Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Rechtshilfe |
Fallnummer: | RR.2010.212 |
Datum: | 13.10.2010 |
Leitsatz/Stichwort: | Internationale Amtshilfe (DBA-USA). Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts (Art. 28 Abs. 1 lit. e SGG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 und Art. 80e Abs. 1 IRSG bzw. Art. 17 Abs. 1 BG-RVUS). |
Schlagwörter | Recht; Rechtshilfe; Bundesstrafgericht; BG-RVUS; Verfügung; Amtshilfe; Beschwerdekammer; Gericht; Bundesstrafgerichts; Staat; Zuständigkeit; Abkommen; Entscheid; Bundesverwaltungsgericht; Bundesgesetz; DBA-USA; Abkommens; Vereinigten; Staaten; Amerika; Sachen; Rechtshilfeverfahren; Schweiz; Eidgenössische; Bundesgesetzes; Amtshilfeverfahren; Behörde; Verfahren |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 63 VwVG ;Art. 7 VwVG ;Art. 8 VwVG ;Art. 84 BGG ;Art. 9 VwVG ; |
Referenz BGE: | 123 II 134; 130 II 337; 135 IV 212; ; |
Kommentar: | Waldmann, Thomas, Weissenberger, Praxis zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich, Art. 8, 2009 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: RR.2010.211+212 |
Entscheid vom 13. Oktober 2010 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Cornelia Cova, Vorsitz, Andreas J. Keller und Roy Garré , Gerichtsschreiberin Santina Pizzonia | |
Parteien | 1. A. , 2. B., vertreten durch Rechtsanwalt Eric Buis, Beschwerdeführer 1 und 2 | |
gegen | ||
Eidgenössische Steuerverwaltung, Beschwerdegegnerin | ||
Gegenstand | Internationale Amtshilfe (DBA-USA) Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts |
Die II. Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:
- der Internal Revenue Service in Washington (nachfolgend IRS") am 19. August 2009 an die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend ESTV") ein Ersuchen um Amtshilfe richtete; zusammengefasst der IRS die ESTV um Übermittlung von Informationen betreffend Konten amerikanischer Kunden der UBS AG ersuchte (act. 1.3);
- sich das US-amerikanische Amtshilfeersuchen auf Art. 26 (Informationsaustausch) des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (DBA-USA; SR 0.672.933.61) und auf das am 19. August 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Amtshilfegesuch des Internal Revenue Service der Vereinigten Staaten von Amerika betreffend UBS AG, einer nach schweizerischem Recht errichteten Aktiengesellschaft, abgeschlossene Abkommen ( AS 2009 5669 ) stützte (act. 1.3); in der Folge mit den USA formelle Änderungen des letztgenannten Abkommens vereinbart wurden (Änderungsprotokoll vom 31. März 2010); das Abkommen vom 19. August 2009 und das Änderungsprotokoll vom 31. März 2010 von der Bundesversammlung
am 17. Juni 2010 genehmigt wurden (die konsolidierte Version des Abkommens vom 19. August 2009 und des Änderungsprotokolls vom 31. März 2010 findet sich in SR 0.672.933.612);
- die ESTV mit Entscheid vom 1. September 2009 die Einleitung des Amtshilfeverfahrens verfügte und die UBS AG zur Herausgabe diverser Unterlagen aufforderte; die UBS AG am 2. Dezember 2009 der ESTV das Dossier von A. übermittelte (act. 1.3);
- mit Verfügung vom 16. August 2010 die ESTV in Anwendung des DBA-USA und des von der Bundesversammlung genehmigten Abkommens vom 19. August 2009 die Leistung von Amtshilfe an den IRS betreffend A. und die Übermittlung der von der UBS AG edierten Unterlagen an den IRS anordnete (act. 1.3);
- in der vorgenannten Verfügung unter Hinweis auf die anwendbaren Normen (Art. 48 ff . des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [ VwVG ; SR 172.021], Art. 31 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht [ VGG ; SR 173.021]; Art. 20 k der Verordnung vom 15. Juni 1998 zum schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Okto-
ber 1996 [Vo DBA-USA; SR 672.933.61]) als Rechtsmittel die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angegeben wurde (act. 1.3);
- gegen die Verfügung der ESTV vom 16. August 2010 A. und B. mit Eingabe vom 16. September 2010 Beschwerde an die II. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts erheben (act. 1);
- die Beschwerdeführer die Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts zur Beurteilung ihrer Beschwerde damit begründen, dass das Amtshilfeverfahren als Rechthilfeverfahren mit den USA zu qualifizieren sei, welches aufgrund der Bestimmungen des Staatsvertrages vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von
Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (RVUS; SR 0.351.933.6) und des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 1975 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (BG-RVUS; SR 351.93) zu beurteilen sei; nach Auffassung der Beschwerdeführer diese Erlasse keine Zuständigkeit der ESTV vorsehen und keine Rechtshilfe erlauben würden (act. 1 S. 3); die Beschwerdeführer den Antrag auf Meinungsaustausch mit dem Bundesverwaltungsgericht stellen (act. 1 S. 2);
- die II. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss dem Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1) und gemäss BG-RVUS entscheidet (Art. 28 Abs. 1 lit. e Ziff. 1 und 4 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafgericht vom 4. Oktober 2002 [ SGG ; SR 173.71]; Art. 9 Abs. 3 des Reglementes für das Bundesstrafgericht vom 20. Juni 2006 [ SR 173.710]) ;
- das Gericht seine Zuständigkeit von Amtes wegen prüft (Art. 7 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 30 lit. b SGG ; TPF 2008 7 E. 1.2); das Gericht die Sache ohne Verzug der zuständigen Behörde überweist, wenn es sich als unzuständig erachtet (Art. 8 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 30 lit. b SGG ); ein Vorgehen nach Art. 8 Abs. 1 VwVG ausscheidet, sobald eine Partei im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VwVG die Zuständigkeit der Behörde behauptet (vgl. Thomas Flückiger , in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich/Basel/Genf 2009, Art. 8 N. 11); diesfalls nur ein Nichteintretensentscheid in Betracht kommt ( Flückiger , a.a.O., Art. 8 N. 11); ein Meinungsaustausch nicht durchzuführen ist, wenn das Gericht seine Unzuständigkeit für eindeutig hält (Art. 8 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 30 lit. b SGG ); dies selbst dann gilt, wenn eine Partei ein solches Vorgehen verlangt ( Flückiger , a.a.O., Art. 8 N. 11);
- gemäss Rechtshilfegesetz die Verfügung der ausführenden kantonalen Behörde oder der ausführenden Bundesbehörde, mit der das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen wird, zusammen mit den vorangehenden Zwischenverfügungen der Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts unterliegen (Art. 25 Abs. 1 i.V.m. Art. 80 e Abs. 1 IRSG );
- für die Rechtshilfe zwischen den USA und der Schweiz das RVUS und das BG-RVUS massgeblich sind; das IRSG und die dazugehörige Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11) anwendbar sind, soweit das RVUS bzw. das BG-RVUS bestimmte Fragen weder ausdrücklich noch stillschweigend regeln (Art. 36 a BG-RVUS und Art. 1 Abs. 1 IRSG ; BGE 130 II 337 E. 1; 128 II 355 E. 1; 124 II 180 E. 1a); das innerstaatliche Recht nach dem Günstigkeitsprinzip auch dann gilt, wenn dieses geringere Anforderungen an die Rechtshilfe stellt (BGE 123 II 134 E. 1a S. 136; 122 II 140 E. 2 S. 142); die Wahrung der Menschenrechte vorbehalten bleibt (BGE 135 IV 212 E. 2.3; 123 II 595 E. 7c);
- die Rechtsmittel nach Abschluss des Rechtshilfeverfahrens zugunsten der USA in Art. 17 ff . BG-RVUS geregelt sind und insofern den Bestimmungen im Rechtshilfegesetz vorgehen (Art. 36 a BG-RVUS und Art. 1 Abs. 1 IRSG ) ; gemäss Art. 17 Abs. 1 BG-RVUS die Verfügung der Zentralstelle, mit der das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen wird, zusammen mit den vorangehenden Zwischenverfügungen der ausführenden Behörde der Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts unterliegt; die Zentralstelle für die Schweiz das Bundesamt für Justiz des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements ist (Art. 1 Ziff. 3 BG-RVUS i.V.m. Art. 28 Ziff. 1 RVUS);
- es sich beim angefochtenen Entscheid vom 16. August 2010 um eine Verfügung der ESTV und nicht des Bundesamtes für Justiz als Zentralstelle für Rechtshilfe mit den USA handelt; die angefochtene Verfügung in Anwendung des DBA-USA sowie des Abkommens vom 19. August 2009 und nicht gestützt auf einen Rechtshilfeerlass ergangen ist; mit der angefochtenen Verfügung nicht ein Rechtshilfeverfahren abgeschlossen wurde; der Entscheid der ESTV vielmehr im Rahmen eines Amtshilfeverfahrens ergangen ist, das auch als solches eingeleitet wurde, was von den Beschwerdeführern nicht bestritten wird (act. 1 S. 3 ff.); am Rande bemerkt sei, dass im Bereich des internationalen Steuerrechts Amts- und Rechtshilfeverfahren grundsätzlich gleichwertig nebeneinander stehen und es für den ersuchenden Staat keine Pflicht gibt, das eine oder andere Verfahren zu wählen ( Urs Behnisch , Aktuelle Entwicklungen in der Amts- und Rechtshilfe im Steuerbereich, in: Stephan Breitenmoser/Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.], Aktuelle Fragen der Internationalen Amts- und Rechtshilfe, St. Gallen 2009, S. 249 - 275, S. 250); im Zusammenhang mit dem vorliegenden Amtshilfeverfahren das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen bereits verschiedentlich als Beschwerdeinstanz angerufen wurde und entschieden hat (s. Urteile A-7789/2009 vom 21. Januar 2010 und A-4013/2010 vom 15. Juli 2010 );
- aus diesen Gründen die strittige Verfügung der ESTV vom 16. August 2010 weder unter Art. 17 Abs. 1 BG-RVUS noch unter Art. 25 Abs. 1 i.V.m. Art. 80 e Abs. 1 IRSG fällt; die umfangreichen Ausführungen in der Beschwerdeschrift zur Zuständigkeitsfrage daran nichts zu ändern vermögen und diese sich deshalb insgesamt und zusammengefasst als irrelevant erweisen;
- nach dem Gesagten die II. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts für die Beurteilung der Beschwerde gegen die Verfügung der ESTV eindeutig nicht zuständig ist; demzufolge auf die Beschwerde mangels Zuständigkeit nicht einzutreten ist (Art. 9 Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 30 lit. b SGG );
- die Beschwerdeführer gegen die Verfügung der ESTV vom 16. Au-
gust 2010 ebenfalls Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht erhoben haben (act. 1 S. 5), welches sich in seiner Zwischenverfügung vom
23. September 2010 zweifelsfrei zur Behandlung der bei ihm eingereichten Beschwerde zuständig erklärt hat (act. 3 S. 2); vor diesem Hintergrund
sich eine Überweisung der vorliegenden Beschwerde im Sinne von Art. 8 Abs. 1 VwVG erübrigt;
- die Beschwerdeführer bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten zu tragen haben (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 30 lit. b SGG ); für die Berechnung der Gerichtsgebühren das Reglement vom 11. Februar 2004
über die Gerichtsgebühren vor dem Bundesstrafgericht ( SR 173.711.32) zur Anwendung gelangt (Art. 63 Abs. 5 VwVG ); die Gerichtsgebühr vorliegend auf Fr. 2'000.-- festzusetzen ist (vgl. Art. 3 des Reglements).
Demnach erkennt die II. Beschwerdekammer:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.
Bellinzona, 14. Oktober 2010
Im Namen der II. Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin :
Zustellung an
- Rechtsanwalt Eric Buis
- Eidgenössische Steuerverwaltung, Task Force Amtshilfe USA
- Bundesverwaltungsgericht
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG ).
Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG ). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG ).
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