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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BP.2012.81 vom 27.12.2012

Hier finden Sie das Urteil BP.2012.81 vom 27.12.2012 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BP.2012.81

Der Bundesstrafgericht hat die Beschwerde der Anwältin von A abgewiesen. Die Beschwerde wurde wegen einer falschen Rechtsmittelbelehrung des Bundesanwaltschreibers Stephan Blättler abgelehnt, da es sich um eine unvollständige Beweiserhebung handelte und daher kein Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht vorliess. Der Beschwerdeführer hat keinen Rechtsnachteil aus der Wiederholung seiner Beweisanträge vor dem erstinstanzlichen Gericht erwachsen, da seine Argumente nicht konkret genug waren, um eine konkrete Gefahr einer Beweisverluste zu begründen. Die Beschwerde wurde auch abgewiesen, da die Beschwerdekammer den Antrag auf amtliche Verteidigung bzw unentgeltliche Rechtspflege abgelehnt hat, da es sich nicht um einen Fall notwendiger Verteidigung handelte und der Beschwerdeführer keinen Mitteln zur Finanzierung seiner Verteidigung verfügte.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BP.2012.81

Datum:

27.12.2012

Leitsatz/Stichwort:

Ergänzung der Akten; Parteianträge (Art. 318 i.V.m. Art. 394 lit. b e contrario StPO); amtliche Verteidigung (Art. 132 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 133 StPO); unentgeltliche Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV)

Schlagwörter

Beweis; Beweisanträge; Gericht; Verfahren; Rechtsnachteil; Verteidigung; Verfügung; Beweisverlust; Bundesstrafgericht; Beschwerdekammer; Verfahrens; Rechtsvertreter; Rechtsmittel; Bundesanwaltschaft; Rechtspflege; Rechtsvertreterin; Rechtsmittelbelehrung; Antrag; Basel; Tribunal; Untersuchung; Beweisanträgen; Akten; Bundesstrafgerichts; Zeuge; Beweisabnahme; Kommentar; Beschwerdeführer

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 13 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 19 Or;Art. 29 BV ;Art. 318 StPO ;Art. 39 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 394 StPO ;Art. 428 StPO ;

Kommentar:

Keller, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich, Art. 394 StPO, 2010

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2012.186

Nebenverfahren: BP.2012.81

Beschluss vom 27. Dezember 2012
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz,

Andreas J. Keller und Emanuel Hochstrasser ,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

A. , vertreten durch Fürsprecherin Eva Saluz,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Ergänzung der Akten; Parteianträge (Art. 318 i.V.m. Art. 394 lit. b e contrario StPO ); amtliche Verteidigung (Art. 132 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 133 StPO ); unentgeltliche Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV )


Sachverhalt:

A. Die Bundesanwaltschaft (nachfolgend "BA") führt eine Strafuntersuchung gegen A. wegen Betruges und betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage (act. 1.1).

B. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 teilte die BA A. mit, dass die Untersuchung vollständig sei und setzte ihm Frist nach Art. 318 Abs. 1 StPO zur Stellung von Beweisanträgen. Auch wurde Einsicht in neu erstellte Dokumente gewährt. Die Untersuchung werde teilweise eingestellt und Frist angesetzt zur Einreichung von Unterlagen zu den diesbezüglichen Entschädigungsansprüchen (act. 1.4).

Die Rechtsvertreterin von A. beantragte daraufhin mit Schreiben vom 23. Oktober 2012 die vollumfängliche Einstellung des Verfahrens (act. 1.2). Daraus leiteten sich Entschädigungsanträge ab, wobei für den Fall der Weiterführung des Verfahrens zahlreiche Beweisanträge gestellt wurden (act. 1.2 S. 6-11).

Die BA lehnte daraufhin mit Verfügung vom 8. November 2012 sämtliche gestellten Beweisanträge ab (act. 1.1).

C. Dagegen erhebt A. am 22. November 2012 Beschwerde (act. 1), mit welcher er beantragt was folgt:

1. Die Verfügung vom 8. November 2012 sei wegen falscher Rechtsmittelbelehrung aufzuheben.

2. Die Verfügung vom 8. November 2012 sei aufzuheben, und die Beweisanträge des Beschwerdeführers vom 23. Oktober 2012 seien gutzuheissen.

Eventualiter

Die Verfügung vom 8. November 2012 sei aufzuheben, und die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, den Beweisanträgen des Beschwerdeführers vom 23. Oktober 2012 zu entsprechen.

3. Dem Beschwerdeführer sei für das vorliegende Beschwerdeverfahren die unterzeichnete Anwältin als amtliche Verteidigerin beizuordnen.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolge

Die Begründung der Beweisanträge verlangt, Zeugen einzuvernehmen (act. 1 S. 7-12), Gutachten anzufertigen (act. 1 S. 13), Marktverhältnisse abzuklären (act. 1 S. 12), Unterlagen zu edieren (act. 1 S. 13) sowie Berichte aus den Akten zu entfernen (act. 1 S. 10f.).

Im gleichen Verfahrenskomplex machten A. und seine Rechtsvertreterin weitere Verfahren anhängig ( BB.2012.185 / BP.2012.80 bezüglich Beschlagnahme; BB.2012.184 / BB.2012.187 / BP.2012.79 bezüglich Entschädigungsansprüche).

Mit Beschwerdeantwort vom 17. Dezember 2012 beantragte die BA, die vorliegende Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei (act. 4). Eine Kopie hiervon ging direkt an die Rechtsvertreterin von A. zur Kenntnisnahme (act. 4 S. 3).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Bundesanwaltschaft kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde nach den Vorschriften der Art. 393 ff . StPO erhoben werden (Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG und Art. 19 Abs. 1 des Organisationsreglements vom 31. August 2010 für das Bundesstrafgericht [Organisationsreglement BStGer, BStGerOR; SR 173.713.161]).

1.2 Die Beschwerde ist ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Beweisanträgen durch die Staatsanwaltschaft, wenn der Antrag ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden kann (vgl. Art. 394 lit. b StPO ). Der Begriff "Rechtsnachteil" ist nicht formal, sondern materiell auszulegen. Ist beispielsweise ein Zeuge hoch betagt, schwer erkrankt oder ist mit seiner Ausreise in ein Land ohne staatsvertraglich vorgesehene Rechtshilfemöglichkeit zu rechnen, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass eine Beweisabnahme vor Gericht aus tatsächlichen Gründen nicht durchgeführt werden kann. In diesen Fällen soll die Beschwerde gegen eine Abweisung eines Beweisantrages zugelassen werden (vgl. Keller , Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 394 StPO N. 3). Es geht dabei klarerweise nur um Fälle drohender, nicht oder nur schwer wieder gutzumachender Nachteile. Der Nachweis des drohenden und schwer wiegenden Beweisverlusts obliegt dem Beschwerdeführer. Somit hat der Beschwerdeführer einerseits zu begründen, weshalb der beantragte (und von der Staatsanwaltschaft abgelehnte) Beweis von entscheidender Bedeutung für das Verfahren ist und nicht unter Art. 139 Abs. 2 StPO fällt, und andererseits muss er den Nachweis erbringen, dass ein Zuwarten mit der Beweisabnahme aller
Voraussicht nach zu einem Beweisverlust führen würde ( TPF 2011 58 ; vgl. Stephenson/Thiriet , Basler Kommentar, Basel 2011, Art. 394 StPO N. 6 in fine, mit Hinweis auf Goldschmid/Maurer/Sollberger , Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Bern 2008, S. 388; vgl. zum Ganzen auch Schmid , Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich/St. Gallen 2009, N. 1515; Ders ., Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, Art. 394 StPO N. 3; Rémy , Commentaire romand, Bâle 2011, n° 6 ad art. 394 CPP; Mini , Codice svizzero di procedura penale [CPP] - Commentario, Zurigo/San Gallo 2010, n. 4 ad art. 394 CPP; demgegenüber kritisch Pieth , Schweizerisches Strafprozessrecht, Basel 2009, S. 230).

1.3 Der Beschwerdeführer macht neben einem formellen Mangel (falsche Rechtsmittelbelehrung) im Kern geltend, die von ihm gestellten, und von der BA abgewiesenen Beweisanträge könnten vor dem erstinstanzlichen Gericht nicht ohne Rechtsnachteil wiederholt werden. Das Alter und der Gesundheitszustand gewisser beantragter Zeugen sei unbekannt, weshalb vollständiger Beweisverlust drohe. Die Anklage könne aufgrund der unvollständigen Beweiserhebung nicht erhoben werden, und schon die Anklageerhebung bedeute für sich einen nicht wiedergutzumachenden Rechtsnachteil. Der rechtliche Gehörsanspruch werde verletzt, wenn den Verfassern der Schlussberichte jetzt keine Fragen gestellt werden könnten. Die geschädigten Telefonkartenkäufer seien nicht bekannt, weshalb ein Betrug nicht gegeben sein könne und ebenfalls Beweisverlust drohe. Der technische Sachverhalt sei aufgrund von dessen Komplexität durch Gutachten zu klären (act. 1 S. 5, 3, 8, 9f., 11, 13).

1.4 Soweit damit eine abweichende rechtliche oder tatsächliche Würdigung des Untersuchungsergebnisses vorgenommen oder das Verfahren beanstandet wird, nimmt dies ein Thema des Hauptverfahrens vorweg. Über die umstrittene Verwertbarkeit von Beweismitteln sowie Schuld und Unschuld ist in diesem zu befinden. Die Verfügung der BA begründet ihre Beweiswürdigung und gibt damit zuhanden des urteilenden Gerichts genügend Aufschluss darüber, weshalb die abgelehnten Anträge keine Auswirkung auf die Gesamtbeurteilung des Falles durch die BA haben sollen (dazu Steiner , Basler Kommentar zur StPO, Basel 2011, Art. 318 N. 10-12). Der Beschwerdeführer legt in keiner Weise genügend dar, inwiefern ein Zuwarten mit der Beweisabnahme zu einem Beweisverlust führen würde. Indem es am Nachweis einer konkreten Gefahr fehlt, vermögen seine Argumente nicht zu überzeugen. Einen drohenden Beweisverlust jedenfalls begründen sie nicht konkret, geschweige denn hinreichend. Damit ist mangels Rechtsnachteils auch der gerügte Mangel einer falschen Rechtsmittelbelehrung nicht gegeben, zumal seine Rechtsvertreterin jedenfalls die Beschwerde richtig einreichte.

2. Nach dem Gesagten können die vom Beschwerdeführer gestellten und von der Beschwerdegegnerin abgelehnten Beweisanträge ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden, so dass die vorliegende Beschwerde als offensichtlich unbegründet abzuweisen ist, soweit darauf überhaupt einzutreten ist.

3. Der Beschwerdeführer stellt den Antrag auf amtliche Verteidigung und begründet diesen mit der Tatsache, dass es sich um einen Fall notwendiger Verteidigung handle, und der Beschwerdeführer nicht über die notwendigen Mittel zur Finanzierung seiner Verteidigung verfüge. Dieser Antrag entspricht in formeller Hinsicht der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach ein für das Hauptverfahren eingesetzter amtlicher Verteidiger nicht automatisch als unentgeltlicher Rechtsvertreter im Beschwerdeverfahren mitwirkt, sondern von der Beschwerdeinstanz als solcher einzusetzen ist. Diese hat dabei die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege (Bedürftigkeit, Prozessaussichten) zu prüfen (Entscheid des Bundesgerichts 1B_705/2011 vom 9. Mai 2012, E. 2.3 und 2.4). Vorliegend hat der Beschwerdeführer nicht konkret dargelegt, inwiefern ihm ein Rechtsnachteil aus der Wiederholung seiner Beweisanträge vor dem erstinstanzlichen Gericht erwachsen soll, weshalb seine Beschwerde im Sinne der unentgeltlichen Rechtspflege als aussichtslos einzustufen ist. Der Antrag auf amtliche Verteidigung ist deshalb abzuweisen.

4. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'000.-- festzusetzen (Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren, BStKR; SR 173.713.162).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2. Das Gesuch um amtliche Verteidigung bzw. unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona,

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- Fürsprecherin Eva Saluz

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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