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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BP.2011.28 vom 13.12.2011

Hier finden Sie das Urteil BP.2011.28 vom 13.12.2011 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BP.2011.28

Der Bundesstrafgericht hat den Beschwerdeentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) vom 6 Juni 2011 abgelehnt. A, die Beschwerdeführerin, hat gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Bundesstrafgericht eingebracht. Der Bundesstrafgericht hat festgestellt, dass es keinen Rechtsmittel gegeben ist und dass der Schlussbericht vom 18 Februar 2011 (act 61) nicht als Schlussbericht im Sinne von Art 193 Abs 4 DBG qualifiziert war. A hat auch argumentiert, dass die ESTV keine Ermächtigung des Vorstehers des Eidgenössischen Finanzdepartements gemäss Art 190 Abs 1 DBG vorlag und dass sich in den Akten befindeende Ermittlungsermächtigung gegen die Kollektivgesellschaft D nicht auf die Kollektivgesellschaft D ausgeführt wurde. Der Bundesstrafgericht hat auch festgestellt, dass A keine Verteidigung für das Verfahren vor der ESTV eingebracht hat und dass es keinen Antrag auf Ergänzung der Untersuchung im Hinterziehungsverfahren oder Verfahren wegen Steuerbetrugs oder Veruntreuung von Quellensteuern gab. Der Bundesstrafgericht hat A auch argumentiert, dass die Kosten des Verfahrens vor dem Bundesstrafgericht nicht aufgezahlt werden können, da es keinen Rechtsmittel gegeben ist und dass der Schlussbericht vom 18 Februar 2011 (act 61) nicht als Schlussbericht im Sinne von Art 193 Abs 4 DBG qualifiziert war. Der Bundesstrafgericht hat schliesslich festgestellt, dass es keinen Rechtsmittel gegeben ist und dass der Schlussbericht vom 18 Februar 2011 (act 61) nicht als Schlussbericht im Sinne von Art 193 Abs 4 DBG qualifiziert war.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BP.2011.28

Datum:

13.12.2011

Leitsatz/Stichwort:

Amtshandlung (Art. 27 Abs. 1 und 3 VStrR).

Schlagwörter

Verfahren; Schlussbericht; Recht; VStrR; Untersuchung; Sinne; Bericht; Verfahrens; Bundesstrafgericht; Entscheid; Beschwerdekammer; Akten; Anträge; Antrag; Bundesstrafgerichts; Verwaltung; Be­schwerde; Gesellschaft; Gehör; Parteien; Eidgenössische; Ergänzung; Einstellung; Direktor; Beschwerdeentscheid; Kollektivgesellschaft; ­den; Verletzung

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 19 DBG ;Art. 19 Or;Art. 190 DBG ;Art. 191 DBG ;Art. 192 DBG ;Art. 193 DBG ;Art. 29 BV ;Art. 55 OR ;Art. 6 EMRK ;Art. 66 BGG ;

Referenz BGE:

128 V 272; 134 I 140; ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BV.2011.18 - 21

Nebenverfahren: BP.2011.25 - 28

Beschluss vom 13. Dezember 2011
I. Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Tito Ponti, Vorsitz,

Stephan Blättler und Joséphine Contu ,

Gerichtsschreiberin Sarah Wirz

Parteien

1. A.,

2. B. ,

3. C. und Co. ,

4. D.,

alle vertreten durch Rechtsanwalt Martin Tobler,

Beschwerdeführer

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Amtshandlung (Art. 27 Abs. 1 und 3 VStrR )


Sachverhalt:

A. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend ESTV") führt seit dem Jahr 2006 gegen A. und gegen die E. AG eine besondere Untersuchung im Sinne der Art. 190 ff . des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) wegen des Verdachts der schweren Steuerwiderhandlungen. Am 18. Februar 2011 erliess die ESTV in Sachen A. einen Schlussbericht, welcher sich aus dem Hauptbericht und den drei Teilberichten betreffend die B., die C. und Co. sowie die D. zu­sammensetzt (act. 6.1). Im Rahmen dieser Untersuchung wurde A. insge­samt sieben Mal zur Sache einvernommen (act. 6.1, S. 7). Mit dem Schlussbericht, welcher am 18. Februar 2011 dem Rechtsvertreter zuge­stellt wurde, setzte die ESTV A. eine dreissigtägige Frist zur Stellung von Anträgen auf Ergänzung der Untersuchung (act. 6.1, Bericht KV, S. 79 ). Mit Eingabe vom 21. März 2011 nahmen die Parteien zu diesem Bericht Stel­lung, beantragten die Einstellung des Verfahrens gegen A., reichten ver­schiedene Unterlagen ein und beantragten die Edition von Akten sowie die Durchführung verschiedener Einvernahmen (act. 16). Mit Verfügung vom 18. April 2011 wies die ESTV die gestellten Anträge ab, soweit sie darauf eintrat (act. 6.15). Dagegen erhoben A., die B., die C. und Co. sowie die D. am 3. Mai 2011 Beschwerde an den Direktor der ESTV (act. 14). Dieser trat mit Entscheid vom 6. Juni 2011 auf die Beschwerde nicht ein (act. 1.1).

B. Hiergegen gelangten A., die B., die C. und Co. sowie die D. mit Be­schwerde vom 17. Juni 2011 an die I. Beschwerdekammer des Bundes­strafgerichts und beantragen was folgt (act. 1):

Hauptantrag

1. Es sei der Beschwerdeentscheid der Beschwerdegegnerin vom 6. Juni 2011 betref­fend Abweisung von Beweisanträgen aufzuheben und die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, die gegen A. geführte Strafuntersuchung vollständig einzustellen. Dar­über hinaus sei festzustellen, dass hinsichtlich der von der ESTV gegen die in der Zwischenzeit handelsregisterrechtlich gelöschte frühere Kollektivgesellschaft D. ge­führten Untersuchung nie eine Ermächtigung des Vorstehers des Eidg. Finanzde­partementes gemäss Art. 190 Abs. 1 DBG vorlag bzw. die sich in den Akten befin­dende Ermittlungsermächtigung gegen A. nie auf die Kollektivgesellschaft D. ausge­dehnt wurde, weshalb die von der ESTV diesbezüglich durchgeführten Untersu­chungshandlungen allesamt nicht verwertbar sind, so dass das Verfahren zumindest bezüglich der früheren Kollektivgesellschaft D. einzustellen ist.


Eventualanträge

2. Sollte dem Antrag auf Einstellung des Verfahrens wider Erwarten nicht gefolgt wer­den, sei eventualiter festzustellen, dass alle von der Abteilung Strafsachen und Un­tersuchungen (ASU) vor der anwaltlichen Vertretung durchgeführten Untersu­chungshandlungen, insbesondere sämtliche Einvernahmen inkl. denjenigen von A., nicht verwertbar sind, so dass die ASU anzuweisen ist, die Untersuchungshandlun­gen in Anwesenheit von beschuldigter Person und Rechtvertretung zu wiederholen.

3. Sollte dem Antrag auf Einstellung des Verfahrens wider Erwarten nicht gefolgt wer­den, sei eventualiter festzustellen, dass der angebliche Schlussbericht der ASU un­ter Verletzung des rechtlichen Gehörs der beschuldigten Person zustande kam, so dass die ASU anzuweisen ist, die Einvernahmen in Anwesenheit von beschuldigter Person und Rechtsvertretung zu wiederholen und entsprechend den «Schlussbe­richt» gegebenenfalls zu ändern.

4. Sollte dem Antrag auf Einstellung des Verfahrens wider Erwarten nicht gefolgt wer­den, sei die ASU eventualiter anzuweisen, die nachfolgend genannten Beweisan­träge vollständig abzunehmen: [...]

Verfahrensantrag

5. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

6. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Bundes."

Mit Eingabe vom 8. Juli 2011 reichte der Direktor der ESTV eine Be­schwerdeantwort ein und beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzu­treten (act. 6). Die Beschwerdeführer replizierten mit Eingabe vom 8. Au­gust 2011, wobei sie vollumfänglich an den Beschwerdeanträgen festhalten (act. 10). In seiner Beschwerdeduplik vom 17. August 2011 bestätigt der Direktor der ESTV seinen Antrag auf Nichteintreten (act. 12). Die Duplik wurde der E. AG am 19. August 2011 zur Kenntnis gebracht (act. 13).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, so­weit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genom­men.

Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 191 Abs. 1 DBG richtet sich das Verfahren wegen des Ver­dachts schwerer Steuerwiderhandlungen gegenüber dem Täter, dem Ge­hilfen und dem Anstifter nach den Artikeln 19 - 50 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR, SR 313.0).

1.2 Gegen einen Beschwerdeentscheid im Sinne von Art. 27 Abs. 2 VStrR kann bei der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden (Art. 27 Abs. 3 VStrR i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. b StBOG und Art. 19 Abs. 1 des Organisationsreglements vom 31. August 2010 für das Bundesstrafgericht [Organisationsreglement BStGer, BStGerOR; SR 173.713.161]). Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch den Beschwerdeentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 28 Abs. 1 VStrR ). Die Beschwerde gegen einen Beschwerdeentscheid ist innert drei Tagen, nachdem dieser dem Beschwerdeführer eröffnet worden ist, schriftlich mit Antrag und kurzer Begründung einzureichen (Art. 28 Abs. 3 VStrR ). Währenddem mit der Be­schwerde gegen Zwangsmassnahmen auch die unrichtige oder unvollstän­dige Feststellung des Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden kann (Art. 28 Abs. 2 VStrR), ist die Beschwerde gegen gestützt auf Art. 27 VStrR ergangene Beschwerdeentscheide nur wegen Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermes­sens zulässig (Art. 27 Abs. 3 VStrR).

1.3 Art. 193 Abs. 4 DBG sieht hingegen als lex specialis vor, dass gegen die Eröffnung des Berichts und dessen Inhalt kein Rechtsmittel gegeben ist, und dass abgelehnte Anträge auf die Ergänzung der Untersuchung im späteren Hinterziehungsverfahren oder Verfahren wegen Steuerbetruges oder Veruntreuung von Quellensteuern angefochten werden können.

2.

2.1 Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid der Beschwerdegegnerin vom 6. Juni 2011. In diesem Entscheid wird auf die zahlreichen Anträge der Beschwerdeführer nicht eingetreten und es wird festgehalten, dass abgelehnte Anträge auf Ergänzung der Untersuchung im späteren Hinterziehungsverfahren oder Verfahren wegen Steuerbetrugs oder Veruntreuung von Quellensteuern angefochten werden können.

2.2 Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend , gegen die Kollektivgesell­schaft D. habe keine Ermächtigung des Vorstehers des Eidgenössischen Finanzdepartements im Sinne von Art. 190 Abs. 1 DBG vorgelegen, was zur Nichtigkeit der im Zusammenhang mit der D. getätigten Untersu­chungshandlungen führe und die Einstellung des Verfahrens gegen die vorerwähnte Gesellschaft zur Folge habe (act. 1, S. 2, 11 und S. 13 f.).

2.3 Dieser Einwand ist unbegründet. Art. 190 Abs. 1 DBG ist zu entnehmen, dass beim Bestehen eines begründeten Verdachts auf schwere Steuerwi­derhandlungen der Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements die ESTV ermächtigen kann, in Zusammenarbeit mit den kantonalen Steu­erverwaltungen eine Untersuchung durchzuführen. Da der D. als Kollektiv­gesellschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt, stellt sie auch kein selbständiges Steuersubjekt dar. Der allenfalls erzielte Gewinn wird jeweils den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet, welche einzeln auf­grund ihres Einkommens und Vermögens besteuert werden (vgl. zur Rechtsnatur und Ausgestaltung der Kollektivgesellschaft Baudenbacher , Basler Kommentar, Basel 2008, 3. Aufl., Art. 552 OR N. 2 ff.; Meier/Hayoz , Schweizerisches Gesellschaftsrecht, Bern 2004, 9. Aufl., § 13). So richtete sich das Verfahren der ASU auch nicht gegen die Kollektivgesellschaft D., sondern - wie sich eindeutig aus dem Teilbericht D. der ASU vom 18. Feb­ruar 2011 ergibt (act. 6.1) - ausschliesslich gegen A. als Privatperson. Auf­grund dieses Umstands war auch keine Ermächtigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 DBG erforderlich. Die D. ist demnach vorliegend als am Verfahren nicht beteiligte Dritte im Sinne von Art. 192 DBG zu qualifizieren.

2.4 Untersuchungsmassnahmen gegenüber den am Verfahren nicht beteiligten Dritten richten sich gemäss Art. 192 Abs. 1 DBG nach den Art. 19 bis 50 VStrR . Dabei ist eine Beschwerdemöglichkeit gegen Untersuchungs­handlungen gemäss Art. 26 und 27 VStrR vorgesehen, wobei die Frist zur Geltendmachung drei Tage nach Kenntnisnahme beträgt (Art. 28 Abs. 3 VStrR ). Damit ist erstellt, dass eine entsprechende Beschwerde ohnehin verspätet erfolgte, fanden doch die Untersuchungshandlungen gegen die D. bereits in den Jahren 2008 bis Frühjahr 2010 statt.

2.5 Soweit die Beschwerdeführer einen Eingriff in die Rechte des ehemaligen Teilhabers F. geltend machen (act. 1, S. 11), ist festzuhalten, dass den Akten keine von F. erteilte Vollmacht zu entnehmen ist, weswegen - mangels Vertretungsbefugnis - auf dieses Vorbringen nicht einzutreten ist.

2.6 Diese Ausführungen machen deutlich, dass das Steuerstrafverfahren nur gegen A. und nicht gegen die von diesem dominierten Gesellschaften B. , C. und Co. sowie D. geführt wird (vgl. Teilberichte, act. 16). Infolge­dessen sind diese Gesellschaften durch den Schlussbericht, bzw. die Teil­berichte nicht beschwert, weswegen ihnen im Weiteren auch keine Be­schwerdelegitimation zukommt.

3.

3.1 A. bringt vor, der Bericht der ESTV vom 18. Februar 2011 (act. 6.1) stelle keinen Schlussbericht im Sinne von Art. 193 DBG dar, da er an verschie­denen Mängeln verfahrens- und materiellrechtlicher Natur leide (act. 1, S. 8 ff.). Seitens von A. wird zuerst die fehlende Schlusseinvernahme gerügt. Dadurch sei das rechtliche Gehör verletzt worden, was zur Folge habe, dass der Bericht den gesetzlichen Anforderungen an einen Schlussbericht im Sinne von Art. 193 Abs. 1 DBG nicht genüge (act. 1, S. 8 f. und S. 17 f.).

3.1.1 Vorweg gilt es festzuhalten, dass A. der Bericht der ASU vom 18. Februar 2011 unmissverständlich als Schlussbericht im Sinne von Art. 193 DBG zugestellt wurde. Er selbst bezeichnete sodann dieses Dokument an meh­reren Stellen als Schlussbericht (vgl. Stellungnahme vom 21. März 2011, act. 16 , sowie Beschwerde an den Direktor der ESTV vom 3. Mai 2011, act. 14). Erst in der diesem Verfahren zugrunde liegenden Beschwerde vom 17. Juni 2011 spricht er vom angeblichen Schlussbericht" (act. 1). Der Bericht ist als das zu werten, als was er irrtumsfrei bezeichnet wurde. Unter den gegebenen Umständen ist klar, dass die ASU den Bericht vom 18. Februar 2011 als Schlussbericht im Sinne von Art. 193 DBG erstatten wollte und nicht etwa irrtümlich so bezeichnete. Damit hat dieser Bericht grundsätzlich die in Art. 193 DBG geschilderten Wirkungen, unabhängig davon, ob die Untersuchung aus objektiver Sicht bereits als vollständig
oder noch als lückenhaft zu qualifizieren wäre. Zudem bestehen keine Zweifel daran, dass er von A. auch als Schlussbericht im Sinne von Art. 193 DBG entgegengenommen und aufgefasst worden ist.

3.1.2 Weder aus dem VStrR noch aus dem DBG lässt sich ein allgemeines Recht auf bzw. eine Pflicht zu einer umfassenden Schlusseinvernahme ableiten. Umso weniger ergibt sich daraus ein solches Recht vor Erstellung eines Berichtes, welcher das Verwaltungsstrafverfahren noch gar nicht ab­schliesst (siehe Ziff. 3.1.3 nachstehend). Der Anspruch auf rechtliches Ge­hör ist ein Teilaspekt des allgemeinen Grundsatzes des fairen Verfahrens gemäss Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Nach der zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangenen, auch unter der Herrschaft des Art. 29 Abs. 2 BV massgebenden Rechtsprechung besteht ein Anspruch auf vorgängige An­hörung, namentlich wenn die Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde ihren Entscheid mit einer Rechtsnorm oder einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, die oder der im bisherigen Verfahren nicht herangezogen wurde, auf die sich die beteiligten Parteien nicht berufen haben und mit de­ren Erheblichkeit im konkreten Fall sie nicht rechnen konnten. Der An­spruch auf rechtliches Gehör gebietet sodann, dass die Behörde die Par­teien über neue, dem Dossier beigefügte Beweismittel informiert, welche für die Entscheidfindung massgebend sind. Unter Umständen kann es al­lerdings genügen, wenn sie die Akten zur Verfügung der Parteien bereit hält (BGE 128 V 272 E. 5 bb mit weiteren Hinweisen). Ein Recht auf eine mündliche Äusserung kann jedoch nicht aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör abgeleitet werden (BGE 134 I 140, E. 5.3).

3.1.3 Mit Übermittlung des Schlussberichtes im Sinne von Art. 193 DBG ist das Steuerstrafverfahren noch nicht abgeschlossen, da gemäss klarem Wort­laut von Art. 193 Abs. 4 DBG das Hinterziehungsverfahren oder das Ver­fahren wegen Steuerbetrugs oder Veruntreuung von Quellensteuern folgt. Ebenso wenig wurde mit dem Schlussbericht über die Strafbarkeit der Be­schwerdeführerin entschieden. Es steht der kantonalen Steuerverwaltung zu, selbst eine Untersuchung vorzunehmen. Eine solche ist sodann im kantonalen Verfahren in Z. denn auch erfolgt (vgl. act. 1.2, S. 2). Eine allfällige Verletzung des rechtlichen Gehörs ist damit erst im Verfahren vor den kantonalen Behörden geltend zu machen, da dieses bis zum Abschluss des Verfahrens gewährt werden kann. Im Verfahren vor der ESTV erfolgten sieben mündliche Einvernahmen mit A. Überdies stand es ihm jederzeit offen, sich schriftlich zum Verfahren zu äussern. Eine offensichtliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör ist unter diesen Umständen nicht auszumachen. Eine abschliessende Beurteilung kann an dieser Stelle offen gelassen werden, da gemäss obigen Ausführungen das Verfahren mit der Übermittlung des Schlussberichts noch nicht abgeschlossen ist, der kantonalen Steuerbehörde die Möglichkeit zu weiteren Untersuchungen offen steht und A. seine Verfahrensrechte auch in diesem Stadium noch geltend machen kann bzw. konnte, sofern überhaupt von einer Verletzung auszugehen wäre.

3.2 Weiter rügt A., das der Beschwerde zugrunde liegende Verfahren hätte auf­grund des Aktenumfangs sowie der schwerwiegenden Untersuchung von Anbeginn eine Verteidigung erfordert, wobei er erst ab 12. Januar 2010 verteidigt gewesen sei (act. 1, S. 9 und S. 15 f.). Dies habe zur Folge, dass Untersuchungshandlungen, welche trotz Vorliegens der Voraussetzungen einer amtlichen Verteidigung gemäss Art. 33 VStrR in Abwesenheit eines Verteidigers durchgeführt worden seien, nichtig bzw. zu wiederholen seien (act. 1, S. 14).

3.2.1 Gemäss Art. 33 Abs. 1 VStrR bestellt die beteiligte Verwaltung dem Beschuldigten von Amtes wegen einen amtlichen Verteidiger, wenn der Beschuldigte offensichtlich nicht im Stande ist, sich zu verteidigen (lit. a). Der Verwaltung steht dabei ein gewisses Ermessen zu. Zu berücksichtigen sind insbesondere der Bildungsgrad des Beschuldigten sowie die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse ( Hauri , Verwaltungsrecht [VStrR], Bern 1998, S. 93).

3.2.2 A. war seit dem 12. Januar 2010 anwaltlich vertreten (act. 1, S. 15). Ge­mäss unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beschwerdegegnerin ist er diplomierter Buchhalter und Wirtschaftsprüfer, er verfügt über Kenntnisse des nationalen Steuerrechts und tritt zudem als Finanzintermediär auf (act. 6, Ziff. 2.2). Für die Beschwerdegegnerin gab es unter diesen konkreten Umständen keinen Grund, an der Fähigkeit von A. zu seiner eigenen Ver­teidigung zu zweifeln. Dies insbesondere, da es in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Verfahren eher um die Sachverhaltsermittlung als um die rechtliche Qualifikation ging. A. verfügte wohl über den umfassendsten Überblick über die Akten und den Sachverhalt. Weswegen ein Rechtsan­walt bessere Übersicht über den Sachverhalt haben sollte als A., der von Anbeginn eng mit den Gesellschaften B., C. und Co. sowie D. verbunden war, ist nicht ersichtlich. Aufgrund seiner Ausbildung und seiner Erfahrung kann A. ohne Weiteres genügend Sachverstand zugestanden werden und als langjähriger Verwaltungsrat verfügt er über juristische Kenntnisse, weswegen er hinsichtlich des Steuerverfahrens nicht als juristischer Laie bezeichnet werden kann. Zu berücksichtigen gilt es auch, dass er in Kennt­nis der gegen ihn laufenden Strafuntersuchung bis Januar 2010 bewusst darauf verzichtet hat, sich anwaltlich vertreten zu lassen (vgl. act. 6, Ziff. 2.2 sowie Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2010.47 , BV.2010.48 vom 17. September 2010, E. 2). Aus dem Umstand, dass A. bis im Januar 2010 nicht anwaltlich vertreten war, kann er demnach nichts für sich ableiten; schon gar nicht führt dies zur Ungültigkeit des Schlussberichts vom 18. Februar 2011.

3.3 A. bringt gegen den Schlussbericht schliesslich vor, dieser sei seinem Verteidiger am 18. Februar 2011 persönlich in Y. ausgehändigt worden, um zu verhindern, dass die in Aussicht gestellten Beweisanträge hätten gestellt werden können (act. 1, S. 7).

Der Verteidiger von A. wurde bereits im Mai 2010 darüber informiert, dass die Untersuchung kurz vor dem Abschluss stehe, womit implizit gesagt war, dass der Schlussbericht bald ergehen würde (vgl. act. 6.11 und 6.12). Dass in diesem Verfahrenskomplex ein baldiger Abschluss des Verfahrens zu ergehen hat, wurde sodann auch im Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2009.8 vom 30. März 2009, E. 3.2, festgehalten. Dokumente, welche belegen würden, dass A. der Beschwerdegegnerin mitgeteilt habe, er würde bis Ende Februar 2011 noch Beweisanträge stellen, liegen keine vor. Unter diesen Umständen kann keineswegs von einer voreiligen Über­mittlung des Schlussberichts gesprochen werden; ebenso wenig liegen An­haltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten der Beschwerdegegnerin betreffend dessen Zustellung vor.

3.4 Insgesamt ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass der fragliche Schlussbericht vom 18. Februar 2011 (act. 6.1) unter Wahrung der Verfah­rensrechte von A. zustande gekommen ist und an keinen Mängeln leidet, welche dessen Gültigkeit in Frage stellen würden. Der Umstand, dass ein­zelne Lehrmeinungen sich kritisch zur geltenden Gesetzessituation äus­sern, vermag die klare Rechtslage von Art. 193 Abs. 4 DBG nicht umzu­stossen. Eine Säumnis seitens der Beschwerdegegnerin ist
ebenfalls nicht ersichtlich. Nach dem Gesagten liegt ein gültiger Schlussbe­richt im Sinne von Art. 193 DBG vor. Gegen einen solchen und gegen die Ablehnung von Ergänzungsanträgen ist gemäss Art. 193 Abs. 4 DBG kein Rechtsmittel gegeben, so dass kein Raum für die Anwendung von Art. 27 VStrR besteht.

4. A. stellt in seiner Replik vom 8. August 2011 für den Fall, dass der Bericht vom 18. Februar 2011 als Schlussbericht im Sinne von Art. 193 DBG quali­fiziert werde, den Antrag, es sei ihm die Möglichkeit einzuräumen, innert 30 Tagen seit Zustellung des Urteils des Bundesstrafgerichts weitere Beweis­anträge zu stellen, so wie dies in Art. 193 Abs. 3 DBG vorgesehen sei (act. 10, S. 7).

Dieser Antrag befremdet, hat doch A. mit der Eingabe vom 21. März 2011 an die ESTV bereits eine ausführliche Stellungnahme zum Schlussbericht eingereicht und diverse Anträge gestellt. Er selbst bezeichnete dieses Do­kument als Stellungnahme im Sinne von Art. 193 Abs. 3 DBG " (act. 16). Auch in der Beschwerde vom 3. Mai 2011 an den Direktor der ESTV be­nutzte er regelmässig den Begriff Schlussbericht" (act. 14) und nicht an­geblicher Schlussbericht", wie in der Beschwerde vom 16. Juni 2011 (act. 1). Zudem enthielt der Schlussbericht einen eindeutigen Hinweis auf das Recht von A., sich innert dreissig Tagen dazu zu äussern und Anträge auf Ergänzung der Untersuchung zu stellen (act. 6.1, Bericht KV, S. 79). A. kann sich somit heute nicht neu auf den Standpunkt stellen, er sei sich nicht bewusst gewesen, dass der Bericht vom 18. Februar 2011 einen Schlussbericht im Sinne von Art. 193 DBG darstelle, und habe die ihm dar­aus zustehenden Rechte nicht geltend machen können. Auf die Be­schwerde ist demnach auch in diesem Punkt nicht einzutreten.

5. Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde insgesamt nicht einzutreten. Das Verfahren betreffend das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist demnach zufolge Gegen­standslosigkeit von der Geschäftskontrolle abzuschreiben.

6. Gemäss Art. 25 Abs. 4 VStrR richtet sich die Kostenpflicht im Beschwerde­verfahren vor der I. Beschwerdekammer nach Art. 73 StBOG , wobei dieser seinerseits auf das Reglement des Bundesstrafgerichts vom 31. Au­gust 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundes­strafverfahren verweist (BStKR; SR 173.713.162). Da dem BStKR jedoch keine Regelung über die Verteilung der Gerichtskosten zu entnehmen ist, ist ergänzend die Regelung des BGG anzuwenden, was auch der bisheri­gen gesetzlichen Regelung entspricht (siehe dazu beispielsweise den Ent­scheid des Bundesstrafgerichts BV.2010.79 vom 10. Dezember 2010). Als unterliegende Partei haben somit die Beschwerdeführer die Kosten zu tra­gen (Art. 66 Abs. 1 BGG analog). Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 1'500.-- festgesetzt (Art. 5 und 8 Abs. 1 BStKR ), unter Anrechung des geleisteten Kostenvorschusses in gleicher Höhe.


Demnach erkennt die I. Beschwerdekammer:

1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. Die Verfahren betreffend Gewährung der aufschiebenden Wirkung werden zufolge Gegenstandslosigkeit als erledigt von der Geschäftskontrolle abge­schrieben.

3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss in derselben Höhe verrechnet.

Bellinzona, 13. Dezember 2011

Im Namen der I. Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Rechtsanwalt Martin Tobler,

- Eidgenössische Steuerverwaltung,

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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