Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Strafverfahren |
Fallnummer: | BH.2013.1 |
Datum: | 17.06.2013 |
Leitsatz/Stichwort: | Vorläufige Festnahme (Art. 51 VStrR). Gegenstandslosigkeit. Kosten- und Entschädigungsfolgen. |
Schlagwörter | Verfahren; VStrR; Beschwerdekammer; Festnahme; Verfahrens; Fleisch; Verfahrensakten; Schaffhausen; Lebensmittel; Zwangsmassnahmen; Beschwerdeführers; Bundesgericht; Untersuchung; Bundesstrafgericht; Schwiegervater; Interesse; Widerhandlung; Untersuchungshaft; Zollgesetz; Aktualität; Standslosigkeit; Haftgr; Tribunal; Parteien; Zollverwaltung; Abend |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 10 BGG ;Art. 118 ZG ;Art. 12 ZG ;Art. 5 ZG ;Art. 62 BGG ;Art. 66 BGG ; |
Referenz BGE: | 125 I 394; 136 I 274; ; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: BH.2013.1 |
Beschluss vom 17. Juni 2013 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Andreas J. Keller, Vorsitz, Emanuel Hochstrasser und Nathalie Zufferey Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja | |
Parteien | A. , Beschwerdeführer | |
gegen | ||
Eidg. Zollverwaltung, Zollkreisdirektion Schaffhausen, Beschwerdegegnerin | ||
Gegenstand | Vorläufige Festnahme (Art. 51 VStrR); Gegenstandslosigkeit; Kosten- und Entschädigungsfolgen |
Die Beschwerdekammer hält fest, dass:
- am Abend des 10. Februar 2013 A. und sein Schwiegervater von Deutschland herkommend nach dem Grenzübergang bei Z./SH von einer Grenzwachtpatrouille angehalten und sich einer Kontrolle unterziehen mussten, wobei im Fahrzeug von A. 307 kg Lebensmittel, davon 205 kg Fleisch- und Wurstwaren, aufgefunden wurden;
- noch in derselben Nacht A. und sein Schwiegervater durch Beamte der Eidgenössischen Zollverwaltung, Zollkreisdirektion Schaffhausen (nachfolgend "EZV"), wegen des Verdachts der illegalen Einfuhr von Lebensmitteln und wegen Kollusionsgefahr festgenommen und zur Sache einvernommen wurden (act. 2.1; Verfahrensakten Urk. 1.1);
- am Morgen des 11. Februar 2013 die EZV die Wohnung von A. in Y./TG durchsuchen liess und dabei unter anderem in einem Lagerraum in der Tiefgarage am Wohnort von A. über 500 kg Fleischprodukte und in dessen Wohnung verschiedene Lebensmittelverarbeitungsgeräte gefunden wurden (Verfahrensakten Urk. 20); die der Hausdurchsuchung beiwohnende Ehefrau von A. zu Protokoll gab, dass ihr Mann seit ca. 1,5 Jahren monatlich nach X./Deutschland fahre und dort in einem muslimischen Verein Fleisch, Döner und Geflügel einkaufe, wobei das Fleisch anschliessend an verschiedene muslimische Vereine in der Schweiz und in W./Italien verkauft werde (Verfahrensakten Urk. 21);
- nach einer weiteren Einvernahme von A. am Nachmittag des 11. Februar 2013 durch die EZV diese noch gleichentags beim Zwangsmassnahmengericht Schaffhausen den Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft stellte (Verfahrensakten Urk. 2.3);
- mit Verfügung des Zwangsmassnahmenrichters des Kantonsgerichts Schaffhausen vom 12. Februar 2013 A. bis 26. Februar 2013 in Untersuchungshaft genommen wurde (act. 2.5);
- mit Schreiben vom 13. Februar 2013 die EZV dem Bundesstrafgericht zuständigkeitshalber eine vom 12. Februar 2013 datierte Beschwerde von A., welche er dem Zwangsmassnahmenrichter anlässlich der Haftverhandlung übergeben habe, überwies (act. 1 und 2);
- A. in seiner Beschwerde sinngemäss die Aufhebung der vorläufigen Festnahme beantragte (act. 1); die EZV in ihrer Beschwerdeantwort vom 20. Februar 2013 den Antrag stellte, die Beschwerde sei kostenfällig abzuweisen (act. 4);
- mit Schreiben vom 22. bzw. 26. Februar 2013 die EZV der Beschwerdekammer mitteilte, dass A. am 22. Februar 2013 aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei (act. 5, 5.1, 6 und 6.2), worauf die Beschwerdekammer die Parteien am 5. März 2013 orientierte, dass sie das Verfahren abzuschreiben beabsichtige; gleichzeitig sie den Parteien die Gelegenheit bot, zu den diesbezüglichen Kosten- und Entschädigungsfolgen Stellung zu nehmen (act. 7);
- innert der hierzu anberaumten Frist A. eine entsprechende Stellungnahme einreichte (act. 8), die der EZV am 11. April 2013 zur Kenntnis gebracht wurde (act. 9); die EZV sich indes nicht vernehmen liess;
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:
- Widerhandlungen gegen das Zollgesetz ( SR 631; ZG) nach diesem und nach dem VStrR beurteilt werden; verfolgende und urteilende Behörde die Beschwerdegegnerin ist (Art. 128 ZG );
- gegen Zwangsmassnahmen im Sinne der Art. 45 ff . VStrR und damit zusammenhängende Amtshandlungen bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden kann (Art. 26 Abs. 1 VStrR ), wobei zur Beschwerde berechtigt ist, wer durch die angefochtene Amtshandlung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 28 Abs. 1 VStrR ); bei Wegfall des aktuellen Interesses des Beschwerdeführers im Verlaufe des Beschwerdeverfahren Letzteres als erledigt erklärt wird, sofern nicht die Voraussetzungen für einen (ausnahmsweisen) Verzicht des aktuellen Interesses gegeben sind (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 1B_351/2012 E. 2.3, insbesondere 2.3.2 mit Verweis auf BGE 125 I 394 E. 4a);
- auf die Aktualität des Rechtsschutzinteresses verzichtet werden kann, wenn die aufgeworfene Frage sich erneut unter gleichen oder ähnlichen Umständen stellt, deren Beantwortung wegen grundsätzlicher Bedeutung von öffentlichem Interesse ist und die Rügen sonst nie rechtzeitig überprüft werden könnten (Urteil des Bundesgerichts 1B_351/2012 vom 20. September 2012, E. 2.3.3);
- über diesen Ausnahmefall hinaus das Bundesgericht in BGE 136 I 274 E. 1.3 die Legitimation trotz fehlender Aktualität angenommen hat, wenn eine Verletzung der EMRK offensichtlich zu bejahen ist und dem Beschwerdeführer durch die Feststellung der Verletzung der EMRK und die Kostenregelung sogleich Widergutmachung verschafft wird;
- der Beschwerdeführer die Legitimation, sofern sie nicht offenkundig ist, mindestens glaubhaft machen muss (Urteil des Bundesgerichts 1B_678/2011 E. 2.1), was entsprechend auch für die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Aktualität des Rechtsschutzinteresses gelten muss;
- der Beschwerde vorliegend nichts zu entnehmen ist, was für ein öffentliches Interesse am Entscheid über eine Frage grundsätzlicher Natur sprechen würde; eine offenkundige Verletzung der EMRK weder geltend gemacht wird noch eine solche im Raume steht;
- demnach im vorliegenden Fall nicht auf die Aktualität des Rechtsschutzinteresses verzichtet werden kann, welche zufolge Haftentlassung offensichtlich nicht mehr gegeben ist;
- dementsprechend der Rechtsstreit gegenstandslos geworden ist; in Anwendung von Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 62 ff . und 71 BGG analog (vgl. hierzu TPF 2011 25 E. 3) i.V.m. Art. 72 BZP bei Gegenstandslosigkeit das Verfahren als erledigt abzuschreiben ist und gemäss denselben Gesetzesbestimmungen mit summarischer Begründung auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes über die Prozesskosten zu entscheiden ist;
- die Beschwerde sich vorliegend gegen die Anordnung der vorläufigen Festnahme richtet;
- nach Art. 51 Abs. 1 VStrR der einer Widerhandlung dringend Verdächtigte vorläufig festgenommen werden kann, wenn ein Haftgrund nach Art. 52 VStrR angenommen werden muss und Gefahr in Verzuge ist; Haftgründe im Sinne von Art. 52 VStrR angenommen werden, wenn gegen den Beschuldigten, der einer Widerhandlung dringend verdächtigt wird, bestimmte Umstände den Verdacht begründen, dass a) er sich der Strafverfolgung oder dem Strafvollzug entziehen werde oder dass b) er Spuren der Tat verwischen, Beweisgegenstände beseitigen, Zeugen oder Mitbeschuldigte zu falschen Aussagen verleiten oder auf ähnliche Weise den Zweck der Untersuchung gefährden werde;
- Waren, die ins Zollgebiet oder aus dem Zollgebiet verbracht werden, zollpflichtig sind und nach dem Zollgesetz sowie nach dem Zolltarifgesetz veranlagt werden müssen (Art. 7 ZG ), es sei denn, es handle sich um zollfreie Waren nach Art. 8 ZG bzw. Art. 5 ff. Zollverordnung (SR.631.01; ZV);
- wer vorsätzlich oder fahrlässig die Zollabgaben durch Nichtanmelden, Verheimlichen oder unrichtige Zollanmeldung der Waren oder in irgendeiner anderen Weise ganz oder teilweise hinterzieht oder sich oder einer anderen Person sonst wie einen unrechtmässigen Zollvorteil verschafft, nach Art. 118 Abs. 1 ZG mit Busse bis zum Fünffachen des hinterzogenen Zollabgabenbetrags bestraft wird; bei erschwerenden Umständen das Höchstmass der angedrohten Busse um die Hälfte erhöht wird und zugleich auf eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr erkannt werden kann (Art. 118 Abs. 2 ZG);
- der Beschwerdeführer und sein Schwiegervater am 10. Februar 2013 um 20.20 Uhr auf dem Gemeindegebiet Z./SH durch eine Grenzwachtpatrouille angehalten und kontrolliert wurden; dabei die Beamten im Fahrzeug des Beschwerdeführers 307 kg Lebensmittel, davon 205 kg Fleisch- und Wurstwaren, fanden, die der Beschwerdeführer und sein Schwiegervater aus Deutschland unbestrittenermassen ohne Zollanmeldung in die Schweiz eingeführt hatten (Verfahrensakten Urk. 1/1); ausserdem festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit bereits wegen illegaler Fleischeinfuhr gebüsst worden war bzw. dass gegen ihn Verwaltungsstrafverfahren wegen illegaler Einfuhr von Fleischwaren bzw. Medikamenten eröffnet worden waren (Verfahrensakten Urk. 33, 34/1-2 und 35/1-2);
- der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 10. Februar 2013 wie auch in seiner Eingabe vom 18. März 2013 geltend machte, die Waren seien für eine Veranstaltung in W./Italien bzw. teilweise für den privaten Gebrauch bestimmt gewesen (Verfahrensakten Urk. 1 S. 2; act. 8);
- bei den vom Beschwerdeführer eingeführten und gegebenenfalls zum Transit bestimmten Lebensmittel es sich nicht um zollfreie Waren nach Art. 8 ZG bzw. Art. 5 ff. VO ZG handelte und zudem die zulässige Einfuhrmenge von 0,5 kg Fleisch und 3,5 kg Geflügel pro Person für den privaten Bedarf bei weitem überschritten wurde (Art. 66 Abs. 2 ZV i.V.m. Anhang 5 der Agrareinfuhrverordnung, SR 916.01);
- der dringende Tatverdacht der Widerhandlung gegen das Zollgesetz daher ohne Weiteres zu bejahen ist;
- ferner die konkrete Gefahr bestand, der Beschwerdeführer könnte allfällige Spuren beseitigen oder seinen Schwiegervater zu Falschaussagen verleiten, sodass ein Haftgrund nach Art. 52 VStrR gegeben war, und damit die noch am gleichen Abend durch die Beschwerdegegnerin verfügte vorläufige Festnahme des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden ist;
- die Rüge des Beschwerdeführers, die vorläufige Festnahme dürfe nicht länger als 24 Stunden dauern, von vornherein fehl geht; der Festgenommene von Gesetzes wegen spätestens nach 48 Stunden der für die Ausstellung von Haftbefehlen zuständigen kantonalen Gerichtsbehörde zuzuführen ist, die prüft, ob ein Haftgrund besteht, und alsdann die Verhaftung oder Entlassung verfügt (Art. 51 Abs. 3 , 4 und 5 VStrR ); die Beschwerdegegnerin noch am Abend des 11. Februar 2013 zuhanden des Zwangsmassnahmengerichts Schaffhausen den Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft (Verfahrensakten Urk. 23) stellte, weshalb die Zuführung an den Haftrichter damit innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen 48 Stunden (vgl. Art. 51 Abs. 6 VstrR) erfolgte;
- im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Untersuchung unnötig verzögert wurde; auch unter dem Blickwinkel der Verhältnismässigkeit die vorläufige Festnahme nicht zu beanstanden ist, da in Anbetracht der vorgefundenen Menge an Lebensmitteln und des Verdachts der gewerbsmässigen Widerhandlung gegen das Zollgesetz die vorläufige Festnahme des Beschwerdeführers nicht unverhältnismässig war; die vom Beschwerdeführer geltend gemachten und durch die Verhaftung verursachten erheblichen Unannehmlichkeiten in privater und beruflicher Hinsicht (act. 1 und 8) an der Zulässigkeit der vorläufigen Festnahme nichts zu ändern vermögen;
- nach dem Gesagten sich die Beschwerde gegen die vorläufige Festnahme des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Eintritts der Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens als unbegründet erwiesen hätte;
- bei diesem Ausgang des Verfahrens der Beschwerdeführer als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen hat (Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 66 Abs. 1 BGG analog) und die Gerichtsgebühr auf Fr. 1'000.--anzusetzen ist (Art. 5 und 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Das Verfahren wird infolge Gegenstandslosigkeit der Beschwerde als erledigt von der Geschäftskontrolle abgeschrieben.
2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
Bellinzona, 18. Juni 2013
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Vorsitzende: Die Gerichtsschreiberin :
Zustellung an
- A.
- Eidg. Zollverwaltung, Zollkreisdirektion Schaffhausen
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.
Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG).
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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