Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Strafverfahren |
Fallnummer: | BB.2013.74 |
Datum: | 24.05.2013 |
Leitsatz/Stichwort: | Rechtskraft (Art. 438 Abs. 4 StPO). |
Schlagwörter | Bundes; Kammer; Rechtskraft; Urteil; Rechtsmittel; Bundesgericht; Entscheid; Beschwer; Bundesstrafgericht; Bundesanwaltschaft; Entscheide; Eintritt; Beschwerdekammer; Urteils; Schweizerische; Beschluss; Bundesstrafgerichts; Bundesgerichts; Basel; Prozessordnung; Rechtsbeschwerde; Regel; Regelung; Gericht; Urteile; Prozessrecht; Tribunal; Sache |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 10 BGG ;Art. 103 BGG ;Art. 38 StPO ;Art. 381 StPO ;Art. 390 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 423 StPO ;Art. 43 StPO ;Art. 437 StPO ;Art. 438 StPO ;Art. 6 BGG ;Art. 78 BGG ;Art. 80 BGG ; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: BB.2013.74 |
Beschluss vom 24. Mai 2013 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Emanuel Hochstrasser und Tito Ponti , Gerichtsschreiber Stefan Graf | |
Parteien | Bundesanwaltschaft, Beschwerdeführerin | |
gegen | ||
A. und 34 weitere Beschwerdegegner Beschwerdegegner | ||
Vorinstanz | Bundesstrafgericht, Strafkammer, | |
Gegenstand | Rechtskraft (Art. 438 Abs. 4 StPO) |
Sachverhalt:
A. Am 21. März 2012 fällte die Strafkammer des Bundesstrafgerichts (nachfolgend "Strafkammer") das Urteil in der Strafsache SK.2011.5 . In Ziffer XI.3. des entsprechenden Dispositivs ordnete sie an, die restlichen beschlagnahmten Vermögenswerte würden nach Eintritt der Rechtskraft freigegeben (vgl. den Anhang zu act. 1.4, S. 427). Gegen dieses Urteil wurden in der Folge beim Bundesgericht verschiedene Beschwerden eingereicht. Am 21. März 2013 teilte die Strafkammer den Beteiligten mit, den umgehenden Vollzug der Freigabe dieser Vermögenswerte unter den Aspekten der Verhältnismässigkeit und der Regelung von Art. 437 Abs. 3 StPO über den Eintritt der Rechtskraft zu prüfen (act. 2.1). Die Bundesanwaltschaft nahm hierzu am 15. April 2013 gegenüber der Strafkammer Stellung (act. 1.1) und ersuchte das Bundesgericht gleichentags, ihrer am 4. März 2013 eingereichten Beschwerde in Strafsachen die aufschiebende Wirkung zu gewähren (act. 1.2). Mit Verfügung vom 18. April 2013 ordnete das Bundesgericht diesbezüglich an, dass alle Vollziehungsvorkehrungen bis zum Entscheid über das Gesuch um aufschiebende Wirkung zu unterbleiben haben (act. 1.3). Mit Beschluss vom 30. April 2013 stellte die Strafkammer ihrerseits fest, dass das Urteil SK.2011.5 vom 21. März 2012 vollumfänglich in Rechtskraft erwachsen sei (act. 1.4).
B. Mit Beschwerde vom 13. Mai 2013 beantragt die Bundesanwaltschaft, der Beschluss der Strafkammer vom 30. April 2013 betreffend Eintritt der Rechtskraft des Urteils SK.2011.5 vom 21. März 2012 sei aufzuheben und das Verfahren sei bis zum Entscheid des Bundesgerichts über die aufschiebende Wirkung zu sistieren (act. 1). Im Rahmen ihrer Beschwerde führte die Bundesanwaltschaft aus, dass sich die Behandlung vorliegender Beschwerde grundsätzlich erübrige, sollte die Frage der Rechtskraft des Urteils allenfalls im Rahmen des Entscheides des Bundesgerichts über das Gesuch um aufschiebende Wirkung geklärt werden (act. 1, Ziff. II.4, S. 3).
Mit Verfügung vom 14. Mai 2013 erteilte das Bundesgericht der gegen das Urteil der Strafkammer gerichteten Beschwerde der Bundesanwaltschaft die aufschiebende Wirkung (act. 3.1). In ihrer Eingabe vom 16. Mai 2013 führte die Bundesanwaltschaft hierzu aus, dass sich das Bundesgericht zur Frage der Rechtskraft des Urteils der Strafkammer vom 21. März 2012 nicht geäussert habe, weswegen der Sistierungsantrag [gemäss Beschwerde vom 13. Mai 2013] hinfällig geworden sei (act. 3).
Die Beschwerdekammer verzichtet gestützt auf Art. 390 Abs. 2 StPO auf die Durchführung eines Schriftenwechsels. Auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Entscheide über die Rechtskraft unterliegen der Beschwerde nach den Bestimmungen der Art. 393 ff . StPO (Art. 438 Abs. 4 StPO ; vgl. hierzu Sprenger , Basler Kommentar, Basel 2011, Art. 438 StPO N. 9 Satz 1). Entsprechende Beschwerden gegen Beschlüsse der Strafkammer des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliches Gericht des Bundes (vgl. Art. 35 Abs. 1 StBOG) beurteilt die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG ; in diesem Sinne auch Sprenger , a.a.O., Art. 438 StPO N. 9 Satz 2). Die Bundesanwaltschaft kann die Beschwerde zugunsten oder zuungunsten der beschuldigten oder verurteilten Person ergreifen (Art. 381 Abs. 1 StPO). Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO ). Mit ihr gerügt werden können gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (lit. a), die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) sowie die Unangemessenheit (lit. c).
1.2 Die generelle Beschwer der Staatsanwaltschaft ergibt sich nach Rechtsprechung und Lehre aus ihrer funktionalen Stellung, indem ihr die Durchsetzung der materiellen Wahrheit und die Verwirklichung des Rechts obliegt (vgl. hierzu Lieber , Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 381 StPO N. 2; Guidon , Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Berner Diss., Zürich/St. Gallen 2011, N. 217 m.w.H.). Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist.
2.
2.1 Urteile und andere verfahrenserledigende Entscheide, gegen die ein Rechtsmittel nach der StPO zulässig ist, werden gemäss Art. 437 Abs. 1 StPO rechtskräftig, wenn die Rechtsmittelfrist unbenützt abgelaufen ist (lit. a), die berechtigte Person erklärt, auf ein Rechtsmittel zu verzichten, oder ein ergriffenes Rechtsmittel zurückzieht (lit. b) oder die Rechtsmittelinstanz auf das Rechtsmittel nicht eintritt oder es abweist (lit. c). Die Rechtskraft tritt rückwirkend auf den Tag ein, an dem der Entscheid gefällt worden ist (Art. 437 Abs. 2 StPO). Entscheide, gegen die kein Rechtsmittel nach der StPO zulässig ist, werden mit ihrer Ausfällung rechtskräftig (Art. 437 Abs. 3 StPO ). Die vom Bundesgericht zu behandelnden Rechtsmittel hemmen den Eintritt der Rechtskraft nicht (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 S. 1333 ). Diese Bestimmung geht zurück auf Art. 506 Abs. 3 des Vorentwurfs des Bundesamts für Justiz zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung. Im diesbezüglichen Begleitbericht wird hierzu ausgeführt, die Regelung betreffe vorab Entscheide des Berufungsgerichts sowie der Beschwerdeinstanz. Die [seinerzeitigen] eidgenössischen Rechtsmittel seien ausserordentliche Rechtsmittel, die den Eintritt der Rechtskraft nicht hemmen (Begleitbericht des Bundesamts für Justiz zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung, S. 297 m.w.H.).
2.2 Urteile der Strafkammer unterliegen der Beschwerde in Strafsachen (nachfolgend "Strafrechtsbeschwerde") nach den Bestimmungen der Art. 78 ff . BGG (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG). Die Strafrechtsbeschwerde gilt als ausserordentliches Rechtsmittel (in diesem Sinne wohl die Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4342 ; ausdrücklich bejahend Spühler/Dolge/Vock , Bundesgerichtsgesetz - Kurzkommentar, Zürich/St. Gallen 2006, Art. 103 BGG N. 2; Ruckstuhl/Dittmann/Arnold , Strafprozessrecht, Zürich/Basel/Genf 2011, N. 1172; Pieth , Schweizerisches Strafprozessrecht, 2. Aufl., Basel 2012, S. 268) und hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung (Art. 103 Abs. 1 BGG ). Entscheide des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Die Strafrechtsbeschwerde ist klarerweise kein Rechtsmittel nach StPO. In der Annahme, dass es sich bei ihr ebenfalls um ein ausserordentliches Rechtsmittel handelt, hat der Weiterzug ans Bundesgericht keinen Einfluss auf die formelle Rechtskraft des angefochtenen Urteils der Strafkammer. Dies entspricht der klaren Regelung von Art. 437 Abs. 3 StPO ( Cavallo , Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 437 StPO N. 40; in diesem Sinne auch Oberholzer , Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl., Bern 2012, N. 1773; Catenazzi , Codice svizzero di procedura penale [CPP] - Commentario, Zürich/St. Gallen 2010, n. 6 ad art. 437 CPP).
2.3 Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen sowie der Materialien wird klar, dass der angefochtene Beschluss der Strafkammer in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist. Urteile der Strafkammer werden mit ihrer Ausfällung gestützt auf Art. 437 Abs. 3 StPO rechtskräftig. Der von der Beschwerdeführerin ebenfalls angeführte Art. 61 BGG (siehe act. 1, Ziff. III.3, S. 5 f.) vermag daran nichts zu ändern, weil er nur die Frage nach der Rechtskraft der Entscheide des Bundesgerichts regelt. Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin betreffen letztlich die Frage nach der Vollstreckbarkeit des Urteils (siehe v. a. act. 1, Ziff. III.2, S. 4 f.), welche - wie es in E. 12 des angefochtenen Beschlusses ja auch ausdrücklich gemacht wird - von der Frage nach der Rechtskraft abgekoppelt werden kann (siehe Cavallo , a.a.O., Art. 437 StPO N. 41). Eine Vollstreckung des Urteils der Strafkammer ist angesichts der ergangenen bundesgerichtlichen Verfügungen (act. 1.3, 3.1) offensichtlich nicht möglich. Aus diesem Grund spielt die Frage nach der Rechtskraft vorliegend in praktischer Hinsicht auch keine Rolle (vgl. Cavallo , a.a.O., Art. 437 StPO N. 41), selbst wenn man betreffend die Natur der Strafrechtsbeschwerde bzw. betreffend den Eintritt der Rechtskraft mit der Beschwerdegegnerin und den von ihr angeführten Autoren anderer Ansicht ist. Dass im Unterschied zu Strafverfahren in der sachlichen Zuständigkeit der kantonalen Strafbehörden Urteile der Strafkammer nicht durch ein Berufungsgericht überprüft werden und der Weiterzug an die zweite Instanz den Eintritt der Rechtskraft nicht verhindert, stellt entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin (siehe act. 1, Ziff. III.3.2, S. 5) keine Regelungslücke dar. Der Gesetzgeber fällte diesen Entscheid zu Gunsten des Status Quo im Vergleich zur vorherigen Rechtslage in vollem Bewusstsein (siehe die Botschaft vom 10. September 2008 zum Bundesgesetz über die Organisation der Strafbehörden des Bundes, BBl 2008 S. 8144 ff.). Soweit die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Beschwerde schliesslich Kritik am Urteil vom 21. März 2012 übt (act. 1, Ziff. III.2.3, S. 4), ist sie im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu hören. Hierzu wird sich das mittels Strafrechtsbeschwerde angerufene Bundesgericht zu äussern haben.
2.4 Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde offensichtlich als unbegründet, weshalb sie in Anwendung von Art. 390 Abs. 2 StPO ohne Durchführung eines Schriftenwechsels abzuweisen ist.
3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 423 Abs. 1 StPO und Art. 21 Abs. 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Bellinzona, 27. Mai 2013
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :
Zustellung an
- Bundesanwaltschaft
- (...)
- Bundesstrafgericht, Strafkammer
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
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