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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BE.2012.4 vom 11.07.2012

Hier finden Sie das Urteil BE.2012.4 vom 11.07.2012 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BE.2012.4

Der Bundesstrafgericht BE20124 hat am 11. Juli 2012 einen Beschluss gefällt, in dem er das Gesuch des Anwalts der A SA gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE200921 vom 14. Januar 2010, E 42, abweist und stattdessen ein Entgegenstandsgesuch für die Durchsuchung von Papieren im Rahmen einer Untersuchung gemäss Art 27 des Bundesgesetzes über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) vorgelegt hat.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BE.2012.4

Datum:

11.07.2012

Leitsatz/Stichwort:

Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR).

Schlagwörter

Gesuch; Bundes; Gesuchs; Gesuchsgegnerin; Daten; VStrR; Durchsuchung; Datenträger; Bundesstrafgericht; Recht; Bundesstrafgerichts; Untersuchung; Beschwerdekammer; Sekretariat; Papiere; Wettbewerb; Preis; Entsiegelung; Entscheid; Anwalt; Wettbewerbskommission; Verfahren; Hinweis; Papieren; Meldung; Anzeige; Verdacht; Hausdurchsuchung

Rechtskraft:

Kein Weiterzug, rechtskräftig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 1 StPO ;Art. 10 BGG ;Art. 171 StPO ;Art. 2 KG ;Art. 248 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 42 KG ;Art. 5 KG ;Art. 57 KG ;

Referenz BGE:

108 IV 76; 124 I 327; 137 IV 145; ;

Kommentar:

Schweizer, Wohlers, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich, Art. 1 StPO, 2010

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BE.2012.4

Beschluss vom 11. Juli 2012
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz,

Cornelia Cova und Patrick Robert-Nicoud ,

Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

Wettbewerbskommission, Sekretariat

Gesuchstellerin

gegen

A. SA, vertreten durch Rechtsanwältin Astrid Waser und/oder Rechtsanwalt Oliver Labhart,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR)


Sachverhalt:

A. Das Sekretariat der Wettbewerbskommission (nachfolgend "Sekretariat") eröffnete am 22. November 2011 im Einvernehmen mit einem Mitglied des Präsidiums der Wettbewerbskommission eine Untersuchung gemäss Art. 27 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) gegen verschiedene Sanitärgrosshändler in der Schweiz, darunter auch gegen die A. SA (vgl. act. 1.2 und 4.4). Der Untersuchung liegt der Verdacht zu Grunde, dass die betroffenen Unternehmen im Sanitärgrosshandel unzulässige Preisabsprachen und Gebietsabreden getroffen und damit gegen Art. 5 KG verstossen haben könnten (vgl. act. 1.2, S. 1 und act. 4.4). Im Rahmen dieser Untersuchung führte das Sekretariat am 22. November 2011 bei der A. SA eine Hausdurchsuchung durch und stellte hierbei verschiedene Unterlagen und Datenträger sicher (act. 1.1). Die A. SA verlangte anlässlich der Hausdurchsuchung die Versiegelung des Datenträgers "Contenu CD données saisies M. B." (act. 1.1). Das Sekretariat versuchte in der Folge, mit dem Einverständnis der A. SA den entsprechenden Datenträger informell zu entsiegeln. Der Vertreter der A. SA teilte dem Sekretariat mit E-Mail vom 19. März 2012 jedoch mit, diese möchte das formelle Entsiegelungsverfahren in Anspruch nehmen (act. 1.6).

B. Mit Gesuch vom 5. April 2012 gelangte das Sekretariat an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt Folgendes (act. 1):

"Es sei unter Kostenfolge die Entsiegelung des am 22. November 2011 sichergestellten und versiegelten Datenträgers der C. Holding AG anzuordnen und deren Durchsuchung durch die Mitarbeiter des Sekretariats der Wettbewerbskommission zu ge­statten.

Eventualiter: Sollten sich vereinzelte durch das Anwaltsgeheimnis geschützte Dokumente auf dem Datenträger befinden, seien diese durch die Beschwerdekammer auszuscheiden. Die Durchsuchung des auf diese Weise bereinigten Datenträgers sei durch die Mitarbeiter des Sekretariats der Wettbewerbskommission zu gestatten. Alles unter Kostenfolge."

Die A. SA beantragt in ihrer Gesuchsantwort vom 27. April 2012 was folgt (act. 4):

"1. Das Gesuch der Gesuchstellerin vom 5. April 2012 sei abzuweisen und die bei der Gesuchsgegnerin (...) sichergestellte und versiegelte DVD mit Daten von B. sei an die Gesuchsgegnerin herauszugeben.


Eventualiter:

2. Es seien durch das Bundesstrafgericht sämtliche Daten auszusondern und vom Datenträger zu löschen, die von externen Rechtsanwälten/Anwaltskanzleien erstellt, von diesen oder an diese übermittelt wurden oder damit im Zusammenhang stehen, insbesondere Daten betreffend:

- D.

- E.

- F.

- G.

- H.

3. Es sei die Gesuchstellerin anzuweisen, anlässlich der Durchsuchung diejenigen Daten auszuscheiden und vom Datenträger zu löschen, die mit dem Gegenstand der Untersuchung offensichtlich in keinem Zusammenhang stehen und keinen Bezug zu den in Frage stehenden Tatbeständen aufweisen.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates."

Die Gesuchsantwort wurde dem Sekretariat am 2. Mai 2012 zur Kenntnis gebracht (act. 5).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Für die Verfolgung und die Beurteilung strafbarer Handlungen nach dem KG gelten die Bestimmungen des VStrR (Art. 57 Abs. 1 KG). Verfolgende Behörde ist hierbei das Sekretariat der Wettbewerbskommission im Einvernehmen mit einem Mitglied von deren Präsidium. Urteilende Behörde ist die Wettbewerbskommission (Art. 57 Abs. 2 KG ). Die Wettbewerbsbehörden können Hausdurchsuchungen anordnen und Beweisgegenstände sicherstellen. Für diese Zwangsmassnahmen sind die Art. 45 - 50 VStrR sinngemäss anwendbar (Art. 42 Abs. 2 KG).

1.2 Werden im Verwaltungsstrafverfahren Papiere und Datenträger (vgl. hierzu BGE 108 IV 76 E. 1) durchsucht, so ist dem Inhaber derselben wenn immer möglich vor der Durchsuchung Gelegenheit zu geben, sich über deren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere vorläufig versiegelt und verwahrt (Art. 50 Abs. 3 VStrR). Zur Einsprache gegen die Durchsuchung ist nur der Inhaber der Papiere legitimiert (Urteil des Bundesgerichts 1S.28/2005 vom 27. September 2005, E. 2.4.2, mit Hinweis auf den Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2005.20 vom 23. Juni 2005, E. 2.1.1). Über die Zulässigkeit der Durchsuchung entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 50 Abs. 3 VStrR i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. b StBOG).

1.3

1.3.1 Die Gesuchsgegnerin bringt in formeller Hinsicht vor, die Gesuchstellerin habe vor dem Hintergrund der in Art. 248 Abs. 2 StPO vorgesehenen Frist von 20 Tagen zu lange mit der Einreichung des vorliegenden Gesuchs zugewartet. Das Gesuch sei daher als verspätet abzuweisen (act. 4, Rz. 76 ff.).

1.3.2 Die Durchsuchung von Papieren im Verwaltungsstrafrecht richtet sich nach Art. 50 VStrR . Die entsprechende Regelung enthält keine zeitlichen Vorgaben, innerhalb welcher Frist die ersuchende Behörde der Beschwerdekammer ihr Entsiegelungsgesuch zu unterbreiten hat (Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2011.6 vom 27. März 2012, E. 1.1.; Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2009.21 vom 14. Januar 2010, E. 1.4; siehe auch Eicker/Frank/Achermann , Verwaltungsstrafrecht und Verwaltungsstrafverfahrensrecht, Bern 2012, S. 210), währenddem der am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Art. 248 Abs. 2 StPO der Strafbehörde diesbezüglich eine Verwirkungsfrist von 20 Tagen setzt. Die von der Gesuchsgegnerin angeregte Anwendung von Art. 248 Abs. 2 StPO auf das vorliegende, im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens des Bundes gestellte Entsiegelungsgesuch erweist sich aber als unzulässig. Art. 1 Abs. 2 StPO sieht vor, dass Verfahrensvorschriften anderer Bundesgesetze [gegenüber den Bestimmungen der StPO] vorbehalten bleiben. Zu den Verfahrensgesetzen, die nicht von der StPO abgelöst wurden, sondern bestehen blieben, gehört das VStrR ( Wohlers , Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 1 StPO N. 13; Straub/Weltert , Basler Kommentar, Basel 2011, Art. 1 StPO N. 12). Diese wurde vom Gesetzgeber bei der der Vereinheitlichung des Strafprozessrechts bzw. beim Erlass der StPO bewusst ausgeklammert (vgl. hierzu die Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 S. 1086 , 1127; Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung, Bern 2001, S. 31; Aus 29 mach 1 - Konzept einer eidgenössischen Strafprozessordnung, Bericht der Expertenkommission "Vereinheitlichung des Strafprozessrechts", Bern 1997, S. 70). Im Bereich des Verwaltungsstrafrechts des Bundes sind daher nur jene Regeln der StPO zur Anwendung zu bringen, auf welche das VStrR explizit verweist (so z. B. in Art. 22 Abs. 2 , Art. 41 Abs. 2 , Art. 43 Abs. 2 VStrR u. a. mehr). Wo das VStrR - wie im Bereich der Durchsuchung von Papieren - eine eigene und von der Einführung der StPO nicht tangierte Regelung vorsieht, geht diese gegenüber den Bestimmungen der StPO als lex specialis vor ( Arn/Steiner , Commentaire romand, Bâle 2011, n° 27 ad art. 1 CPP; Bernasconi , Codice svizzero di procedura penale - Commentario, Zurigo/San Gallo 2010, n. 22 ad art. 1 CPP). Entsprechend ist die Abweisung des vorliegenden Gesuchs infolge Fristablaufs nicht möglich. Dem von der Beschwerdekammer in ihrem Entscheid BE.2009.21 vom 14. Januar 2010, E. 1.4 gemachten Hinweis an die Gesuchstellerin, sich bei weiteren Entsiegelungsgesuchen an der Frist von 20 Tagen (gemäss Art. 248 Abs. 2 StPO) zu orientieren, kommt lediglich der Charakter einer Empfehlung zu, mit welcher dem auch im Verwaltungsstrafverfahrensrecht zu wahrenden Beschleunigungsgebot gebührend Rechnung getragen werden soll.

1.4 Die Gesuchsgegnerin ist Inhaberin des versiegelten Datenträgers und daher zur Einsprache legitimiert. Auf das Entsiegelungsgesuch ist nach dem Gesagten einzutreten.

2. Gemäss konstanter Praxis der Beschwerdekammer entscheidet diese bei Entsiegelungsgesuchen in einem ersten Schritt, ob die Durchsuchung im Grundsatz zulässig ist und, sofern dies bejaht wird, in einem zweiten Schritt, ob die Voraussetzungen für eine Entsiegelung erfüllt sind. Von einer Durchsuchung von Papieren, bei der es sich um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme handelt, wird gesprochen, wenn Schriftstücke oder Datenträger im Hinblick auf ihren Inhalt oder ihre Beschaffenheit durchgelesen bzw. besichtigt werden, um ihre Beweiseignung festzustellen und sie allenfalls zu den Akten zu nehmen. Eine derartige Durchsuchung ist nur zulässig, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht, anzunehmen ist, dass sich unter den sichergestellten Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Art. 50 Abs. 1 VStrR ) und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit respektiert wird. Die Durchsuchung von Papieren ist dabei mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse und unter Wahrung der Berufs- und Amtsgeheimnisse durchzuführen (Art. 50 Abs. 1 und 2 VStrR ; vgl. zum Ganzen den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2010.17 vom 12. November 2010, E. 2 m.w.H.).

3.

3.1 Im Entsiegelungsentscheid ist vorab zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine Durchsuchung besteht. Dazu bedarf es zweier Elemente: Erstens muss ein Sachverhalt ausreichend detailliert umschrieben werden, damit eine Subsumtion unter einen oder allenfalls auch alternativ unter mehrere Tatbestände des Strafrechts überhaupt nachvollziehbar vorgenommen werden kann. Zweitens müssen ausreichende Beweismittel oder Indizien angegeben und vorgelegt werden, die diesen Sachverhalt stützen. In Abgrenzung zum dringenden setzt dabei der hinreichende Tatverdacht gerade nicht voraus, dass Beweise oder Indizien bereits für eine erhebliche oder hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sprechen (vgl. zum Ganzen ausführlich den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2006.7 vom 20. Februar 2007, E. 3.1 m.w.H.; die dort angeführten Überlegungen gelten gleichermassen auch für das Verwaltungsstrafverfahren, gibt es doch diesbezüglich keinen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Rechtsanwendung).

3.2 Die Gesuchstellerin begründet ihr Gesuch mit dem Verdacht, wonach die Gesuchsgegnerin als eines der dem Verband I. angeschlossenen Mitglieder an unzulässigen Abreden über die direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen (Art. 5 Abs. 3 lit. a KG) und/oder an unzulässigen Abreden über die Aufteilung von Märkten nach Gebieten (Art. 5 Abs. 3 lit. c KG ) beteiligt sei (act. 1, Rz. 8 - 17). Die entsprechende Untersuchung wurde ausgelöst durch verschiedene Anzeigen und Meldungen von Dritten (act. 1.8). In der Meldung vom 22. September 2011 berichtet der Anzeigeerstatter, er habe beim Einholen von Offerten festgestellt, dass die Preise der Gesuchsgegnerin und diejenigen der Konkurrentin J. sehr nahe beieinander gelegen hätten. Weiter habe er festgestellt, dass beide Anbieter jeweils zu Beginn des Jahres ihre Preise um 5% anheben würden, währenddem die entsprechenden Produkte im Ausland deutlich billiger seien (45% - 60%) und nicht teurer geworden seien bzw. der EURO-Wechselkurs bereits zu sinken begonnen habe. Einer weiteren Meldung ist zu entnehmen, dass sich im Bereich der Sanitäranlagen bei Internetangeboten die Preise meist gleichen bzw. nicht weit auseinander liegen würden. Die Meldung beinhaltet auch Links auf Diskussionen in einschlägigen Internet-Foren, in welchen auch andere Nutzer diesen Umstand thematisieren. Nebst einer Meldung vom 1. November 2011, mit welcher ein Architekt auf angeblich "massiv überhöhte Preise im Baugewerbe" hinweist, legt die Gesuchstellerin eine weitere Anzeige vom 10. Oktober 2011 vor, mit welcher ebenfalls auf den Umstand hingewiesen wird, dass die Katalogpreise aller Anbieter von Sanitäranlagen in der Schweiz (so auch der Gesuchsgegnerin) dieselben seien, währenddem in Deutschland dieselben Produkte 2,6 x billiger zu haben seien. Die Tatsache, dass trotz Margen in diesem Bereich kein Anbieter finanziell attraktivere Angebote mache, deute auf das Fehlen von echtem Wettbewerb bzw. auf das mögliche Bestehen wettbewerbsbeschränkender Abreden hin. Gestützt auf diese Eingaben erstellte die Gesuchstellerin im Zeitraum vom 24. bis 26. September 2011 einen Preisvergleich verschiedener Sanitäranlagen von insgesamt zehn Anbietern. Als Ergebnis dieses Vergleichs (act. 1.9) fällt auf, dass tatsächlich fast alle Anbieter für eine Reihe verschiedener Produkte exakt denselben Preis verlangen. Allenfalls bestehende Preisdifferenzen bewegen sich derweil in einem relativ kleinen Umfang.

An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass zu Beginn eines Strafverfahrens eine substantiierte Strafanzeige zur Begründung eines hinreichenden Tatverdachts genügen kann (vgl. hierzu den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2004.10 vom 22. April 2005, E. 3.3.2). Die hier vorliegende Mehrzahl - meist konkret formulierter - Anzeigen sowie die eigene Marktbeobachtung der Gesuchstellerin liefern demnach - entgegen den Ausführungen der Gesuchsgegnerin (siehe act. 4, Rz. 40 - 42) genügend konkrete Hinweise, welche im jetzigen Zeitpunkt zu Beginn der Untersuchung den hinreichenden Verdacht begründen, wonach im Markt der Sanitäranlagen unzulässige Preisabreden bestehen könnten. Die von der Gesuchsgegnerin diesbezüglich vorgebrachten Einwendungen und Bestreitungen vermögen daran nichts zu ändern, wie nachfolgend aufzuzeigen ist.

3.3 Die Ausführungen der Gesuchsgegnerin, wonach die Gesuchstellerin die Begriffe der Vermutung und des hinreichenden Verdachts vermische (act. 4, Rz. 45 ff.), müssen als konfus bezeichnet werden. Wie oben erwähnt, zeichnet sich der hinreichende Tatverdacht gerade dadurch aus, dass dieser noch keine erhebliche oder hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung bedeutet (siehe E. 3.1 mit Hinweis). Die Unschuldsvermutung, auf welche sich die Gesuchsgegnerin an anderer Stelle selber beruft, untersagt es den staatlichen Behörden, die beschuldigte Person als schuldig hinzustellen oder zu behandeln, solange die allfällige Schuld nicht auf gesetzmässige Weise vom zuständigen Gericht festgestellt worden ist (Verbot der Vorverurteilung; BGE 124 I 327 E. 3b). An den von der Gesuchsgegnerin kritisierten Formulierungen in act. 1.3 und 1.4, wonach vermutungsweise eine Preisabrede bzw. eine vermutete Widerhandlung vorliege, ist demnach nichts zu beanstanden.

Aus den Hinweisen auf die Entscheide des Bundesstrafgerichts BE.2009.21 vom 14. Januar 2010 und BE.2007.10 vom 14. März 2008 vermag die Gesuchsgegnerin ebenso nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Im letztgenannten Fall lag zur Begründung des Tatverdachts eine Selbstanzeige vor; im anderen Fall stammte die Anzeige ebenfalls von einer Person, welche hinsichtlich der Vorwürfe über sehr gute (interne) Detailkenntnisse verfügte. Im vorliegenden Fall stammen die Anzeigen von Kunden der nunmehr beschuldigten Unternehmungen, welche naturgemäss keinen Einblick in Internas dieser Firmen haben. Demzufolge kann der Konkretisierungsgrad der vorliegenden Meldungen nicht mit demjenigen einer Selbstanzeige verglichen werden. Entscheidend ist, dass die hier vorliegenden Meldungen und Anzeigen hinreichend konkret und anhand eigener Beobachtungen der Gesuchstellerin auf ihre Stichhaltigkeit hin ein erstes Mal überprüft worden sind.

Sofern die Gesuchsgegnerin weiter eigene Erklärungsansätze sowohl hinsichtlich des Vorwurfs der Gebietsabreden (historisch gewachsene Tätigkeitsgebiete der einzelnen Anbieter; act. 4, Rz. 55 f.) als auch der Preisabreden (Rabattwettbewerb; act. 4, Rz. 57 ff.) vorbringt, so wird der weitere Verlauf der Untersuchung aufzeigen müssen, ob sich der momentan bestehende Verdacht der unzulässigen Wettbewerbsabreden weiter erhärten lassen kann oder nicht. Zumindest hinsichtlich des Rabattwettbewerbs kann den erwähnten Diskussionen in den Internet-Foren (siehe E. 3.2) entnommen werden, dass dieser angeblich nicht (immer) spielt.

Abschliessend macht die Gesuchsgegnerin unter Hinweis auf eine am 11. Oktober 2006 abgeschlossene Vorabklärung bzw. auf eine in den Jahren 2010/11 durchgeführte Marktbeobachtung der Gesuchstellerin geltend, dass das vorliegende Verfahren bereits weit fortgeschritten sei und die Verdachtslage daher einer strengeren Prüfung zu unterziehen sei (act. 4, Rz. 60 ff.). Was die im Jahre 2006 abgeschlossene Vorabklärung anbetrifft, so betraf diese offensichtlich Sachverhalte, welche sich in den Jahren 2004 und 2005 ereigneten. Die nun vorliegende Untersuchung wurde am 22. November 2011 eröffnet, offenbar nach einer entsprechenden Vorabklärung im Sinne von Art. 26 KG . Die Hausdurchsuchung, welche zur Sicherstellung des vorliegend interessierenden Datenträgers führte, fand ebenfalls am 22. November 2011 statt. Von einem weit fortgeschrittenen Verfahren kann demnach keine Rede sein.

4.

4.1 Weiter ist zu prüfen, ob anzunehmen ist, dass sich unter den zu durchsuchenden Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Art. 50 Abs. 1 VStrR ). Die Untersuchungsbehörden müssen hierbei jedoch noch nicht darlegen, inwiefern ein konkreter Sachzusammenhang zwischen den Ermittlungen und einzelnen versiegelten Dokumenten besteht (vgl. TPF 2004 12 E. 2.1).

4.2 Der vorliegend bei der Gesuchsgegnerin sichergestellte Datenträger ist B. zuzuordnen. Er ist Mitglied des Verwaltungsrates der Gesuchsgegnerin, der C. Holding SA, der K. AG sowie der L. SA. Diese Unternehmen sind alle Teil der C. Holding SA. Er ist zudem unternehmensinterner Rechtsberater (act. 1.1, 1.5). Wie die Erfahrungen der Gesuchstellerin bestätigt haben, befinden sich Beweismittel zu allfälligen Abreden in der Regel in den Geschäftsräumlichkeiten bzw. auf den Computerservern und weiteren elektronischen Geräten in den Geschäftsräumlichkeiten der potentiellen Abredeteilnehmer. Die Durchsuchung des hier interessierenden Datenträgers ist demnach erforderlich und geeignet im Hinblick auf die Feststellung des Vorhandenseins von allfälligen Beweismitteln im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand. Den Einwendungen der Gesuchsgegnerin, wonach die Hausdurchsuchung selbst unverhältnismässig gewesen sei (act. 4, Rz. 71 ff.), fehlt es im vorliegenden Verfahren an Relevanz.

5.

5.1 Papiere sind mit grösstmöglicher Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen (Art. 50 Abs. 1 VStrR ). Zudem sind bei der Durchsuchung das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren (Art. 50 Abs. 2 VStrR ).

5.2 Die Gesuchsgegnerin macht geltend, B. habe als Leiter des Rechtsdienstes des öfteren mündlichen und schriftlichen Kontakt zu externen Rechtsanwälten. Die entsprechende sich in den versiegelten Daten befindliche Korrespondenz und damit zusammenhängende Aufzeichnungen unterlägen daher dem Anwaltsgeheimnis (act. 4, Rz. 97). Sie beruft sich unter dem Aspekt des Geheimnisschutzes auf die Art. 264 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 171 Abs. 1 StPO (act. 4, Rz. 95 f.). Wie bereits oben ausgeführt, sind die Bestimmungen des VStrR zur Durchsuchung von Papieren vom Gesetzgeber bei der Schaffung der StPO bewusst nicht verändert worden (siehe E. 1.3.2). Der vom Bundesrat vorgeschlagenen Modifikation des Art. 46 Abs. 3 VStrR (siehe hierzu die Botschaft vom 26. Oktober 2011 zum Bundesgesetz über die Anpassung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis; BBl 2011 S. 8187 f., 8193) kommt keine gesetzlich vorgesehene Vorwirkung zu (siehe hierzu den Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2011.6 vom 27. März 2012, E. 4.2.1.2). Es bleibt daher bei der Anwendung von Art. 50 VStrR (siehe in diesem Sinne auch BGE 137 IV 145 E. 1.1), wobei auch die bisher zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung weiterhin zu beachten ist.

5.3 Vorliegend macht die Gesuchsgegnerin zu Recht nicht geltend, der sichergestellte Datenträger unterstehe dem Anwaltsgeheimnis, weil er dem Leiter ihres Rechtsdienstes zuzuordnen sei, denn das Anwaltsgeheimnis im Sinne von Art. 50 Abs. 2 VStrR gilt grundsätzlich nur für den unabhängigen und selbständigen Anwalt, nicht aber für den Unternehmensanwalt ( TPF 2008 20 E. 6.2 und 6.3).

Soweit sie geltend macht, die sich bei ihr befindende Korrespondenz mit Anwälten sei durch das Anwaltsgeheimnis geschützt, geht ihre Argumentation fehl. In ihrem Entscheid BK_B 189/04 vom 28. Februar 2005 hat sich die Beschwerdekammer ausführlich zur Thematik des Schutzes der sich beim Beschuldigten befindenden Korrespondenz zwischen diesem und seinem Anwalt geäussert (vgl. dort E. 3.1 - 3.5). Zusammenfassend kam sie zum Schluss, dass sich der Klient als Inhaber der sichergestellten Papiere nicht auf das Anwaltsgeheimnis berufen könne, um sich der Durchsuchung zu widersetzen (E. 3.1; insofern übereinstimmend mit dem Urteil des Bundesgerichts 1B_101/2008 vom 28. Oktober 2008, E. 4.4.1). Vielmehr stehe dem Beschuldigten gestützt auf die Verfahrensgarantien gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c EMRK bzw. Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV das Recht zu, mit seinem Verteidiger frei zu verkehren. Hieraus ergebe sich zu dessen Gunsten auch der Anspruch, wonach die im Rahmen des gegen ihn laufenden Strafverfahrens ergangene Korrespondenz zwischen ihm und seinem Verteidiger nicht durchsucht werden dürfe (E. 3.5). Andere von Anwälten erstellte Dokumente, die sich beim Beschuldigten befinden, unterlägen demgegenüber grundsätzlich der Beschlagnahme bzw. könnten durch die Strafverfolgungsbehörden eingesehen werden (mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 1P.133/2004 vom 13. August 2004, E. 3.3; vgl. zum Ganzen auch den Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2011.6 vom 27. März 2012, E. 4.2.1, sowie den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2009.21 vom 14. Januar 2010, E. 4.2). Dass es sich bei Teilen der vorliegend sichergestellten elektronischen Daten um geschützte Korrespondenz mit dem Verteidiger handelt, wird von der Gesuchsgegnerin nicht geltend macht. Angesichts des zeitlichen Ablaufs, bei welchem die Eröffnung der Untersuchung quasi mit der Hausdurchsuchung zusammen fiel, ist Solches auch nicht möglich.

6. Nach dem Gesagten ist das Entsiegelungsgesuch gutzuheissen und es ist die Gesuchstellerin zu ermächtigen, den eingereichten Datenträger zu entsiegeln und zu durchsuchen.

7. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Gesuchsgegnerin als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art 66 Abs. 1 BGG analog, siehe dazu TPF 2011 25 E. 3). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'500.-- festzusetzen (Art. 8 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Gesuch wird gutgeheissen.

2. Die Gesuchstellerin wird ermächtigt, den eingereichten Datenträger zu entsiegeln und zu durchsuchen.

3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden der Gesuchsgegnerin auferlegt.

Bellinzona, 11. Juli 2012

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Vorsitzende: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- Wettbewerbskommission, Sekretariat

- Rechtsanwältin Astrid Waser und Rechtsanwalt Oliver Labhart

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG).

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