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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BG.2013.18
Datum:20.08.2013
Leitsatz/Stichwort:Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO).
Schlagwörter : Daten; Kanton; Gesuch; Kantons; Täter; Delikt; Gallen; Staatsanwaltschaft; Beschuldigte; Gericht; Schmid; Beschwerdekammer; Verfahren; Beschuldigten; Gerät; Bundesstrafgericht; Thurgau; Delikte; Behörden; Verfügungsmacht; Gesuchsgegner; Polizei; Datenbeschaffung; Frauenfeld; Gerichtsstand; Behörde; Recht; Gesuchsteller
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 139 StGB ; Art. 14 StGB ; Art. 14 StPO ; Art. 143 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 3 StPO ; Art. 34 StPO ; Art. 39 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 4 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 423 StPO ;
Kommentar:
Schmid, Schweizer, Fingerhuth, Lieber, Basler Kommentar StPO, Art. 34 StPO ; Art. 31 StPO, 2011
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2013.18

Beschluss vom 20. August 2013
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz,

Cornelia Cova und Patrick Robert-Nicoud ,

Gerichtsschreiberin Santina Pizzonia

Parteien

Kanton Thurgau, Generalstaatsanwaltschaft

Gesuchsteller

gegen

1. Kanton Zürich, Oberstaatsanwaltschaft

2. Kanton St. Gallen, Staatsanwaltschaft St. Gallen

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO)


Sachverhalt:

A. Den Beschuldigten A. und B. werden insgesamt 10 Delikte, bestehend aus einer Serie von Übertretungen des Strassverkehrsgesetzes und Vermögensdelikten in den Kantonen Schwyz, Zürich, Thurgau und St. Gallen zwischen dem 24. Februar und dem 4. November 2012, zur Last gelegt.

B. Die kantonalen Strafverfolgungsbehörden erlangten wie folgt Kenntnis über die mutmassliche Täterschaft der 10 Delikte:

Die Beschuldigten wurden am 4. November 2012 bei der Ausreise von Österreich nach Ungarn von österreichischen Beamten kontrolliert, welche dabei auf Beute (Felgen samt Reifen und Werkzeuge) aus den Delikten Nr. 9 (Einbruchdiebstahl etc., begangen Anfang November 2012 im Kanton Thurgau) und Nr. 10 (Einbruchdiebstahl etc. begangen Anfang November 2012 im Kanton St. Gallen) stiessen. Die österreichischen Beamten meldeten das Vorfinden des Deliktsguts noch am selben Tag zunächst der Polizei des Kantons St. Gallen.

Die Polizei des Kantons St. Gallen ihrerseits meldete der thurgauischen Polizei, es sei bei den Beschuldigten in Österreich auch Beute aus dem Delikt Nr. 10 vorgefunden worden.

In der Folge wurden anhand des Personenwagens, mit welchem die Beschuldigten von Österreich nach Ungarn fuhren, die Strassenverkehrsdelikte (Nr. 1 bis 4 sowie Nr. 6 bis 7) den Beschuldigten zugeordnet.

Aufgrund eines Abgleichens des Ergebnisses der DNA-Analyse des Speichels von A. mit dem entsprechenden schweizerischen Register wurde dieser Beschuldigte zudem mit dem Delikt Nr. 5 (unbefugte Datenbeschaffung, begangen spätestens am 29. Februar 2012 im Kanton Zürich, angezeigt am 29. Februar 2012 bei der Stadtpolizei Zürich) in Verbindung gebracht.

Hinsichtlich des Delikts Nr. 8 (Ladendiebstahl) war die Täterschaft von Anfang an bekannt, da A. und B. dabei in flagranti ertappt worden waren.

C. Die Staatsanwaltschaft Frauenfeld eröffnete mit Eröffnungsverfügung vom 7. November 2012 die Strafuntersuchung gegen A. wegen Diebstahls, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Frauenfeld, Dossier A) und übernahm am 20. Dezember 2012 auf entsprechendes Ersuchen das Strafverfahren des Untersuchungsamtes Gossau gegen A. und B. wegen geringfügigen Vermögensdelikts (Delikt Nr. 8) (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Frauenfeld, Dossier A).

D. Die Staatsanwaltschaft Frauenfeld gelangte mit Ersuchen um Verfahrensübernahme vom 25. April 2013 betreffend A. und B. an die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl. Dies lehnte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl am 6. Mai 2013 für beide Beschuldigte ab. Mit Ersuchen vom 21. Mai 2013 ersuchte die Staatsanwaltschaft die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich um Verfahrensübernahme, was Letztere am 6. Juni 2013 ebenfalls ablehnte (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Frauenfeld, grünes Dossier).

In der Folge richtete die Staatsanwaltschaft Frauenfeld ihr Ersuchen um Verfahrensübernahme am 12. Juni 2013 an die Staatsanwaltschaft St. Gallen. In seinem Antwortschreiben vom 9. Juli 2013 führte das Untersuchungsamt St. Gallen aus, es halte den Kanton Zürich für das Strafverfahren gegen A. und B. zuständig (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Frauenfeld, grünes Dossier).

E. Mit Gesuch vom 12. Juli 2013 gelangte die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgaus an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt, es seien die Strafbehörden des Kantons Zürich, allenfalls des Kantons St. Gallen für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die Strafuntersuchung und Aburteilung der beiden Beschuldigten A. und B. vorzunehmen bzw. durchzuführen (act. 2).

Mit Gesuchsantwort vom 18. Juli 2013 schloss sich das Untersuchungsamt St. Gallen den Ausführungen der Gesuchstellerin an und stellte sich auf den Standpunkt, dass der Kanton Zürich für das Verfahren zuständig sei (act. 3).

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich lehnte mit Schreiben vom 25. Juli 2013 das Gesuch der Gesuchstellerin ab. Sie beantragt, es seien entweder die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Thurgau oder des Kantons St. Gallen zur Verfolgung und Beurteilung der A. und B. zur Last gelegten Delikte für berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 4).

Die Gesuchsantworten stellte das Gericht dem Gesuchsteller und sowie dem betreffenden Gesuchsgegner zur Kenntnis zu (act. 5). Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Unterlagen wird, soweit notwendig, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen eingegangen.

Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO ). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO ). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die zuständige Behörde des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG ). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, ist im Normalfall die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu u. a. TPF 2011 94 E. 2.2). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO ; vgl. hierzu Kuhn , Basler Kommentar, Basel 2011, Art. 39 StPO N. 9 sowie Art. 40 StPO N. 10; Schmid , Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich/St. Gallen 2009, N. 488; Galliani/Marcellini , Codice svizzero di procedura penale [CPP] - Commentario, Zurigo/San Gallo 2010, n. 5 ad art. 40 CPP).

1.2 Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (§ 31 Abs. 1 des Gesetzes über die Zivil- und Strafrechtspflege des Kantons Thurgau vom 17. Juni 2009 [ZSRG; RB 271.1]) ist berechtigt, den Gesuchsteller bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der Beschwerdekammer zu vertreten. Bezüglich des Gesuchsgegners 1 steht diese Befugnis der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich zu (§ 107 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 [GOG/ZH, LS 211.1]). Das Untersuchungsamt St. Gallen ist berechtigt, den Gesuchsgegner 2 bei inter-kantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der Beschwerdekammer zu vertre-ten (Art. 24 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Straf- und Ju-gendstrafprozessordnung des Kantons St. Gallen vom 3. August 2010 [sGS 962.1]).

1.3 Der Meinungsaustausch zwischen den beteiligten Behörden ist abgeschlossen und die Frist gemäss Art. 40 Abs. 2 StPO für das Gesuch beim Bundesstrafgericht gewahrt. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb das Gesuch materiell zu behandeln ist.

2.

2.1 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO). Ein Verdächtigter ist verfolgt, wenn eine Straf-, Untersuchungs- oder auch eine Polizeibehörde durch die Einleitung von Massnahmen zu erkennen gegeben hat, dass sie jemanden einer strafbaren Handlung verdächtigt, oder wenn eine verdächtige Handlung angezeigt oder diesbezüglich ein Strafantrag gestellt wurde. Massnahmen gegen eine unbekannte Täterschaft genügen (vgl. hierzu Moser , Basler Kommentar, StPO, Basel 2011, Art. 34 StPO N. 6 m.w.H.; Fingerhuth/Lieber , Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 31 StPO N. 28; Schmid , a.a.O., N. 450).

Bei der Beurteilung der Gerichtsstandsfrage muss von der aktuellen Verdachtslage ausgegangen werden. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder sei sicher ausgeschlossen. Der Gerichtsstand bestimmt sich also nicht nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem, was ihm vorgeworfen wird, das heisst, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt. Dabei stützt sich die Beschwerdekammer auf Fakten, nicht auf Hypothesen ( Moser , a.a.O., Art. 34 StPO N. 11; Guidon/Bänziger , Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts zum interkantonalen Gerichtsstand in Strafsachen, Jusletter 21. Mai 2007, [Rz 25] m.w.H.; vgl. nebst anderen den Entscheid des Bundesstrafgerichts BG.2010.12 vom 8. September 2010, E. 2.2 m.w.H.). Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore", wonach im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist ( Guidon/Bänziger , a.a.O., [Rz 42] m.w.H.).

Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts greift bei der Beurteilung der Rechtslage dem Sachrichter nicht vor. Dies hat zur Folge, dass unter Anwendung des Grundsatzes in dubio pro duriore" auf die für den Beschuldigten ungünstigere Rechtslage zu schliessen ist (Beschlüsse der [I.] Beschwerdekammer BG.2012.23 vom 20. August 2012, E. 3.2; BG.2011.41 vom 23. Dezember 2011, E. 2.2).

2.2 Die Tatbestände der unbefugten Datenbeschaffung (Delikt Nr. 5) und des Diebstahls (Delikte Nr. 9 und 10) haben die selbe Strafandrohung: Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe (Art. 143 Abs. 1 und Art. 139 Ziff. 1 StGB ).

Unter Hinweis auf Art. 34 Abs. 1 StPO bringt der Gesuchsteller vor, von diesen Delikten sei das Delikt Nr. 5 im Kanton Zürich zuerst zur Anzeige gebracht worden, weshalb dieser für die Strafverfolgung zuständig sei (act. 1). Dieser Auffassung schliesst sich auch der Gesuchsgegner 2 an (act. 3).

Dem hält der Gesuchsgegner 1 entgegen, dass die inkriminierte Tat vom 29. Februar 2012 (Delikt Nr. 5) nicht den Tatbestand der vollendeten unbefugten Datenbeschaffung betreffe (act. 4). Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, dass der Umstand, dass die Daten durch ein Gerät des Täters kopiert worden seien, noch nicht ausreichend für eine Datenbeschaffung sei, vielmehr müsse der Täter auch selber über die Daten verfügen können, was mindestens visuelle Kenntnisnahme bzw. Herrschaftsmöglichkeit im Sinne einer späteren Nutzbarkeit über die Daten voraussetze. Vorliegend habe die Täterschaft die Daten noch nicht für ihre Zwecke gebrauchen können in Ermangelung der Kenntnisnahme und der "Besitz"nahme der Daten durch Mitnahme des Kopiergerätes (act. 4). Insoweit liege lediglich eine versuchte unbefugte Datenbeschaffung im Sinne von Art. 143 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB vor (act. 4.1).

2.3 Zwischen den Parteien ist unbestritten , dass das mutmasslich von A. am Geldautomaten der Coop-Bank in der Stadt Zürich angebrachte Gerät am 29. Februar 2012 Daten der Bankkundin C. geskimmt hatte. Ebenso steht für sie fest, dass die Stadtpolizei Zürich kurz nach der Anzeige eines weiteren Bankkunden am 29. Februar 2012 das Magnetstreifenkopiergerät samt Kamera entfernte und die Täterschaft daher nicht mehr in deren Besitz gelangen konnte.

2.4 Den Tatbestand von Art. 143 Abs. 1 StGB erfüllt, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind. Art. 143 ist ein als Begehungsdelikt konzipiertes schlichtes Tätigkeitsdelikt ( Niklaus Schmid , Computer- sowie Check- und Kreditkarten-Kriminalität, Zürich 1994, S. 113).

Nach der Definition von Schmid heisst Beschaffen, "dass der Täter für sich oder einen andern unmittelbar die Verfügungsmacht über die Daten, die aus dem Daten-Bestand eines anderen stammen, erlangt ( Schmid, a.a.O., S. 122). Nach Schmid hat sich der Täter die Daten beschafft - und damit ist in aller Regel der objektive Tatbestand vollendet -, wenn er oder der Dritte selbst physisch über die Daten verfügt ( Schmid , a.a.O., S. 122). Im Regelfalle bedeute dies, dass er sie also ausserhalb der Datenverarbeitungsanlage, des Datenträgers oder der Daten-Übermittlungseinrichtung des Berechtigten, aus der sie stammen, für seine Zwecke einsetzen kann ( Schmid , a.a.O., S. 122, 132; ähnlich Philippe Weissenberger , Basler Kommentar, StGB II, Basel 2013, Art. 143 N. 23). Die Tat ist vollendet, wenn der Täter eine eigene Verfügungsmacht über die Daten begründet, indem er zum Beispiel die Daten elektronisch an sich selbst versendet, auf einen anderen Speicherträger überträgt, die Daten ausdruckt oder den Datenträger wegnimmt ( Weissenberger , a.a.O., Art. 143 N. 25 mit Hinweisen auf andere Autoren). Dass der Täter die Daten wirklich für seine Zwecke einsetzt, ist für die Vollendung von Art. 143 Abs. 1 StGB jedoch nicht erforderlich ( Schmid , a.a.O., S. 122, 132; ähnlich Weissenberger , a.a.O., Art. 143 N. 23). Ebenso wenig ist notwendig, dass der Täter vom Inhalt der beschafften Daten Kenntnis nimmt bzw. unmittelbar nehmen kann ( Schmid , a.a.O., S. 122). Nach Schmid fallen indes verschlüsselte Daten unter den Schutzbereich von Art. 143 StGB unter der Voraussetzung, dass der Täter in der Lage ist, die Entschlüsselung vorzunehmen. Sind die beschafften Daten verschlüsselt, ist das Beschaffen seiner Meinung nach erst vollendet, wenn der Täter den Text entschlüsselt oder er auch den notwendigen Schlüssel erlangt ( Schmid , a.a.O., S. 122; ebenso Stratenwerth/Jenny , Besonderer Teil 1, Bern 2010, § 14 N. 30; differenzierend Weissenberger , a.a.O., Art. 143 N. 25).

2.5 Entsprechend dem in der Lehre angeführten Beispiel der vollendeten unbefugten Datenbeschaffung wird demnach über die Daten unter anderem dann unmittelbar die Verfügungsmacht erlangt, wenn diese auf einen anderen Speicherträger übertragen werden. Dabei wird implizit angenommen, dass der Täter oder ein anderer über diesen Speicherträger Verfügungsmacht haben. Davon ausgehend ist daher vorliegend zunächst die Vorfrage zu prüfen, ob der mutmassliche Täter A. durch das Anbringen des Magnetstreifenkopiergeräts als Aufsatz des Karteneinführschlitzes samt Kamera am Geldautomaten seine ursprüngliche Verfügungsmacht an diesen Geräten (vorübergehend) aufgegeben hat.

Gemäss den im Polizeirapport der Stadtpolizei Zürich wiedergegebenen Aussagen des Anzeigers habe dieser deshalb Anzeige erstattet, weil eine Bankkundin vor ihm Mühe gehabt habe, ihre Bankkarte aus dem Automaten zu entfernen, dies für ihn seltsam gewesen sei und er Verdacht geschöpft habe (Verfahrensakten Gesuchsteller, Dossier S1). Es besteht daher Grund zur Annahme, dass umgekehrt die oberhalb des Bildschirms angebrachte Kameraleiste sowie der Kartenleseraufsatz für ein ungeübtes Auge nicht erkennbar waren, wie dies auch aus der Fotodokumentation der Polizei hervorgeht. Dem Polizeirapport ist weiter zu entnehmen, dass der Bankomat nicht mittels Kamera überwacht war (Verfahrensakten Gesuchsteller, Dossier S1).

Demnach hat A. als mutmasslicher Täter den Speicherträger, auf dem die geskimmten Daten übertragen wurden, vor den Benützern des Bankomats derart gut versteckt, dass dieser Speicherträger vor fremden Zugriff im Grundsatz geschützt war. Allein er wusste somit - trotz Deponierung im öffentlichen Raum - um die Existenz dieses Geräts an diesem Ort und kein Anderer (allfällige Teilnehmer und Mittäter ausgenommen) konnte grundsätzlich davon wissen. Nur A. konnte folglich unter den gleichen Umständen wie für die Montage solange darauf zugreifen und das Gerät in seine unmittelbare Verfügungsmacht überführen, bis die Manipulation des Geldautomaten nicht aus anderen Gründen entdeckt und das Gerät durch andere abmontiert worden wäre. In diesem Sinne hatte er somit auch nach der Montage der Geräte am Geldautomaten Verfügungsmacht darüber und damit auch über die in der Folge geskimmten Daten. Solange das Gerät unentdeckt blieb, konnte er somit unter den gleichen Umständen wie für die Montage auch über Gerät samt Daten verfügen.

Die Frage, ob die von A. für sich geschaffene Möglichkeit, auf das Gerät und die Daten zuzugreifen, unter Berücksichtigung aller Umstände für die Annahme vollendeter Tatbegehung ausreicht und die beschriebene Ausgangslage im Ergebnis daher dem Sachverhalt gleichzustellen ist, bei welchem ein Täter unmittelbare Verfügungsmacht über den Speicherträger mit dem geskimmten Daten hat oder erlangt hat, lässt sich vorliegend nicht eindeutig und abschliessend beantworten. Unter der Prämisse, dass dem Sachrichter nicht vorzugreifen ist, erscheint es in Anwendung des auch für Rechtsfragen geltenden Grundsatzes "in dubio pro duriore" zumindest nicht als haltlos bzw. als sicher ausgeschlossen, dass sich der Beschuldigte A. der vollendeten unbefugten Datenbeschaffung schuldig gemacht haben könnte. Diese Straftat wurde vor den beiden anderen Vermögensdelikten Nr. 9 und Nr. 10 angezeigt und im hiefür zuständigen Kanton Zürich wurden die ersten Verfolgungshandlung vorgenommen.

3. Nach dem Gesagten erweist sich das Gesuch daher als begründet, und es sind die Strafverfolgungsbehörden des Gesuchsgegners 1 für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die den Beschuldigten A. und B. zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen.

4. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 423 Abs. 1 StPO).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich sind berechtigt und verpflichtet, die A. und B. zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bellinzona, 20. August 2013

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

- Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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