der Täter hätte handeln müssen ( Popp/Keshelava, in: Niggli/Wiprächtiger, Strafrecht I, Art. 1 -110 StGB , 3. Aufl., Basel 2013, N 11 zu Art. 8); Geldschulden Bringschulden sind (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR ), sodass beim Tatbestand der Vernachlässigung der Unterhaltspflichten im Sinne von Art. 217 StGB der Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten als Begehungsort gilt; bei Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten im Ausland der Wohnort des Pflichtigen als Ausführungsort zu betrachten ist (BGE 99 IV 180 E. 1; Bosshard, in Niggli/Wiprächtiger, Strafrecht II, Art. 111 -392 StGB, 3. Aufl., Basel 2013, N 26 zu Art. 217);
- damit ein (originärer) schweizerischer Gerichtsstand gegeben ist;
- diesfalls dem ausländischen Strafübernahmebegehren stattzugeben ist, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 85 Abs. 1 und 2 IRSG erfüllt sein müssen;
- es sich dabei nicht um eine formelle Annahme im Sinne von Art. 91 Abs. 1 IRSG handelt, da die Schweiz aufgrund ihrer originären Zuständigkeit auch ohne ausländisches Begehren verpflichtet ist, ein Verfahren einzuleiten ( Unseld, Internationales Strafrecht, Basel 2015, N 51 zu Art. 85 IRSG );
- damit eine strikte Anwendung des IRSG ausgeschlossen ist, jedoch hinsichtlich der prozessualen Folgen die Bestimmungen von Art. 91 Abs. 4 und Art. 92 f . IRSG analog anwendbar sind ( Harari/Jakob/Jenni, La Délégation de la poursuite pénale à la Suisse, in: SJ 2013 II 385ff., Ziff. 23; Unseld, a.a.O., N 52 zu Art. 85 IRSG );
- Gleiches grundsätzlich mit Bezug auf die Anwendung der Bestimmungen über die Beschwerde nach Art. 80 e ff. IRSG gelten muss;
- das Obergericht des Kantons Bern die Angelegenheit daher zu Recht der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts überwiesen hat;
- die nichtformelle Annahme des deutschen Strafübernahmebegehrens (vgl. oben) jedoch keine anfechtbare Verfügung darstellt, weshalb kein Beschwerdeobjekt im Sinne von Art. 80 e IRSG vorliegt;
- auf die Beschwerde daher nicht einzutreten ist;
- aufgrund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung keine Gerichtsgebühr zu erheben ist.
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
Bellinzona, 17. September 2015
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Vorsitzende: Die Gerichtsschreiberin :
Zustellung an
- Rechtsanwalt Hans Jörg Werder
- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern
- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG ).
Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG ). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG).
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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