Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Fallnummer: | SK.2013.8 |
Datum: | 24.04.2013 |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten oder Ratenzahlung |
Schlagwörter | Bundes; Gericht; Verfahren; Bundesstrafgericht; Betreibung; Verfahrens; Kammer; Entscheid; Apos;; Gerichtskasse; Bundesstrafgerichts; Verfahrenskosten; Raten; Gesuch; Ratenzahlung; Ruckstuhl; Situation; Bedingung; Rückzug; Basel; Erlass; Sinne; Behörde; Auslagen; Basler; Kommentar; Urteil; Schweiz; Notbedarf; Schwenzer |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 100 BGG ;Art. 13 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 15 OR ;Art. 151 OR ;Art. 2 StGB ;Art. 24 OR ;Art. 317 StGB ;Art. 363 StPO ;Art. 364 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 42 StPO ;Art. 421 StPO ;Art. 6 KG ;Art. 9 BGG ;Art. 97 BGG ; |
Referenz BGE: | 122 III 10; 124 I 1; 131 I 217; 135 I 91; 83 III 7; ; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: SK.2013.8 |
Beschluss vom 24 . April 2013 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Walter Wüthrich, Vorsitzender , | |
Parteien | A. , Gesuchsteller | |
Gegenstand | Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten oder Ratenzahlung |
Die Strafkammer erwägt:
1. Am 31. Mai 2007 verurteilte die Strafkammer des Bundesstrafgerichts mit Entscheid SK.2006.18 A. wegen Gehilfenschaft zu mehrfacher Urkundenfälschung im Amt im Sinne von Art. 317 Ziff. 1 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 26 StGB und mehrfachen Bestechens im Sinne von Art. 322 ter StGB zu einer Geldstrafe von 14 Tagessätzen zu je Fr. 10.-, bedingt vollziehbar mit einer Probezeit von 2 Jahren (Ziff. V.1 und V.2 des Dispositivs [cl. 68 pag. 68.950.086]), auferlegte ihm die Verfahrenskosten von Fr. 806.85 (Ziff. V.3 des Dispositivs [cl. 68 pag. 68.950.087]) und verpflichtete ihn, für die Entschädigung seines amtlichen Verteidigers der Kasse des Bundesstrafgerichts einen Ersatz von Fr. 6'000.- zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Ziff. V.4 des Dispositivs [cl. 68 pag. 68.950.087]). Der Entscheid des Bundesstrafgerichts ist in Rechtskraft erwachsen (cl. 68 pag. 68.970.001-002).
2. Mit Schreiben vom 26. Februar 2013 ersuchte A. das Bundesstrafgericht einerseits um Erlass seiner Restschuld, andererseits erklärte er sich bereit, weiterhin pro Monat Fr. 100.- zu bezahlen und wies darauf hin, sie hätten als 5-köpfige Familie lediglich ein Einkommen von Fr. 5'000.-. Sie würden in einer sehr engen Dreizimmerwohnung leben, weshalb er aufgrund eines beabsichtigten Wohnungswechsels in eine grössere Wohnung um Rückzug der Betreibung wegen der Verfahrenskosten ersuche (cl. 69 pag. 69.100.001). Auf Nachfrage des Gerichts mittels Fragebogen gab A. am 4. März 2013 präzisierend zu seinen Anträgen an, dass er vom Gericht entweder einen vollständigen Erlass seiner Restschuld oder die gerichtliche Bestätigung der bereits mit der Gerichtskasse vereinbarten Ratenzahlung über Fr. 100.- pro Monat wünsche (cl. 69 pag. 69.520.001; cl. 69 pag. 69.280.002 betreffend die Ratenzahlungsvereinbarung).
3.
3.1 Gemäss Art. 425 StPO können Forderungen aus Verfahrenskosten von der Strafbehörde gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden. Gebühren und Auslagen bilden zusammen die Verfahrenskosten (Art. 421 Abs. 1 StPO ; Domeisen, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, Art. 422 StPO N. 2), wobei gemäss Art. 421 Abs. 2 lit. a StPO die Kosten für die amtliche Verteidigung Auslagen sind. Die Pflicht zur Rückerstattung der Kosten des amtlichen Verteidigers ist somit eine Frage der Kostentragung.
Gemäss Art. 363 Abs. 1 StPO trifft das Gericht, welches das erstinstanzliche Urteil gefällt hat, auch die einer gerichtlichen Behörde übertragenen selbstständigen nachträglichen Entscheide, sofern Bund oder Kantone nichts anderes bestimmen. Dazu gehört auch ein Entscheid über Erlass oder Stundung von Verfahrenskosten ( Ruckstuhl, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, Art. 135 Abs. 4 StPO N. 24).
3.2 Die Zuständigkeit der Strafkammer ist demnach gegeben.
4. Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen für den nachträglichen richterlichen Entscheid erfüllt sind, und ergänzt wenn nötig die Akten oder lässt weitere Erhebungen durch die Polizei durchführen. Es gibt den betroffenen Personen und Behörden Gelegenheit, sich zum vorgesehenen Entscheid zu äussern und Anträge zu stellen (Art. 364 Abs. 3 und 4 StPO).
Das Gericht entscheidet in Verfahren wie dem vorliegenden grundsätzlich gestützt auf die Akten. Es erlässt seinen Entscheid schriftlich und begründet ihn kurz (Art. 365 Abs. 1 und Abs. 2 StPO ).
5.
5.1 Die Verfahrensleitung gab mit Schreiben vom 7. März 2013 der Gerichtskasse des Bundesstrafgerichts (nachfolgend: Gerichtskasse) als Inkassobehörde Gelegenheit zur Stellungnahme zum vorliegenden Gesuch vom 26. Februar 2013 sowie zum ausgefüllten Fragebogen vom 4. März 2013 und ersuchte, die Vollzugsakten einzureichen. Schliesslich fragte sie die Gerichtskasse an, ob sie bereit sei, die von ihr am 12. Februar 2009 eingeleitete Betreibung für Verfahrenskosten und "Ersatzforderung" zurückzuziehen (cl. 69 pag. 69.660.003).
5.2 Mit Schreiben vom 26. März 2013 gab die Verfahrensleitung A. Gelegenheit, sachdienliche Unterlagen in Bezug auf seine finanziellen Verhältnisse einzureichen, namentlich ein vom Gericht beigelegtes und auszufüllendes Formular über seine persönliche und finanzielle Situation sowie eine Kopie der letzten Steuerveranlagung und Steuererklärung (cl. 69 pag. 69.300.004).
5.3 Die Gerichtskasse führte in ihrer Stellungnahme vom 21. März 2013 abwägend aus, die Wahrscheinlichkeit des Inkassos werde durch den Wohnsitz von A. in der Schweiz, sein Einkommen von durchschnittlich Fr. 5'000.- im Monat, sein Alter von 37 Jahren und seine Bereitschaft von Ratenzahlungen - 10 seien bereits geleistet worden - erhöht, hingegen durch seine familiäre Situation mit drei Kindern geschmälert. Insgesamt betrachtet sei somit die Wahrscheinlichkeit der Einbringlichkeit der Restanzforderung von Fr. 5'556.85 für die Kosten des amtlichen Verteidigers in den nächsten Jahren hoch, weshalb die Forderung, nicht zuletzt in Anbetracht der geringen Inkassokosten im Vergleich zum einzukassierenden Betrag, nicht zu erlassen, sondern durch Ratenzahlungen von monatlich Fr. 100.- in den nächsten zwei Jahren teilweise zu begleichen sei. Die Gerichtskasse solle danach die Möglichkeit erhalten, mit A. gestützt auf seine zukünftige und neu abzuklärende finanzielle Situation eine neue Abzahlungsvereinbarung abzuschliessen. Schliesslich sei sie aufgrund der nun von A. eingereichten Unterlagen über seine finanzielle Situation mit dem Rückzug der Betreibung einverstanden (cl. 69 pag. 69.660.004).
6.
6.1 Beiträge können nach Abschluss des Verfahrens zurückverlangt werden, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Begünstigten ausreichend verbessert hat und Bedürftigkeit nicht mehr gegeben ist (Urteil des Bundesgerichts 6B_413/2009 vom 13. August 2009, E. 1.2.3 m.w.H.; BGE 135 I 91 E. 2.4.2; ähnlich Pitteloud, Code de procédure pénale suisse, Zürich/St. Gallen 2012, Titre 3, p. 218 N. 338, m.H. auf BGE 131 I 217 E. 2.6: "dont la situation économique es bonne"). Bei der Berechnung der prozessualen Bedürftigkeit ist dem Schuldner mehr zu belassen als bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Notbedarfs, so dass sich der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung stärkere Eingriffe gefallen lassen muss als bei der Beurteilung seiner prozessualen Bedürftigkeit ( Ruckstuhl, a.a.O., Art. 135 Abs. 4 StPO N. 21). Die beschuldigte Person hat Anspruch, dass ihr der erweiterte zivilprozessuale Notbedarf verbleibt ( Ruckstuhl, a.a.O., Art. 132 StPO N. 23; Ruckstuhl/Dittmann/Arnold, Strafprozessrecht, Zürich/Basel/Genf 2011, § 7 N. 355); Der erweiterte zivilprozessuale Notbedarf umfasst in der Regel einen um 25% erhöhten Grundbedarf, zuzüglich der ausgewiesenen privat- und öffentlichrechtlichen Verpflichtungen ( Ruckstuhl, a.a.O., Art. 132 StPO N. 23; BGE 124 I 1 E. 2.a.; Ruckstuhl/Dittmann/Arnold, a.a.O., § 7 N. 355).
6.2 Mit Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse von A. ergibt sich aus den Akten, dass er zur Zeit monatlich ein Erwerbseinkommen von rund Fr. 5'000.- netto hat, kein Vermögen, hingegen monatliche Ausgaben für Miete von Fr. 1'447.-, für Krankenkasse von Fr. 680.- und für Alimente von Fr. 600.- (cl. 69 pag. 69.240.002), was unter Berücksichtigung der Grundbeträge für die Ehegatten von Fr. 1'700.-, für zwei Kinder über 10 Jahren von Fr. 1'200.- (2x Fr. 600.-), des Grundbetrags für ein
6-jähriges Kind von Fr. 400.- sowie unter Berücksichtigung von hypothetischen monatlichen Auslagen wie Heiz- und Nebenkosten von Fr. 50.-, Schulkosten von Fr. 200.- und verschiedenen Auslagen wie z.B. Arztkosten von Fr. 100.- (siehe dazu Kreisschreiben Nr. B3 der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern vom 1. April 2010) einen monatlichen zivilprozessualen Notbedarf von rund Fr. 6'377.- ergibt, wobei bei der erweiterten Bedarfsberechnung der Grundbetrag zusätzlich um 25% zu erhöhen ist. A. hat somit eine erhebliche monatliche finanzielle Unterdeckung. Seine Äusserung, dass sein Einkommen zum Einkaufen und Leben knapp sei, ist daher nachvollziehbar (cl. 69 pag. 69.240.003).
6.3 Das Rückforderungsrecht des Staates entsteht unter der Bedingung, dass der Verurteilte (A.) "später dazu in der Lage ist". A. hat gegen die Betreibung am 20. Februar 2009 Rechtsvorschlag erhoben (cl. 69 pag. 69.280.003; cl. 69 pag. 69.260.002). Dieser wurde nicht beseitigt. Stattdessen war er bereit, Raten von Fr. 100.- monatlich zu leisten.
6.4 Die Aussichten des Gesuchstellers auf eine Verbesserung seiner finanziellen Situation sind angesichts seines Alters nicht ausgeschlossen.
6.5 Eine bedingte Forderung hat keine Wirkung, bis die Bedingung erfüllt ist (Art. 151 Abs. 2 OR ). Eine Bedingung liegt vor, wenn das Ereignis, an das die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes geknüpft wird, zukünftig und ungewiss ist ( Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 6. Aufl., Bern 2012, § 11 N. 11.01; vgl. statt vieler BGE 122 III 10 E. 4; Ehrat, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 5. Aufl., Basel 2011, Vor Art. 151 -157 OR N. 1). Solange die Bedingung noch nicht eingetreten ist, aber noch eintreten kann, besteht ein Schwebezustand ( Schwenzer, a.a.O., § 12 N. 12.01; ähnlich Ehrat, a.a.O., Art. 151 OR N. 2). Bei der aufschiebenden (suspensiven) Bedingung sind die Parteien vom Zeitpunkt der Einigung an gebunden, auch wenn die Wirkung des Rechtsgeschäftes hinausgeschoben ist ( Schwenzer, a.a.O., § 12 N. 12.01). Es besteht eine Anwartschaft ( Ehrat, a.a.O., Art. 151 OR N. 3; Schwenzer, a.a.O., § 12 N. 12.01).
6.6 Die bedingte Restanzforderung für den Ersatz der Kosten der amtlichen Verteidigung von Fr. 5'556.85 kann daher - zumindest zur Zeit - nicht vollstreckt werden und ist folglich vorliegend nicht zu erlassen. Die von der Gerichtskasse mit A. am 7. August 2012 vereinbarte Ratenzahlung von monatlich Fr. 100.- bis 31. August 2014 beruhte mangels Eintritts der Bedingung auf einem Grundlagenirrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR. A. muss demnach die restliche Entschädigung für die amtliche Verteidigung von Fr. 5'556.85 nicht bezahlen, solange er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt. Es besteht deshalb kein Rechtsschutzinteresse an Urteilsänderung in diesem Punkt.
7. Der Gläubiger kann den Lauf der Betreibung jederzeit durch formelle Rückzugserklärung gegenüber dem Betreibungsamt verhindern ( Kofmel/Ehrenzeller, Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schulbetreibung und Konkurs I, 2. Aufl., Basel 2010, Art. 67 SchKG N. 47; BlSchK 2000, S. 100; vgl. BGE 83 III 7 ff.) und die Löschung der Betreibung im Betreibungsregister beantragen. Ein allfälliger Rückzug der Betreibung liegt vorliegend ausschliesslich in der Zuständigkeit und im Ermessen der Gerichtskasse, da sie die Betreibung eingeleitet hat. Die Strafkammer kann der Gerichtskasse keine Weisungen in Bezug auf einen allfälligen Rückzug der Betreibung erteilten, zumal sie nicht Aufsichtsinstanz über die Gerichtskasse ist.
8. Das Gesuch ist demnach abzuweisen.
9. Für den vorliegenden Entscheid sind keine Kosten zu erheben.
10. Die Frage des zulässigen Rechtsmittels ist durch die Rechtsmittelinstanz zu entscheiden.
Die Strafkammer erkennt:
1. Das Gesuch wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
2. Es werden keine Kosten erhoben.
3. Dieser Entscheid wird A. schriftlich eröffnet und der Bundesanwaltschaft (Rechtsdienst) sowie der Gerichtskasse des Bundesstrafgerichts als Inkassobehörde mitgeteilt.
Im Namen der Strafkammer
des Bundesstrafgerichts
Der Vorsitzende Der Gerichtsschreiber
Rechtsmittelbelehrung
Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie gegen die Verfahrenshandlungen der Strafkammer des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliches Gericht des Bundes kann (ausser gegen verfahrensleitende Entscheide) bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde eingelegt werden (Art. 393 Abs. 1 lit. b und 394 ff. StPO ).
Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie Unangemessenheit gerügt werden (Art. 393 Abs. 2 StPO ).
Beschwerde an das Bundesgericht
Gegen verfahrensabschliessende Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts kann beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, innert 30 Tagen nach der Zustellung der vollständigen Urteilsausfertigung Beschwerde eingelegt werden (Art. 78 , Art. 80 Abs. 1 , Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG ).
Mit der Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 BGG ). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
Versand: 24. April 2013